Öcher Platt – Manchmal ist dabei sein alles

Wenn man vorhat, sich ein wenig mit der Sprache in der Region auseinanderzusetzen, was wäre da passender als eine Stadtführung auf Öcher Platt. Alle paar Monate wird diese vom Aachener Tourismus Service angeboten. Als ich am Sammelpunkt am Elisenbrunnen ankomme, steht dort schon eine größere Gruppe ins Gespräch vertieft. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich um die Teilnehmer handelt. Trotzdem warte ich ein paar Meter entfernt. Es sind noch fünf Minuten bis zum Beginn und ich merke schon jetzt, es gibt eine Sprachbarriere. Für mich. Nur für mich. Als es dann losgeht, weiß ich, dass es tatsächlich die Gruppe ist und dass sie sich die ganze Zeit auf Öcher Platt unterhalten hat – nicht etwa auf einer fremden Sprache, wie ich zunächst vermutet hatte. Durch die Stadt führen Manfred Birmans und Leo Bardenheuer. Beide haben sich um die Aachener Mundart mehr als verdient gemacht und sind Träger des Aachener Thouet-Mundartpreises. Die zentrale Frage wird sofort gestellt: „Sind denn alle aus Aachen?“ Ich muss natürlich verneinen und werde auf Öcher Platt gefragt, was ich denn dort möchte, wenn ich denn gar nichts verstehe? Alles lacht, weil ich wahrscheinlich ein dermaßen großes Fragezeichen im Gesicht habe. Die Übersetzung folgt dann sogleich und ich erkläre, dass ich mir den Klang des Platts mal in Reinform anhören möchte. Ich solle mich melden, wenn ich etwas nicht verstehe, heißt es dann. Nun gut, würde ich das machen, dann müsste ich ständig meine Hand heben, denke ich.

Aber ich vertraue einfach darauf, dass sich mein Gehör etwas einfinden kann. Dabei hilft mir, dass ich vor einigen Wochen eine Architekturführung gemacht habe, die an denselben Stellen Halt gemacht hat. So kann ich dieses Wissen anwenden, um mehr zu verstehen. Aber es ist für mich eine besondere Erfahrung. Normalerweise versteht man als Süddeutscher die Dialekte, die nördlich liegen, einigermaßen gut. Schwieriger wird es dann in der Schweiz und in Österreich – also noch südlicher. Ich mache in Aachen eine Erfahrung, die ich eher selten habe: Einen Dialekt wirklich kaum zu verstehen. Leo Bardenheuer sagt mir später, dass die Süddeutschen aber immer noch mehr verstünden als Mitteldeutsche, weil viele Wörter ähnlich sind, wenngleich sie vielleicht anders ausgesprochen oder betont würden. Tatsächlich höre ich mich mit der Zeit in den Singsang ein. Viele Pointen gehen zwar an mir vorbei. Ich lache, weil das Lachen ansteckt. Aber ich habe nicht mehr nur das Fragezeichen auf der Stirn. Was kann ich also über den Dialekt sagen? In meinen Ohren klingt er eigenartig, aber irgendwie weich und lieblich. Das kommt durch die häufigen langgezogenen Vokale – viele Ös und Üs – und die meist weich gesprochenen Konsonanten. Sie machen den Klang sehr melodisch, auch der Rhythmus und die Betonung unterstreichen das Singsang-Artige nochmals.

Die Führung geht vom Elisenbrunnen zum Geldbrunnen und dann „rongs öm Mönster än Stadthuus“. Führung ist eigentlich gar nicht das richtige Wort, denn es scheinen sich alle Teilnehmenden zu kennen. Nicht nur die beiden Stadtführer erzählen Anekdoten – pardon Ameröllchen – auch ihre Zuhörer kontern mit Pointen, reißen Zoten und tragen zu der heiteren Stimmung bei. Es ist ein lustiges Zwiegespräch. Und das ist auch, was für mich trotz der Verständnisprobleme hängen bleibt. Man bezeichnet den Rheinländer nicht ohne Grund als Frohnatur, selbst sprachlich schlägt sich das Fröhliche nieder. Oftmals bleiben Menschen stehen und schauen unsere vergnügte Gruppe an. Sie hören ein wenig zu und vielleicht wundern auch sie sich, wie wenig sie verstehen oder vielleicht auch, wie lang sie das Platt schon nicht mehr auf der Straße gehört haben? Viele gehen schmunzelnd weiter.

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