Das Foto zeigt ein Denkmal. Die Statue, ein Mann, trägt einen Sack auf dem Rücken

„Wir bezeichnen uns eher als Eifeler“

Die Eifel war für mich bisher immer einfach so ein Wort. Ein Wort, unter dem ich mir nicht viel vorstellen konnte. Die Eifel sei schön. Beeindruckende Natur. Malerisch aber rau. Berge und Täler. Seen und dichte Wälder, sagte man mir. Wenn ich als Süddeutscher das Wort Berge höre, bin ich grundsätzlich skeptisch. Was einem da teilweise als Berge verkauft wird, wären bei uns allenfalls nur Hügel, meistens aber nicht mal nennenswerte Erhöhungen in der Landschaft. Also war ich eher zurückhaltend, was die als „Heidiland“ beschriebene Eifel angeht. Aber da ich selten viel auf klischeehafte Beschreibungen gebe, war ich einfach nur gespannt auf die Eifel. Da man fernab der Eifel immer viel von der Vulkaneifel hört, hatte ich eher eine karge, steinige und felsige Landschaft vor Augen. So wie man das aus anderen Vulkangebieten kennt. Die Berge, Täler und das viel beschriebene Grün konnte ich mir noch nicht so recht vorstellen. Aber umso spannender finde ich das Eintauchen, wenn man sich vorher nicht durch Reiseführer und Fotogalerien wühlt, sondern sich die Chance lässt, eine Gegend tatsächlich erst vor Ort zu entdecken.

Mein Erstkontakt mit der Eifel war in Monschau-Mützenich. Ich fuhr von Aachen aus über Eupen und das Hohe Venn nach Mützenich und so auch auf Eifeler Terrain. Den ersten Stopp machte ich am Schmuggler-Denkmal. Man sagte mir, der Schmuggel sei früher eine große Einnahmequelle gewesen. Schließlich habe man hier nur begrenzte Möglichkeiten gehabt, sich den Lebensunterhalt zu sichern. Vor allem im Nachkriegsdeutschland machte man sich an der Grenze zu Belgien einen Namen als Aachener Kaffeefront. Kaffee war lukrativ, brachte sogar mehr ein als Zigaretten. Es sollen ganze Dörfer unter Generalverdacht gestellt worden sein, erzählte man mir. Heute fahre der Eifeler zum Lohnerwerb aber in die benachbarten großen Städte, wohne in prächtigen Häusern mit viel Land und sei dafür eben viel mit dem Auto unterwegs. Ich erkenne ein Muster. Es ist tatsächlich so, dass diejenigen – es sind allerdings nicht sehr viele – die ich aus der Eifel kennengelernt habe, mir vor allem durch ihre Mobilität aufgefallen sind. Ein wenig so, wie man immer von Menschen aus Amerika, Australien oder Neuseeland spricht: Wenn das Land groß ist, dann muss man eben lange Strecken fahren. Das ist für die Bewohner aber normal. Man fährt dann eben mal eine Stunde, um einen Kaffee zu trinken. Ganz so dramatisch ist es in der Eifel mit Sicherheit nicht, aber selbst ich habe in den vier Monaten, die ich in der Region Aachen verbringen durfte, viele Stunden im Auto gesessen. Auch der Schmuggel bestätigt die Mobilität der Region. Es ist also eine etwas anders zusammengesetzte Landbevölkerung als ich sie aus dem Süden kenne. Sie ist beweglicher und mehr unterwegs, so erscheint es mir zumindest.

Als ich am Schmuggler-Denkmal aussteige und zu der lebensgroßen Bronze-Skulptur auf der Verkehrsinsel am ehemaligen Grenzübergang Mützenich laufe, fröstelt es mich. In der Eifel sei es immer mindestens zwei Grad kälter als in Aachen, kommt mir wieder ins Gedächtnis. Diesen Satz hatte ich häufig gehört, nur leider nicht bei der Jackenwahl am Morgen erinnert. Nun gut, dann bekomme ich die Eifel eben auch richtig zu spüren, denke ich. Der symbolische Schmuggler trägt einen dicken Sack auf dem Rücken. Er erinnert mehr an den Nikolaus als an einen professionellen Waren-Hin-und-Her-Schieber. Wäre der Schmuggel hier so offensichtlich vonstattengegangen, wie es das Denkmal nahe legt, dann rankten sich mit Sicherheit keine Mythen und Erzählungen um diesen Ort. Zu offensichtlich, denke ich. Aber Denkmäler sind nun mal wie Plakate, sie müssen schnell und im Vorbeifliegen begreifbar sein. Vorbeifliegen? In den gut fünf Minuten, die ich hier verbringe, ist noch kein Auto vorbei gekommen. Wenn das früher auch so war, dann wäre das mit dem Schmuggel richtig schwierig gewesen, denke ich. Ich notiere mir den Gedanken. Vielleicht findet sich später mal noch jemand, der mir etwas über den Grenzverkehr erzählen kann. Vorerst zieht es mich aber weiter in Richtung Eifelerkundung.

Die Eifel ist rau. Das stimmt. Wie jeder Nachteil, bringt ein solches Phänomen aber auch immer Besonderheiten hervor. Ganz im Sinne von: „Die Not macht erfinderisch.“ Ein Beispiel dafür, und ich glaube auch der Eifeler Stolz, ist das Monschauer Heckenland. Die meterhohen Rotbuchenhecken prägen hier seit Jahrhunderten das Landschaftsbild. Hecken kannte ich bisher nur als Zaunersatz zwischen Grundstücken oder Blickschutz vor Passanten. In der Gegend um Monschau und ganz speziell im Ortsteil Höfen wird einem vor Augen geführt, dass eine Hecke auch als Schutz für die Häuser dienen kann. Auf einem Heckenweg kommt man an besonders schönen Haus- und Flurhecken vorbei. Das sind wirklich haushohe grüne Windfangwände. Manche haben Sichtfenster, damit sie dem Haus nicht zu viel Licht nehmen, in andere wurde ein Torbogen als Zufahrt eingeschnitten.

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