Schreiben in Bewegung

Ort: quer durch NRW | Datum: Do, 31.08. 2017– Fr, 08.09.2017 | Wetter: Herbstanfang

Sie wischen am Fenster vorbei, halten stellenweise kurz inne, warten einen Moment, bevor sie weiterziehen: Münsterland, Ostwestfalen, Hellweg, Ruhrgebiet, Bergisches Land, Rheinschiene, Region Aachen. Städte und Stadtteile, Weiß auf dunkelblauem Grund. Daneben beschriebene und beklebte Bänke. Plakatwände auf Backstein und Beton. Aufgemalte gelbe Vierecke am Boden, von denen sich Rauchfäden gen Überdachung spinnen. Am Schotterrand des Bahndamms, unweit der Schienen, blüht der Schmetterlingsflieder. Vor Bahnhofsgebäuden, Industriebrachen und Fabrikskeletten dicke lilafarbene Blütentrauben.

Erstmals seit Beginn des Projekts lasse ich den Bulli eine Woche lang zurück. Eine Woche in fremden Betten. Fremde Vorhänge. Fremder Kaffee. Eine Woche voller Fahrpläne, Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Bus, S-Bahn, Straßenbahn. Taxis und Mitfahrgelegenheiten. Eine Woche lang quer durch NRW. Das Steuer nicht mehr in der Hand. Dafür Hände, Augen und Ohren offen für das, was ich sonst umfahren habe. Das Umsteigen. Das Warten. Fester Streckenverlauf. Kilometerlange Schienennetze und S-Bahn-Linien.

Tausche Mittelstreifen auf Asphalt gegen Betonsprossen auf Schotter.

Aachens Norden: das Depot. Noch ist es den TaxifahrerInnen nicht geläufig – in seiner heutigen Funktion. Ein Ort der Begegnung, des Austausches. Steigt man ins Untergeschoss, kreuzt man noch den Weg der Schienen. Einst trafen hier Busse und Straßenbahnen ein. Instandhaltung, Reparatur, Neujustierung. Heute sind es Interessierte, Autorinnen und Autoren sowie ProjektkoordinatorInnen, die Bergfest feiern. Zwischenfazit ziehen. Stadt, Land und Text präsentieren, begutachten, justieren. Und dann wieder raus, auf die Schienen, die Straßen, die Regionen.

Köln: Hauptbahnhof. Über den Rhein und die Hohenzollernbrücke, die mit jeder Liebesbekundung schwerer wird, fährt man auf ihn zu. Den Dombau. „Wennse vorne fertig sind, fangense hinten wieder an.“ Einfahrt in den Bahnhof. Der Verkehrsknotenpunkt zurrt sich zusammen. Am hinteren Ausgang die Bahnhofsbuchhandlung Ludwig, noch immer. Eine Lesung mit Koffertreiben im Augenwinkel. Nicht nur mittwochs schweift der Blick über Anzeigentafel, Bahnschalterschlange, Fahrpläne hinter Plexiglas, während das Ohr der Spur der Bücher folgt.

Am Rande Ostwestfalens: St. Vit. Ein ganzes Dorf in Bewegung: von Bobbycar-Rennen über Bambini- und Schülerlauf bis zu 4,8- sowie 10-km. START – Kreisfeuerwehrschule, Kirche, Kindergarten, Fichtenbusch, Friedhof, Flüchtendenunterkünfte – ZIEL. Fahnen schmücken die Straßen ringsum. Wer nicht mit seinem Laufen Gutes tut, feuert die rund 1000 LäuferInnen an. Musikgruppen, Cheerleader, Wasserstationen. Oder sitzt mit Nachbarn und Freunden an der Strecke. Auf der Bierbank vor der Garage. Bei Start- und Zielgeraden gibt‘s Kuchen, Kaffee, was Warmes.

Für die Sieger ein großes Weizenbier. Von der Brauerei um die Ecke. Ich bin fast zurück.

Über Land blickt man nachts durch Panoramascheiben ins Dunkel. Der Außenraum verwehrt ein Durchdringen, der Innenraum hell erleuchtet. Dazwischen die Funklöcher. Gegen Mitternacht nur noch wenige Blicke, die man treffen könnte. Während der Fahrt also erstmals wieder der Griff zu Tinte und Papier. Schreiben in Bewegung. Kugel und Räder rollen gleichmäßig. (Ge-)Schichten überlagern sich. Orte im Wandel. Momentaufnahmen. Zwischendrin Innehalten, erleuchteter Bahnsteig, Schotter und Schienen. Irgendwo im Dunkeln der Flieder.

Mehr von Claudia Ehlert

Qual der Wahl

Müsste, pardon, dürfte ich in Deutschland wählen, müsste ich am kommenden Sonntag tapfer sein. Verkatert aus dem Bett kriechen, mich im Spiegel gar nicht anschauen, ohne mir Wasser ins Gesicht zu spritzen, ohne Frühstück, ohne Gewissensbisse, einfach geradeaus, ohne Umwege zur Wahlurne marschieren und meine Stimme dem kleinsten Übel abgeben. Fertig.

Mitgefühl wählen? Why not?

Von kleinen und großen Übeln

Eine Woche vor dem Tag D. fliegt die flache grüne deutsche Landschaft vor meinen Augen in Zuggeschwindigkeit an mir vorbei. Ich sitze in der ersten Klasse der Regiobahn (dank der Großzügigkeit des „AVV„), fahre aus dem Heinsberger Land nach Aachen und studiere die frisch aufgenommenen Fotos in meinem Smartphone: Wahlplakate mit vielen Sprüchen unter dem bleigrauen Himmel von Übach-Palenberg, der Stadt mit dem „spröden Charme“, wie sie mein ortskundiger Begleiter nennt. Diese muss eine Qual für meine deutschen Freunde sein, die jetzt wählen müssen, pardon, dürfen:

Ins Neuland, mit Kai, dem Piraten?

Das schöne an den Wahlen sind die kleineren Übel. Sie sagen: „Freu Dich aufs Neuland! Für Freiheit! Für Sicherheit! Für Dich!“ – wie mich ein Babyface von Piraten anlächelt: „Barrierefreies Netz überall!“

Klingt tausend Mal besser als „Grenzen sichern“! Fast so gut wie: „Mitgefühl kennt keine Obergrenze! Wählt Menschlichkeit!“, ein schöner Spruch, den ich am Tag davor in der westlichsten Stadt Deutschland, in „Übach-Palenberg“, an der Eingangstür der örtlichen Caritas registriere.

„Mieten, die bezahlt sein müssen“, „Die Linken“ scheinen zu wissen, was ihre Wähler am meisten kratzt. Wie sie aber den Mieten-Wahn in den Großstädten stoppen wollen, sagen sie nicht.

Netze überall! Mieten zahlen überall!

Drei Meter über die Erde hängen die AfD-Sprüche auf den düster blauen Plakaten, die in das Bleigrau des Himmels über Übach-Palenberg  übergehen: „Deutsche Grenzen sichern!“, „Schuldenunion stoppen!“,  „Asylchaos stoppen!“

   

Oh, Gott! Grenzen! Stoppen! Deutschland! Deutschland! Fast überall! Wo ist da die Alternative? Mut für Deutschland? Was ist mit dem Rest der Welt? Die deutsche Grenzen sichern? Wo? Gleich hier in Übach-Palenberg beginnen? Am ungeschützten Grenzübergang zu den Niederlanden? Wie stoppen? Mit Waffen?

Wer ist der kleine „man“, der alles kann?

„Kinderarmut kann man klein reden. Oder groß bekämpfen!“, darum Grün! Schöne grüne Sprachspiele mit dem Modalverb „kann“, das weder verspricht noch verpflichtet. „Oder“? Darum weiter!

„Damit die Rente nicht klein ist, wenn die Kinder groß sind“. Die Sozialdemokraten haben ihre Gerechtigkeitsthemen gefunden.

Mehr Gerechtigkeit, weiter mit Angela?

Damit sie mit Angela, sie strahlt mit einem unwiderstehlichen Lächeln von den riesigen Plakaten „ Erfolgreich für Deutschland!“ in den nächsten vier Jahren regieren können? Pardon, wollen, sollen, dürfen…?

***

Stammtisch-Probe-Sitzen im Wunderland

Wen werden die beiden deutschen Männer, die nicht unterschiedlicher sein können, wählen, die an meinem ersten „Stammtisch im Wunderland“ , einer Art wandernder Installation, mir zu Probe saßen? Es ist drei Monate her, die Nacht als ich meine Koffer nach Aachen gepackt habe.

Mein Gatte, ein frisch getaufter Genosse, der von seiner ersten Parteisitzung zurückkommt und mit mir bei einem Bier aufgeregt „The Wind of Change“ besprechen will, hat gar keinen Bock auf die beiden wildfremden Männer, die sich zu uns setzen. Ich habe sie angelächelt, aus Versehen, sie mit zwei Witzfiguren aus meiner Heimat verwechselt. Einer, groß, gebückt, unglückliche Augen, leidend unter Trennungsschmerz, wie ich nach exakt einem Bier von ihm persönlich erfahre. Seine peruanische Frau habe ihn, den Pendler zwischen Köln und Aachen, verlassen, weil sie auf ihn nicht mehr alleine zuhause in Köln warten wollte. Sein alter Kumpel aus der Schulzeit, der früher den Balkan als Freiheitsraum und Fluchtort für sich entdeckt hatte, hat die Ehre mit seinem untröstlichen Freund von einer Kneipe zu anderen zu ziehen. „Dat Bier hilft immer!“, meint der Tröster, „Hanni“, wie er sich vorstellt. Er, der ewige Single im 35. Semester Griechisch, Bulgarisch und Rumänisch. Zur Zeit stemple er beim „Onkel Harz 4“, bestellt uns alle eine Runde des dunklen wilden „Exoten“ aus Tschechien, original Prager Bier.

Sex und Religion

Der Tscheche aus der Flasche macht aus uns Experten für alle wichtigen politischen Fragen der Zeit. Hanni stürzt sich auf Angela, „den Mafiaboss mit mädchenhaftem Lächeln, die ihre Feinde meisterhaft verschwinden lässt“. Mein deutscher Mann lobt Martin, den Messias, mit dem er nicht nur die Partei, sondern auch die Gerechtigkeit in Deutschland retten will. Merkel könne mit Kritik umgehen, meint er, weil „sie die Kritik umgeht“.

„Vergiss es!“ sagt der kleine dicke Hannes abwertend.

„Gerechtigkeit ist mit DER Partei nicht mehr zu holen.“

Hannes ganze Familie habe traditionell seit Jahrzehnten Rot gewählt, jetzt seien sie aus Protest und Wut alle ausgestiegen.

Wohin seien sie übergelaufen, will ich fragen, beiße mir aber auf die Zunge. Wählen ist eine zu private Sache, erinnere ich mich. So wie Sex und Religion…

Der traurige Manni will sich irgendwie auch an der Diskussion beteiligen und entlarvt Erdogans Wirtschaftswunder. Ohne Deutschland hätte der „Sultan“ gar keine Chance am Bosporus gehabt, sagt er.

„Dank den anatolischen Türken in Deutschland, die hier von Harz IV leben, kann Erdogan jetzt sogar die Todesstrafe einführen“, fügt Manni hinzu: „Ja, das schaffen wir auch noch!“ sagt Hanni. „Ganz alleine… ohne Putin und Donald“.

Die bosnische Lösung

Ich will die ernsthaften Männergespräche ein wenig dämpfen und erzähle einen Witz von Mujo und Haso, die beiden Bosnier, an die ich gerade dachte als Manni und Hanni hereinkamen und ich sie anlächelte.

Die Lage in Bosnien – Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption – Mujo und Haso zerbrechen sich gerade den Kopf, wie sie ihr Bosnien retten könnten: Haso dreht den Kopf besorgt: „ …zuerst gab es den blöden Krieg, dann kam die Privatisierung, nun müssen wir mit dem brutalen Kapitalismus klar kommen..!“ Mujo streicht sich mit dem Zeigefinger über die Lippen:

„Ach, vielleicht gibt es eine Lösung…“ sagte er.

„Welche?“

„Ein Krieg könnte uns retten! Einer gegen Amerika.“

„Was? Bis Du irre? Ein Krieg gegen die Supermacht der Welt??“ protestiert Haso.

„Genau! Deswegen!“ sagt Mujo. „Gewinnen wir den Krieg gegen diese Supermacht, werden wir Amerika! Verlieren wir ihn, werden wir es auch!“

Die drei deutschen Männer lachen zögerlich über die seltsame Logik der beiden Bosnier und ich glaube, ich muss einen besseren Witz erzählen und bin schon bei dem Cheffe und seiner Muse, Donald und Melania, dem Schreckenspaar aus dem weißen Haus, meinem neuen Albtraum und dichte einen alten Mujo-Haso-Fata-Witz um.

Diagnose: Love, Donald 

„Melania leidet, isst kaum noch, wird immer dünner, schaut traurig, geht von Arzt zu Arzt, doch alle Befunde scheinen in Ordnung zu sein. Als sie von einem Frauenarzt untersucht wurde, will der Arzt unbedingt Donald, ihren Ehemann sprechen:

‚Donald, Ihre Frau ist, wissen Sie, eigentlich gesund’. Pause. Langer Blick. Einfühlsame Stimme. Die Diagnose: Melania braucht Love, ein bisschen Liebe, Zuneigung, Zärtlichkeit, Sex!’

Donald verkrampft sich, schaut mürrisch, sagt nichts, geht raus. Im Wartezimmer sitzt die traurige Melania, knetet ihre langen Finger nervös und fragt: ‚Donald, was hat der Arzt gesagt?’ ‚Nix Gutes!’ meint der mächtigste Mann der Welt. ‚Dir ist, Melania, nicht mehr zu helfen…!“

Ich lache alleine. Die deutschen Männer an meinem Stammtisch sagen „ha-ha-ha“. Meinen bosnischen Humor verstehen sie nicht. Es ist spät, aber sie geben noch einmal alles und setzten ihre ernsthafte, deutsche Analyse fort:

„Schuld an Donald sei das System“, sagt mein deutscher Mann. Das Wahlsystem sei in Deutschland besser als in den USA. „Hillary hatte mehr Stimmen. Eine Millionen mehr…“

„…aber was macht den Unterschied…“, sagt Hannes. „Donald oder Hillary ?… Alles gleich..!“

„Alles gleich???“, regt sich mein deutscher Mann auf. „Wie meinst du das?“

Verschwörungstheorie 

Donald sei eine Witzfigur in den Händen der Weltwirtschaftsmafia. Amerika stecke in den Händen gefährlicher, dunkler Mächte. Donald sei wie Hillary. Ohnmächtig dagegen. Auch er werde von „den dunklen Mächten“ regiert. „Den Drahtziehern!“, so Hannes Theorie.

Manni, der Wirtschaftsexperte, sagt nichts. Er nickt brav vor sich hin. Ob er genau hört, was sein Freund sagt, oder noch in Peru nach seiner Liebsten sucht, die auf ihn nicht jeden Tag warten wollte und in ihre Heimat floh, ist nicht klar.

„Unsinn!“, höre ich meinen deutschen Mann protestieren. „Verschwörungstheorien!“ sagt er. „Wer sind die dunklen, geheimen Mächte?“ fragt er völlig aufgeregt. „Wer???“

„Das kann ich Dir, mein lieber Freund, nicht einfach so sagen. Es ist zu gefährlich!“ flüstert Hannes und kippt den letzten Tropfen des fünften Bieres hinunter.

„Ach, gefährlich? Für wen gefährlich? Was sind das für geheime Mächte! Wer? Sag!“

Hannes dreht feierlich den Kopf.

„Das kann ich leider nicht sagen…“, wiederholt er

Hahn & Hase

In meinem Kopf dreht sich alles vom Bier, lauten Männerstimmen und Stammtischverschwörungen. Ich will nach Hause gehen. Ich will die ganze Bierphilosophie beenden und höre mich sagen:

„… Nicht Juden etwa…oder meinst Du es vielleicht doch?“

Hannes schaut mich verblüfft an, wendet sich zu Manni:

„Siehst Du…?“

Meine Antwort scheint ein Volltreffer zu sein.

„Ach, die Juden und die Weltwirtschaftskrise? Das hatten wir schon mal! Damals in…“, höre ich meinen deutschen Mann protestieren.

„Ja, auch heute in Deutschland regieren sie im Hintergrund!“ sagt Hannes.

„Blödsinn!“ explodiert mein deutscher Mann.

In Deutschland erkenne man sie heute noch an ihrem Namen. „Sie heißen Hase, Fuchs oder Hahn“.

Ich muss laut lachen. Die mütterliche Seite der Familie meines deutschen Mannes heißt tatsächlich Hahn. Und er isst am liebsten bei einem „Hasen“ in Köln.

„Also, so wie wir…! Mein deutscher Mann kommt von einem Hahn… Und ich bin ein Hase“, höre ich mich rufen.

Hannes bekommt große Augen. Mein deutscher Mann springt vom Stuhl und geht. Ohne sich zu verabschieden. Ohne auf mich zu warten.

Besser er geht als dem kleinen, dicken Hannes mit den dünnen Löckchen eine zu knallen, denke ich mir, trinke mein Bier aus, winke den beiden Männern noch einmal zu und folge brav meinem deutschen Mann.

Deutschland ist dran

Ich solle lieber besser aufpassen… warnt mich mein Mann, als er am nächsten Tag den Löffel in die Hand nimmt und mein liebevoll zubereitetes Müsli mit Mango dann doch noch berührt. Wenn ich so weitermache, dem oder dem einfach so zuwinke…, ziehe ich noch das ganze Unglück Deutschlands auf mich, meint er.

„Jetzt ist es sowieso zu spät!“, kontere ich.

„Hätte ich immer aufgepasst, wäre ich gar nicht bei Dir gelandet…“, lächle ich und zwinkere ihm, meinem deutschen Mann, zu.

„Du bist mein Schicksal! Ohne Dich bin ich verloren…“, sagt er.

„Nun ist Deutschland dran!“ sage ich und gehe in mein Zimmer, meinen Koffer nach Aachen zu packen…

***

Kleiner Kim, große Bombe 

In der Aachener Fußgängerzone in der Pontstraße im Café Kittel, hinter dessen großen Scheiben ich den letzten Schluck meines Café au lait koste, wimmelt es von Studenten, Hipstern und Zukunft. Wen werden sie wählen? Müssen? Dürfen? Können? Wie gucken sie auf die Welt? Auf ihre Zukunft?

Meine Zukunft übt in Aachen seit drei Monaten die Welt zu entziffern. Inzwischen ist die Welt dreimal auf die Stirn gefallen. Der kleine Kim aus Nordkorea scheint unseren bosnischen Witz buchstäblich zu verstehen, will den Amerikanern den Krieg erklären und lässt ständig Atombomben über Japan fliegen. Donald scheint überfordert zu sein. Auf der einen Seite dieses irre Babyface mit der Atombombe, auf der anderen Hurrikans und Tornados, die Amerika verwüsten. Er rennt nur mit seiner Melania in Gummistiefeln umher und verteilt viele große Sprüche. Und Martin, der Genosse aus Würselen, der im Frühjahr wie ein Messias durch die Bundesrepublik zog und jeden, inklusive meines deutschen Mannes, mit dem „Wind of Change“ ansteckte, wirkt nun neben Angela wie eine ermüdete Witzfigur.

Natürlich ist weder das Rentensystem noch der Pflegedienst in Deutschland ohne uns Einwanderer zu retten, brüste ich mich bei den Genossen, deren Wahlbroschüre über Rentenprobleme ich in der Hand halte und zwischen vielen Worten und Statistiken zu verstehen versuche. Ich falte die Zeitung zusammen, stehe auf, gehe zur Theke. Plötzlich spüre ich einen stechenden Blick im Nacken. Ich drehe mich um und erkenne ihn sofort, den gebückten Riesen mit großen Augen, umrandet mit tiefen Schatten:

Manni! Die unselige Bekanntschaft aus der Kölner Kneipe meiner Probe-Stammtisch-Phase, der Pendler zwischen Köln und Aachen, meiner alten und der neuen Welt.

Genosse oder Spion

Er wirkt gelassener, als ob er ein paar Steine aus seinem schweren Rucksack inzwischen entleert hätte, und er trägt eine rote Krawatte.

„Genosse oder Spion?“, will ich in meiner direkten Sarajevo-Art raushauen, doch dann beiße ich mir wieder einmal auf die Zunge. Ja, Politik ist zu privat, so wie Sex und Religion.

„Manfred? Du siehst gut aus. Hast Du gute Nachrichten aus Peru?“

„Ja, das habe ich…“ sagt er und seine Augen fangen an zu leuchten.

„Meine Frau hat sich gemeldet!“

Sie haben sich versöhnt. Nach zwei Monaten dürfe er sie abholen. Er wolle sie nicht wieder verlieren, er habe eine Wohnung in Aachen gefunden…

„Einen Tag nach den Wahlen ziehen wir um…“

„Und Hanni? Wirst Du ihn nicht vermissen?“ frage ich noch so nebenbei.

„Neeee“, zieht er leise die Vokale lang. Es ist ihm unangenehm. Sein Blick klebt am Boden.

„Es hat mich gefreut!“ sage ich. „Und vielleicht bis bald. Mit Deiner Frau in Aachen!“…

Mehr von Slavica Vlahovic

In der Zeitmaschine – Alt Breinig: Von den Römern zum Schimanski

Die Steine in Alt-Breinig erfinden sich  immer wieder neu. Wie Phönix aus der Asche. Ein Sprung in die Geschichte mit meiner Zeitmaschine.

Eine Straße wie eine Hollywoodkulisse des Mittelalters. Jedes Haus eine Historie aus Stein. Aus Blaustein. Dazwischen der Glanz der frischen Fugen, neuen Fenster, gutes Fachwerk. Alles riecht nach Aufbruch, Euphorie. Prestige. Fast alles.

Steine, Steine, Steine, Alt-Breinig

Alt-Breing entdecke ich ganz zufällig, nach dem Chaosprinzip. Dank meines alten Navis, das den kürzesten Weg nach Stolberg suchen soll. Das graue Gerät aus den Pionierzeiten des GPS verwirrt sich zwei Mal, führt mich zu „Dorff“, mit zwei „f“ geschrieben, weiter nach „Venwegen“, das ich mit meiner Eselbrücke als „von wegen“ registriere, nach „Zweifall“, wo ich, der Fall, langsam verzweifle, mir so aber den neuen Namen sofort merke. Ich schüttle den Kopf, tippe dass neue Kommando, „schnellster Weg, bitte“, und das Gerät verwandelt sich in eine Zeitmaschine. Bringt mich ins Mittelalter. Ich sehe ein Ensemble aus Stein, Sorgfalt und Fleiß.

Ich bremse, steige aus dem Auto, staune.

Eine ganze Straße, ein ganzer Straßenzug, alle Häuser wie Steinskulpturen. Kilometerlang… ein Denkmalschutz-Paradies!

Ich knipse, knipse, knipse. Wie im Rausch.

So eine Steinkulisse habe ich selten gesehen. In Deutschland noch nie. Grober, heller Kalkstein, viele neue Fuge, Fenster frisch gestrichen, eine Installation.

Ich, der Alien im Wunderland, ziehe meine Antenne aus, schalte mein Smartphone an, tippe „Alt-Breinig“, Google sucht, Wiki spuckt, ich scanne, kürze, interpretiere: Breinig , ein Dorf im Münsterländchen, seit 1972 ein Stadtteil von Stolberg in der Stadtregion Aachen. Es liegt im Vennvorland in der Nordeifel.  Die Einwohnerzahl = 5.875. Häuser aus „Bruchstein“ bzw. „Blaustein“ vom Steinbruch „Schomet“, inzwischen stillgelegt, heute Naturschutzgebiet im Hohen Venn in der Nordeifel. Eifel, der jüngste Nationalpark Deutschland.

Das digital auf einen Klick erworbene Wissen füllt die analogen Lücken in meinem Kopf. Analoges Staunen, digitales Erkunden, dann neues Kommando: Alt-Breinig. Ursprung. Geburtsstunde.

Meine Zeitmaschine springt sofort an, bringt mich ins Anno 1303. Ich steige auf einer weiten Wiese aus, vor mir Felsen, dahinter milde Hügel. Es wird laut, zu laut für mich, hunderte Männer um mich herum schlagen auf Steine. Die jungen, kräftigen Handwerker, Steinmetze, lange Bärte, Muskelpakete, verkleinern die großen Steinstücke. Die anderen Männer, schmächtiger, älter, mischen und rühren Erde und Wasser, bevor sie Steine aufeinander zu stapeln beginnen. Heiter rufen sie einander zu, schimpfen, lachen, ich verstehe keinen Buchstaben.

Ich frage meinen Assistenten, den Google.

Sein Archäologe aus Anno 1999 meint, Breinig sei älter, viel, vieeel älter. Ich solle weiter zurückschauen. Ich steige in meine Zeitmaschine wieder ein, starte den Motor, drehe den neunten Gang und flieeeeeeege durch die Zeit, weg in die Vergangenheit. Zu den alten Römern in Breinig. Als ich aussteige, sind sie schon fleißig am Werk. Gerade bauen ihre Hunderte Sklaven eine lange römische Straße, die von Nordfrankreich über Belgien nach Gressenich, Düren und Köln führen soll. Der Ubier-Stamm aus Kölle kann es kaum abwarten. Seit Jahren fiebern sie, dass die Römer endlich kommen, sie hätten gehört, die Römer bauen nicht nur die Straßen gut, sondern auch Wasserleitungen. Der Cesar könne persönlich kommen, um dat Colonia römisch einzuweihen. Sie warten auf ihn mit Kamelle und Strüssjer…

In Breinig, damals im Embryostadium, fangen  entlang der neu erbauten Straße kleine, tief gelegene Steinhäuser zu sprossen. Die erste keltisch-römische Siedlung wurde aus dem gleichen ortstypischen Blaustein gebaut, wie die Häuser in Breinig zweitausendzweihundert Jahre später.

Ich, im Entdeckungsrausch, fliege weiter, steige im Anno 881 aus. In Breinig marschieren Krieger, Wikinger und Normannen. Sie gucken böse, plündern, zünden Häuser an, töten Menschen. Die Menschen schreien, Steine brechen, glühen, werden schwarz.

Ich glotze, erschrecke, nehme die Beine in die Hand und fliehe aus dem Alptraum. Im siebzehnten Gang komme ich im Anno 1648 wieder nach Breinig. Keine gute Idee.

Breinig steckt mitten im 30-jährigen Krieg, wird geplündert. Die Breiniger gründen eine Art Bürgerwehr. Gut so. Ich fliege weiter, mache Stopp im Anno 1756. Es ist der 18. Februar, eisig kalt, Schnee, ein Meter hoch, Sibirien. Die Straßen glänzen in der Sonne und  im Schnee. Die Häuser aus alten und neuen Steinen auch.

Stille. Friede. Dann Krach. Der Boden bebt. Die Häuser auch. Ein starker Erdstoß. Die Steine stürzen. Menschen rennen auf die Straße, schreien.

„Oh Gott…“ Mein schlagendes Herz rutscht in die Hose, ich rette mich in die Zeitmaschine, schalte dann in den 32ten Gang…

„Krieger, Eroberer, Götter… Haben sie alle einen Knall?“,

Ich bin wütend. „Was machen Sie für dummes Zeug? Schlagen, bauen, plündern, zünden, zerstören, wieder aufbauen… immer hoch und runter… das komische Spiel verstehe ich nicht. Das will ich auch nicht verstehen. Punkt.“

Ich habe die Nase voll. Google und Wiki, die beiden Besserwisser, lasse ich hier lieber aus dem Spiel. Ich fliege weiter. Alleine. Ohne sie. Und lande im Jahr 2005.

Es ist ein schöner sonniger Tag. Hektik auf der Straße. Stimmen laut, heiter. In Alt-Breinig herrscht gerade ein gewisser Schimanski mit dickem Schnurrbart und legerem Gang. Der neue Eroberer marschiert grinsend durch die Straße. Von beiden Seiten protzen die Steinhäuser. Vier Kameras sind auf den Herrscher gerichtet. Er verfolgt einen Mann mit einer schwarzen Tasche. Die Sonne steht hoch, er schwitzt, eine Frau mit einem Pinsel und Pulver in der Hand rennt zu ihm… ““Klappe!“ schreit ein Mann hinter der Kamera.

Ich verstehe nix, rufe „Wiki“ an, sie weiß es. Besser. Besser so.

„Sünde“ war ein Fernsehfilm aus der Kriminalreihe „Schimanski“ der ARD. 13. Folge, mit Götz George in der Hauptrolle belehrt sie mich unkompliziert.

„Ach so…DER Schimanski…“ staune ich. Den kenne ich…

„Klappe!!! Kamera läuft…“ Der Götz, frisch gepudert, rennt, schreit. Umsonst. Die Szene wird noch zwei mal abgebrochen. Götz ist sauer, er schwitzt noch mehr, jetzt will er kein Puder, er will weiter machen, muss den Fall aufklären.

Wer ist der Mörder?

Der aus dem Gefängnis in einem belgischen Wald entflohene Ehemann, der von einem Professor entdeckt und in seiner Hütte einquartiert wurde? Oder ein neugieriger Lokaljournalist, der sich als Liebhaber der toten Frau entpuppt? Was hat der Sohn, der bei seinen strenggläubigen Großeltern wohnt, damit zu tun?

Ich schaue wie gebannt, fiebere mit, will Schimanski einen Tipp geben. Seine „Sünde“ hat mich völlig gepackt.

Doch dann packt mich eine andere Hand an der linken Schulter und holt mich direkt in die Zukunft zurück in das Jahr 2017.

Ich stehe vor einer Steinkirche in Alt-Breinig, vor der noch gerade Schimanski mit einem Kruzifix in der Hand zwei Männer, die auf ihm losgingen, zusammenschlug.

Stille Liebe

Vor mir steht jetzt mein deutscher Mann. Er schaut mich besorgt an, zwickt mich in die Wange:

„Wat ist los? Wo steckst Du die ganze Zeit?“ will er wissen. Er habe mich überall gesucht, erfahre ich.

…Oh, Gott. Was soll ich ihm nun sagen? Die Wahrheit besser nicht! Dass ich auf eine Zeitreise von 1303 zurück zu Römern war? Dann noch hin zu den Wikingern, irgendwann hinein mitten in den 30-jährigen Krieg? Dass ich ein Erdbeben überlebte? Und gerade eben noch zusammen mit  einem Schimanski am Tatort?  Nein! Auf keinen Fall. Nicht mal im Traum…

Ich will ihn, meinen deutschen Mann, nicht in Sorgen versetzen. Ja, er weiß, ich übertreibe, spinne, phantasiere, aber wo war ich wirklich, als er mich überall gesucht hatte?

Auch will ich ihn nicht ärgern. Ich solle ihn, meinen deutschen Mann, endlich mal ernst nehmen, nicht immer warten lassen…

„Ach, sorry, ich war kurz in der Kirche, habe mir gerade von Google und Wikipedia in Ruhe alles über diese unglaubliche Steinkulisse erklären lassen…“ sage ich.

„Ja, schön, die Straße…“ findet er auch. Er habe nicht gewusst, dass in der Gegend noch so etwas zu entdecken gäbe.

„Sehr französisch… wie die Provence in den 80ern“, meint er dazu.

Das höchste Kompliment meines deutschen Mannes. 80-er… französisch… die Zeit, die ich nur aus seinen Erzählungen kenne. Als er jung und knackig mit einer Anderen auf Entdeckungsreisen sein Frankreich auseinander nahm.

„Meine Diplomarbeit habe ich genau in so einem Haus damals geschrieben…“ sagt er.

„Ich finde, ein bisschen wie Istrien heute…“

So hole ich ihn in die Zeit mit mir.

An der Kreuzung registriere ich ein Gasthaus aus verwittertem Stein und verblassten Fugen. In meinem Magen bebt die aufregende Zeitreise durch Alt-Breinig. Ich bin müde, habe Durst. Und einen Bärenhunger. Doch die „Stille Liebe“ gähnt, hat Ruhetag.

Steinmetze von Alt-Breinig

An der Kreuzung stehen zwei junge Männer, kurze Bärtchen, Käppis. Der Fröhliche mit weißem Käppi, der andere grimmig mit schwarzem, Brille mit dunklem Rand, linker Arm in Gips. Hinter ihnen Steine zu  einem Dutzend halbfertiger Grabsteinen aufgereiht.

„Zur Treppe“, das Restaurant gegenüber der Kirche, habe auf, sagen sie. Mein Smartphone meint: So-la-la. Nur die Raucher dürfen draußen sitzen, die Nichtraucher müssen hinein gehen egal bei welchem Wetter, berichtet mein digitaler Besserwisser.

Es ist heiß, mein Magen jault und ich bin schon lange Nichtraucherin. Mein Blick scannt einen schmalen, sandigen unebenen Grabstein hinter den Jungs, an dem viele sehr verdächtigte Zeichen, geheime Linien und alte Buchstaben eingemeißelt sind.

„Wat ist das denn?“, staune ich, befürchte, dass hier schon meine Verwandten gewesen sind, die Außerirdischen.

„Ach, die Pilger…“ meinen die Jungs entspannt. Alt-Breinig sei ein Pilger-Stop, liege direkt am Jakobsweg. Am Wochenende wimmle es hier von Menschen aus der ganzen Welt, erzählen sie voller Stolz.

Und tatsächlich  auf dem Boden, auf vier Steinplatten lese ich: „Santiago de Compostela – Breinig 2516 km“.

„Früher wohnten hier die ärrm Lü„, meint der Junge mit dem gebrochenem Arm.

„…Ja, viele Steine, wenig Brot“ , sagt der andere.

„Aha…“

„Und weißt Du, was die Grundstücke jetzt hier kosten? 350 Euro pro qm !!!“

„Santiago de Compostela – Breinig 2516 km“

Eine neue Station für meine Zeitmaschine entsteht gerade.

„Von Minus zu Plus“ eine neue Folge der „Alt-Breinig-Serie“ demnächst…

Mehr von Slavica Vlahovic

KUNST 4me – die Ballerina, der Clown, die Kubaner

Heute habe ich vor allem virtuell existiert. Zehn Stunden lang hing ich am Netz. Wie ein Junkie. Nein, ich bin kein Suchtmensch, keine computergestörte Persönlichkeit, nehme keine Tabletten, keine Drogen. Ich bin völlig normal. Ganz von dieser Welt. Ich esse Fleisch, trinke Milch, Kaffee, Tee, Wein und bin immer online und update. Täglich lade ich mein Smartphone und meinen Computer, checke meine E-Mails, meine Homepages, meine Klicks in Facebook… Twitter, LinkIn, Xing, meine 27 Passwörter.

Ich surfe, also bin ich

Mein analoges Postfach – das gibt es auch noch – leere ich auch regelmäßig, falls überhaupt noch etwas kommt. Manchmal sehe ich sogar den Postmann persönlich.

Heute habe ich niemanden gesehen. Heute regnet es den ganzen Tag. Ich surfe im Internet.

Ich sitze in Aachen in einem großen Haus mit vier leeren Wohnungen, ganz alleine. Es ist still; ich höre meinen Atem, meine Därme und auch meine Fingerspitzen, wie sie fleißig auf die Tastatur tippen. Düster, könnte man denken. Ist es aber nicht. Dank einer Ballerina, die im Hof einen Clown spielt. Oder eines Clown, der in die Haut einer Ballerina will.

Vor meinem Fenster: Eine Ballerina, die einen Clown spielt

Ich habe ihn (oder war es doch sie? oder es?) schon am ersten Tag beim Aufwachen in der Scheibe des geöffneten Fensters erwischt. Seinen (ihren?) zerknitterten Blick, der verzweifelt nach Umarmung bettelt, der sich in der Scheibe spiegelte, habe ich zuerst ignoriert. Er stand eine Weile in meinem Fenster und zog sich gegen Mittag geräuschlos zurück. Als ich am Abend in den Hof blickte, sah ich ihn in der hintersten Ecke auf der Spitze seines linken Beins balancieren.

Im Fenster: Er, sie, es…

Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufmachte, stand er wieder in meinem Fenster mit demselben Hundeblick und einer winzigen Träne unter dem rechten Auge.

Was macht er, der Clown in dem Ballerina-Gewand (oder umgekehrt) im Sommer vor meinem Fenster? Was will er von mir? Warum hat er seine zarten Hände in übergroßen Handschuhen versteckt? Warum blickt er so traurig, warum schaut er so verloren aus?

„Hi Kumpel, wat is’ loss? Alaaaaf in Aachen!“, versuchte ich ihn aufzumuntern.

Er schwieg, stand weiter auf seinem eleganten, langen Ballerina-Bein vor meinem Fenster, ganz gerade, wackelte mit dem anderen Bein ein paar mal, ganz kurz, kaum sichtbar, seinen Guten-Morgen-Gruß und schaute mich weiter ruhig, traurig, zugewandt, bettelnd an. Bis zum Mittag hörte er nicht auf, mich auf Schritt und Tritt zu verfolgen.

Er tat mir leid. Aber was könnte ich ihm geben?

Der neun Meter lange skurrile Riese aus Kunststoff, der im Hof bei Hitze, Sturm und Regen auf einer Zehenspitze mit breit geöffneten Armen geduldig steht, als ob er auf seine Angebetete wartet oder auf Gnade hofft, obwohl er im Voraus weiß, dass alles umsonst ist, dass die Angebetete schon längst an einen Anderen vergeben wurde und die Menschen gnadenlos sind, tut er immer noch so, als ob er seine Hoffnung nicht verloren hätte. Als wolle er diesen Moment der Verzweiflung, bevor die erste Träne der Erkenntnis aus dem bettelnden Blick zu fließen beginnt, einfrieren; um uns in unserer wahren Natur zu erreichen, uns mit unseren Zweifeln, unserer Vergeblichkeit, unserem Versagen versöhnen.

Warum blickt er so traurig, warum schaut er so verloren aus?

Als er am vierten Morgen wieder in meinem Fenster steht mit diesem Magenstecher-Blick, winke ich ihm zu.

Ich nenne ihn Sebastian Rose, nach zwei Engeln, die ich früher jederzeit telefonisch erreichen konnte, bevor sie gingen.

Er sei seinem Vater Borofsky wie aus dem Gesicht geschnitten, sagen alle, die seinen Vater kennen. Ich kenne seinen Vater nicht. Ich surfe im Netz, will alles von ihm, meinem neuen Freund und seiner Familie erfahren.

Borofskys Baby, Ludwigs Muse, mein Freund

Er, neun Meter lang, sechs Meter weit ausgestreckte Arme, wurde 1991 nach Deutschland als Attraktion für das damals neu eröffnete Aachener Ludwig Forum für Internationale Kunst geholt. Das Ehepaar Ludwig sollen den Kerl ins Herz geschlossen und sofort adoptiert haben. Sein Schöpfer Jonathan Borofsky, habe ihn, die gespaltene Figur, tatsächlich nach seinem Ebenbild geschaffen. Als „zweigeschlechtliches Wesen mit Attributen des Entertainers“, als Selbstporträt des Künstlers. Ludwigs Ballerina-Clown habe auch eine Zwillingsschwester/Bruder in Kalifornien. Auch sie/er lebe als Riese unter offenem Himmel, aber er habe es schon wegen des viel milderen Klimas viel einfacher im Leben.

Die zierliche Ludwig-Tänzerin, lange, elegante Beine, schmale Taille, enge Schultern, auf denen der schwere, nachdenkliche Clownskopf, auf dem ein roter, massiger Hut lastet, klebt an meinem Fenster. Was steckt in ihrem Kopf?

Sie schmuggelt sich, sobald ich meine Augen schließe, in mein Bett. Sie, die dünne Ballerina, zieht seine schlampigen, weißen Handschuhe aus und umarmt mich mit ihren zarten Händen. Er, der Clown, schaut mich mit seinen dicken traurigen Kopf an und ich höre, wie sie zueinander gefunden haben. Die Bühne. Ein Drama.

Auf den Holzbrettern, für die sie seit je atmen, wo sie tanzt und er trottelt, begegnen sich ihre müden Blicke. Sie verstehen sich sofort. Voller Lust, Leid und Leidenschaft da zu sein, perfekt sein. Für die Kunst. Für die anderen.

In der Nacht schmerzen ihre Füße, ihr angeklebtes Lächeln auch. Sie sehnt sich nach ihm, dem lustigen Clown, der sich auch Sturz, Schmerz und Tränen gönnen kann. Sie schleicht sich in sein Zimmer. Er sitzt gerade vor dem Spiegel und wischt sich die dicke Schminke vom Gesicht. Sie, barfuß, von Sehnsucht gepackt, nähert sich ihm. Sein Gesicht, gerade vor der Schminke befreit, guckt ihn blass, müde, erschöpft an. Sie steht hinter ihm, er sieht sie nicht. Sie will ihn berühren. In diesem Moment tropft aus seinem linken Auge eine echte Träne. Ihre Blicke treffen sich. Im Spiegel. Er erstarrt, fühlt sich nackt, sie auch. Er dreht sich um und umarmt sie. Leidenschaftlich, fest. Sie verschmelzen. Für immer. In ein Wesen.

Ich habe Angst, einzuschlafen. Wenn ihre und meine Tränen ausbrechen, könnte die ganze Stadt in unserem Schmerz ersaufen.

 Was ist Kunst? Was ist Kitsch?

Kunst? Kitsch? Wo ist die Grenze zwischen Kunst und Kitsch? Das frage ich mich jedesmal, wenn ich vor den beiden stehe, auch wenn ich sofort, als ich sie sah, sicher war, die beiden sind Kunst. Woher und wie ich das aber weiß, traue ich mich nicht, sie zu fragen; ich fürchte, meine viele Fragen könnten sie verletzen.

Eines aber weiß ich: seit ich Sebastian und Rose kenne, weine ich und lache ich ohne Schuldgefühle.

Keine  Zweifel. Kunst!

Die Kopie ihrer/seiner Geburtsurkunde, die mir ein freundliches Gesicht in der Museumbibliothek in die Hände druckt, bestätigte das in klaren, kunsthistoriker-sachlichen Gutachter-Worten: Kunst!

„Viele Antagonismen… in dieser Gestalt: das Männlich-Weibliche als Gegensatz und als untrennbares Eines zugleich. Das Klassische der hohen Kunst – des Balletts – tritt gegen  das Banale des trivialen Entertainments – der Revue – auf und erweisen sich dennoch als Bestandteile einer gleichen Welt.“

 Kubaner, die Nachfolger

Nun höre ich neben meinem Atem und dem Tippen meiner Finger auf dem Laptop angenehme Umbaugeräusche in der Etage unter mir. Die Bauarbeiter sind am Werk. Drei Wohnungen im Haus müssen renoviert werden für Künstler aus Kuba, die in ein paar Tagen in Aachen eintreffen werden. Einen ganzen Monat werden sie das Museum besetzen und dort Platz für ihre Werke suchen. Wenn sie kommen, bin ich schon weg. Die Kubaner werden in meinem Bett schlafen und jeden Morgen von ihm, meinem Ballerina-Clown-Freund geweckt werden. Sein unheimlicher Blick voller Trauer, Sehnsucht, Schmerz und Erkenntnis werden sie vermutlich zuerst ignorieren, bevor er sie zu irritieren, ärgern, verunsichern und zu erobern beginnt.

Wenn sie, die Künstler aus Kuba, nach Hause gehen, komme ich wieder zurück.

Ich werde ihnen wahrscheinlich nie begegnen, aber wir haben jetzt schon etwas Gemeinsam: den Ballerina-Clown-Riesen, einen Freund zwischen allen Geschlechtern und Gefühlen, ein Spagat zwischen Glück und Trauer, Performanz und Einsamkeit, Freude und Verzweiflung; neun Meter lang, sechs Meter breit.

 


Fotos: Slavica Vlahovic

Mehr von Slavica Vlahovic

FREIHEIT- Die Frage nach der Mutter

«NEIN!» das hat sie tatsächlich gewagt zu sagen:

«Wohngemeinschaft?? Nein! Auf keinen Fall!!»

Stille. Totenstille. Alle im Zuschauerraum versinken in den Boden. Unter der Erde fangen sie an, grün zu werden. Vor Wut:

«Wie bitteeee? Was bildet sich das undankbare Mädchen ein? Weiß dieses kleine, freche Biest überhaupt, wie schwer es ist, eine Wohnung in Aachen zu finden?

Sie ist ein Flüchtling. Eine ohne Papiere dazu…»

Dieses trotzige Kind, das keines mehr ist, weder Kind noch eine Frau, enttäuscht uns, macht uns ratlos, ärgerlich, zwingt uns, über unsere Schatten zu springen.

Das Kind zu verstehen – ein Sprung ins All.

Ein Flüchtlingskind ohne Eltern, ohne Papiere, ohne niemanden… braucht ein Dach über den Kopf und sagt: «Neeein! Wohngemeinschaft? Auf keinen Fall!!! Punkt!»

Zahra

Dieses dickköpfige Kind aus dem Sudan, das so stachelig ist, dass sich von keinem helfen lässt, dass so kompromisslos um seine Freiheit kämpft, das sogar seine Mutter verlassen hat und dann von ihr verstoßen wurde. Dieses Kind bringt uns nun alle zum Schwitzen. Seine Vorstellungen: unrealistisch, unverschämt, peinlich.

Dieses Kind ist wie seine Mutter. Dickköpfig. Stur. Es lässt niemanden sein «Gehirn salzen», ein Wort, mit dem sich meine Mutter wehrt, wenn jemand, mich inklusive, glaubt zu wissen, was für sie, meine Mutter, am Besten wäre. Es ist wie seine Mutter, die von ihrem Kind nichts mehr wissen will, solange es nicht zu ihr zurückkehrt, so wie sie es will.

***

Zahra, 18, ist in Aachen vor zwei Jahren gestrandet. Als minderjähriges Flüchtlingskind.

Ohne Begleitung. Ohne Papiere. Ohne Aussicht auf Anerkennung. Mit Duldung.

Monatelang war das Mädchen auf der Flucht aus Afrika unterwegs. Vom Sudan durch die Sahara, Libyen, mit dem Schlauchboot nach Italien, dann weiter über Österreich und die Schweiz nach Deutschland.

Per Zufall wurde Zahra als Protagonistin für einen Dokumentarfilm entdeckt. Sie und einige andere Jugendliche aus Afrika und Asien, die als unbegleitete Flüchtlingskinder in einem Aachener Kinderheim Zuflucht fanden, bekamen sogar die Kamera in die Hand, lernten ihre Geschichten selber zu erzählen und zu drehen…

«Gemeinsam einsam», ihr Film wurde an diesem Abend in dem Aachener Gemeindezentrum St. Andreas vor einem Dutzend Gemeindemitgliedern gezeigt. Zahra steht nach der Vorführung als kleiner Star vor dem Publikum; neben Zahra auf der Bühne ihre Mentorin, Miriam Pucitta, die Initiatorin und Leiterin des Projekts und Yousseff, der zwei Jahre ältere, fröhlich strahlende Palästinenser. Die Protagonisten und die Projektleiterin antworten geduldig auf zahlreiche Zuschauerfragen. Auch auf Fragen nach der Mutter…

 Die Frage nach der Mutter

Wie ist die Lage jetzt dort, von wo sie geflüchtet sind? Und ob sie ihre Mütter vermissen würden…,  um diese Fragen drehen sich die meisten Meldungen aus dem Publikum. Viele Grauhaarige im Rentenalter, ehemalige Lehrer, Sozialarbeiter, Mitglieder der Kirchengemeinde.

„Meine Mutter wäre stolz auf mich…“

Yousseff ist mit 15 aus Palästina über die Balkanroute nach Deutschland geflüchtet und wird in Aachen seit fünf Jahren «geduldet». Alle drei Monate muss er zum Amt. Er lernt Elektriker und hat sogar seinen Führerschein geschafft, ein Auto gekauft und eine Wohnung gefunden. Auch dank des Filmprojekts. Er geht arbeiten da, wo man ihn gerade braucht. Yousseff, der Sonnenschein, hat inzwischen auch eine deutsche Freundin.

Im Film bringt er ihr bei, wie man Falafel, die Spezialität seiner Heimat, zubereitet. Er schneidet Zwiebel, sie wäscht ein Büschel Petersilie, er dünstet die Zwiebeln, sie zerbröselt trockenes Brot, er püriert das Ganze mit Kirchererbsenmehl, sie spritzt einen Schuss Milch dazu…

«Meine Mutter wäre stolz auf mich!» sagt Youssef.. Die Kamera springt auf ein kleines umrahmtes Bild auf dem Fernsehen: eine Frau im weisen Kopftuch, wohl Youssefs Mutter.

Youssef, der jüngste Sohn, das 13. Kind, vermisst seine Mutter sehr. Wenn er mit ihr telefoniert, weinen er und sie.

Zahra hört zu, trotziges Kinn, unruhiger Blick, distanziert. Sie, kein Kind mehr und noch keine Frau, bewegt sich hin und her, als ob etwas in ihr kochen würde. Sie erinnert mich an meine Mutter, wenn sie den Schmerz spürt und das nicht zeigen will.

«Ihre Mutter habe seit Oktober den Kontakt zu ihr abgebrochen!», erzählt Zahra. Und ihren Vater habe sie nie kennengelernt. Ihr Blick senkt sich zu Boden.

Mit 16 habe sie ihre Mutter heimlich nachts verlassen. Sie wollte nicht, wie sie sagt, zwangsverheiratet und die «Sklavin eines Mannes» werden, den sie nicht liebe, so wie die meisten Mädchen im Sudan das täten, und so habe sie sich auf den gefährlichen Weg nach Europa gemacht und es bis nach Deutschland geschafft… Hier habe sie eine «echte Chance». Sie lerne Deutsch, mache eine Lehre als Kosmetikerin und drehe Filme. Sie liebe Fotografie, sagt ihre Förderin, die Italienerin Miriam.

«Das alles interessiert meine Mutter leider gar nicht.» sagt Zahra. Ihre Mutter habe sie im Oktober letzten Jahres vor eine schwere Wahl gestellt: entweder komme sie, ihr einziges Kind, sofort nach Hause zurück oder sie, die Mutter, wolle von ihr, Zahra, nichts mehr wissen. Seit Oktober habe Zahra keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter. Sie leide wie ein Hund.

Das Publikum leidet mit. Alle stehen auf der Seite der mutigen, jungen Frau, die ihren Weg gehen will. Miriam, die Projektleiterin, unterstützt Zahra so gut sie kann, auch wenn sie ihre Mutter gut verstehen könne. Wenn ihre Tochter, die gerade 16 Jahre alt sei, so weit weg von ihr gehen würde, möchte sie sich gar nicht ausmalen, was sie tun würde.

Was darf ein Flüchtlingskind?

 Nun wird Zahra volljährig und sie muss das «sichere Nestchen», das Kinderheim, verlassen.

Sie freue sich und fürchte sich, erzählt Zahra. Seit Monaten sei sie auf der Suche nach einer kleinen Wohnung. Seit Monaten vergeblich. Langsam sei sie verzweifelt. Sie wolle nicht zurück in den Sudan, aber auch nicht auf der Straße landen, sagt sie.

Miriam, die Filmregisseurin, die Zahra und Yousseff auch privat unterstützt, nimmt das verzweifelte, einsame Mädchen in den Arm und appelliert an das Publikum. Vielleicht habe jemand eine kleine Wohnung zu vermieten, könne jemand der jungen Frau helfen.

Eine ältere Dame aus dem Publikum meldet sich, sie fragt, ob eine WG vielleicht in Frage käme. Zahra hört zu, ihr Blick wird düster, entschlossen schüttelt sie den Kopf: «WG? Nein! Danke. Auf keinen Fall!»

Das Publikum bleibt ohne Atem. Alle scheinen entsetzt zu sein. Ich, die gut integrierte Ausländerin, auch. Was in diesem Moment in unseren Köpfen so herumkreist, ist körperlich spürbar. In dem niedrigen, hitzigen Raum schwitzen alle.

«Waaas? Was will diese kleine Göre? Was bildet sie sich ein? Wie bitteeeee??? Weiß das undankbare Wesen überhaupt, wie schwer es ist, eine Wohnung in Aachen zu finden ist? Als Flüchtling? Als Flüchtlingskind? Ohne Begleitung, ohne Eltern, ohne Papiere, ohne niemanden. In einer fremden Welt?»

Das kenne ich allzu gut. Der Flüchtling ist einfach so: Selbstgefällig von Natur aus! Größenwahnsinnig! Undankbar! Er bildet sich immer viel ein, dass ihm dieses und jenes zusteht. Regelmäßig vergisst er, wer er ist, beschwert sich sogar, wenn man ihn daran erinnert: Er mag das Wort «Flüchtling» gar nicht, betont er zu oft. Als ob es jemanden interessieren würde. Lieber will er Filme drehen, studieren, dies und jenes werden, die deutschen Männer und Frauen verführen…

Was darf ein Flüchtling? Auch Filmdrehen? Studieren?

So wie ich… Ich war auch von Anfang an wählerisch, habe von mir und Deutschland ganz viel verlangt. Mit den Worten «Ausländerin» und «Flüchtling» wollte ich nie etwas anfangen. Typisch! Undankbares Ding!

Ich habe ganz andere Vorstellungen, Ansprüche, Visionen.

 Leben? Ja, leben!

Ich floh nach Deutschland kurz bevor Sarajevo die ersten Bomben erwischten und ich verlor alles: meine Stadt, meine Sprache, meine Arbeit, meine Familie, meine Freunde. Wie ein Neugeborener mit einem schweren Stein auf dem Rücken übernahm ich in einem deutschen Hotel eine neue Rolle. Die Rolle eines Zimmermädchens in einem Allgäuer Hotel. Drei Jahre lang putzte ich die schmutzigen Zimmer, saugte, wischte und spürte, wie sich der Staub auf meine Seele niederlegte. Der Rücken wurden steif, die Lungen eng, die Nächte schlaflos. Eines Tages sammelte ich meinen ganze Mut und vertraute meiner Chefin meinen heimlichen Wunsch an. Sie war entsetzt:

«Kündigen?? Studieren???? Und wovon willst Du leben??????»

Ja, leben! Ich lebe. Immer noch. Und Zahra? Sie will auch leben. Das weiß ich.

Nicht weil sie undankbar, respektlos, unverschämt ist, wie wir alle an diesem Abend – inklusive mir – denken, als sie entschlossen «WG? Nein! Auf keinem Fall!» sagt.

Zahra will leben, weil sie weiß, was sie will. Sie hat eine Vision. Ihre Vision heißt Freiheit! Für ihre Freiheit kämpft sie seit sie 16 Jahre alt ist. Sie hat alle nur denkbaren Gefahren auf sich genommen, die Wüste, Libyen, Gummiboot, Mutterentzug, Duldung, Kinderheim, Einsamkeit…

Sie will jetzt mit 18 endlich ihr Leben in ihre Hände nehmen. Ohne Kompromisse.

So wie wir alle damals mit 18. Warum sollte Zahra, das Powergirl aus dem Sudan, die allen Katastrophen mutig in die Augen gesehen hat, anders sein als wir?

Zahra liebt ihre Mutter. Sie lässt sich aber nicht von ihr erpressen. Sie hat den Mut, ihren Ideen zu folgen, auch wenn das heißt, ihre Mutter enttäuschen zu müssen, sie vielleicht für immer zu verlieren.

An diesem Abend will Zahra das Publikum nicht enttäuschen. Sie sei nicht undankbar. Sie wolle niemanden ärgern. Sie schätze es, wenn sich einer über sie noch Gedanken mache, ihr helfen wolle. Sie wolle aber keine halbe Sache machen. Sie höre ihre innere Stimme. Sie wolle ihren Weg «unerschrocken» gehen. «Um das ganze Ding zu erreichen!»

Es tue ihr sehr leid, sagt Zahra, als die peinliche Schweigeminute in dem Saal nicht mehr auszuhalten ist. Das Publikum scheint von ihrer Direktheit überrumpelt worden zu sein:

«WG? Nein! Auf keinem Fall!» Oh, Gott!

Seit zwei Jahren sei sie unterwegs, immer auf der Flucht, sagt Zahra mit einer bedrückten Stimme. Das Publikum schweigt.

Seit sie ihre Heimat, ihre Mutter, ihre Sprache, alles im Sudan zurückgelassen habe, sei sie alleine, müsse sich aber immer wieder auf wildfremde Menschen einstellen. Sie habe so viel Stress inzwischen erlebt, schlimme Dramen mitbekommen, viele Albträume, Aggressionen…

Das Publikum hört zu und schweigt.

Sie weiß, was sie will

Jetzt sei sie 18, jetzt müsse sie das Kinderheim verlassen. Sie brauche Ruhe! Einen stillen Ort, wo sie sich ausruhen könne. «Endlich!», sagt Zahra leise. Sie wolle ganz alleine mit ihrem Schmerz bleiben, weinen…

Eine Grauhaarige im Publikum nickt. Sie brauche eine «kleine, kleine Wohnung». Nur für sich. Irgendwo. Einen eigenen Platz. Ihre Stimme zittert, weicht aber kein Schritt zurück:

WG? Nein! Eine Wohnung, bitte, bitte, bitte…

——-

Meine Mutter, unsere Mütter

An jenem Abend, als ich mit den Aachener Gemeindemitgliedern von St. Andreas im Publikum sitze und den Film «Gemeinsam einsam» mit Zahra, Yousseff und Miriam sehe, kämpft meine Mutter in Sarajevo um ihren Atem. Die Hitze ist erdrückend. Tagsüber sind es 37 Grad im Schatten gewesen.

Unsere Mutter lebt seit einem Vierteljahrhundert auf Rädern. Sie packt ständig Koffer ein und aus. Sie fliegt von einem Kind zum anderen. Sie schwebe in Wolken. Ihre Kinder, Perlen, seien im Krieg zerstreut. Von Sarajevo nach Berlin, Wien, London, Köln… Ihre Aufgabe: alles zu verstehen, beruhigen, verwandeln, trösten. Ihre Kinder, Enkelkinder. Sie tut es. Jahrelang.

In der letzten Zeit wirkt sie müde,

sie brauche Ruhe.

Doch der neue Flug ist schon gebucht.

Ihre Enkelkinder warten auf sie.

Bevor sie über den Wolken schwebt,

räumt sie ihr Haus und den Garten auf.

Noch ein Fenster will sie putzen,

noch zwei Blumenbeete umtopfen

Kinderbücher für die Enkelkinder kaufen,

damit sie vielleicht die Omasprache lernen

und sie nicht vergessen.

Koffer müssen gepackt werden.

Doch die Hitze drückt.

Tagelang.

Sie habe keine Kraft mehr,

nicht mal zum Atmen.

Abschied

In der Nacht, als meine Mutter mit der Hitze in Sarajevo

um ihren Atem kämpft,

versuche ich Zahra, das Flüchtlingsmädchen in Aachen, zu verstehen.

Sie lässt mir keine Ruhe

Im Morgenrot schleiche ich mich in ihre Haut

und spüre den Schmerz der Einsamkeit.

Zahra ist müde, sie braucht Ruhe.

Zahra will keine Aufgaben mehr.

Zahra hat viel Leid der anderen gesehen,

sich immer auf anderen einstellen müssen.

Konnte nie zu sich kommen,

die Freiheit des eigenen Schmerzes spüren

Angst, hinter sich lassen,

Wüste, Gummiboot, Meer, Kinderheim vergessen.

Schreien, Schlafen, Ruhe finden.

«Kein WG! Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte….»

Ein Schrei nach Freiheit

Nach Stille, Ruhe, Friede

Endlich.

Meine Mutter, unsere Mütter

Bevor die Sonne am nächsten Morgen kräftig zuschlägt,

klopft meine Mutter zwei Mal kräftig gegen den Heizkörper neben ihrem Bett.

Bevor die Nachbarn die Tür öffnen können,

ist sie weg.

Tot. Herzversagen, sagen die Ärzte.

Keiner von uns Kinder war dabei.

Vielleicht wollte unsere Mutter das so.

Über den Wolken schweben für immer.

Ohne Ticket, ohne Koffer, ohne Geschenke –

in der Freiheit.

 

Unsere Mutter ist gegangen wie sie gelebt hat.

Still, unabhängig, kompromisslos.

Sie habe die Lebenden und die Toten besucht,

ihr Haus und ihren Garten hergerichtet

ihr Leben von hinten nach vorne betrachtet,

ihr Leid in Geschichten und Witzen erzäht,

geweint, gelacht, sich beruhigt,

sagen die, die sie zuletzt gesehen haben

So ist sie eingeschlafen…

 

Ich bin jetzt Waise, eine Vollwaise –

ich leide, ich trauere, bin sauer, ratlos, fassungslos

Ich liebe sie, meine Mutter, bin stolz auf sie.

Ihren Trotz, ihren sturen Kopf. Ihre Unabhängigkeit.

Ich wünsche jetzt, sie wäre hier und ich wäre wärmer, stiller, geduldiger mit ihr.

Ich wünsche jetzt, sie wäre hier und sie wäre wärmer, stiller, geduldiger mit mir.

Aber dann wäre sie nicht sie, meine Mutter, und ich nicht ich, ihre Tochter…

 

————————-

„Gemeinsam einsam“

GEMEINSAM EINSAM“ ist ein Happy Endings Werkstattfilm von und mit jungen Flüchtlingen, die als unbegleitete Kinder nach Deutschland kamen.  Ein Film über Fragen nach Liebe, Geborgenheit, Freundschaft, Träume, Beruf und auch die Frage nach der Mutter…
Demnächst läuft der Film „GEMEINSAM EINSAM“ im Rahmen von Parkflimmern im Kennedypark in der Open Air Arena der Aachener Nadelfabrik. Das Regieteam und die Protagonisten sind anwesend: Samstag, 26. August 2017 | 20:30 – 22:30  Uhr | Elsassstr 94 |Aachen 52068
Fotos:  
Miriam Pucitta (Zahra), Pasca Vretinari (Youseff) Slavica Vlahovic (Selfie mit meiner Mutter)
Links:
Miriam Pucitta
Happy Endings Film
GEMEINSAM EINSAM

Mehr von Slavica Vlahovic

DURST – Marlene, die Fee aus dem „City Pub“

In welcher Sprache spricht der Schmerz, wenn der Durst nach Glücksmomenten wie unerwartete Sonnenstrahlen durch die dicken Wolken durchscheint? In der Sprache der Wiege, der Vertrautheit, der Muttermilch, in der Muttersprache? Oder in der Sprache des Erlebten, des Durchgemachten, des Leides, des Aufwachens?

***

Im Juli. Nachts. 23 Uhr. Jülicher Straße in Aachen, lang und laut. „City Pub“, eine Eckkneipe. Meine Füße brennen, mein Hals auch. Ein Frischgezapftes kurz vor dem Schlafengehen – der fromme Wunsch einer Reisenden.

Durst im  City Pub

Als ich die Tür der Eckkneipe mit dem englischen Namen „City Pub“ öffne und in der Tür stehe, drehen sich alle Köpfe der am Tresen auf Barhockern kauernden Menschen in meine Richtung. Wie durchnässte Vögel auf einer Stromleiter nach dem Regen starren sie mich an. Ich fühle mich, als ob ich gerade aus einem UFO ausgestiegen wäre. Fehl am Platz.  Ich will mich umdrehen und sofort verschwinden. Doch der Alien in mir, müde, nüchtern, dickköpfig hat Durst. Ich will nur ein Bier, sonst gar nix, sagt er. Danach kann ich ja sofort gehen. Meine Füße machen Schritte. Wie von alleine gehen sie nach vorne und bleiben vor einem Hochtisch stehen, zwischen zwei glotzenden Damen. Eine dürr, blond, kurzhaarig, braungebrannt, faltiges Gesicht. Die andere klein, wuscheliges dunkles Haar, grauer Ansatz, breiter Busen. Unsere Blicke kreuzen sich. Der Alien, ich, lächle sie an. Verlegen, freundlich, entschlossen. Ihre Blicke kleben an mir.  Ob sie sehen, was sie sehen? Was sollen sie tun? Gucken? Ignorieren? Weiter trinken? Der Eindringling, ich, positioniert zwischen ihnen, bin ich ein Gespenst, eine Terroristin, das Delirium?

Ich nicke verunsichert, kurz, kaum sichtbar.

Die Kleinere mit dem wuscheligen dunklen Kopf und schweren Augenliedern kippt den Rest aus dem schmalen langen Glas hinunter, dreht den Hals am Körper wie eine Schraube, schaut mich noch mal genau an, dieses Mal bleibt ihr Blick ein Tick länger an mir haften, dehnt dann ein wenig ihren Mund zu einem verzerrten Lächeln, streckt ihre Hand aus und sagt:

„Ich bin Marlene! Und Du?“

„Slavica….Marlene… ein schöner Name:!“

„Ja, schööön, und wo kommst Du her, Sla, sla, wie wär´ Dein Name..?

„Sla-vi-ca, Sla-wi-tza… aus Köln!“ sage ich, ohne zu zögern. Nach 20 Jahren mit festem Wohnsitz in der schönsten Stadt am Rhein, traue ich mich das wieder einmal zu behaupten.

„Aus Köööööln??“ staunt Marlene.

„Ja, jaaa, aber original… wo kommst Du original her?“

Original, ursprünglich, durstig

Original, ursprünglich…oh, Gott, warum stellen Menschen immer die gleichen schweren Fragen: wo komme ich her? Eine philosophische Frage mit vielen falschen Schubladen. Meint sie den Ort, wo ich geboren und aufgewachsen bin? Das Land, in dem ich glaubte, sicher und geborgen für immer zu sein? Bevor der Himmel auf die Stirn fiel? Und ich fremd wurde? Oder die Sprache, in der ich die Grenzen zwischen mir und der Welt zu ziehen lernte? Die Zeit, die wie Sanduhr gnadenlos läuft, ob ich in meinem Leid ersticke oder ihm einen Sinn gebe, das Vertrauen schenke… Oder meint sie vielleicht den heißen steinigen Planeten, den ich gerade entdecke, um das zu werden, was ich bin.

Ich habe Durst.

„Ich, original Sarajevo! Cevapcici, Schliwowitz, Vucko, Krieg… und ja, Tito. Die Worte, die in dieser Reihenfolge aus der Balkanschublade aus mir trotzig herausmarschieren.

Marlene lacht. Ich starte eine Gegenoffensive:

„ …und Sie Marlene… Sind Sie original von hier?“

„Ja, original, Aachen. In Aachen geboren, In Aachen aufgewachsen… Sie dreht sich Richtung Tür, durch die ich gerade herein gekommen bin, spitzt ihren Zeigefinger und sagt:

„ Und in Aachen wieder zu Hause…. Direkt gegenüber wohne ich, ,…“

Ich folge ihrem Zeigefinger, als ob ich mir merken wolle, wo Marlene genau wohnt, um morgen bei ihr vorbei zu kommen. So gegen Abend, wenn die Sonne mit ihrem verräterischen Licht ihre Kraft verliert, wenn Marlene endlich aus dem Bett aufsteht, wenn der Kater aus ihrem Kopf rausspringt, wenn ich vor ihrer Tür stehe. Mit zwei Brötchen und zwei kalten, frischen Bieren.

„Es ist schön, dass Du hierher gekommen bist“ sagt Marlene und lächelt mich an:

„Und noch schöner, finde ich, dass Du hier geblieben bist…“

Ich grinse. Also doch, ich Alien!

„Warum nicht?“ will ich empört protestieren, sehe, wie ihre schweren Augenlieder mit vielen Falten umrandet zu flattern beginnen, spüre ihren aufgewachten Blick, warm, annehmend, mir zugewandt.

„Nein, Du störst nicht!“ sagt Marlene, als ob sie meine Gedanken gelesen hätte… “Überhaut nicht! Ich freu mich, dass du hier bist! Wirklich! Ich mag Dich!“

Ich habe keine Ahnung, warum, aber ich mag diese Frau auch.

„Willst du ein Helles?“ fragt sie.

Vor Marlene steht wie vor Jedem im diesen dunklen, verrauchten Pub, ein Bierdeckel, mit vielen fetten horizontalen und vertikalen Linien, kräftig, wild, durchgestrichen.

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:William-Adolphe_Bouguereau_(1825-1905)_-_Thirst_(1886).jpg
Durst ihrer Seele

Was für ein Leid quält sie und ihre Seele? Ob Bier und Schnaps, die sie hier seit Stunden konsumiert, sie wirklich heilen können? frage ich mich. Ihr Blick von vielem Prozent Alkohol im Blut gekennzeichnet, lädt mich ein.

„Es geht auf mich!“

Ich nicke kurz, unsicher: „O.K. Danke Marlene…“

Die Kellnerin, kräftig, rotes Gesicht, kurzes, dunkles Haar, dicke Brille, nimmt die Bestellung entgegen, zapft aus dem Hahn, das Bier fließt langsam in das Glas, schäumt bedächtig. Dann dreht sie den Knopf der Musikanlage auf, und die Boxen dröhnen. Meinen Ohren tut das weh. Die Kellnerin, noch röter im Gesicht, fängt an, sich zu bewegen, tanzt um mein Bierglas, in das sie jede 10 Sekunden nachzapft, wie ein Bär um den Bienenstock. Der Pub platzt aus allen Nähten. Im Rhythmus der 80er Jahre. Schlager, die alle in der Kneipe kennen. Außer mir.

„An so einem Tag muss man trinken!“, sagt Marlene.

Ich erfahre, dass es ihr Glückstag sei. Marlene feiert zwei große Siege: Deutschland habe eine Etappe bei der Tour der France gewonnen und Deutschland habe Chile 1:0 beim Confed Cup geschlagen!

Die dicke Kellnerin zapft jede zehn Sekunden mein Bierglas nach, und nach „exakt sieben Minuten“ stellt sie es vor mich ihn. Ich stoße mit Marlene kurz an und kippe es sofort hinunter.

Die Sprache der Gefühle

Ob sie immer vor Glück trinke, frage ich sie.

Ihre Augen füllen sich mit Tränen, sie nimmt meine Hand in die ihre und sagt:

„Ich trinke Tag und Nacht, Liebes. Seit zwei Jahren. Wegen meiner Tochter…!“

„Wegen Ihrer Tochter??“

Marlene zieht meine Hand zu ihrem Herz und erzählt mir ihr Drama. Sie erzählt es in English:

„My daughter is dead, she was 40. Brain tumor… cancer…“

Ihre Tochter sei vor zwei Jahren gestorben. Mit 40, Krebs, ein  Gehirntumor, drei Kinder habe sie hinterlassen, 7, 9 und 14. Ihre Enkelkinder brauchten sie… erfahre ich. Marlene Augen schwimmen in Tränen. Ich drücke ihre Hand, die sie seit fünf Minuten festhält und streichelt.

„Marlene, Sie können mit mir auch Deutsch reden“, höre ich mich sagen.

Marlene schaut mich irritiert an, als ob sie nicht versteht, was ich ihr gerade sage.

„Aber, aber…“  Marlene sucht nach Worten, nach deutschen Worten, ihr Blick ist trübe, abwesend, sie schweigt, ihre Augenlieder fallen herunter:

„…ah, weißt Du, warum Englisch…mein Schmerz ist in English…“ sagt sie.

Ich nicke, spüre wie auch meine Augen feucht werden.

Die Sprache Marlenes Schmerzes ist Englisch. In Deutsch feiert sie heute Nacht, die deutsche Siege, ihren Trost, die Pause.

Marlenes Tochter sei in England gestorben. In England sei sie auch geboren. Als ihr und das Kind eines windigen Engländers, ihrem „englischen Ex“. England sei seit 42 Jahren Marlenes zweites Zuhause. Ihr Leben, ein Spagat zwischen Aachen und Manchester, zwei Städten, die ihr Leben hin und her schlugen, von Feier zu Trauer, mit Bier und Schnaps nur zu ertragen.

„Alles eine Katastrophe!“ sagt Marlene, ihre Ehe, Brexit, die Krankheit ihrer Tochter, ihr Schwiegersohn, ein Idiot! Marlene sei wütend auf den Vater ihrer Enkelkinder. „Die Drecksau“ stecke ständig im Gefängnis. Drogen.

Deutsche Oma, kein Deutsch

Ohne sie, der deutschen Oma aus Aachen, lebten „die Kinder auf der Straße.“

Ob ihre Enkelkinder Deutsch sprächen, frage ich.

Marlene dreht den Kopf. „Nein!“ Ihre Tochter habe auch kein Deutsch gelernt.

Sie habe ihr nur ein paar Worte beigebracht. Sie wollte ihre Tochter fernhalten von ihrer Geschichte.  Vater „Säufer“,  Mutter „das fügsame Opfer“ und von Deutschland, das für sie lange nichts als Schmerz,  Schuld und Scham bedeutete. Ihrer Tochter wollte sie das Leid ihres Vaterland ersparen.

Sie habe sich geirrt: „Nix kann man jemandem ersparen! Das Leben ist Eisen, Schmerz und Leid! In jedem Land. In jeder Sprache!“

Ihr Ex, ein in Köln stationierter englischer Soldat, war ihre große Liebe. Als er sie schwängerte, überlegte sie nicht lange. Sie zog mit ihm nach Manchester.

Aus den Lautsprechern dröhnt „Marmor, Stein und Eisen bricht…“ das einzige Lied, das ich erkenne und alle Hälse des „City Pubs“ zu einem gemeinsamen Ton des großen Schmerzes, der Sehnsucht und Erinnerungen an lange vergangene Zeiten einigt.

Marlene, die mit Bier und Schnaps ihre Tragödien überlebt, singt mit.

Ob ich noch ein Bier mit ihr trinken wolle, fragt Marlene, als das Lied erlischt. Dicke Tränen rollen über ihre eingefallenen Wangen.

„Bitte, Sla, Sla…oh Gott, ich kann mir Dein Name nicht merken…sorry, Liebes, willst Du noch ein Helles?

Ich schweige.

„Komm, eins auf meine Tochter!… Auf meine einzige Tochter! Bitteee…“

„O.K. Noch eins geht vielleicht noch… aber Marlene, diese Runde, geht auf mich! Bitte…“

„Nix!“ sagt Marlene… ruft laut die Kellnerin und wühlt in ihrer kleinen durchgewetzten Geldbörse.

Sie,  die „happy“ Marlene vom „City Pub“, die mich, einen Alien, die Fremde in ihrer Stadt und in ihrer Eckkneipe, ohne lange zu zögern, angesprochen,  integriert und fast adoptiert hat, sei heute Nacht in ihrem Aachen die Gastgeberin. Punkt. Meine Fee.

Gut, noch ein Helles…

 


Fotos: Slavica Vlahovic
Durst ihrer Seele – Gemälde: William-Adolphe Bouguereau (1825-1905) – Thirst (Oil on canvas, 1886, private collection), © public domain

 

 

Mehr von Slavica Vlahovic