Der Monarch

Folge 1: Graffiti – „Ja, das ist Kunst!“

Lake der 13. sitzt in seinem Office. An den Wänden hängen zwar keine Selbstportraits wie es wahrscheinlich in den Gemächern von Sonnenkönig Ludwig dem 13. gewesen sein muss. Und dennoch haben die beiden etwas gemeinsam: Sie sind ganz oben. Lake ist der König der Szene. Er nennt rund 90% der freien und legalen Wandflächen in Aachen sein eigen: Er ist Sprayer.

Lake13 heißt eigentlich Lars Kesseler. Die Dreizehn ist dazu gekommen, weil er an einem Freitag, den 13. geboren wurde. Das war vor 44 Jahren. Mit dem Sprayen hat Lake hat mit 16 angefangen. „Ich kam im zehnten Schuljahr nach Aachen“, erzählt er. Durchs Skaten traf er die ersten anderen Sprayer der Stadt. Sie haben die Szene gegründet. „Ersatzfamilie“, nennt Lake sie heute. Seine Eltern haben sich damals scheiden lassen.

OHNE WORTE – VIER FRAGEN, VIER ANTWORTEN

„Das Sprayen war eine Grenzerfahrung für mich“, erzählt er. Eine Mischung aus Sorge, dass man erwischt werden könnte, und dem Reiz nachts draußen zu sein. Lake hat das oft gemacht. Erwischt wurde er. Aus der Schule geworfen auch. „War damals nicht ganz einfach“, sagt Lake und kratzt sich unter seiner Cap. „Viele haben nicht verstanden, dass mein Graffiti auch Kunst ist – eine Form, in der ich mich damals schon ausdrücken konnte“, sagt er. In Aachen gibt es bis heute keine Möglichkeit legal zu sprayen. Deshalb gibt es sie eben, die „illegale Szene“. Lake mag den Begriff gar nicht. Mit der Aktion „Vandalism doesn’t exist“ setzt er sich für mehr Verständnis gegenüber Graffitikünstlern ein. „Ich glaube Aachen braucht legale Spraywände genauso sehr wie Spiel- oder Fußballplätze!“ In der Region haben beispielsweise Würselen und Heerlen bereits legale Wände.

Was genau gesprayt wird, hat auch Lake in den Jahren immer wieder verändert. „Ich hatte mal eine Schwarzweiß-Phase“, sagt er. Auf der Straße herrsche im Moment der „Banksy-Trend“. Banksy ist ein Graffitikünstler aus England, der mit seinen Schablonengraffitis – auch Stencils genannt – berühmt wurde. Lake findet Schablonen so lala: „Ist so’n bisschen wie die Schlaghose – ein Trend, der kommt und geht!“ Richtiges Können müsse man jedoch bei den Schablonen, die man sich inzwischen sogar fertig kaufen kann, nicht beweisen. „Ich habe selbst vier, fünf Jahre gebraucht, um gut zu werden“, erzählt Lake. Damals in den 80ern habe er nur sehr rudimentäres Equipment gehabt. „Wir haben die Aufsätze von Haarspraydosen abgeknibbelt und auf unsere Dosen gesetzt, um bestimmte Effekte zu erzeugen“, erzählt er. Heute gibt es dafür extra Dosen.

In Aachen selbst sind zwischen fast 90 Prozent der Flächen von Privatleuten oder beispielsweise der Stawag mit seinen Werken geziert. Das neiden ihm vor allem junge Sprayer. Aus Frust haben manche seine Werke sogar mit einer „hateline“ zerstört. „Meist sind das dann Schriftzüge“, erklärt Lake. Sowas kann er gar nicht ab: „Es gibt Regeln – auch unter Sprayern.“ Früher habe er, wenn er die Personen durch ihre Stilart erkannt hat, viel Ärger angefangen. Heute lässt er sich Materialkosten erstatten. „Aber eigentlich haben die Meisten inzwischen zu viel Respekt vor mir“, sagt Lake und schmunzelt. Die Szene habe schon etwas Hierarchisches an sich: „Ja, es ist bisschen wie in der Monarchie.“

Statt eines Selbstportraits ziert in Lakes Office ein Ottergraffiti die Wand. Lila, grau, blau – mit kunstvollen Sprenkeln. Das kreative Talent hatte Lake schon immer. Heute ist er selbstständig. Sprayt Wände in Aachen und der Region an und arbeitet als Kunstlehrer an zwei Hauptschulen in Alsdorf und Baesweiler und regiert: Auf der Straße – an Wänden und Garagentoren. Vielleicht sogar vor deiner Haustüre.

Bist du ein echter Sprayer?

Lake hat mir ein paar wichtige Begiffe aus dem Sprayer-Wortschatz beigebracht. Teste jetzt dein Wissen…