Nach dem Regen/ Unterwegs

Seit der angeblich launische Monat April vorbei ist, gibt es endlich wieder Regen.
Eingesperrt im Paradiesgarten nordöstlich von Corona wurden jeden Tag zweimal die Bäume und Büsche gegossen, damit die Dürre nicht schon im Frühling überhand nahm. Der trockenste Monat seit Menschengedenken. Der wärmste April aller Zeiten. Wenn der Weltuntergang mit ausbleibendem Regen zu tun hat, mit Zombies, Elefanten und Gespenstern und nicht nur mit Bürokratie, dann werde ich mich wohl damit arrangieren lernen.

Ich erinnerte mich in diesen Wochen immer wieder daran, genügend Wasser zu trinken und weniger mein Gesicht zu berühren. Ich dröselte meine unnötig warmen Pullover aus, um daraus Rankhilfen zu bauen und bei Bedarf zwei, drei Erzählfäden zur Hand zu haben. Ich bekam Sonnenbrand und Panik, meistens abwechselnd. Die Vögel, diese lärmenden Frühaufsteher unter den Todesboten, wurden auch nicht vergessen. Wer Bäume gießt, der füllt auch Schalen mit Wasser vor seinem Fenster, damit der Schlaf im Sonnenaufgang nicht gestört wird und auch der Elefant was zu trinken hat.

Die Grenzen meiner gesetzlichen Zuordnung verwandelten sich ganz schnell in die Grenzen meiner Wahrnehmung. An den Rändern: Grün und grau, Polizeiautos und Frauen mit neongelben Amtswesten. Wenn ich meinen Reisepass und Mietvertrag vergessen hatte, dann warf ich das Fahrrad in die Weißdornhecke und versuchte meinen Weg zum nächsten Supermarkt über die verwachsenen Schleichwege zwischen den Büschen zu finden. Meine schlammverkrusteten Schuhe das Überbleibsel meiner neu erwachten Paranoia.
Ostersonntag rannte ich sogar vor einem Polizeibus davon und versteckte mich im Schilf neben dem gelangweilt vor sich hin treibenden Grenzfluss. In der Nacht träumte ich von unbekannten Verwandten, die durch Flüsse schwimmend vor der Roten Armee zu fliehen versuchen. Ich erzähle das später dem russischen Sascha aus München, der lachte nur und sagte: Wie süß. Ihr Deutschen immer .
Die Schichten meiner sicheren An- und Zugehörigkeit lösten sich immer weiter ab. Bin ich hier richtig? Habe ich Papiere? Sehe ich noch aus wie auf meinem Ausweisfoto? Kann ich überhaupt in einer Schlange stehen?
Keine meiner Spuren, Heimaten, meiner Arbeitsverbindungen und Beziehungen kann auf dem Papier Bestand haben. Alles hinterlässt, wenn überhaupt, eine Spur auf mir und vielleicht jemand anderem. Meinen Gedanken, meiner Erinnerung.

„Ich wandte meine Schritte und mit einem Herzen voll unendlicher Liebe für die, welche sie verschmähten, wanderte ich in ferne Gegend
“, so träumte Franz Schubert vor 198 Jahren, als er seinen Garten verließ, sich eine Mund-und-Nase-Bedeckung aus verschmiertem Notenpapier bastelte und vorschriftsgemäß erst 50 Meter hinter dem Bahnhofsbistro auf eine Bank setzte, um seinen Filterkaffee zu trinken. Denn: Das vorübergehende Verweilen auf öffentlichen Bänken ist ab dem 20. April wieder gestattet.
Na dann.

Bahnhof lebensfroh Ruhrgebiet

Vielleicht waren Bahnhöfe schon immer die sichtbaren Zeichen der längst vergangenen Postapokalypse und wir haben sie nur nicht erkannt. Weil da zu viele Leute herum liefen und mit ihren Brötchen krümelten. Nur weil da Stromkabel an einem Pfahl hängen, heißt das noch lange nicht, dass die auch irgendwo hinführen. Das können auch nur Horizontlinien sein, die vorübergehend und um die Perspektive besser anzudeuten, beim einer ersten Skizze noch nicht ausradiert wurden.
„Derzeit sind verstärkt Trickbetrüger unterwegs. Passen Sie auf ihre Wertsachen auf“, sagt die Lautsprecherdurchsage in Bochum und ich bin wachsam inmitten schaffnerlosen Einsamkeit.

In der Privatbahn nach Soest wird dafür mit einer Besessenheit kontrolliert, als gelte es, alle potentiellen Schwarzfahrer bundesweit wieder aufzurechnen. Ich gerate naturgemäß in Schwitzen und versuche nicht nach oben zu schauen, wo sich der Elefant unauffällig im Gepäcknetz versteckt hat. Nach jedem zweiten Halt steht wieder winkend ein Angestellter vor mir und will meine Fahrtkarte begutachten. Schon wieder? Ich übe meinen bösen Blick und scheitere. Normalerweise klappt der. Nur mit Augen über Maske scheint er nicht zu funktionieren. Er lässt sich nicht abwimmeln. Ich denke, er verwechselt mich und das Notizbuch mit der Spiegel-Reporterin, die über Helden der Gegenwart recherchiert und rührende Portraits von Bäckereifachverkäuferinnen, Supermarktangestellten,und Kontrolleuren macht und deshalb jetzt incognito zwischen Hamm und Soest, Balksen und Berwicke, Welver und Dinker, Anröchte und Erwitte pendelt.
Als ob.

Als ob ich hier irgendwas protokollierte.
Als ob Helden jemals Kontrolleure wären.
Als ob Helden die wären, die im Angesicht von irgendeiner gefährdeten Gegenwart einfach weiter zur Arbeit gingen wie bisher. Schichtbeginn, Zack, Held steht bereit.
Als ob Helden nicht eben genau davor flüchten, aus der Wiederholung und der Wiederholung und der Sicherheit der Wiederholung, um kopflos aus genau dieser heraus zu rennen, weil sie was gehört haben, den Ruf heraus aus dem, was der Alltag ist, plus Selbstüberschätzung, plus das Herz voll unendlicher Liebe für die, die es verschmähten, plus feste Schuhe und die bescheuerte Idiotie dahin zu wollen, wo man vorher nicht war. Nur um sich zu verirren und dem Bösen hinter die Maske blicken zu können. Um die echte versteckte Welt und nicht nur die eigene Reflexion darin zu sehen. Naja, und vielleicht auch, um am Wegesrand ein paar Königstöchter zu vergewaltigen, die Väter zu entehren und sich damit ein paar neue Immobilienanlagen in unsicheren Zeiten zu sichern.

Spiegel Welver
Research indicates that male writers are more likely to make heroines superhuman, whereas female writers tend to make heroines ordinary humans.

Na dann.

Als ich mein Haus erreiche, wuchern die Kräuter aus den Ritzen. Der Elefant bezieht das Erdgeschoss und überlässt mir das obere Zimmer. Die Knoblauchranken zwischen den Terrassenplatten sind so hochgeschossen, dass sie bis zu meinem Fenster heranreichen. Sollte der Ruf zur Heldinnenreise noch heute Nacht erfolgen, kann ich ganz leise an ihnen herunter klettern und sehen, wohin der Weg mich führt.

Regenbogen Soester Anzeiger Alles wird gut
(One day a power rainbow of queer energy will blow the roofs off the houses and free the nuclear family and everything will be fine)

Alles wird gut.

Na dann.

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Traumdeutung (schwarz weiß grau)

Dichotomie im Denken ist ja generell ungut. Kann man viel drüber rätseln, aber an sich existiert das erst mal gar nicht oder macht nur Ärger. Deshalb immer auf der Hut sein vor Leuten, die einem was davon erzählen wollen, Zweiteilung, Linien, Grenzziehungen, Gut hier, Böse da, an der Ecke sehr heilig und da hinten ganz schlecht und verhurt, hinter mir Vergangenheit und vor mir das andere.
Mir, vor allen anderen muss auch keiner etwas über die Nachteile von Schwarz-Weiß-Denken erzählen, weil hier: Grau. Ausschließlich grau. Ziemlich viel grau. Einer Dame, die seit meteorologischem Frühlingsbeginn mit Elefanten zusammen lebt, muss über Bedeutung von Graustufen nicht wirklich was gemansplaint werden. Echt nicht.

Dichotomie bei Bohnen ist wiederum was anderes. Zweimal am Tag wässere und streichle ich die Setzlinge auf meiner Fensterbank. Wenn das keine echte Schönheit von dichotomischer Teilung an dieser Sprossachse ist, dann weiß ich auch nicht. Gäbe es ein sicheres Zuhause, es könnten Bohnen erwartet werden zum Ende des Sommers, der vor mir liegt. Wenn Menschen am Ende des Sommers zu Besuch kommen dürften, ich würde eine Bohnensuppe gekocht haben werden. Der Futurdrei ist eine Grammatikform, die ich noch üben muss, ich weiß.

Dichotomie bei Träumerinnen: vorhanden. Weil es gibt die einen, die nicht träumen und deshalb verdächtig sind. Und es gibt die anderen, die permanent am Träumen sind, was ja erst mal in Ordnung ist, bis sie anfangen, von ihren Träumen zu erzählen. Den Träumen anderer Menschen zuhören zu müssen ist etwa so unangenehm wie das erzwungene Betrachten verwackelten Urlaubsbildern oder die unfreiwillige Teilnahme an fremdem Popeln. Ich bin eindeutig Typ 2. Ich belästige Menschen mit meinen Träumen. Massiv. Schon immer.

Von den wiederkehrenden Träumen, dich mich seit Jahren verfolgen, nachts kalt erwischen und dann in den Tag hinein weiter kleben bleiben, gehört der mit dem Walfisch. Ich habe Google gefragt und Lexika, einen Oreonauten, meine Mitbewohner, Schamanen und Psychologen, schlaue und weniger schlauere Menschen und noch hat keiner eine Deutung vorgeschlagen, die interessant genug gewesen wäre, um sie final zu akzeptieren.

Der Traum geht so:
Ein Walfisch treibt auf dem Meer.
Es ist windig, der Wellengang schwer.
Sonnenauf- oder Untergang ziemlich wahrscheinlich.
Der Walfisch taucht auch immer wieder auf und ab, ist halb sichtbar, tümmelt da so herum und als er sich endlich in seiner vollen Größe aus dem Wasser erhebt, fängt er plötzlich an zu brennen.
Wie ein Osterfeuer oder ein Geburtstagskuchen, auf dem die kleinen grünen, pinken, gelben Kerzen immer sofort auf die Zuckerglasur, respektive den Wal tropfen.
Der Wal brennt ohne Geräusche.
Menschen stehen am Rand einer Klippe, schweigend. Dabei ist es ist meistens kalt und sie haben Mäntel an, sie schauen dem Wal zu und halten die Klappe.

DREAM 1: BURNING WHALE (von Lilianna Kane)

Ich mag diesen Traum. Er kommt in einer undurchschaubaren Regelmäßigkeit so wie mein Heuschnupfen oder mein Selbstmitleid, immer mal wieder und sicherlich einer inneren Logik folgend, aber ohne dass ich sie durchschaue.
Was weiß ich schon. Ich sage auch Walfisch zu einem Säugetier.

Vor meiner ersten Reise in den Hellweg, in der kurzen Nacht zuvor, hat sich der Traum verändert.
Ich stehe wieder in einer Menschenmasse, die schweigt, ich habe einen Wintermantel an und mache einen auf Beobachter, aber diesmal stehen wir nicht am Rand einer Klippe sondern am Eingang der Wüste, die eigentlich auch wie ein Meer ist, nur trockener.
Und es ist kein Fisch, der brennt, da brennt eine Herde Elefanten. Sie sind weit draußen, es ist mitten in der Nacht und die brennenden Elefanten laufen einmal quer durch das Blickfeld und stehen in Flammen, ein Wüstenelefantenfeuerwerk.

Dream 2: Burning Elephants (von Lilianna Kane)

Ich wachte auf im März und wunderte mich, war aber mit Kopfschmerzen und Taschepacken und Busfahrerverfluchen beschäftigt, ich musste einen Zug erwischen, einen Proviant einkaufen und einen Schienenersatzverkehr durchschauen, deshalb war keine Zeit sich weiter mit diesem Traum zu beschäftigen. Draußen zog Deutschland am Zugfenster vorbei in schlammigem Mattbraun. Wie war die Welt so trübe, jajaja, und der Weg gehüllt in Schnee, zumindest an ein paar wenigen Stellen.

Von allen Jahreszeiten, die für Anfänge scheiße sind, November und März ganz oben mit dabei.
November wegen Hoffnungslosigkeit und März wegen Hoffnung, weil zu ahnen ist, dass das alles besser wird, aber es nicht danach aussieht. Nur weil irgendeine Dings es seit Anbeginn der Welten geschafft hat, aus dem Winter wieder einen neuen Anfang zu machen, der keimt und blüht und Wurzeln schlägt, heißt das ja noch lange nicht, dass es in diesem einen Jahr wieder funktionieren kann.
(Spoiler aus dem April der Gegenwart: Frühling hat geklappt. Der Rest nicht so.)

Jetzt ist mehr Zeit und nicht mehr ganz so viele Verkehrsmittel.
Dafür Elefant.
Ob er auch in Traumdeutung mache, will ich von ihm wissen.
Und er: Ob ich mir denn für keine Frage zu blöd sei.
Bei Neugier gibt es erst mal kein richtig oder falsch, merke ich an und: Dein dichotomisches Denken nervt total.
Der Elefant schnaubt nur, ob ich hier jetzt kuschelpädagogisches Esorterikgetexte eines Säugetiers einfügen wolle, so ganz schlimm wie in, komm schon, Stimme der Weisheit, sag doch auch mal was Schlaues.
Nein, sage ich. Das jetzt nicht gerade.
Meine Stimme zittert ein bisschen dabei.

Wer jetzt noch träumt, ist verloren.
Wer Anteilnahme und Verständnis von Untertönen in Gegenwart einer grauen Tonne verlangt, ist sowieso verloren.
Wer Antworten im Schlaf sucht, wenn die Vernunft vorübergehend ausgeschaltet ist, wenn alles irgendwie ausgeschaltet ist, der ist wiederum so rettungslos verloren, dass er eine Antwort verdient.

Ob ich die Zukunft gedeutet haben möchte, will der Elefant von mir wissen.
Jetzt muss ich auch ein bisschen lachen.
Natürlich nicht.
Weißt du, so der Elefant, wir müssen uns langsam von der Vorstellung verabschieden, dass die Zukunft in nur einer Richtung zu finden ist. Und dass diese vor uns liegt. Weil es an der Zeit ist, neben sich zu schauen. Das Blickfeld zu erweitern. Um auf dem Boden, in den Nischen und Winkeln zu suchen. Verstehst du mich?
Der Elefant schnaubt wieder, diesmal aber verständnisvoll.
Wir rücken ein bisschen zusammen.
Wir atmen ein bisschen ein und aus.

Ich fahre mit meiner Fingerspitze seine Falten entlang, auf der Suche nach einer Antwort oder Richtung, Labyrinthe sind das, Sackgassen und verzweigte Wegesnetze in den Rillen seiner Haut. Er tastet vorsichtig meine Narben ab mit seinem Rüssel, auf der Suche nach Verständnis, nach Geschichten oder Mustern.

Das geht so eine ganze Weile, bis die Nachmittagssonne ein Erbarmen mit uns hat, wir uns aus dieser merkwürdigen Umarmung lösen und ein bisschen peinlich berührt abrücken, um die Bohnensetzlinge umzutopfen.In einen anderen, etwas größeren Saatbehälter versteht sich, mit dem Freiland warten wir noch ein bisschen, denn den Eisheiligen ist ebenso wenig zu trauen wie den Träumen bei Nacht.

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Der Elefant im Hellweg

Sagen wir, angenommen, da steht ein Elefant im Raum.
Und sagen wir, dieser Raum könnte jetzt gerade meine Gegenwart sein.
Oder der Hellweg.
Geht auch.

Der Elefant steht jedenfalls da und egal ob ich blinzle oder die Brille abnehme saubermache abspüle aufsetze, davon wird der weder größer noch kleiner. Der steht da einfach. Der Elefant. Und bewegt sich nicht. Keinen einzigen Millimeter, nicht ein bisschen.
Elefanten werden ziemlich groß. Merkt man immer erst, wenn der so direkt vor einem. Elefanten werden sogar bis zu wieviel Meter, ja muss ich nachschauen, mach ich später, geht jetzt nicht, ich hab hier ein größeres Problem und außerdem habe ich überhaupt keine Lust, Elefantendaten nachzugoogeln und noch weniger Lust, so zu tun, als wäre der da nicht. Das ist zu albern und außerdem bin ich ziemlich verängstigt, so mit Elefant in Raum. Noch dazu alleine. Eine falsche Entscheidung, zack, zerquetscht. Kennt man. Und Elefanten sind rachsüchtig, über Jahrzehnte hinweg tragen die einem so etwas nach.

Besser nett gucken, falsches Lächeln üben und erstmal sitzen bleiben.
Bewegungen generell sind vermutlich gar nicht gut.
Eigentlich müsste ich aber mal raus hier.
Geht aber nicht. Wegen Elefant und so.

Ich kann so überhaupt nicht spazieren gehen, obwohl das doch der Plan war und auch auf meiner Postkarte steht und das Wetter eigentlich ideal ist. Aber ich kann nicht spazieren gehen, weil sich der Elefant ziemlich direkt vor die Haustüre meiner Residenz gesetzt hat und mich nicht mehr heraus lässt und selbst wenn ich da draußen sein würde, wäre der auch schon überall. Sich in diesen engen Gassen oder Cafés oder Regionalzügen in sicheren Abstand zu Elefanten zu positionieren, quasi Ding der Unmöglichkeit.

Die einzigen Orte, an denen sich Elefanten und Spaziergängerinnen noch aus dem Weg gehen könnten, sind die uniformen Weiten der Einsamkeit, an denen der Hellweg so aussieht, wie überall auf der Welt: Die Nicht-Orte, die zu Nicht-Elefantenorten werden könnten, ach ihr Supermarktparkplätze, Grünstreifen und Autobahnraststätten, ihr leeren Schulhöfe und Tartanbahnen, ihr windverwehten, toten Auen der Flächenversiegelung. Naja. Als ob ich mich an Nicht-Orten aufhalten könnte, ohne sofort in eine fette, graue Depression hineinzustolpern, die an Größe und Kollisionspotential dem Elefanten in nichts nachsteht. Also wirklich jetzt.

Ich kann doch so gar nichts vom Hellweg sehen, da steht ein Elefant davor. Mit uns beiden, dem Ding hier und mir gleichzeitig ist auch kein Platz zum Schreiben, es ist nicht mal Platz zum Atmen oder Durchschlafen oder Nachdenken oder für sowas wie Hobbies. Der Elefant verändert eine ganze Menge.

Alles ist gerade sehr anders, wusstet ihr das schon?

Vor drei Wochen war meine größte Angst so vom künstlerischen Dings her, dass ich das Frühjahr über in kreativer Isolation sitze und versehentlich nur Netflix schaue. Zumindest diese Angst ist definitiv weg, erstens Internet überlastet, zweitens kommt einer die Fiktion in Zeiten des Realitätsverlustes vollkommen albern vor.

Ich kann keine Filme mehr schauen und keine Serien, weil es da nur so von Fehlern wimmelt, ich bitte euch, ihr Geschichtenschreiber, ihr Wirklichkeitsverdreherinnen, ihr Vollidioten – Menschen die sich verabreden? Öffentliche Verkehrsmittel benutzen? Über eine Straße gehen zu zweit? Protagonistinnen, die Türklinken mit Händen statt mit Ellenbogen öffnen, um dann auf Konzerten beieinander zu sitzen, die in Bars betrunken werden mit Bier, das nicht aus Flaschen kommt, um später peinlich zu tanzen und sich dann noch später im Dunkel der Nacht anzulecken, was soll das denn bitte? Was soll all das, woher kommen die denn, diese komischen Narrative über die Distanzlosigkeit von Körpern, ohne dass diese Menschen verwandt wären oder das auf polizeiliche Kontrolle hin auch nur ansatzweise beweisen könnten.
Das hat doch nichts mit mir zu tun.
Das ist nicht meine Geschichte. Das ist nicht meine Gegenwart. Und auch nicht die vom Hellweg.

Oder doch, vielleicht, ich weiß nicht, da war was.
Jetzt sitze ich hier schon mit einem Elefanten zusammen und kann mich an nichts mehr erinnern.
Meine Güte.
Wie lange ist das jetzt schon?

Das muss so etwa, also so damals gewesen sein, in der Zeit in der ich und meine Wanderbegleitungen noch Arbeit hatten, Jobs und Projekte und Projektvorhaben und Projektziele und Projekttreffen, und Zeitpläne hatten wir auch, und Urlaubsreisen, Zugtickets, Bürgerrechte und Erkältungen, all sowas.
Humor hatte ich auch noch, bis so etwa vor einer Woche, jetzt musste der leider weg, hab ihn gestern Nachmittag noch kurz gesehen und dann zusammen mit den Astern und dem Restholz und meinen ersten Hellwegnotizen im Sonnenuntergang im Feuer im Garten verbrannt. Frühjahrsbeginn.

Regionschreiberin im Garten beim Verbrennen voriger Versuche.

Regionenschreiberin im Garten (ohne Elefant). Bild: Lilianna Kane

Alles verbrannt oder einfach nur schal geworden wie altes Brot. All diese grundbescheuerten Notizen, Skizzen über die Peinlichkeit von Begrüßungen in Zeiten der Krise, über Bratwurst Slash Pommes oder den geheimen Zusammenhang von Leeren in westfälischen Dehnungs-Eees mit Fußgängerzonen allgemein oder der Woolworthfiliale am Samstagmorgen.
Heute sind alle Leeren nur noch Elefantenplatzhalter.
Sich in Bad Salzdingsda, nein, Sassendorf, in ein Café zu setzen, getarnt als verloren gegangenes Enkelkind und Beobachterin vierter Ordnung, um Gesprächen diabetischer Damen am Nachbartisch zu lauschen und herrlich amüsiert ihre Rollatorenballets zu bewundern, das ist jetzt mit Elefant gar nichts mehr und vor allem nicht elegant oder angemessen oder lustig.

Es ist nur groß und grau und traurig.

Ich bin in der Lage, über Tote schlecht schreiben, aber nicht über Verdammte. Ich hab die Hölle gesehen, Baby und ich sage dir, Limbo mach ich nicht. Lasst die ohne Hoffnung bitte in Ruhe und mich auch und mach einer jetzt bitte diesen Elefanten da weg. Ich mag nicht, nein, pardon, ich kann nicht mehr. Ich verweigere jetzt. Ich brauche den Job auch gar nicht, oder doch, ach ja, stimmt, andere gibt es ja nicht mehr. Ich bitte um eine kurze ökonomische Bedenkzeit.

Hmm. Lass mal sehen.
Wie schlimm?
OK.
Doch so schlimm.

Ja, hab ich verstanden. Dann schreibe ich halt doch, aber ich schreibe nicht über den Hellweg, sondern nur noch über Elefanten und zwar solange bis der sich auflöst und keine Spuren hinterlässt oder wir uns aneinander gewöhnt haben. Vielleicht finde ich in der Küchenschublade meiner Gästewohnung noch Erdnüsse, mit denen ich den Elefanten dressieren kann, bis der aus meiner Aussicht geht. Oder ich gebe ihm einen Namen, Manfred vielleicht, und ich bringe ihm lustige Tricks bei, die uns beiden den Lebensunterhalt verdienen. Bis ich ihn dann eines Tages einfach nur freundlich nach draußen führe, hinaus, mein Freund, ins Offene.
Oder einfach nur zurück nach Hamm.
Geht auch.

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Von Eindrücken aus dem Hellweg | Fazit

Ein verregnetes Wochenende in Berlin. Treiben einer Großstadt, kurze Mützen auf dem Hinterkopf, Kleidung aus dem Secondhand Laden. Man nennt es Vintage. Oder shabby-chic. Bioläden, Rennräder, Apple-Computer. Club Mate Flaschen, selbst gedrehte Zigaretten, gekrempelte Hosen, minimalistische Tattoos. Die Vermengung vieler Sprachen aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturen. Man ist cool, man ist Weltstadt. Arm aber sexy. Alles Menschen der Kunst. Und der Start-Ups. „Home is where your heart is“ und „the concept of home does not appeal to me, I am global citizen. But Berlin, you know, so cool.“ Ankerlos. Traditionslos. Fähnchen, flatternd im coolen Wind.

Der Hellweg im Kontrast. Voller Kontraste. In der Stadtplanung etwa. Andere Welten hinter der Brücke, bis zur Bahnstrecke, in der nächsten Nachbarschaft. Juristen hier, Arbeiter dort. Kraftwerk rechts, Tempel links.
Strähnchen im modernen Kurzhaarschnitt. Markenzigaretten. Bier aus der Region. Vornamen der Kinder im Unterarm verewigt, andere Vornamen als in Berlin. Man spricht deutsch. Oder westfälisch. Start-ups heißen hier Firmen. Status des Eigenheims, des Autos. Gepflegte Vorgärten – was sollen nur die Nachbarn denken. Carports und Garagen, Gartenzäune.

Nachbarschaften im Hellweg. ©mj

Die Herkunft, die Heimat bestimmt signifikant die Identität. „Hamm ist die geilste Stadt der Welt.“ oder „Heessen ist das Zentrum“. Man hat ja alles was man braucht. Stadt. Land. Fluss. Der Hellweg sehr ländlich. Das Ruhrgebiet nicht weit. Aber doch auch: „Nach Düsseldorf an einem Mittwoch Nachmittag ist mir einfach zu weit. Und zu stressig. Da geht der ganze Tag verloren.“

Während Wissenschaftler*innen auf aller Welt die Frage nach Identität untersuchen, hält sich das Thema hier keine Zigarettenlänge. Identität ein Mosaik mit scharfen Kanten. Deutsch. Westfälisch. Sind schwarz-gelb, respektive blau-weiß. Sind, in sperrigem deutsch: Interessensgemeinschaften. Wie die Gruppe Mazda-Cabrio-Fahrer an einem spätsommerlichen Sonntag Nachmittag, in Kolonne fahrend. Oder die Jungs am Bahnhof, alle mit Bierflasche in der Hand, alle mit dicken Buchstaben auf dem Shirt: SC Hackenstramm.
Cool also schon auch. Nur anders. Und vor allem: local citizens. Fest verankert, verwurzelt. Verankert in Vereinen und Verbänden, in Organisationen, in Traditionen, in Freund*innen und Familien. Alle leben sie hier, seit Generationen. Oder kehren zurück, früher oder später. Von hier kommen sie, hier leben sie, hier bleiben sie. Wollen auch mal reisen. Vielleicht sogar weiter weg. Aber.
Eine Zufriedenheit mit dem, was vor der Haustür liegt. Was die Nachbarschaft hergibt. Was Traditionen vermitteln.

In Städten wie Berlin nur wenig von so etwas, was als nationales Selbstbewusstsein betitelt werden könnte. Im Hellweg immer wieder die Vergewisserung des Selbstverständlichen. Markierungen der Zugehörigkeiten, der Sympathien, der Gesinnungen. Vermutlich selten als Kritik am Anderen gemeint.
Für Außenstehende, für mich, aber implizit. Markierung als Deutsch in Deutschland ist Markierung der Deutungshoheit. Ist Aus- und/oder Abgrenzung. Oder Eingrenzung, Begrenzung des Horizonts, je nach Perspektive und Blickwinkel.

Flaggen im Hellweg ©mj

Wege, Orte, Begegnungen, die meinen Alltag prägen, meist in Großstädten. Mein Rhythmus getaktet von Transportmitteln, von Kommunikation in unterschiedlichen Sprachen, von ‚Projekten‘ hier und dort. Das Verschwimmen von Zeitzonen, von Stadt- und Landesgrenzen. Vernetzung ist das Schlagwort. Ein Grundsatz: Raus aus der Komfortzone. Versuchen, das Andere zu verstehen. Das Fremde. Das Unbekannte. Füreinander sensibel, füreinander aufmerksam machen, miteinander lernen. Das Miteinander ist auffällig im Hellweg.

So fremd mir der Hellweg anfangs war, vielleicht noch ist, so bereichernd waren vier Monate dort, so sehr schätze ich die Vielfalt, die Zufriedenheit, das Miteinander, sei es auch geprägt von lokalen Patriotismen und Rivalitäten, die mir unverständlich sind und bleiben. Das Unverständnis aber nicht relevant.

Relevant ist eine Offenheit. Empathie und Solidarität, im Großen nicht erst jüngst niedergeknüppelt von sozioökonomischen Wandeln, von Differenzen zwischen Stadt und Land, Nord und Süd, von West und Ost.
Was sind Traditionen, während wenige Konzerne zunehmend Denken und Handeln lenken und global normieren?

Vier Monate in einer unbekannten Region, Eindrücke aus Landschaften, aus Stadtgeschehen, Geschichten von Menschen, viele Fässer ohne Boden. Ein Privileg. Reisen bildet. Die Begegnung mit Nachbar*innen aus anderen Regionen. Nachbar*innen im Hellweg, oder Düsseldorf oder Berlin, oder Brüssel, Damaskus, Beijing, Santiago. Die Begegnung mit dem Unbekannten eine Begegnung mit sich selbst. Mikrostrukturen als Exempel für Makrostrukturen.

Zurück in Großstädten erzähle ich Geschichten aus dem Hellweg. Kein Baumarkt, eine Kulturregion in NRW. Auch mir neu. Neue Gedanken zu Heimat, zu Deutschland im Sommer 2017. Neue Rhythmen, Traditionen, Sprachgebräuche.
Im Hellweg, so glaube ich gelernt zu haben, sagt man nicht tschüss. Stattdessen: Bis dahin!

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Von schönen toten Räumen (Stadt Kirche Raum)

Der Weg zu meinem Ziel fast idyllisch. Den Shoppingwahnsinn im Rücken. Links ein Park. Auf den zweiten Blick erst Menschen, denen Räume verschlossen blieben oder wurden, die mein privilegierter Alltag sind. Kontrast von ordentlichem Park und ordnungslosem Alltag drogenabhängiger Menschen. Viel öffentliche Sorge um Schein. Und was ist mit dem Sein?

In der Nachbarschaft aber auch: aufgeräumte Häuser, öffentlich und kirchlich getragen. Suchtberatung, Franziskusküche, Seniorenheim, Kita. Räume für ein besseres Sein. In einem dieser Häuser, Tiefparterre, das Büro Frau Frankenbergs. Gemeindereferentin des Pastoralverbunds Hamm, beauftragt, unter anderem, Räume zu öffnen.

Die Nachbarschaft geprägt von den genannten Einrichtungen. Von Menschen unterschiedlicher Hintergründe. Gegensätze, Widersprüche, Konflikte. Was kann da Kirche?
Kirche ’neu denken‘ ist leicht gesagt. ‚Neu denken‘ ist en vogue. ‚Neue Konzepte‘ gewinnen möglicherweise Ausschreibungen. Neue und nachhaltige Strukturen sind diffiziler. Wie der Kirchenraum der Kirche St. Agnes vor sechs Jahren neu gestaltet wurde, ist da immerhin überraschend.

Kirchenraum ohne Altar, mit mobiler Bestuhlung und mit Becken für Ganzkörpertaufe ©mj

Vor der Kirche St. Agnes ein großer Vorplatz. Geeignet zum skaten und Ball spielen. Ist verboten. Aber auch geeignet für: die Nachbarschaft. Die Gemeinschaft. Für Begegnung, außerhalb eines vorbelasteten Raums. So die Grundidee für das Projekt ‚Kirche im Quartier‘, passiert im vergangenen Juli. Grundidee: Ein Raum für die Nachbarschaft, unterschiedliche Möglichkeiten zur Begegnung.

Junge Menschen, aus Kitas, Schulen und Berufsschulen sind tatsächlich gekommen. Tatsächlich entstanden Begegnungen, die sonst wohl kaum stattfänden. Und tatsächlich: viele trauten sich doch nicht. Die drei Stufen auf den Vorplatz als unüberwindbare Hürde. Fragen und Skepsis. Wird hier missioniert?
Respekt, immerhin steht Kirche drauf.

Kein Glaube mehr an uneigennütziges Handeln, an selbstloses Handeln. Heute, 2017.

Im Gespräch mit Heike Frankenberg die Erkenntnis: kein Mangel an Räumen, immerhin in Hamm. Aber doch, das ist nicht Hamm-spezifisch, ein großer Mangel: Mut, Räume und Verantwortung über solche abzugeben, einerseits. Mut zur Übernahme von Verantwortung für einen Raum, andererseits.

Die Stadtzentren von Verbünden und Vereinen verwaist. Die nur in den Vororten. Räume der öffentlichen Begegnungen dominiert von elitären Vorahnungen. Theater und Kirche, zum Beispiel.

Immer weniger Räume in Stadtzentren, die unvorbelastet sind. Ein Mangel. Belastet mit einer Vorahnung davon, dass nichts mehr ohne Eigennutz funktioniert. Belastet mit Geschmäckle. Von Elite, von Deutungshoheit, von Hoheit der Narration. Das Angebot ‚Wir sind für alle da‘ kann zur Drohung werden. Oder zur Worthülse.

Wer sind wir? Wer sind alle? Was ist ein Raum?

Wie sind die analogen Räume gestaltet, die ernsthaft mit den digitalen konkurrieren können? Muss von der Tendenz zu schnellem Chatten, das reale Gespräch ersetzend, gelernt werden? Kann das adaptiert werden? Wer weiß, was andere Menschen brauchen? Expert*innen aller Professionen sind gefragt. Synergien. Transdisziplinarität. Architektur, Soziologie, Informatik, Pädagogik. Usw. You name it. Die große Gefahr: Entscheidungen von oben für unten. Top-Down. Hierarchien. Für, aber ohne die Zielgruppe.

Gut intendierte Räume gebe es viele. Aber es mangele an Konzepten, die Räume zu füllen. Und da das titelgebende Zitat: Es gibt viele schöne, aber eben auch tote Räume.

Gut gemeint ist noch lange nicht gut.

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Von Wahlkampf und Bratwurst

Lünen eine Woche vor der Bundestagswahl 2017. Ein elektronisch betriebenes Auto, voll beklebt. Rote Werbung, ein Konterfei, freundlich lächelnd, ein Datum: 24. September. Aufruf, an diesem Sonntag ein Kreuzchen bei dieser alten Volksparteien zu setzen.

Rückbank und Kofferraum voll bepackt. Postkarten, Kugelschreiber, Stofftaschen, Notizblöcke. Souvenirs oder Accessoirs oder ‚Waffen‘ oder Give-aways eines Mitglied des Deutschen Bundestags. In diesem Frühherbst. Zu Ende dieser Legislaturperiode. In einem Wahlkreis, um den noch gekämpft werden muss. Wird er rot? Wird er schwarz?
Ein Mittel für Stimmenfang: Präsenz. Demonstrierte Nähe. Ein offenes Ohr. Für Sorgen, Probleme, Berichte aus erster Quelle. Eine reichende Hand. Zur Hilfe, zum Angebot. Mit Lösungen. Im Ärmel womöglich ein Ass.

Auf dem Weg von Termin zu Termin. Michael Thews strahlt große Ruhe dabei aus. Wenn auch nicht immer wissend, was genau bei seinen Terminen auf ihn zukommt. Ortsverein, AWO, Moschee. Alles an einem Nachmittag.
Ein Erbe des Vortags: Die Stimme etwas tiefer als gewohnt. Der Abend mit Jusos ging länger als geplant. Pläne zu ändern gehört freilich dazu.

Bei einem Ortsverein im Lünener Norden die Atmosphäre eines Gartenfestes. Alleinunterhalter unterm Pavillon, Bierbänke, man kennt sich. Wer hier in der Gewerkschaft ist, ist auch im Ortsverein. Geteilte Geschichte, Kohle und Schweiß (ver)binden. Im letzten Jahrhundert kamen hier alle voll Ruß von der Arbeit. Partei ist hier auch ein sozialer Raum, eine Selbstverständlichkeit. Beziehungen. Freundschaften.
Im Hintergrund: Fahnen und Plakate der SPD. Schulz und Thews, Seite an Seite. Zwei Männer, ein Programm.

Wahlkampf mit Bratwurst (mj)

Zu Kaffee und Kuchen zwei Reden, Ärger und Spott auf gegnerische Parteien, Werbung für das eigene Programm. Beschwörung der Anwesenden: jede Stimme zählt, bald ist wieder Sonntag. Der Sonntag. Bis dahin nicht aufgeben, weiter kämpfen. Die Landtagswahl schmerzt nach. „Wir gemeinsam.“ Mit Genossinnen und Genossen. Aber auch: „Ihr müsst jetzt nochmal richtig arbeiten. Nochmal richtig Werbung machen!“

Aktuelle Zahlen werden beiseite geschoben. Von Prognosen beeinflussen lassen? Überzeugungen sind stichhaltiger. Ihnen entgegen, auf der anderen Seite: Eine Regierung in schwarz, die nur sage: „Weiter so, ist doch gut, wie es ist.“
Und im Nacken eine Furcht. Eine Partei mit blauem Logo als drittstärkste Kraft. Ein Albtraum. Könnte Realität werden.

Nach Kaffee und Kuchen: Bier und Bratwurst. Hoch die Tassen, her mit dem Senf. Ein Foto am Grill. Ganz nahbar. Ganz bescheiden. Ganz von nebenan.

Am Lünener Hauptbahnhof, ein Parkplatz, die Arbeiterwohlfahrt: Bierbänke und Schwenkgrill, Bier aus der Flasche, Wurst auf dem Pappteller, die Gleise nach Dortmund gleich nebenan.

Von nebenan auch die Rentnerin, den Sonntag extra frei gehalten („Ich habe allen gesagt, ich bin zum Grillen eingeladen.“), ihr erstes Gespräch mit einem Delegierten aus Berlin. Austausch auf Augenhöhe, Wahlversprechen. Auf beiden Seiten. „Meine Stimme haben Sie!“

Das deutsche Parlamentssystem greifbar. Die erste Stimme verortet. In einer Person.

Parkplatz-Grillen (mj)

Die Deutschen so einfach? Funktioniert so Stimmenfang? Oder eher Stimmenbestätigung?

Abends geht es weiter für Michael Thews in einer Moschee. Ein Termin, sicher diffiziler, als solche mit Bier und Bratwurst.

Mehr von Matthias Jochmann