Das Foto zeigt die Schnauze eines Tieres

Wohin mit…?

Folge 4: Im Tierrefugium

Eine kleine schwarz-weiße Katze kriecht maunzend unter dem Zaun hervor. Hinter der Gartentüre erstreckt sich ein weitläufiger Garten. Im Bungalow neben dem Haus wohnen die Katzen. Im Gartenteich schwimmen Schnapp- und Rotbauchschildkröten und nebenan haben Gänse, Enten und Hühner ihr Reich. Nicht zu schweigen von den Häschen, den Schweinen und Schafen und den Eseln ganz hinten auf der Weide. Antonia Greco und Michael Schink haben hier in Wegberg ein Eldorado für Tiere geschaffen.

2008 sind die beiden nach Wegberg gezogen. Mit den Eseln und den Schafen, die niemand mehr haben wollte; die zum Schlachter kommen sollten, hat alles angefangen. Schnell kamen weitere Gäste dazu. „Normale Tierheime nehmen nichts, was über Katz-Hund-Maus geht, auf“, erzählt Greco resigniert. Füchse, Wildschweine, Rehe, Turmfalken, Graugänse und Schildkröten hat sie inzwischen versorgt. Viele leben inzwischen wieder in der freien Wildbahn. Doch rund 100 Tiere bleiben dauerhaft hier. Um das zu stemmen, haben Greco und Schink 2012 einen Verein für das Tierrefugium gegründet. 42 Mitglieder zählt er inzwischen. Von den 30 Euro Mitgliederbeiträgen können die Tierretter zwar das Nötigste bezahlen. Für die Deckung der rund 2000 Euro Tierarztkosten im Monat reicht es allerdings kaum. Und das Refugium wächst und wächst.

Inzwischen stehen die beiden Tierretter an der Grenze zur Überlastung. „Aber sagen Sie mal ‚Nein‘, wenn jemand mit einem verletzten oder hilflosen Tier vor ihrer Haustüre steht“, sagt Schink. Das ginge einfach nicht! Erst vor wenigen Tagen sind ein paar Babykatzen bei den beiden abgegeben worden. Alle zwei Stunden hat Antonia Greco die Kätzchen gefüttert – auch nachts. Wenig Schlaf sei sie zwar gewöhnt; ihr Alltag beginnt jeden Morgen um sechs Uhr. Schink hat noch einen zusätzlichen Job. Doch nach der Arbeit steht auch er wieder im Tiergehege. „Ein wirkliches Ende ist nie in Sicht – zu tun, gibt es immer was.“

Die schwarz-weiße Katze läuft auf dem Gelände frei umher. Hühner und Hasen greift sie nicht an. Als ob sie wüsste, dass es nicht richtig wäre, ein anderers gerettestes Tier zu fressen. Nach ihrem Spaziergang mit Schink hat sie es sich auf dem Gartenhäuschen gemütlich gemacht und leckt ihre Pfoten. „Unsere Tiere bedeuten uns natürlich viel“, sagt Schink. Dennoch steht auch ihm die Sehnsucht nach einer Auszeit ins Gesicht geschrieben. In den Urlaub gefahren ist das Paar seit Jahren nicht mehr. Zwar kommen auch ehrenamtliche Helfer auf den Hof, um die beiden bei der anfallenden Arbeit zu unterstützen. „Die meisten verlieren aber nach kurzer Zeit ihren Helferelan“, sagt Greco. Und so bleiben sie doch auf der Arbeit sitzen.

„Gnadenhof – das klingt so idyllisch“, sagt Greco und lacht freudlos. „Aber das hier ist echt harte Arbeit!“ Die Gehege sauber halten, die Tierarztbesuche, das Begraben der verstorbenen Tiere; „mit Tiere-streicheln hat diese Arbeit meist nur noch wenig zu tun.“ Und dann kommen noch die Notfälle hinzu. „Ich erinnere mich noch an die Perserkatze, die ich aus ihrem völlig verfilzten Fell herausgeschnitten habe“, sagt Greco. Nicht selten werden ihr solche Tiere gebracht. Verklebt, verdreckt, vergessen, verwahrlost. Es wird einem ganz schlecht bei diesen Erzählungen. Aber wegsehen, hilft nicht – und das wollen die beiden auch gar nicht. Einzig einen Wunsch haben sie: „Dass mehr Menschen hilflosen Tieren helfen!“ Solange das nicht so ist, wollen Greco und Schink es aushalten: „Wir können nicht mehr zurück – und einer MUSS sich kümmern.“

Mehr von Marie Ludwig