Ein unermüdlicher Kunstliebhaber

Mit befreundeten Künstlern aus der Eifel gründete Rüdiger Axel Westphal im Jahr 1982 den Verein „Förderkreis zeitgenössischer Kunst Kreis Euskirchen (FzKKE)“. Als der pensionierte Euskirchener Kunsterzieher mir das erzählt, denke ich kurz: Meine Güte, der Verein ist so alt wie ich. Sowas muss man erstmal hinbekommen: 33 Jahre Durchhaltevermögen. Viele seiner Mitgründer sind auch schon nicht mehr an Bord des Kunstförderkreises. „Mittlerweile halte ich die Fahne eigentlich alleine hoch und organisiere die Ausstellungen selbst“, sagt Westphal und lenkt das Thema sofort auf erfreuliche Höhepunkte des Vereins. Etwa darauf, dass es dem Verein gelang, zum ersten Mal zwei internationale Symposien zu „Arbeiten in Holz“ und „Arbeiten in Stein“ zu organisieren. Oder, dass sein Atelier seit der Gründung des FzKKe regelmäßig von zeitgenössischen Künstlern aus der ganzen Welt bespielt wird. „Früher haben wir jeden Monat jemanden ausstellen lassen. Seit einiger Zeit nur noch quartalsweise. Das hat den Vorteil, dass man auch mal einen Künstler einschieben kann, der auf der Durchreise ist. Denn Budget für Reisekosten ist nicht vorhanden, aber auf diesem Weg gelingt das schon mal. Dann spreche ich mit dem anderen Künstler, ob er dazu bereit ist, seine Ausstellungszeit zu verkürzen.“ Derzeit ist die Trashkunst von Inge van Kann zu sehen. Die Werke habe ich schon auf den ersten Blick beim Vorbeihuschen an der großen Glasscheibe des Ausstellungsraums wiedererkannt, da die Künstlerin auch bei Lessenich-privART ausstellte.

Rüdiger Axel Westphals Augen sind voller Energie, wenn er von den Ausstellungen und den vielen Anekdoten rund um deren Entstehung erzählt. Vor mir sitzt keiner, der müde ist oder nur aus Disziplin an seinem Vereinsprojekt festhält. Er brennt auch noch nach dreißig Jahren dafür. Vielleicht ist es seinem Humor geschuldet, denn der stämmige Pensionär lacht viel und gern und hat in seinen Geschichten immer eine Pointe versteckt. Er nennt seinen Hund liebevoll das Monster oder die Bestie und bezeichnet sich selbst als Flüchtling. Denn er wurde 1944 in Schneidemühl zwischen Posen und Danzig geboren. Die Familie musste mit dem Kleinkind auf die Flucht und ließ sich im niedersächsischen Wilhelmshaven nieder, wo Rüdiger Westphal seine Kindheit und Jugend verbrachte. Ganz beiläufig erwähnt er, dass ihm eigentlich erst kürzlich bewusst wurde, dass er in seiner Kindheit nie so richtig akzeptiert wurde. Er war der Fremde, das Flüchtlingskind, und wurde auch so behandelt. Aber oftmals erwächst sich aus einem Schicksal eine Qualität oder besondere Charaktereigenschaft. Bei ihm ist das mit Sicherheit unter anderem seine Gastfreundschaft und die Art und Weise, mit Fremden umzugehen. Das durfte ich selbst erleben und werde einige Details unserer Fahrt durch das Sibirien Deutschlands – wie Westphal die Eifel aufgrund ihres rauen Klimas nennt – nicht mehr vergessen. Ohne auf die Uhr zu schauen und ohne Rücksicht auf Verluste fährt er mit mir zu seinen Highlights rund um Euskirchen. Er macht diese Touren häufig mit Fremden, das merkt man. Er ist getrieben davon, Zusammenhänge aufzuzeigen und so die einzelnen Sehenswürdigkeiten sinnvoll zu verknüpfen. Der Satz, den ich an diesem Nachmittag am häufigsten höre, ist: „Ich würde Ihnen liebend gerne auch noch … zeigen, aber ich weiß nicht, ob es zu viel wird.“

Wie er an seine Künstler komme, frage ich. Die meisten kämen auf ihn zu. Am liebsten mag er es, wenn die Künstler bei ihm in der Gästewohnung wohnen und in Euskirchen etwas erschaffen. „Das korrespondiert mit der aktuellen Ausstellung ‚Total vernetzt – Trashart mit Kartoffelsack‘ und passt deswegen sehr gut zueinander“, schildert der Kurator Westphal. Am liebsten mag er es, wenn die Künstler bei ihm in der Gästewohnung wohnen und in Euskirchen etwas erschaffen. Vor einiger Zeit traf er einen jungen Künstler aus Moskau und lud ihn ein, bei ihm als Artist in Residence zu verweilen. Dieser komponiert Musik mit seinem Game Boy, wofür er eine große Fangemeide gewonnen hat, aber arbeitet auch mit verpixelten Fotografien von Alltagsgegenständen oder -situationen. „Heutzutage sind Ausstellungen einfacher zu realisieren. Denn die Künstler reisen mit USB-Stick und man kann auch mal spontan sagen, lass uns zum Fotogeschäft gehen, einige Arbeiten ausdrucken und daraus eine Ausstellung machen. So gelang es kurzfristig, die Werke eines zeitgenössischen Künstlers aus Russland in Euskirchen zu zeigen.“

Das Atelier des FzKKE ist im Zickzackkurs vom Euskirchener Bahnhof aus zu erreichen: Wenn man aus dem Bahngebäude heraustritt geht man rechts, dann links, dann rechts und wieder links bis zum Eckhaus in der Kölner Straße. Die Kölner Straße ist in Euskirchen eine von zwei Kunstmeilen. Auch hier trifft man auf Skulpturen von Künstlern, die der FzKKE früher schon mal zeigte. Ren Rong aus Nanjing etwa, dessen Augenhand mit den sechs Fingern auf der Meile steht. „Ihn habe ich auch schon ausgestellt und sogar seine Eltern und seinen Bruder auf einer Chinareise besucht“, erzählt Rüdiger Axel Westphal. In die Ferne zieht es den Kurator und Künstler häufig. Die längste Reise seines Lebens dauerte ein Jahr und führte mit dem Rucksack von Kairo bis nach Kapstadt. Aber das ist eine andere, eine sehr lange Geschichte.

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