mary how does your garden grow
7. Mai 2020
Mary, Mary, quite contrary,
How does your garden grow?
With silver bells, and cockle shells,
And pretty maids all in a row.
Mary bleibt gerne anonym, nicht weil sie etwas zu verbergen hat, sondern weil sie es schön findet, wenn es so klingt, als sei sie im Untergrund tätig.
„Denn wie man sieht, bin ich im Untergrund tätig“ sagt Mary, die in echt nicht Mary heißt, aber gerade in ihrem Garten gräbt, Samen sät und für mich Erde aus der Erde holt, um mir auf der flachen Hand den Untergrund zu zeigen, von dem sie spricht. Ich bilde mir ein, dass ihr Lachen blumig klingt, weil auf dem Kopftuch, das ihre weißen Haare zusammenhält auch Blumen aufgedruckt sind.
Im Sauerland wachsen Wiesen und Wälder manchmal wie Tapeten hinter den Menschen nach oben. Das liegt an den Hügeln, die sich immer wieder dem Horizont in den Weg stellen. Das Blickfeld ist dann bis zum Rapsfeld auf dem Hügel vorm Wald, vollgestellt mit blühenden Bäumen und man ist so reizüberflutet, dass man es vorzieht, sich auf eine einzelne Blüte zu fokussieren.
„Man müsste lernen, den Geruch einer Taubnessel vom Geruch der blühenden Akazie zu unterscheiden“ sagt Mary und wirft mir eine ganze Taubnessel mit Wurzeln und gelben Blüten über den Sicherheitsabstand hinweg zu.
Ich rieche daran und sie sagt
„Wenn du die Blüte rausnimmst und an ihrem Hinterteil saugst, dann schmeckst du ihre Süße, falls noch keine Hummel schneller war“
„Ja, ich weiß“ sage ich und sauge trotzdem alle Blüten leer. 8 volle und dreimal eine Hummel, die vor mir dran war.
Ich fuhr mit dem Hund und dem Fahrrad durch diese Landschaft und schimpfte manchmal auf die Hügel, die mich dazu brachten, vom Rad zu steigen und zu schieben. Mary in ihrem Garten hab ich dann zufällig getroffen. Vor ihr blühten Narzissen noch ein wenig gelb und Traubenhyazinthen blau, neben ihr ein Kirschbaum rosa und dann kam der Kuhstall und dahinter ein Rapsfeld und dann der Wald, der in unterschiedlichen Grüntönen austreibt und auch Blüten trägt.
Ich sagte Hallo und fragte ob ich ein paar Fragen fragen dürfte, zur Landwirtschaft und so weiter, weil ich Schriftstellerin bin und über Bäuerinnen schreiben möchte, und dass ich angehalten habe, weil hinter ihr die Kühe im Futterstall fressen.
Mary sagt, dass sie noch ein bisschen Zeit hätte, bevor sie zum Melken geht. Ihr Mann läuft vorbei und grüßt und fragt, ob Mary mir das mit den Blüten schon erzählt hat
Mary sagt
„Da ärgert er mich schon wieder, aber in diesem Jahr macht er sich auch Sorgen. Tut so, als hätte ich Unrecht, aber sieh dir mal die Blüten der Bäume an. Zuerst freut man sich und denkt, so viele in diesem Jahr, so viele Blüten, den Bäumen geht es gut“
Und das ist, was ich natürlich auch dachte, die Bäume blühen und die Bäume blühen viel, weil es ihnen gut geht, Blüten zur Freude, zum Feiern, wie wenn sich Menschen für Hochzeiten besonders in die Schale werfen.
„Das ist aber eine Panikblüte, einfach Panikblüte, den Bäumen gehts seit den letzten Dürresommern schlecht, Bäume kümmern sich nicht um sich selbst, sondern um ihre Art, sie gehen jetzt über ihre Kräfte hinaus, um in diesem Jahr besonders viel zu blühen. Für dieses Jahr planten die Bäume so viele Nachkommen wie möglich in die Welt zu setzen…“
während Mary spricht, wischt sie sich Erde ins Gesicht und wirft Unkraut auf einen Haufen anderes Unkraut.
„Unkraut gibts ja eigentlich nicht, man kann ja selbst entscheiden, was man nicht im Garten haben will. Wenn wir jetzt dürften, dann könnte ich uns einen Salat mit Taubnesseln machen, bisschen Kürbiskerne dazu und Öl, Pfeffer, Salz“
Und in meinem Kopf spielen sich dramatische Filmszenen ab, in denen Bäume wunderschön gekleidet um ihr Überleben kämpfen und am Ende zu Feuerholz zerfallen.
Ich frage Mary, als die Kühe im Stall sich schon bemerkbar machen, noch, weil es Teil meines Fragenkatalogs ist, ob ihre Kinder denn ebenfalls in der Landwirtschaft tätig sind.
Die Tochter, die wollte weg aus der Landwirtschaft, sagt Mary, „hat eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht, wollte nach Köln oder Hamburg und ist dann beim Schwimmen verunglückt, nicht hier, im Ausland und der Junge, der hat den Hof übernommen und bis vor kurzem war seine Verlobte noch da, mit der konnte man richtig was anfangen im Stall, aber die ist jetzt weggelaufen, vor ihm und seinen Fischen.“
mit der Hand deutet sie zu einer Scheune, wo neben der Schubkarre ein Motorboot steht.
„Manchmal kann man das ihr auch nicht verübeln, ich bin ja auch hier hergekommen und das einzige was du dann bekommst, das sind Kinder, Urlaub hast dein ganzes Leben nicht. Das macht mir ja nichts, ich kannte das ja auch nicht anders, einmal waren wir dann in der Türkei, in so einem all inclusive Hotel, aber gefallen hat mir das nicht, mit so vielen Menschen da hab ich mich gleich selber wie im Stall gefüllt und den Stall daheim vermisst, das ist alles so richtig eng, wenn man das nicht gewöhnt ist, dass man da nur ein kleines Zimmer mit Schrank hat. Ich kann das auch nicht, den ganzen Tag nur rumliegen. Aber die jungen Leute, die brauchen das, dass die was von der Welt sehen. Einmal, da waren wir auch im Allgäu, das war dann Urlaub auf dem Bauernhof mit meiner Freundin, das war schon interessanter, zu sehen wie die anderen das so machen mit den Kühen, wenn die Landschaft ein bisschen anders ist. Vielleicht hätten wir sowas ähnliches auch besser in der Türkei gemacht, nicht die Sache mit dem Hotel. Aber damals hat man ja noch nicht so viel rausfinden können, mit dem Internet. Ich jedenfalls nicht, man weiß ja auch nicht genau, was einen interessiert, wen man sich zum ersten Mal interessiert, das ist auch ein Lernprozess und deshalb klingt das vielleicht auch wie ein Klischee, der Bauer, der sich nur auf dem Land wohl fühlt, was er nicht kennt, das frisst er nicht. Und mein Sohn, wie soll ich das sagen, der angelt so gerne und manchmal, da werd ich davon auch müde, wenn er ständig von seinen Fischen spricht und Fotos von sich und den Fischen aufhängt. Wir haben auch zwei Gefriertruhen im Keller stehen, die sind voll mit Fischen. Nicht nur zum Essen, sondern auch welche, die er gerne ausstopfen lassen möchte, um die an die Wand zu hängen. Das hat seine Verlobte immer verhindern können, konnte sich das nicht vorstellen, einmal die Woche 10 Fische an der Wand abzustauben, wie hält man denn Schuppen sauber, wenn da die Fliegen drauf scheißen? Ich weiß nicht, was da sonst noch vorgefallen ist, bestimmt noch mehr, aber das mit den Fischen, das versteh ich, das kann man nicht aushalten. Zum Sohn hab ich schon gesagt, er soll jetzt ne Anzeige schalten, Bauer sucht Bäuerin, da muss es ja jemanden geben, der das alles will, weil hässlich ist es hier ja nicht, hat auch noch die Haare auf dem Kopf, es ist nur viel Arbeit, aber wenn man abends weiß, was man den ganzen Tag gemacht hat, dann ist das doch was, ich jedenfalls wüsste nicht, was ich mehr will, die Kühe und der Garten, die machen mich jedenfalls glücklich und das alles kannst du gerne so schreiben, wenns nicht zu kitschig ist für dich, weiß eh nicht, wer das lesen will, ich bin jedenfalls froh, dass ich damals von Dortmund hier hergezogen bin, da verliebst dich und schon hast 100 Kühe am Hals, zu denen muss ich jetzt auch wieder, hat mich sehr gefreut, gibst mir halt nen anderen Namen und lass es mich vorher mal lesen“
„und das mit dem Sohn und den Fischen, das geht auch klar, wenn ich das schreibe?“
„Ich sags ihm eh ständig, vielleicht wenn er es mal schwarz auf weiß liest, vielleicht bringt das ja was und dass ich das sage, das kannst du auch schreiben. Vielleicht meldet sich ja auch eine Frau, die Fische und Kühe mag, das würde ja dann alle freuen“ sagt Mary noch und lacht ihr blumiges Lachen und wischt sich den Untergrund von der Hose.
Und ich hab Mary benannt nach dem Mädchen mit dem geheimen Garten.
Hier noch ein Foto aus Amecke.