Nett

Anmerkung vorab: Das folgende Gedicht "Ich kannte niemanden, und alle waren nett" ist sowas wie mein Abschlusstext für die vier Monate in Ostwestfalen-Lippe. Er fasst die bisher veröffentlichten Gedichte nochmal in einem langen Gedicht zusammen >> allerdings in nochmal teilweise relativ stark korrigierter Fassung und ergänzt um eine Vielzahl weiterer, bisher unveröffentlichter Abschnitte.
Der vorliegende Text ist gleichwohl weiterhin nur eine gekürzte Fassung des finalen Gedichts. Heute ist Abgabe für die Anthologie zu stadt.land.text, dies ist mein Versuch, den Text auf eine (hoffentlich) veröffentlichbare Länge herunter zu kürzen. Anyway, überall, wo im Text ein ... auftaucht, wird es irgendwann in einer finalen Fassung noch mehr Text geben, den ich für die nötige Kürze in der Anthologie rausgenommen habe (und für den Post hier nicht wieder reinnehmen wollte, weil mir die Zeit gerade fehlt, diese Abschnitte nochmal Korrektur zu lesen und finaler auszuarbeiten).  
Cool, das wars erstmal von mir. Ich bin gerade am Literarischen Colloquium in Berlin, noch bis Ende Juli, und muss mich langsam mal darum kümmern, bisschen was über die Hauptstadt zu schreiben. Wish me luck.
Cheers, Tobias

Ich kannte niemanden, und alle waren nett

Heepen und die Sonne auf den Stauteichen

Am Ankunftstag, gegen siebzehn Uhr, finde ich mich unter einer kleinen 
Fußgängerbrücke wieder, sie führt über einen mir noch unbekannten 
Bach (es wird die Lutter sein), ich stehe mit halb geducktem Kopf da und 
pinkel in ein Rohr hinein, das wiederum in besagten Bach fließt, der hier 
zwischen den Hintergärten der Häuser entlang läuft. Eigentlich wollte ich 
direkt an der Böschung urinieren, aber als ich schon dastand, tauchte weiter 
vorn am Bachweg ein älterer Herr in einem motorisierten Rollstuhl auf, und ich 
versteckte mich vor ihm. Er fährt über mich hinweg, als ich gerade Wasser lasse, 
einen kleinen Hund hat er auch dabei. Danach geh ich wieder Richtung Heepen 
Zentrum. Dieses Zentrum wird von gut gekleideten Damen bestimmt. 
Später ziehe ich über die Flecken der Ausziehcouch die bereitgestellte 
Bettwäsche. Sie hat auch Flecken, ein Loch. Auf dem Flur schreit jemand, 
klingt nicht wie ein Hilferuf. Nach ein paar Tagen blute ich, ausversehen, in 
die Bettwäsche hinein, mal wieder ein aufgerissene Ellenbogen. 
Auch am Ankunftstag, unterm freien Himmel, beim ersten Herumlaufen, das 
Gefühl gehabt, dass alle Lust mir möglich wäre und kurz da auch war. 
...

Kraft der Positivität

Was mich dann immer und immer wieder rettet, ist die Musik, und ich habe 
mich nie genug oder eigentlich auch überhaupt jemals dafür erkenntlich gezeigt, 
finanziell jetzt, bei den Schaffenden. Jeden Abend auf der Couch in der neuen 
Wohnung in der Ellerstraße schlaf ich zu ihr ein, viel Piano und Streicher, ist Serien-
musik, Bridgerton, Staffel zwei (Kostümdrama-Phase). Auch wichtig ist Kleidung, 
vielleicht eigentlich ja eher der Körper, den sie bedeckt, aber nach ihm Ausschau 
zu halten, soweit bin ich meistens noch nicht. Ich mag allerdings die Wärme 
und die Weichheit meiner neu bestellten Jogginghose, sie ist aus einem 
fluffigen rosa Stoff, auf dem Bund steht wieder und wieder POWER 
geschrieben, sie war für Damen bestimmt. Ist mir vielleicht sogar 
Recht und die größte verfügbare Größe passt gerade so. Ich seh in ihr 
ein wenig so aus, als hätte ich schon Teile meines Kostüms für Karneval an. 
...
Fast drei Wochen vor diesem Besuch steh ich eines frühen Abends im 
Wohnzimmer in der Ellerstraße und gehe so extra langsam unter der aufgehängten 
Luftballongirlande vor und zurück, damit mich einer der Ballons immer ganz 
knapp am Kopf streichelt, da an der Stelle, wo ich schon fast eine Glatze hab. Ich 
wohn nun bei einer Familie, die selber auch beruflich irgendwo anders ist, 
anscheinend wurde kurz zuvor noch ein Geburtstag gefeiert. Ich werde die 
davon zeugende Girlande bis zu meinem Auszug Ende April hängen lassen, es 
ist fast so, als wäre sie, als Willkommensgruß, für mich bestimmt gewesen. 
...
Abends erklingen die Glocken der katholischen Kirche, immer um 18 Uhr, von 
denen mir Judith schrieb, dass sie die so mag. Sie schrieb mir auch von den 
Rettungshubschraubern, die man, von Ihrem Balkon aus, mit großer Wahrscheinlichkeit 
bei einem gemeinsamen Kaffee einfliegen sehen könnte, auf das Dach des 
benachbarten Franziskus-Hospitals, aber als wir dann tatsächlich bei ihr Kaffee-
und-Kuchen machen, kommt keiner und sie entschuldigt sich dafür, was ein 
bisschen lustig ist. Ungefähr in derselben Nacht steh ich in der Küche am 
Kühlschrank für Snacks, als ich schließlich einen Hubschrauber einfliegen 
hör‘, er ist schon weg, bis ich zurück bin auf der Couch. Von dort sehe ich 
eigentlich immer nur die Weite der schwarzen Nacht, weil das Wohnzimmer seine 
Fensterseite zum abfallenden Hügel hin hat, auf dem wir alle im Bielefelder 
Westen stehen, und so scheint es meistens, als schwebe man im All, sieht man von 
den rot leuchtenden Lampen der Baukräne am Franziskus ab. Wenn ich auf der Couch 
dann, zur erwähnten Piano- und Streicher-Musik, einschlafe, wach ich meistens 
eine gute halbe Stunde später wieder auf, mit so einem Gefühl, das mich was 
an der Kehle hat oder auch, dass da vielleicht etwas an den Fenstern ist. Manchmal 
putz ich mir dann noch die Zähne, bevor ich im richtigen Bett liege, auf dem 
Kissen, dessen Geruch ich auch nach einigen Wochen noch nicht identifizieren kann. 
Nachtrag: Ich glaube, der Geruch ist sowas wie Kirschkernkissen. 
Nachtrag: Judith hat den Abschnitt mit den Hubschraubern gelesen und tatsächlich hat sie niemals versprochen gehabt, dass diese aufs Franziskus einfliegen würden, das können sie nämlich gar nicht, da ist kein Landeplatz. Man kann sie allerdings, ab und zu und weiter weg, das Gilead hinter der Sparrenburg ansteuern sehen und hören. 
Nachtrag: Mittlerweile im Spiegel bemerkt, dass auf der Jogginghose nicht nur POWER sondern POWER OF POSITIVITY steht. 

Wie Inseln in der Nacht

Es passiert mir noch etwas, das mir so glaube ich noch nie bis dahin passiert 
ist, ich schreie einen Mitarbeiter in einer Hotline an. Es ist ein Kaltanruf meiner 
Sparkasse, Köln-Bonn, mit dem Mitarbeiter habe ich bis dahin noch nie 
gesprochen gehabt, und ich solle doch langsam mal den neuen AGBs 
zustimmen, ich sei einer der Allerletzten, die das noch nicht gemacht hätten, und 
grundsätzlich wünsche sich die Sparkasse von nun an nur noch Kunden, die sie,  
als Bank, auch zu schätzen wüssten – da vergess ich mich ein wenig. Es hatte 
aber auch schon nicht so gut angefangen, der Mitarbeiter hatte mich, als ich 
seinen Anruf entgegennahm, erst für einen Anrufbeantworter gehalten. 
Am selben Tag treffe ich abends am riesigen Uni-Hauptgebäude auf einen 
Vogelschwarm, der sich auf einem Baum an einer Baustelle in einem 
Innenhof in der eingebrochenen Dunkelheit niedergelassen hat – sie fliegen alle 
davon, als ich versuche, näher zu kommen. Auf dem Rückweg, den Berg von 
der Uni wieder hinunter, das vereinzelte Licht der Fenster in den Häusern, die 
Straßen rauf und runter, wie Inseln in der Nacht. 
Neben der rosa Jogginghose bestell ich auch noch ein rotes Kleid, mein 
erstes, aber als ich die Bestellung bezahlen soll, lass ich mich vom PayPal Interface 
irreführen und kann meine gespeicherte Kölner Adresse danach nicht mehr ändern, 
stornieren über die Website geht auch nicht, weil Drittanbieter-Bestellung, laut 
Mitarbeiterin in der About You-Hotline, aber ich find zum Glück selber noch 
einen Trick – Tipp: „Annahme verweigern“ in der DHL Sendungsverfolgung 
markieren - und am Ende war es vielleicht auch alles ganz gut so, wie es gelaufen 
ist, denn das Kleid wäre in der zuerst bestellten Größe aller Wahrscheinlichkeit nach 
zu klein ausgefallen, ich bestelle es ein paar Tage später einfach noch einmal, dieses Mal 
an die richtige Adresse und in größerer Größe, es kommt an und fällt schlussendlich etwas 
zu groß aus, nur am Hals, an den Armen nicht, und ich behalte es, es hängt rot durch-
schimmernd hinter den Hemden aus der Reinigung (nach über einem Jahrzehnt 
selber waschen und bügeln, gönn ich mir diesen Luxus, den mein älterer Bruder, er 
ist Berufsmusiker, klugerweise schon seit Jahren macht) an der Tür zum Zimmer, in 
dem ich penn. 
...
Langer Zeitsprung einmal kurz: Es ist Ende Juni, der Tag nach der Abschluss-
lesung in Düsseldorf, wir machen ein Familientreffen bei der Familie meines 
älteren Bruders, meine Mutter ist auch Bochum hergekommen, mein jüngster 
Bruder aus Trier, mein jüngerer Bruder aus Dresden, wir lassen uns von meiner 
Schwägerin den Waldkindergarten meiner Nichte zeigen. Mein älterer Bruder ist 
da schon wieder los zu einem Gig, nach zwei Jahren Corona-Dürre gibt es endlich 
wieder regelmäßig Aufträge als Musiker. Mein jüngster Bruder bemerkt, dass ich 
nun, nachdem mein jüngerer Bruder ziemlich eklatant abgenommen hat, der 
Schwerste unter uns vier Brüdern sei. Wir sind auf einer Wiese im Wald, Spielgeräte 
stehen auf dieser verstreut herum, auch eine Wippe. Wenn ich mich dort auf der 
einen Seite auf den hinteren der zwei Sitze setze, kann ich ganz gut meinem 
jüngeren Bruder und meine Nichte auf der anderen Seite ausbalancieren. Wenn 
ich den vorderen Platz nehme, klappt es auch mit meinem jüngsten Bruder und 
meiner Nichte, es sind wohl Hebelgesetze am Werk. 
Das rote Kleid war von Ulla Popken gewesen, die ich immer Popeken ausspreche. 

Gütig

...
Die New Balance immer noch matschig von diesem Ausflug zum Turm am 
Tag zuvor, versuche ich sie nun, möglichst ohne Dreck zu hinterlassen, nach 
der Behandlung, wieder anzuziehen, bei Swetlana, in der medizinischen 
Fußpflegepraxis Oldentrup. Sie bemerkt mein waghalsiges Spiel allerdings, die 
bereits verstreuten Krümel, sagt, es sei eh zu spät, und sie müsse den Raum ja 
sowieso reinigen und ich bin ein bisschen beschämt darüber und beschließe, den 
Schmutz zu minimieren, indem ich in möglichst langen Schritten wieder vor 
bis zum Tresen geh und da muss sie lachen, mein Glück, und gewährt mir einen 
Rabatt. Während der Behandlung hatte ich mitbekommen, wie ein Zehennagel-
stück beim Clippen an ihre Stirn geschossen war, und sie hatte mich dafür 
gescholten, dass ich jedem Hautarzt bisher die Befunde des Vorherigen mitgeteilt 
habe, so mache man das nicht, die müssten schon selbst erst einmal zu ihren 
Schlüssen kommen und jetzt leuchtet mir das natürlich alles ein. 
Auf der Oldentruper Straße, hin und zurück, hebt der Wind gefühlt fast 
die Ampeln an, während ich an ihnen warte, und einmal, auf dem Hinweg, im 
einsetzenden Feierabendverkehr, an der Kreuzung Otto-Brenner-Straße, lässt ein 
Mann seinen kleinen schwarzen Seat im Wind aufheulen, bis er sich vom Ersten 
in den Zweiten verschaltet, und die Freiheit der Tage scheint da kurz greifbar, nah. 
Wieder draußen nach der Batman-Vorführung, geh ich in der mittlerweile 
angebrochenen Abenddämmerung ein bisschen stadtauswärts und zurück, die Zeit 
bis zum nächsten Zug zurück von Gütersloh nach Bielefeld vertreibend, in diesem 
Nach-dem-Kino-Gefühl, das sehr gut ist, wenn man alleine sein darf, und treffe 
erneut auf die Frau, die früher am Nachmittag noch den Berliner Platz und seine 
angrenzenden Straßen zugeschrien hatte, und mittlerweile aber, im Vorbeigehen 
zumindest, ziemlich glücklich, vielleicht sogar glücksselig, wirkt. Am Gleis fallen 
die Züge erstmal alle aus, eine leise Durchsage folgt: Zugdurchfahrt, und dann 
kommt auch schon ein ICE mit circa 3.500 Stundenkilometern am Bahnsteig 
vorbei. Ist vitalisierend. 

Die Angst verläuft durch einen

Für zwei, drei Wochen besucht jeden Abend ein ganz bestimmter Singvogel die 
Gärten nach hinten raus in der Ellerstraße, ich kann ihn selbst durch geschlossene 
Fenster hören, er taucht jeweils zwischen acht und neun auf, für eine Weile. Es muss 
einer dieser Vögel sein, die Umweltgeräusche aufnehmen können, denn sein Vortrag 
klingt jedes Mal vor allem eigentlich nur wie das gesungene Schließsignal von 
Autotüren. Ich beginne, mich auf seine Gesänge zu freuen. Hier ist jemand, der 
es versteht, aus seiner Wahrnehmung Gesang zu machen. 
Wenn einen die Angst nicht umkreist, verläuft sie durch einen. 

Die Frage nach der Sorge tauch auf – Prolog

Noch vor Frühlingsbeginn, auf der schmalen Straße runter von der 
Sparrenburg, an der Musikschule vorbei, kommt mir eine Gruppe Männer 
entgegen, sie sind verstreut hintereinander. Als ich gerade an ihm vorbei 
bin, dreht sich der Vorderste der Gruppe um, ruft zum letzten von ihnen 
weiter unten: „Opa komm. Opa kaputt. Opa hat Nase kaputt!“ Ich muss 
darüber lachen, er sagt das irgendwie keck, und ich lach den gemeinten 
Nachzügler im Entgegenkommen an, er ist älter, lächelt verlegen, eher 
sogar verwirrt, ich verstehe, dass er den Witz seines Bekannten von 
der Spitze wahrscheinlich gar nicht verstanden hat und so wirkt es, als ob 
ich oder wir uns über ihn lustig machen. Verdammt. (Ham wir das nicht aber auch?) 
Zwei ältere Frauen kollidieren fast auf einer Gütersloher Kreuzung mit ihren 
Rädern, sie haben beide rote Brillen an. Ich sehe es durch meine eigene rote Brille. 
Vier oder fünf Dudes in einem Café im Stieghorst Carré und sie unterhalten 
sich angeregt und sich gegenseitig bestärkend über ihre Sorgerechts-Probleme, 
bzw. eher über die damit verbundenen Unterhaltszahlungen. Einem wurde 
wohl von seiner Schwiegermutter ordentlich Feuer gemacht. Sie sehen cool 
aus. Auch im Carré steh ich in einer Bäckerei und versuch mich am 
Lustig-Sein: Während ich hinter der Theke warte, krieg ich mit, wie 
eine ältere Mitarbeiterin zu einer Jüngeren sagt: „Du kannst mich auch 
Jasmin nennen“, und als sich diese mir zuwendet, sage ich zu ihr: „Sie 
können mich auch Jasmin nennen“. Die Mitarbeiterin lächelt etwas 
irritiert, ich bestell einen Kaffeestreifen. Zwischen Wunsch und 
Wirklichkeit ein Tal, darin wartet der Cringe. 
...
Die Frage nach der Sorge, der Pflege, taucht auf, taucht immer wieder auf, hinter 
den Objekten und in den Ecken und an den Oberflächen der Dinge und Körper 
und, unausgesprochen, auf den Mündern der Menschen und Tiere. 

Die Sternzeichen an den Sternzeichenhäusern leuchten bei Nacht

Ich beschließe nochmal rauszugehen, erneut zu den Sternzeichenhäusern 
zu laufen. Im Dunkeln in der Altstadt auch unter der Woche Leute in 
Restaurants. Ein Kiosk auf dem Platz da nahe dem Golden Tulip Hotel hat 
auf, ich hol noch ein Herford Pils, das erste hatte ich gleich schon oben noch 
auf der Stapenhorst klar gemacht. 
...
An den Sternzeichenhäusern selber versuch ich mich ein bisschen an 
Fotos. Sie leuchten (natürlich) wieder. Eigentlich finden sie alle hässlich, also, 
das weiß ich jetzt noch nicht, aber in den Wochen danach werde ich mehrmals 
Leute (Vero, Thea) treffen, die in der Nähe wohnen, und das ist immer ihr Urteil: 
Hässlich, und man lacht ein bisschen darüber. Ich finde, es ist eigentlich ganz schöne 
Kunst am Bau. Nach einer Weile weiß ich aber auch nicht mehr, was ich noch machen 
soll, ich hätte mir besser mal ein paar Horoskope mitgebracht. In meiner Angetüdeltheit 
setz ich mir wie üblich dann Imbiss-Essen als Fixstern in den Kopf, doch beim Lutter 
Grill auf dem Rückweg wird schon geputzt. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, warum ich 
nicht wieder oben auf der Stapenhorst zu City Pizza bin. Vielleicht war ich da schon 
zu traurig. 

Prophetien I

Auf dem Weg von der Pizzeria zur Bar in Münster sind wir etwas hinter die 
Gruppe zurückgefallen und beginnen damit, Schneebälle aus den Schneeresten 
vom Morgen zu formen, dieser, der Schnee, ist aus irgendeinem Grund ausgerechnet 
und nur auf den Windschutzscheiben der parkenden Autos bis in den Abend 
liegen geblieben. Ich trage meinen ersten Schneeball eine Zeit lang einfach in 
der Hand mit mir rum, bevor ich ihn ganz vorsichtig wieder auf einem Poller 
ableg, Naima sieht es und lacht, es sei sehr German. Ich glaube, fast jeder von 
uns bei der Stipendiums-Auftaktveranstaltung in Münster hat an diesem Tag 
berichtet, wie überraschend die Schneedecke am Morgen gewesen war. Für mich 
hatte es fast was von einem Feiertagsgefühl, morgens noch in Bielefeld aus der 
Küche runter in den nun weißen Garten von Frau Kemperkötter zu schauen.  
Einen Freitag zuvor hatte ich an einem noch sehr sonnigen Nachmittag von der 
1. McDonalds-Etage im Bielefelder Hauptbahnhof auf die beginnende Klimademo 
am Bahnhofsvorplatz geschaut. Wie für Mäcs üblich versuch ich mein Essen auf 
dem Tablett zwischen meinen eigenen Verpackungsresten zu essen, währenddessen 
setzt sich der Zug der Demonstranten unten ganz langsam in Bewegung. Es sind über 
tausend Leute, eher mehr. Es gibt, natürlich, Schilder, Transparente, vor allem aber 
viele Fahrräder. Alle tragen Maske. Weil ich erhöht sitze, kann ich über den Vorplatz 
hinaus auch ein Stück von dem dahintergelegenen Park erkennen, in dem mir schon 
zu Beginn der Woche die Taubenscharen aufgefallen waren. Auch jetzt, aus all der 
Entfernung, sehe ich die Tauben als kleine grauhelle Punkte fast glänzend im Grün 
ihr Taubending machen. Sie sind vielleicht die eigentlichen Hüter der Stadt. 
...
Ein paar Stunden später, die Stapenhorst wieder runter, auf dem Weg zur 
Vernissage bei Artists Unlimited, seh ich, an der Ampel beim Franziskus, 
bergauf, zwischen den ganzen üblichen Autos, einen Lamborghini stehen, sogar 
ein vom Hersteller nochmal aufgerüstetes Modell, mit mehr Spoilern und einer 
extra Lufthutze auf dem Dach, sieht eins zu eins aus, wie ein straßenzugelassener 
Rennwagen, ich meine, das Modell nennt man STO (für Super Trofeo Omo-
logato?). Der Dude im Schlitten ist jung, mit einem gestutzten Bart, und ich glaub, er 
ist am Telefon. Er sieht aus wie jeder Typ, der jemals in so einem Auto saß, heutzutage 
zumindest. Auf der Vernissage bei AU, erzähl ich von dieser Sichtung und auch von 
den beiden Ferraris, die kurze Zeit später noch in der Altstadt parkten, und muss 
gestehen, was ich natürlich ganz lustig und edgy finde, dass so ein Lambo leider geil 
ist. Ich hab mal über Monaco gelesen, dass dort in den wilden 90ern manche Typen 
vor dem Casino in ihren Boliden immer mit offener Flügeltür auf und ab fuhren, damit 
man auch sah, bei wem es gerade lief. Und so entwerfen wir zusammen auf den 
Bierbänken im Innenhof Szenarios von mir als zukünftigen Dichterfürsten, Grußzeichen 
durch die offenen Flügeltüren seines Renners in die ihn bewundernden Menge entlassend. 
...

In der dritten Wohnung

...
In den Tagen darauf fallen die Blüten des riesigen Kirschbaums als Schnee in 
das Dickicht des Gartens, Die Brombeeren und Brennnesseln und der wilde 
Weizen, und was auch immer sonst noch da so wächst, fangen die Flocken auf, 
ob sie wollen oder nicht. 
Nachtrag: Wenn man das riesige Fenster weit kippt, hört man die Tauben und anderen 
Vögel durchs Blattwerk tappen, die Blätter von allem rauschen und rascheln, dazu 
die Kinderschreie von hinterm Nachbarszaun und gestern Abend sogar, ein paar Häuser 
weiter, eine ganze Feier mit Anlagenmusik, bei der wieder nur Kinder bis in die Nacht 
mitsangen, während sich gleich hinterm Zaun zwei Männer ab und zu etwas 
zusprachen, in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ich hörte Musik. 

Nur Zeit hast du genug

...
In der Lokalzeit bei WDR empfindet der Moderator mein Hiersein 
laut seiner Anmoderation als: seltsam und harmlos und nett, und, vor 
allem aber, und das sollte einen hellhörig machen, wenn es einem selber 
gilt: als von den Steuergeldern der Zuschauer bezahlt. 
Einschub: Ich habe noch nie ein Gedicht darüber geschrieben, wie meine 
Freunde alle Tiere werden und wir zusammen Baden gehen. 

Es gibt keine Kneipenkultur in Bielefeld, sagt Thea, und es wirkt so, als 
ob sie Recht hätte, wo ich mir versuche, Kneipen in Erinnerung zu rufen, von 
meinen bisherigen Wegen. In Köln gibt es gefühlt auf fast jeder Ecke eine. Ich 
frage mich, wo die Leute dann trinken gehen: Auf dem Kesselbrink, klar, und 
auf dieser einen Bank im Grünstreifen vor Stauteich II. Auch in die Dünen 
am Hauptbahnhof-Park, da bei der Tüte, zwischen den Tauben. Und vielleicht 
auch die Treppen hoch die Rückseite vom Hauptbahnhof, zum neuen 
Bahnhofsviertel hin. Aber das alles, das reicht doch nicht. 
...
Einschub: Ich habe noch nie ein Gedicht über Venedig, bei Tag oder 
bei Nacht, geschrieben. 
Ich hab eine Hämorrhoide vom ganzen Sitzen auf zu harten Holzstühlen 
hier bekommen, und Thea meint, es sei ein Zeichen einer gesunden 
Wohnung, wenn sie Spinnen in den Ecken hätte. 
...
Nachtrag: Ich habe noch nie ein Gedicht über eine Erweckungsgemeinde geschrieben. Ich hab noch nie ein Gedicht über Raumfahrt geschrieben. Ich habe noch nie ein Gedicht über Liebe geschrieben. Ich habe noch nie ein Gedicht geschrieben, in dem ich um Verzeihung bitte. 
Wenn ich nur wüsste, wie viel Zeit ich hab. 

Die Frage nach der Sorge taucht auf

Ich hole mir den ersten Sonnenbrand des Jahres, als ich, einen 
Maitag lang, von Wolfgang Bethel gezeigt bekomm, beziehungsweise 
dessen ältere und jüngere Geschichte. Er gibt mir eine private Führung durch 
den Ort, der für ihn als Historiker für über ein Vierteljahrhundert Arbeitsstätte 
gewesen ist. Der Wind im üppig grünen Laub, überall, der Sonnenschein, sie 
wechseln sich ab mit Gängen durch Verwaltungsgebäude, die Wolfgang immer 
einfach so betreten kann, kurzes Hallo-Sagen beim Ältesten von Nazareth, hat 
Anzug an, vorher schon beim Bürgermeister von Bethel gewesen, Gregor, er 
ist Kölner, und wenn man das weiß, dann sieht man das auch gleich. Sein Rad 
steht neben seinem Schreibtisch und ich tippe, er telefoniert viel an einem 
Tag. Menschen in Anzügen, Hemden, Blusen, die sich Bruder und Schwester 
nennen, ab und zu unterbrochen von solchen, die etwas mehr so aussehen, als 
ob sie Jugendfreizeiten betreuten, und ich habe lange nicht mehr an einem 
Tag so viele mit ruhiger Stimme sprechende Männer gehört. 
Geographie-Einschub: Gleich zu Anfang fragt mich Wolfang, ob mir 
irgendwas an der Lage von Bethel auffallen würde, tut es mir nicht (nahe 
des Zentrums vielleicht als Besonderheit?), er merkt dann an, dass man 
wohl heutzutage nicht mehr eine Diakonie, die auch für Menschen mit 
Beeinträchtigungen gedacht ist, auf einen Berg bauen würde. Davon 
abgesehen ist Bethel die zweitgrößte diakonische Einrichtung der Welt. 
...
Abseits der beschuhten oder unbeschuhten Füße meines Vaters, die sich 
zumeist in Bochum befinden, machen in Bethel Wolfgang und ich uns von 
der Kirche aus auf zum letzten und höchsten Punkt unserer Tour, dem alten 
Friedhof. Ich nutz den Weg, um nochmal nachzufragen, ob er nicht 
Verbindungen zwischen der Tätigkeit beim Militär und der in einer 
diakonischen Gemeinschaft sieht, und er sieht sie durchaus, aber ich 
habe meine Frage nicht präzise genug gestellt, ich wollte ihn eigentlich 
fragen, ob das für ihn persönlich eine willkommene Parallele war, denn 
bevor Wolfgang mit Anfang Dreißig noch ein Studium der Philosophie 
und Geschichte anfing, das ihn als Historiker schließlich nach Nazareth, mit 
Sarepta einer der diakonischen Gemeinschaften in Bethel, bringen sollte, war 
er, in seinen Zwanzigern, bei der Bundeswehr gewesen, ich meine (wahrscheinlich 
beschreib ich das jetzt falsch) bei sowas, wie der Logistik der Fallschirmjäger, er 
war auf jeden Fall Offiziersanwärter. Am Eingang zum Friedhof angekommen, 
verweist Wolfgang mich auf das dahinter gelegene ehemalige Altenheim, hier hat 
Judith bis vor Kurzem gearbeitet, bevor sie nun, weiter unten am Berg, einen 
Neubau bezogen haben. Ich frag, ob es nicht komisch sei, ein Altenheim mit 
Blick auf einen Friedhof zu bauen und übersehe in der Frage, dass es sich bei 
den Alten zu einem nicht unerheblichen Anteil ja um die Diakonissen der Sarepta 
Schwesternschaft gehandelt hat und auch immer noch handelt, und dass für diese 
die Nähe zu ihren, auf dem Friedhof beerdigten, den Himmel schon bewohnenden 
Schwestern etwas sehr Beruhigendes hätte. Tatsächlich sehe ich die Friedhofswege 
entlang die ersten und einzigen Diakonissen in Tracht an diesem Tag, es ist die 
Sommertracht, weiß und grau und von Weitem scheint sie in der Sonne zu 
leuchten. Wir sitzen da gerade auf einer Bank, nicht unweit der durchgehend 
gleich gehaltenen Gräber dieser Diakonissen, die deswegen wohl auch schon 
häufiger von Besuchern für Soldatengräber gehalten wurden. Noch so ein 
Friedhofsfakt: In Bethel kann jeder eine vollständige Beerdigung bekommen, der 
dort verstirbt, unabhängig seiner Finanzen. Nun ein Zitat: „Lobet den Herrn mit 
Posaunen“ (Psalm 150, Vers 3) – das steht auf dem Grabstein von einem der alten 
Vorsteher von Nazareth, er muss wohl gerne die Posaune geblasen haben, und 
Wolfgang hat auch Bilder in Archiven gesehen, wie er besagte Posaune als 
Darbietung für und vor Adolf Hitler spielt. Auch ein Bethel-Fakt: In der Zeit des 
Nationalsozialismus, also vor gut 80+ Jahren, wurden hier über 1600 Menschen 
zwangssterilisiert. Seit circa 20 Jahren gibt es ein Mahnmal dafür. Über 100 
Menschen verloren ihr Leben, weil zugelassen wurde, dass man sie aus Bethel 
deportierte. 
Einige Wochen zuvor bei Judith, nach dem Kaffee, kommen wir im 
Flur stehend nochmal aufs Altwerden zu sprechen: Judith sagt, sie hat keine 
Angst davor, mal in ein Altenheim zu gehen. Sie arbeitet selber in einem und 
sieht darin eine gute Alternative, für den Fall, dass man mal Pflege braucht. Btw, 
und unter der Hand, das sage ich jetzt, den ich hab es so rausgehört: es gibt auch 
durchaus noch einige Romanzen dort. Aber: alle haben halt was, denn, unter 
Pflegestufe 3 kommt niemand in ein Heim, und so hat auch in ihrem 
Gesprächskreis, den sie einmal die Woche macht und über den wir uns zuvor 
am Tisch länger unterhalten hatten (ich wollte Tipps für meine eigene Schreib-
werkstatt abholen), jeder etwas: Sehen nicht, hören nicht, erinnern sich nicht. 
Gerade bei den Demenz-Patienten muss man da manchmal gucken, dass man 
das auffängt, wenn sie sich häufiger wiederholen. Wichtig sei dann nur, auszu-
lenken, ohne zu verneinen oder zu beschämen. Zwischen meinem Kaffee bei Judith 
und dem Treffen mit Wolfgang bin ich an einem Sonntag noch in Bochum, bei 
meinen Eltern und mit meiner Mutter unterwegs, sie kommt gerade zum Auto 
zurück, sie hat noch schnell ein Brot gekauft (wenn es etwas gibt, das meine 
Mutter immer noch einmal schnell braucht, dann ist es ein Brot, immer ein 
Bio-Brot) und ich frage, ob wir nicht noch ein Stück Kirschkuchen für meinen 
Vater holen sollten, er hatte, bevor wir aufbrachen, danach gefragt, und sie lacht 
ein bisschen, fast jeden Tag frage mein Vater nach Kirschkuchen, und jeden Tag 
könne sie diesen nicht kaufen, alleine schon wegen des Blutzuckers. Aber ihm 
den Wunsch ausschlagen, warum denn, also sagt sie jedes Mal ja, und manchmal, 
wenn es sich anbietet, dann macht sie es auch. Vergessen hat er es, bis sie zurück 
ist, so oder so. Am Küchentisch fällt mir erneut auf, wie wahnsinnig dünn die 
übereinandergeschlagenen Beine meines Vaters aussehen. Als wir zwischendurch 
mal nur zu zweit in der Küche sind, fragt er mich ganz unvermittelt, wie ich den 
heißen würde, ich sage es ihm, er erschrickt ganz unverhohlen über meiner Antwort. 
Zuvor hatte er mich allerdings, über den Nachmittag verteilt, immer mal wieder 
gefragt, wie es denn im Studium bei mir laufen würde, und das hatte mich 
gefreut, er hat selbst auch mal Kunst studiert. 
Der GQ Award für den Tag in Bethel geht, abseits mal von Wolfgang und 
mir, ziemlich klar an Sebastian, einen Pastor, jung und braungebrannt und 
charismatisch, der auf einem Fahrrad angefahren kommt, in Anzughose und 
weißem Hemd, aber mit Flip-Flops und baren Füßen. Er kann einen direkt und 
nett ansehen und hat auch etwas die Unruhe von jemandem, der eigentlich schon 
weiter muss, gepaart aber halt mit der verantwortungsvollen Ausstrahlung eines 
Pastors. Wolfgang und er kennen sich, wir sitzen vorm Groß-Bethel Gebäude bei 
den Fahrradständern und hatten ein paar Minuten zuvor tatsächlich vor Sebastians 
noch leerem Büro gestanden. Wolfgang wird etwas auf einer Tagung vortragen, die 
Sebastian organisiert im September, zum Thema Stasi und Diakonie. Und dann sind 
Sebastian und seine sonnenklar sächsische Sprachmelodie auch schon wieder von 
dannen, aber manchmal will man ja gerade die kurzen Erscheinungen erwähnen. 
...
Zum Abschluss ist es vielleicht wichtig zu erwähnen, dass, im Stillen, natürlich, 
eigentlich auch Wolfgang die interessante Person ist, an diesem Nachmittag: Er hat 
Industriekaufmann gemacht, dann der Bund für acht Jahre, Abi dort nachgeholt, 
ich meine, auch im Kosovo gewesen. Er kommt aus ehemals adeligen Hinter-
gründen. Mit 30 beschließt er, sich endlich mit etwas zu beschäftigen, dass 
ihm wirklich am Herzen liegt, und so geht er an die Uni Bielefeld und landet, 
und das nur dank der Hilfe vieler Mentoren, wie er betont, schließlich 
im Archiv in Bethel, wo er über 25 Jahre bleibt, anfängt, Aufklärungsarbeit zu 
leisten, das scheint auch so ein bisschen sein Ding zu sein, bald wird sein 
finales Werk zum Thema Diakonie und Nationalsozialismus erscheinen, doch 
die nächste Forschungsroute, für die Rente, ist schon eingeschlagen, nun dann 
Diakonie und Staatssicherheitsdienst. Von seinen Vorfahren hat er ein 
eisernes Kreuz vererbt bekommen, ein von den Männern vor ihm verehrter 
Familienschatz, nun ist er der letzte seiner Linie und von ihm aus kriegt das 
Ding dann nach ihm gerne die Brockensammlung in Bethel, sagt er lachend, 
als wir noch oben bei den Gräbern der alten Diakonissen sitzen, später 
wollen er und Judith Pizza essen. 

Die Frage nach der Sorge taucht auf – Epilog

…vor Kurzem hab ich Judith nochmal auf einen Kaffee getroffen, irgendwie 
haben wir lange gemacht, ich hoffe nicht zu lange, es war schon kurz nach 
11, als ich ging. Sie erzählte mir mehr von ihrer Arbeit und wie der Alltag in 
ihrem Heim so aussieht, auch, was es eigentlich heißt, heute eine Diakonin zu 
sein – ah stimmt, Judith ist Diakonin, fyi (das ist allerdings nicht dasselbe wie 
Diakonissin). Ich heulte ihr ein bisschen was von meinen Stipendiums-Wehwechen vor . Sie 
erzählte mir auch privatere, gesundheitliche Dinge, die alles, was sie bis dahin erzählt 
hatte, in einem anderen Licht erscheinen ließen. Sie hatte wirklich Gute Kalamata-Oliven 
für das spontane Abendbrot am Start, in das das Kaffee-Trinken überging, auch 
einen fast schon fromm schmeckenden Tee, das ist keine Anspielung auf Judith, nur 
auf den Tee, der war angeblich das Rezept irgendeiner Heiligen, die schon als Kind 
an irgendeinem Hof durch ihre Frömmigkeit auffiel, laut Klappentext der 
Teeverpackung. Es sah sehr edel aus wie die losen Blüten im Teesieb in der Tasse 
schwammen. Die Tage danach aß ich die übergebliebenen und mitgegebenen 
Teilchenstücke in der Schmiedestraße, während ich schrieb oder Eurosport schaute. 
Ich bin jetzt auch nochmal kurz bei der Zionskirche und dem alten Friedhof ge-
wesen, letzte Fakten in Erinnerung rufen, die Grabinschrift von dem Posaunen 
blasenden Vorsteher zum Beispiel. Ich hab mir auch nochmal die Namen der 
beiden Anfang der 1890er Jahre aus Ost-Afrika nach Bethel geholten (eher 
wohl verschleppten? Es wird erzählt: dort aus der Sklaverei von einem im Urlaub 
befindlichen Missionar befreit) und dort dann verstorbenen Kinder aufgeschrieben: 
Elisabeth Fatuma und Johannis Kali-All. Beide starben an der Schwindsucht nach 
ein paar Jahren. Die ganze Zeit die Hügel rauf und runter lag Regen in der 
Luft. Auf dem alten Friedhof lief ich nochmal die Diakonissengräber ab und 
bemerkte an einer Stelle, dass die Luft dort schwirrte, fast wie durch Hitze, es 
waren dutzende Hummeln, die mehrere Sträucher mit blauen Blüten bestäubten. Ein 
jüngerer Mann lief barfuß vorbei. Auf dem Rückweg wurde ich von einem 
Mann und einer Teenagerin gefragt, wo Haus Ebenezer sei, ich meinte, es 
gesehen zu haben, bei meinem Aufstieg, und gab so hoffentlich die richtige 
Richtung an. Rettungshubschrauber flogen hin und wieder auf Gilead I ein (ah, 
regionale oder sogar landesweite Schwerpunkte von Gilead sind übrigens: schwere 
und schwerste Kopftrauma und die Kinderklink). Hoch zum Friedhof war ich an 
der Zionskirche vorbeigekommen, die dieses Mal auf hatte, viele Engel konnte ich 
in ihrem Innern auf die Schnelle nicht ausmachen, mir fiel dafür das Holzdach der 
Kirche auf, und ich weiß nicht, ob man das darf, aber für einen Moment stellte ich 
mich hinter das Predigtpult, blickte in die leere Kongregation. Als Kind hatte ich 
Prediger werden wollen. 

Rund um Hedem

Auf dem Rückweg vom Nordpunkt – dem, wer würde es denken, 
nördlichsten Punkt NRWs – zur RB-Endhalte in Rahden kommen 
Rahel und ich doch noch und zum ersten Mal ernsthaft an diesem Tag auf 
das Thema der Landwirtschaft zu sprechen, wir hatten es, mit Ausnahme von 
Rahels Einwürfen hier und da beim Rumfahren, wo gerade noch ein Feld von 
ihrem Mann oder anderen Bekannten bestellt wird, auf unserer Tagestour durch 
den hohen Norden bisher gar nicht groß damit gehabt. Das war Rahel wohl 
auch Recht so gewesen, wie sie nun sagt, es sei kein leichtes Thema, wenn man 
selber mittendrin sei. Und warum treffen Leute in Berlin Entscheidungen für die 
Landwirtschaft, die selber mit dem Thema überhaupt keine Berührungspunkte 
zu haben scheinen? Als wir noch am Nordpunkt stehen und diese Marmorskulptur 
betrachten, die den Umriss von NRW zeigt, mit einigen eingravierten Städten auf 
ihrer Oberfläche, fällt mir auf, dass Dortmund ja tatsächlich mehr oder weniger die 
Mitte unseres Bundeslandes ist. Wahrscheinlich, weil ich halt lange in meiner 
Rheinland-Bubble gewesen bin, hatte ich als Zentrum, natürlich, immer Köln gesehen. 
...
Das erste gute Essen gabs, vor den Horns, gleich bei Rahel und ihrer 
Familie selber, auf dem Hof, den ihr Mann Georg von seinen Eltern übernommen 
hat, zur Mittagessenszeit: Rahels Mutter hat extra Schweinebraten gemacht, dazu 
gibt’s natürlich Bratensoße, auch grüne Erbsen, vor allem aber komplett, und ich 
meine komplett selbstgemachte Klöße, auch Kartoffelstücke, die ich aber wegen 
der Klöße schmähe (sorry), und zusätzlich, vielleicht mein stiller Star, einen 
Salat, der aus Salatgurken, grünen Bohnen, Zwiebeln besteht, ich meine, in einer 
Tupperdose serviert, und der auf eine schöne Art süß ist. Die Nachspeise dann 
betont westfälisch: Quark mit Kirschen und Schokosplittern und zerkrümeltem 
Schwarzbrot. Großeltern, die Essen machen: War immer eine Sache, wird wohl 
immer eine bleiben, zum Glück, und mal so sehr generell gesprochen. Interessanter-
weise mag Rahels Tochter die Nachspeise nicht so gern, sie ist ihr zu durcheinander, 
was die Zutaten angeht, und das deckt sich voll mit den Beobachtungen über das 
Elternsein, die ich selber bei meiner Nichte derzeit machen kann, auch dort wird 
eigentlich alles immer nur ohne alles gegessen. Ich weiß nicht mehr, ob meine Brüder 
und ich auch so waren, meine Mutter erzählt schon manchmal im Nachhinein Geschichten 
gewisser Partikularität, aber, ernsthaft jetzt mal, nachdem meine Eltern McDonalds 
als Lösung gefunden hatten, ging das schon wirklich immer, also jetzt Sonntags oder 
mal so zur Belohnung, aber ich drifte ab, wie so häufig, wenn das goldene M 
ins Spiel kommt. 
Jeder übrigens, den wir an dem Tag treffen, hat einen oder mehrere Hunde, und 
Rahels Familie ist da keine Ausnahme, sie haben zwei. Der jüngere, Simba, ist 
ein wilder Golden Retriever, der sich aber mehr und mehr beruhigt, seit 
er in der Jagdhundausbildung bei der Schwester von Arnold von der Nolden 
ist, den wir gleich als Erstes, nach meiner Ankunft am S-Bahnhof Bald Holz-
hausen, am Vormittag noch, besuchten, und der mir oder uns, ganz grob 
natürlich nur in der Kürze der Zeit, circa acht Jahrhunderte Geschichte über 
Burg Steinsegen erzählt, das Anwesen seiner Familie, das er, seit den Siebzigern, mit 
seiner Frau, verwaltet. Irgendwann merkt Herr von der Nolden, dass ich wirklich 
fast niemanden der historischen Figuren, die er referenziert, einordnen kann, klar, 
von allen mal den Namen gehört, mehr aber auch nicht, aber wenn ihn das 
tiefergehender enttäuscht, lässt er es sich, dankenswerterweise, nicht anmerken, alles 
Wasser unter der Brücke für ihn, wahrscheinlich. Als wir auf der Brücke über dem 
letzten noch erhaltenen Burggraben sind, macht uns von der Nolden auf ein spitzes 
Dach im Unterholz aufmerksam. Das war früher der Eiskeller – im Winter, als das 
Wasser im Graben gefror, hob man von ihm die Eisplatten ab und lagerte sie dort 
ein, in einem fünf Meter tief gegrabenem Loch, unter besagtem Spitzdach. Das 
Eis hielt sich für den ganzen Rest des Jahres, in der Kühle der Erde, zur Nutzung 
in der Küche, für den Betrieb der ersten Vorläufer der heutigen Kühlschränke. 
...
Mein liebstes Detail, das von der Nolden auf seine ruhige Art und fast 
schon schelmisch einmal kurz erwähnt, ist in der Eingangshalle zu Schloss 
Steinsegen zu finden, eine erst unscheinbar wirkende Eimerform unter einer 
der wieder aufgebauten Original-Holzstreben. Es handelt sich tatsächlich 
um einen mit Zement ausgegossenen Eimer, lackiert wie das Holz, genutzt, um 
die fehlende Länger der an dieser Stelle zu kurz gewordenen Strebe auszu-
gleichen. Diese Notfalllösung war einem der Handwerker aus Polen 
gekommen, die von der Nolden häufiger in seinen Erzählungen der Grund-
renovierung des Schlosses seit den 70ern erwähnt, und ohne die er, wie er 
selber sagt, dieses zu Anfang völlig aussichtslos wirkende Unterfangen niemals 
hätte bewältigen können. Eigentlich geht es die meiste Zeit darum, halt mit 
dem zu arbeiten, was man so hat. Die Malerarbeiten am Fachwerk im Innenhof 
hätten, wenn Denkmal-gerecht in Auftrag gegeben, so zum Beispiel weit über 
30 Tausend Euro gekostet, von der Nolden entschied daraufhin, es einfach 
selber zu machen, und bekam dabei Unterstützung alter Freunde aus seinem 
Chorverein, er wirkt stolz auf das Ergebnis, als er es uns zeigt und kurz 
irritiert, als ich erst nicht raffe, was ein Chorverein ist, tatsächlich ist das 
glaub ich eine Art von Studentenverbindung. 
Und die Geschichte der Leute auf Steinsegen, ihrer wechselnden 
Besitzerfamilien? Nun ja, gibt es viel halt, sowas sammelt sich ja über acht 
Jahrhunderte, aber vielleicht bleibt am besten festzuhalten, dass die Burg seit dem 
18. Jahrhundert nun schon im Besitz der von der Noldens ist, auch, wenn es 
manchmal sehr knapp gewesen sein mag, der ein oder andere Onkel das Anwesen 
fast in den Ruin getrunken hätte, zum Beispiel. Es gab auch mal einen von der 
Nolden, - das war aber glaub ich noch vor ihrer Zeit auf Steinsegen - der, um 
seine Stärke zu beweisen (und zu beweisen, dass er stärker war, als der Fürst, 
der ihn als Gast bei sich hatte), mal gegen einen Bären kämpfte, während einer 
Abendveranstaltung, zur Erheiterung der Gäste, und gewann. 
...
Gegen Mitte unseres Trips fällt mir noch Folgendes auf: Ich habe einen 
einzigen Gegenstand in meinem Besitz, den ich nicht mit meiner eigenen 
Körperkraft davontragen könnte, das ist mein ziemlich oller Schreibtisch, aus 
einer vergangenen WG übernommen. Mit Rahel in ihrem schwarzen Tiguan 
fahren wir durchs Land, und überall ist eine gewisse Weite, Gewicht. Felder, 
der Hof, die Landmaschinen, ganz selbstverständlich gibt es hier Dinge, die einem 
gehören und das Zehn-, das Hundertfache eines menschlichen Körpers wiegen, sich 
schon gar nicht mehr gegen ihn aufwiegen lassen, im Falle der Felder ja auch 
was-weiß-ich-wie-viele Körper ernähren. Rahel sagt, dass mit all diesem Besitz 
auch ein Gefühl der Verantwortung komme, diesen sinnvoll zu gebrauchen. Es 
gibt dieses Gefühl auf dem Land, dass man sich selber und miteinander die Dinge 
schaffen muss, die man braucht, auch, weil es sonst keiner für einen macht. Ich weiß 
nicht, ob ich jemals in meinem Leben so viel an einem Tag über Häuser und 
Hausbau geredet habe, aber auch das scheint hier eher Notwendigkeit zu sein, 
genauso, wie das Autofahren. Apropos, es ist nice, dass Rahel eine der Kunden 
ist, die ihren SUV tatsächlich für das Fahren im Unterholz benutzt, sie zeigt mir 
gleich zu Beginn ein paar Waldpfade rund um Steinsegen. Rahel ist übrigens aufs 
Land zurückgekommen, und sie hätte es meines Erachtens sicher auch weiter 
in einer Großstadt ausgehalten, so wirkt sie zumindest auf mich. Sie selber 
betont allerdings lachend, dass es für sie schon das volle Leben sei, nun mit 
dem Hof von Georg mitten im Ort auf der Hauptstraße zu wohnen und nicht 
mehr am Rand, wie in ihrer Kindheit in Rahden, da waren wirklich nur Felder um sie 
herum. Georg hat von Anfang an Ja zu Hedem gesagt, auch zur Landwirtschaft, in 
seinem Fall und im Vergleich noch zu z.B. Rahels Eltern betreibt er diese sogar im 
Haupterwerb, er hat sie auch studiert, und für ihn ist das Bestellen der Böden eine 
Passion und eine Wissenschaft, sagt Rahel, und Rahels Vater staune zumeist nicht 
schlecht, was Georg mit seinem Wissen alles noch aus den Böden herausholen könne. 
...
Im Zentrum von Rahden kommen wir an der einen super beliebten Eisdiele 
vorbei, Rahel erzählt ein wenig schmunzelnd, dass es mal irgendwelche Stadt-
planungen gegeben hätte, die entweder, wenn ich mich recht entsinne, gleich 
die ganze Eisdiele oder zumindest einen Brunnen oder Bänke, auf denen alle ihr 
Eis anschließend immer essen, platt machen wollten, und das wäre ein riesiges 
Thema im Ort gewesen, in der Zeitung diskutiert, schlussendlich dann auch 
gekippt worden. Wir fahren an den weiter Eis-essenden Menschen von Rahden 
vorbei. Manchmal wissen sich die Leute schon noch zu helfen. 

Prophetien II

Irgendwie kommt dann doch noch dieser Beitrag für die WDR Lokalzeit 
ins Rollen. Einen Freitag vor meinem Live-Auftritt treff ich mich mit Celine, 
einer freien Journalistin, damit wir vorab einen Einspieler drehen können, er soll 
1 ½ Minuten und irgendwie pfiffig und lokalbezogen sein und der größte Spaß dabei 
für mich ist, in den vollen Fußgängerzonen der Bielefelder Altstadt leise zu 
uns anschauenden Leuten „Hilfe“ zu sagen, während mir Celine mit etwas Abstand 
hinterherläuft und von hinten filmt. Unterhalb der Promenade, an den 
Hundewiesen, finden wir auf einer Parkbank den letzten Drehort, damit ich 
noch ein paar möglichst kurze und lustige Abschnitte aus den bisher 
geschriebenen Texten einlese. Celine wird von einem vorbeikommenden Hund 
angesprungen, ich solle mit mehr Enthusiasmus lesen, über mein ständiges 
„okay“ muss sie allerdings lachen, es erinnere sie an Forrest Gump. Nicht unweit 
dieser Bank habe ich einige Wochen zuvor mal abends, als es schon dunkel war, mit 
Vero gesessen, sie hatte mir vorher den Unterschied zwischen Bärlauch, Maiglöckchen 
und einem dritten Kraut erklärt, als wir noch bei ihr im Gemeinschaftsgarten saßen, 
Vero hat dieselbe Lieblingskneipe wie Alexandra, in die mich beide während der 
Zeit in Bielefeld mehrmals einladen, und an dem Abend mit Vero lauf ich irgendwann 
sekttrunken die Promenade zurück nach Hause, sehe die angestrahlte Sparrenburg, bis 
auf ein paar Leute auf einer Parkbank kurz zuvor ist keine Menschenseele zu sehen, ich 
denk mir, irgendwie profund: Die Sparrenburg ist einfach da. 
...

Wem gehört die Zeit?

Wenke und ich halten mitten auf der Straße, um noch eine Windkraftanlage zu 
fotografieren, aus dem Auto heraus, ein paar Locals (genauer: eine ältere Dame 
in einem Ford und ein schon richtig alter Herr auf einem Rad) müssen um uns 
herum und fucken sich darüber ab, verständlicherweise, wenn ich ehrlich bin. 
...
Wir sind auf dem Weg weg von der Wewelsburg und irgendwo hin, wo wir was 
Essen können, wahrscheinlich geht das in Büren. Wenke und die Direktorin der 
Burg hatten vorher beide sehr farbenfrohe Klamotten getragen, Wenke trägt sie 
auch immer noch, ich hab, aus irgendeinem unerfindlichen Grund, ausgerechnet an 
diesem Tag eher ein dezentes Hemd an. Auffällig viele Mitarbeiterinnen der 
Wewelsburg schienen farbenfrohe Kleidung zu haben. 
...
Nach unseren Bifteki schaffen wir es in der Abendsonne tatsächlich noch raus zu 
den Externsteinen, wir parken am Straßenrand, vor dem offiziellen und bezahl-
pflichtigen Parkplatzgelände, Wenke will sich die Gebühren sparen, ich habe 
Sorge, dass wir vielleicht abgeschleppt werden, gleich unten gegenüber der 
Parkplatzeinfahrt gibt es einen größeren Teich und auf seiner Oberfläche sind 
nun im glänzenden Abendlicht Mücken ohne Ende, ein Konzert, oder eine Gala, 
oder so, ein junger Mann mit Bart und einem ziemlich langen Objektiv schießt 
Fotos, aber eher wohl vom sich anbahnenden Sonnenuntergang. Auch beim zweiten 
Besuch wirkt alles, das Areal und die Steine selber, ein bisschen wie Phantasialand. 
...
Ich bin auch nicht aufs Hermannsdenkmal raufgelaufen, das war noch 
etwas vor Horn Bad Meinberg gewesen, am Tag der Arbeit (1. Mai). Während 
ich da vor dem Denkmal stehe und warte, ob ich nicht vielleicht doch noch etwas 
Mut finde, koordiniert auf der Treppe hoch zum Eingang ein Vater sehr geschickt 
einen ganzen Ausflug an Kindern für den gemeinsamen Aufstieg, es hängen auch 
noch mehrere Erwachsenengenerationen an der Gruppe mit dran. Ich mache 
zumindest dahingehend das Touri-Ding allerdings, als dass ich mir später ohne 
großes Wimpernzucken für fünf Euro eine Halbliter-Flasche Cola hole. Während 
ich weiter warte, kommt ein Paar auf ganz ansehnlich ausladenden Mountainbikes 
den Weg hinauf, kreist einmal ums Denkmal drum herum, er fährt ohne zu Halten 
gleich wieder den Weg bergab, „Was soll man schon hier?!“, ruft er über die 
Schulter hinweg seiner Begleitung zu, sie schaut etwas verwirrt hinten drein, vielleicht 
auch ein bisschen enttäuscht, sie hat ein Jersey an, das wie von NASCAR oder 
vom Motocross aussieht. Auf den breiten Treppen runter zu dem Aussichtspunkt 
gleich hinterm Denkmal erzählt eine Mutter ihrer Mutter und ihren Kindern etwas 
von den früheren schrecklichen Zeiten, und irgendwie wird mir da fast ein bisschen 
schlecht, vielleicht bin ich aber auch nur traurig, dass gerade einige Schulklassen die 
gesamte Mauer des Aussichtspunktes beanspruchen. Am Denkmal und 
dieser einen abgebrannten Hütte wieder vorbei und runter zum Hauptareal für 
Snacks und Souvenirs, gönn ich mir noch eine Pommes, dann steig ich 
wieder hinab, nach Detmold zurück, wieder zu Fuß, aber dieses Mal find ich 
einen Waldweg für den Abstieg – hoch war ich den dankbar einfachen Routen-
angaben eines Kioskbesitzers aus dem Detmolder Hauptbahnhof gefolgt, dieser 
vorgeschlagene Weg war aber halt nur Straße gewesen, und auf der hörte nach 
dem Ende der Siedlungen auch der Gehweg auf, also ging ich die folgenden 
Serpentinen durch den Wald, wie früher mit meinen Eltern auf irgendwelchen 
Wanderungen, am Fahrbahnrand, ab und zu schlichen Rennradfahrer gehobenen 
Alters auf der letzten Rille vorbei, später sehe ich welche von ihnen bei der Fünf-
Euro-Cola wieder, einer macht da so ganz komisch und vielleicht als Kritik daran 
gemeint das lautstärkere Weinen eines nahegelegenen Kindes nach. Beim Aufstieg 
der Raps im Tal weiter unten blühte voll und mir war zu heiß unter meiner Jacke. 
...
Als Alexandra (die Alexandra aus der Nähe von Horn-Bad Meinberg, nicht die aus 
Bielefeld) und ich einige Wochen später an den Externsteinen sind, spielt uns 
gleich ein oberkörperfreier Typ auf der Flöte auf, an dieser Durchgangsstelle, wo 
sich die Bäume des Waldes hin zur Wiese vor den Steinen lichten. Während wir ihn 
passieren, hält er inne, spricht: „Willkommen an den Externsteinen.“ Kurz davor, noch 
im Wald, auf dem Weg von den Parkplätzen her, war ein verballerter Dude gewesen, der, 
wie es schien, bereits für diesen Nachmittag in Alkohol gemacht hatte. Am Jesusgrab weist 
mich Alexandra auf die dort eingeritzten Runen hin. Wir laufen eine ganze Zeit lang 
durch das Waldgebiet hinter den Steinen, Alexandra erzählt mir von einer Filmidee, eine 
Sciene-Ficiton-Geschichte, basierend auf einem Traum, es ging in ihm um alternative 
Logistiklösungen, ohne zu viel vorab zu verraten. Irgendwann führt uns der Weg 
ein wenig ins Unterholz und wir kommen auf einmal auf der rückseitigen Straße eines 
Wohngebiets heraus, Alexandra weiß allerdings gleich, wo wir sind und wie es zurück 
geht. Während wir da so wieder aus dem Wald in die Zivilisation hervortreten, schaut 
uns ein Mann aus seiner offenen Garage heraus an, schaut uns weiter an, solange, bis 
wir die Straße herunter aus seinem Blickfeld heraus sind. Zurück an den Steinen ist 
da wieder der besoffene Typ, er hat mittlerweile den Schatten des Waldes 
verlassen, sitz oberkörperfrei in der Sonne. 
...
Auch an Laden und Schaufenster erinnert mich die Art, wie auf der Wewelsburg 
in einem der Räume das SS-Besteck ausgestellt ist. Es liegt einfach in einem 
Plastik-Geschirrkasten. Die Idee ist, die Dinge zu zeigen, aber nicht so sehr 
aufzuladen, sagt die Direktorin dort Wenke und mir, durch die ganze Ausstellung 
der NS und SS-Vergangenheit des Ortes werde die Präsentation der Exponate so 
angegangen: ohne Überhöhungen. Das bekannteste Beispiel für diesen 
entmystifizierenden Umgang mit dem Nationalsozialismus ist wohl dieser – und ich 
erzähle vielleicht erstmal, was ich vorab davon gehört habe: Vorab wurde mir erzählt, 
dass es auf der Burg ein in ihren Boden eingelassenes Hakenkreuz geben würde, dass 
man dieses nie herausgenommen hätte, weswegen das Museum es nun versuche 
zu kaschieren, indem es Sitzsäcke darüber auslege. Tatsächlich sitzen Wenke, die 
Direktorin und ich, zwischen den Bean Bags auf Sitzhockern zusammen herum 
im besagten Raum und auf dem besagten Motiv, das allerdings kein Hakenkreuz 
sondern ein zwölfspeichiges Rad, ein Sonnenrad, ist. Dieser Raum, Obergruppen-
führersaal genannt, befindet sich direkt über der ebenfalls kreisrunden, geplanten 
aber nie genutzten Gruft für SS Führer im Nordturm. Wo wir zu dritt da sitzen, 
leuchtet mir das mit den Bean Bags ein, auch der ganze Ansatz der Entmystifizierung. 
Als wir bei den diversen Nazi-Exponaten sind und die Direktorin uns nochmal 
dort den Ansatz erklärt, muss Wenke allerdings kurz lachen und sagt, dass 
sie das verstehen könne, aber die Sache sei, dass die Sachen eine Ästhetik, eine 
Ausstrahlung hätten, anziehend wären. Ich schenke Wenke später meinen 
Ausstellungskatalog, den mir die Direktorin wiederrum geschenkt hatte (vielen Dank). 
Es gibt diese Aussage, die ich vor Jahren mal aufgeschnappt und mir immer 
gemerkt habe, ein Freund und Walter Benjamin-Fan, Raphael, sagte mir später, dass 
sie von Benjamin sei: Faschismus ist die Ästhetisierung der Politik. Dazu 
ergänzend mein ehemaliger Wohnungsnachbar Manuel in Köln, als ich mal wieder 
bei ihm drüben war eines Abends (als wir noch miteinandersprachen, bevor er grußlos 
wegzog): Manuel befand, dass Demokratie nicht ästhetisch sein könne und dürfe, sie 
müsse sich immer unbefriedigend anfühlen für den Einzelnen, matschig, kompromiss-
beladen, gerade, dass sie nie ganz funktioniere, sei, was ihre Freiheit kennzeichne. Manuel 
schlief in der Wohnung in einem Schlafsack auf den Kacheln im Bad und einmal im 
Jahr, mindestens, ging er für ein paar Wochen wandern im Wald, pennte auch dort. Er 
hat Malerei studiert. Mir haben seine Bleistift-Skizzenbücher immer am Meisten gefallen. 
...
Davor hingen in einem der den Inhaftierten gewidmeten Räume eine Winter- und eine 
Sommeruniform aus dem KZ Niederhagen. Ein Angehöriger eines Überlebenden hatte 
die Kleidung Jahre später gefunden. Sie ist gestreift, sieht alt aus, sieht komisch echt 
aus. Ansonsten ist im Raum mit der Kleidung noch eine Tube Klebstoff (ich meine, 
die Marke war „Moment“, die russische Variante von Pattex) ausgestellt, der Kleber 
wurde in der Zwangsarbeit zum Ankleben von Kragen an Kleidungsstücke verwendet, 
die Inhaftieren nutzen ihn wiederrum, um den Hunger zu betäuben. Mir fällt 
irgendwann auf, dass es ein Ungleichgewicht zwischen der Anzahl an hinter-
lassenen Objekten der Inhaftierten und der der hinterlassenen und ausgestellten 
Objekte der Täter gibt und dass das a.) in den Begebenheiten des ausgeübten 
Unrechts an sich liegt und b.) gleichwohl ein komisches Gefühl erzeugt, als ob es dieses 
Unrecht auch heute noch einfacher habe, sich vordränge, sich unmerklich und immer 
wieder neu einschreibe, in unsere Zeit, die halt nicht nur unsere ist oder sein sollte, sondern 
auch die der Leute vor uns, irgendwie vielleicht auch gerade derer, die man zwang, aus 
ihr zu gehen. Was es gibt, sind Geschichten von Überlenden, in einem der letzten 
Räume, und Fotos, Fotos einiger der Überlebenden, im höheren Alter abgelichtet, einer 
wurde fast 100 oder so. Zeit, die Geschichten in diesem Raum anzuhören, haben 
Wenke und ich an diesem Tag aber auch nicht, ich muss nach der Führung 
durch die Direktorin gleich weiter zum nächsten Termin an der Wewelsburg. 
...

Prophetien III

Die letzten Wochen brechen an. Ich geh noch zur Pride Parade, schau mir 
an, wie sie langsam aufgebaut wird am Rathausplatz, von der Terrasse der ersten 
Etage des Buffet-Restaurants Wang aus. Wang ist wie immer eine Bank. Danach, 
am Platz, unter den Menschen, fühlt es sich ein bisschen so an, als ob ich wieder 
auf der Gamescom sei, viele nerdige Kids unterwegs, und sie sind aber alle irgendwie 
so ganz aufgeregt, happy, wie es scheint, nur die Hitze setzt vielleicht ein bisschen 
zu, es ist wirklich unvergebend heiß an dem Tag. Ich frag mich, wie mein eigenes 
Leben verlaufen wäre, hätte ich selber in meiner Jugend beim CSD in Köln 
mitgemacht, und ich meine mitgemacht, Bella hatte mich ein paar Mal in meinen 
jungen Erwachsenenjahren zum Zuschauen dorthin mitgeschleppt, aber da war 
das, was – um mal eine viel zu theatralische und irgendwie auch unpassende 
Referenz zu gebrauchen – Herta Müller in Atemschaukel das Sich-immer-
wieder-in-Schweigen-Einpacken nannte, schon zu häufig geschehen, und es 
freut mich, dass so viele junge Leute auf der Pride Parade sind, es macht 
Hoffnung, ich seh Brillenschlangen, wie ich sie früher eine war und auch immer 
noch eigentlich bin, in genderfluiden Outfits, und viele der Leute sehen auch echt 
ganz gut slutty aus, und das ist die Zukunft, die hoffentlich sich jetzt langsam mal  
ihren Weg bahnt, durch die immer noch andauernde Prüderie der Tage (es 
braucht alles Zeit). Während der letzten Monate hatte ich zwischendurch ab und 
zu gedacht, dass ich zur Parade in meinem roten Kleid oder zumindest vielleicht in 
meinem weit wehenden Hemd mit Motiven aus der Unterwasserwelt des Ozeans (das 
mir Melda mal in Köln bei Pick’n’Weight geschenkt hatte) gehen könnte, geschminkt 
dann natürlich, aber der Ablauf der Gedanken und Tage und Wochen entwickelt sich 
schließlich anders als erwartet, am Ende sehe ich am Tag der Parade wie immer aus, trage 
das lila T-Shirt von der japanischen Tischtennis-Marke und meine Deutsche Post-
Hose, und laut einem Aushang sollte die Parade um drei losgehen, um halb vier regt 
sich immer noch kein Wagen, dafür ist es proppenvoll, neben Teenies scheinen auch 
viele Leute gekommen zu sein, die so wirken, als ob sie auch gerne Helene Fischer oder 
Meat Loaf hören, sie sind das echte Rückgrat dieser Gesellschaft, mit den Kids, und ich 
geh zurück nach Haus, durch die unsagbar volle Bielefelder Bahnhofsstraße, die an 
diesem Samstagnachmittag zusätzlich noch voll von missionierenden christlichen 
Gruppen ist (Zufall?), und in einer halben Stunde fängt auf Eurosport die Live-
Übertragung meines Lieblings-Autorennens an, das gibt es auch nur einmal im Jahr. 
...

Epilog: Gewitter

...
Ich seh Thea nochmal, sie hat mich zum Pickert-Essen zu sich nach Hause 
eingeladen, später sink ich immer tiefer in die Couch in ihrem Wohnzimmer 
ein, in dem urigen Haus, dass sie sich mit einer Mitbewohnerin teilt, tatsächlich 
leben die beiden in einem ganzen (schmalen) Haus, auf dem Rückweg komm ich 
nachts an den Schaufenstern der Neuen Westfälischen (der Roten) vorbei, und seh 
mein eigenes Gesicht von der dort präsentierten Ausgabe des nun vergangenen 
Tages zurückgucken, sie haben das Interview also heute gedruckt, ich geh an das 
Schaufenster heran, direkt neben mir steht ein Mann, der sehr nah an der 
Scheibe konzentriert die dort präsentierte Doppelseite der Zeitung liest, und 
würde er jetzt nur einmal kurz zu mir herüberschauen und zu dem 
Zeitungsausschnitt, vor dem ich gerade stehe, würde er was ganz Lustiges 
zu sehen bekommen, wage ich zu behaupten, vielleicht will ich auch einfach 
nur endlich meinen ersten Star-Moment haben. Passieren tut dann nichts. 
...
Nun bricht wirklich die letzte Woche an. Ich muss packen, bemerke, dass 
ich viel zu viel habe, um es alles in einen (großen) Rucksack und eine 
Tasche nach Berlin zum nächsten Stipendium zu bekommen, verbringe also die 
letzten Tage damit, relativ ineffizient, weil ich mich einfach nicht trennen kann, mehr-
mals durch halb NRW zu fahren, mit Zug und Auto, um Sachen wegzubringen, nach 
Köln in den Keller der untervermieteten Wohnung. Meine Mutter leiht mir ihren 
kleinen unklimatisierten Peugeot Kombi dafür, mit dem ich dann mit bis zu 155 Sachen 
(nicht meiner Mutter erzählen, sie fährt 90 bis 110 damit), bei fast 30° über A1, 2, 
33, 40, 45, 57 fahre, und den Preis an den Autobahntanken bezahle, in Form stattlicher 
Tankrechnungen. Davor sagt Judith kurz nochmal Tschüss, sie hat mir sogar ein 
Geschenk mitgebracht, einen kleinen Holzengel, für mich und meinen Vater, sie 
bringt Grüße von Wolfgang mit, nimmt mich mit in die Stadt, ich muss, wie 
immer, zur Kingsgard-Reinigung und zum Fotospezialisten, sie fährt davon, in dem 
Auto, von dem sie selbst sagt, dass sie darin ein absoluter Einpark-Champ ist, ich 
glaub es ihr aufs Wort. Am letzten Tag vorm Auszug dann, nachdem mir Thea eine 
SMS geschrieben hat, dass sie eine Abschiedspost gerade an meiner Tür hinterlassen 
habe, nachdem Alexandra und ich den Küchentisch, den Alexandra von einer Freundin 
geliehen hatte, damit ich einen Arbeitstisch in der letzten Wohnung habe, zu besagter 
Freundin, auseinandergebaut, in einem Fahrradanhänger, zurückgebracht haben, und 
nachdem mir Alexandra auf dem Hinweg zu meiner Wohnung vom Kulturbüro-
Abschiedsessen zuvor erzählte hatte, wie die letzten vier Monate eigentlich für sie 
emotional gewesen waren und was sie sich von mir gewünscht hätte, ohne, dass 
das jetzt aber als Vorwurf zu verstehen sei, und nach dem Kulturbüro-Abschiedsessen 
selber halt (in demselben Nudelladen, in dem auch das Ankunftsessen stattfand, eine 
Symmetrie), und nachdem mir der Schneider, als ich meine geflickte Mamba-Käppi bei 
ihm auf dem Weg zum Abschiedsessen abholte (vielen Dank dafür), angeboten hatte, dass 
er einen Kontakt herstellen könne, bei dem ich für Zweitausend in der Türkei meine 
Halbglatze mit Haaren aus meinem Nacken auffrischen lassen könnte (ich hatte einen 
Witz über meine Halbglatze gemacht), und nachdem ich leider keine Zeit gehabt 
hatte, der älteren Frau mit den Goldzähnen meine Hilfe beim Wegschleppen der 
neuverpackten Matratzen vom Straßenrand anzubieten, weil ich in Eile, auf dem Weg 
zum Schneider gewesen war – zuvor hatten wir uns versichert bei einer Anwohnerin, der 
ehemaligen Inhaberin der Matratzen tatsächlich, dass sie auch wirklich zu verschenken 
waren, die Frau mit Goldzähnen hatte mich davor auf der Straße angesprochen gehabt, ob 
ich meinte, dass die Matratzen zum Mitnehmen seien, wir hatten uns dann auf die Suche 
nach möglichen Inhabern gemacht am Haus, vor dem sie standen, am Ende hat sie sich 
einfach eine der Matratzen auf den Kopf gehievt und ist losgegangen, später am Nachmittag 
war keine der Matratzen mehr da vor dem Haus – nach alledem also, am allerletzten 
Nachmittag, schaue ich auf alles, was ich noch packen will für Berlin und bemerke, dass 
es weiterhin viel zu viel ist. Und in einem Gefühl, das keine Gefangenen mehr nimmt 
und trotzdem irgendwie auch keinen Mut kennt, entscheide ich mich, rigoros nun wirklich 
nur noch das Nötigste und das Praktischste mitzunehmen, und so werden das rote Kleid 
und die rosa Jogginghose und die roten und gemusterten Strumpfhosen in Mülltüten 
notverpackt, auch der Kasten mit den Schminkutensilien, am Tag zuvor hatte ich mir 
noch gesagt gehabt, dass ich diese Sachen mit nach Berlin nehmen werde, vielleicht 
kann ich mich ja dann da mal in der Öffentlichkeit am Wannsee in ihnen zeigen, 
Toni S. debütiert mit Mitte 30 in einem zu weiten Kleid von Ulla Popeken, gelassen hält er 
die grüne Berliner Weisse in der linken Hand, und alles zusammen wird nun stattdessen 
mit dem und im Peugeot Kombi meiner Mutter zurück nach Bochum gefahren 
und verstaut, hinter Regalen, auf dem vor Sachen überquellenden Dachboden meiner Eltern. 
Um halb zehn abends bin ich zurück in Bielefeld. Ein Gewitter ist sich am An-
bahnen. Ich gehe in den Garten, zum ersten Mal, der Garten besteht zur Hälfte 
aus einem ordentliche Stück Rasen und zur anderen Hälfte aus einem Streifen 
wild wachsender Gebüsche, im wilden Streifen liegt der Bungalow-Anbau 
an das Haupt-Wohnhaus, der meine Wohnung darstellt, ich setzte mich auf den 
Stuhl, auf dem sonst die eine Nachbarin aus dem Haus immer saß, in zumeist weißen 
Klamotten und mit ihrem Hund und ihrem Phone dabei, und schaue mich um. Durch das 
gekippte Fenster kann ich in meine Wohnung sehen, auf dem Fernseher, ich 
hab ihn angelassen, werden Motorradrennfahrer interviewt. Die Kirsche, die 
aus dem Garten emporragt, ist riesig. Efeu zieht sich vollständig ihren Stamm 
entlang. An den Rändern des eingezäunten Horizonts, gerade hinter den Häuserkanten, 
der Lagerhalle, deuten sich Blitze an. Es gibt auch Wind. Ich leg den Kopf in den 
Nacken, soweit, wie ich nur kann, und guck in die flatternden Äste der Kirsche über 
mir, die Wolkenmassive darüber, die ihr Gesicht bei bloßem Anblick ändern und dann 
wieder ändern, kleine Kirschen plumpsen aus dem Baum heraus. Es wird dunkel. Ich 
werde reingehen, wenn der Regen beginnt herunterzukommen. 
le fin

Bonus: noch ein paar mehr Pics aus der Zeit

Mehr von Tobias Schulenburg

Zeit

Wem gehört die Zeit?

Wenke und ich halten mitten auf der Straße, um noch eine Windkraftanlage zu 
fotografieren, aus dem Auto heraus, ein paar Locals (genauer: eine ältere Dame 
in einem Ford und ein schon richtig alter Herr auf einem Rad) müssen um uns 
herum und fucken sich darüber ab, verständlicherweise, wenn ich ehrlich bin. 
Eine Landstraßen-Gabelung später halten wir erneut, dieses Mal allerdings 
auf einem Stück Schotter, gucken und fotografieren weiter die Windräder, die 
hier zu Dutzenden in den Feldern der sanft rollenden Hügel stehen. Ein paar 
Minuten zuvor hatten wir noch den Klatschmohn am Rand der zu dieser 
Jahreszeit weich wirkenden Getreidefelder beschaut, sein Rot fast ein Geruch. 
Wir sind auf dem Weg weg von der Wewelsburg und irgendwo hin, wo wir was 
Essen können, wahrscheinlich geht das in Büren. Wenke und die Direktorin der 
Burg hatten vorher beide sehr farbenfrohe Klamotten getragen, Wenke trägt sie 
auch immer noch, ich aus irgendeinem Grund allerdings hab ausgerechnet an 
diesem Tag eher ein dezentes Hemd an. Auffällig viele Mitarbeiterinnen der 
Wewelsburg schienen farbenfrohe Kleidung zu haben. 
Es wird tatsächlich Büren werden, hinsichtlich des Essens, und bis das griechische 
Restaurant am Marktplatz(?) in der Innenstadt aufmacht findet Wenke noch eine 
lila Lederjacke auf 50 Euro reduziert, die Verkäuferin im Geschäft erklärt es uns 
so, dass sie eigentlich ein Laden für (Leder)schuhe aus eigener Herstellung seien, und die 
Jacken und ebenfalls im Angebot befindlichen Taschen würde man immer für Messen 
dazu kaufen, um ein farblich passendes Ensemble zu den Schuhen zeigen zu können. Mir 
gefallen die ausgestellten Sandalen im Laden sehr, sie haben so schlicht schwingende 
Formen, Wenke meint, während sie sich zwischen ungefähr sieben Jacken zu entscheiden 
versucht, ich solle doch einfach mal eine anprobieren, aber es gibt nur Damengrößen. Hinter 
der Kasse im Laden eine rassistisch wirkende alte Schuhpflege-Blechwerbung, zur Dekoration. 
Nach unseren Bifteki schaffen wir es in der Abendsonne tatsächlich noch raus zu 
den Externsteinen, wir parken am Straßenrand, vor dem offiziellen und bezahl-
pflichtigen Parkplatzgelände, Wenke will sich die Gebühren sparen, ich habe 
Sorge, dass wir vielleicht abgeschleppt werden, gleich unten gegenüber der 
Parkplatzeinfahrt gibt es einen größeren Teich und auf seiner Oberfläche sind 
nun im glänzenden Abendlicht Mücken ohne Ende, ein Konzert, oder eine Gala, 
oder so, ein junger Mann mit Bart und einem ziemlich langen Objektiv schießt 
Fotos, aber eher wohl vom sich anbahnenden Sonnenuntergang. Auch beim zweiten 
Besuch wirkt alles, das Areal und die Steine selber, ein bisschen wie Phantasialand. 
Das erste Mal war ich mit Alexandra, einer anderen Alexandra allerdings, als 
der schonmal erwähnten aus Bielefeld, Mitte Mai bei den Steinen gewesen. Diese 
Alexandra hat mir auch das den Steinen vorgelagerte Horn-Bad Meinberg 
gezeigt, sie ist in der Nähe davon aufgewachsen. An diesem heißen Maitag befinden 
Alexandra und ich ebenfalls, dass die Externsteine ein bisschen Phantasialand 
seien – wahrscheinlich, weil die Steine an manchen Stellen so unnatürlich glatt, von 
den Jahrtausenden der Witterung, geworden sind, auch, weil sie wie angemalt 
aussehen, in all ihren Farbwechseln und -nuancen. Besonders ist vielleicht auch, dass 
ich in Alexandra jemanden an diesem Tag treffe, die auch Höhenangst hat, und 
so legen wir beide relativ schnell und ohne große Gewissensbisse den Plan, auf 
die Steine hochzusteigen, wie man es als guter Tourist hier eigentlich macht, wieder 
bei Seite. 
Ich bin auch nicht aufs Hermannsdenkmal raufgelaufen, das war noch 
etwas vor Horn Bad Meinberg gewesen, am Tag der Arbeit (1. Mai). Während 
ich da vor dem Denkmal stehe und warte, ob ich nicht vielleicht doch noch etwas 
Mut finde, koordiniert auf der Treppe hoch zum Eingang ein Vater sehr geschickt 
einen ganzen Ausflug an Kindern für den gemeinsamen Aufstieg, es hängen auch 
noch mehrere Erwachsenengenerationen an der Gruppe mit dran. Ich mache 
zumindest dahingehend das Touri-Ding allerdings, als dass ich mir später ohne 
großes Wimpernzucken für fünf Euro eine Halbliter-Flasche Cola hole. Während 
ich weiter warte, kommt ein Paar auf ganz ansehnlich ausladenden Mountainbikes 
den Weg hinauf, kreist einmal ums Denkmal drum herum, er fährt ohne zu Halten 
gleich wieder den Weg bergab, „Was soll man schon hier?!“, ruft er über die 
Schulter hinweg seiner Begleitung zu, sie schaut etwas verwirrt hinten drein, vielleicht 
auch ein bisschen enttäuscht, sie hat ein Jersey an, das wie von NASCAR oder 
vom Motocross aussieht. Auf den breiten Treppen runter zu dem Aussichtspunkt 
gleich hinterm Denkmal erzählt eine Mutter ihrer Mutter und ihren Kindern etwas 
von den früheren schrecklichen Zeiten, und irgendwie wird mir da fast ein bisschen 
schlecht, vielleicht bin ich aber auch nur traurig, dass gerade einige Schulklassen die 
gesamte Mauer des Aussichtspunktes beanspruchen. Am Denkmal und 
dieser einen abgebrannten Hütte wieder vorbei und runter zum Hauptareal für 
Snacks und Souvenirs, gönn ich mir noch eine Pommes, dann steig ich 
wieder hinab, nach Detmold zurück, wieder zu Fuß, aber dieses Mal find ich 
einen Waldweg für den Abstieg – hoch war ich den dankbar einfachen Routen-
angaben eines Kioskbesitzers aus dem Detmolder Hauptbahnhof gefolgt (unter 
weiterer Zuhilfenahme der beraterischen Qualität eines sich zu diesem Zeitpunkt 
ebenfalls im Kiosk befindlichen Mannes mit Rucksack und weißem Bart, der 
tatsächlich nicht so wirkte, als ob er den Kiosk irgendwann bald wieder verlassen 
würde, aber Detmold ist auch weird am Bahnhof, es gibt keine so richtig einladende 
Bahnhofshalle mehr), dieser vorgeschlagene Weg war aber halt nur Straße lang, und 
auf der hörte nach dem Ende der Siedlungen auch der Gehweg auf, also ging ich die 
folgenden Serpentinen durch den Wald, wie früher mit meinen Eltern auf irgendwelchen 
Wanderungen, am Fahrbahnrand, ab und zu schlichen Rennradfahrer gehobenen Alters 
auf der letzten Rille vorbei, später sehe ich welche von ihnen bei der Fünf-Euro-Cola 
wieder, einer macht da so ganz komisch und vielleicht als Kritik daran gemeint das 
lautstärkere Weinen eines nahegelegenen Kindes nach. Beim Aufstieg der Raps im 
Tal weiter unten blühte voll und mir war zu heiß unter meiner Jacke. 
Am Vorabend war meine Auftaktlesung gewesen, genau zur Mitte der OWL-
Literaturresidenz, in Detmold, (war ein schöner Abend) ich hatte noch eine 
Nacht da gepennt, im Altstadt-Hotel, das irgendwie auch ein Geheimtipp ist, und 
warum erwähn ich das dann hier? Coole Hotelinhaberin, wenn dass die Frau an 
der Rezeption war, was ich irgendwie vermute. Nachts schaute ich noch 
Columbo auf dem Hotelfernseher, wollte aber den Mord zu Beginn nicht 
sehen. Noch später in der Nacht entdeckte ich, dass es gleich mehrere Bibelsender 
hintereinander gab, in einem von ihnen eine Talk-Sendung, ein in der Freikirchen-
Szene bekannter Pastor ist darin zu Gast, er war eine Zeit lang auch mal Mitglied 
der Kölner Gemeinde, in der ich wiederum aufgewachsen bin, ich erkannte ihn 
in der Sendung erst fast gar nicht wieder, weil er früher lange Haare gehabt hatte, 
von der Hamburger Reeperbahn gekommen war, immer eine Collegejacke mit 
aufgestickter Dornenkrone trug. In der Talkshow hatte er jetzt ein Hemd und 
ganz ordentliche Schuhe und einen Kurzhaarschnitt. 
Beim Abstieg vom Hemannsdenkmal traf ich auf eine aus einem 
Baumstamm gehauene Wildschweinfamilie, die Skulptur stand ohne weitere 
Hinweise am Rand einer Fläche, auf der gefallene Bäume lagen. Wieder im 
Tal lief ich einen romantischen Bachweg stadteinwärts, auf dessen Windungen sich 
ein Pensionär von mir für eine Zeit lang verfolgt fühlte oder sich zumindest 
häufiger nach mir umdrehte, ich versuchte, wie immer in solchen Situationen, mich 
unmerklich zurückfallen zu lassen, was irgendwann auch gelang. Die schnelle 
Alternative wäre gewesen, etwas Interessantes am Wegesrand zu sehen und sich 
in der Betrachtung dessen zu verlieren oder auf einmal eine ganz wichtige SMS im 
Stehen schreiben zu müssen. In der Stadt wieder angekommen, gibt es auf einer 
Café-Terrasse ein Konzert, ich sitz an einer Gracht etwas weiter, hör der 
hinüberkommenden Musik zu, der Pensionär taucht wieder auf, läuft am anderen 
Grachtufer vorbei, er hat eine Schiebermütze und einen Trenchcoat an, irgendwie geh 
ich ohne Frage davon aus, dass die Spielenden von der Café-Terrasse Musikstudierende 
sein müssen, von der Hochschule hier. Beide Tage in der Stadt sieht man sie immer wieder 
mit ihren Koffern auf Rädern und zu Fuß, nicht unähnlich den Angehörigen von 
Glaubensgemeinschaften, die sich auch innerhalb eines sozialen Raumes nach ihren 
eigenen, parallelen Regeln und Zielen bewegen. 
Als Alexandra und ich einige Wochen später an den Externsteinen sind, spielt uns 
gleich ein oberkörperfreier Typ auf der Flöte auf, an dieser Durchgangsstelle, wo 
sich die Bäume des Waldes hin zur Wiese vor den Steinen lichten. Während wir ihn passieren, 
hält er inne, spricht: „Willkommen an den Externsteinen.“ Kurz davor, bei diesem riesigen 
Holztier, das noch im Wald steht, als Sitzbank fungiert, auf dem Weg von den Parkplätzen 
her, war ein verballerter Dude gewesen, der, wie es schien, in Alkohol gemacht hatte 
bereits, für diesen Nachmittag. Am Jesusgrab weißt mich Alexandra auf die dort 
eingeritzten Runen hin. Wir laufen nach unserem abgesagten Aufstieg noch eine ganze 
Zeit lang durch das Waldgebiet hinter den Steinen, Alexandra erzählt mir von einer 
Filmidee, die Frage ist, wie man die Drehbuch dafür angehen könnte, die Idee klingt 
cool, eine Sciene-Ficiton-Geschichte, basierend auf einem Traum, den sie mal 
hatte, es geht in ihm um alternative Logistiklösungen, ohne jetzt zu viel vorab zu 
verraten. Wir kommen an drei Pensionären auf einer Bank im Wald vorbei, die eher 
für Kaffeeklatsch als fürs Wandern gekleidet sind, sie grüßen uns, und auch, wenn ich 
mir ihre Kleidung nicht mehr exakt in Erinnerung rufen kann, weiß ich, dass ich sie stylish 
fand. Irgendwann führt uns der Weg ein wenig ins Unterholz und wir kommen auf einmal 
auf der rückseitigen Straße eines Wohngebiets heraus, Alexandra weiß allerdings gleich, wo 
wir sind und wie es zurück geht. Während wir da so wieder aus dem Wald in die Zivilisation 
hervortreten, schaut uns ein Mann aus seiner offenen Garage heraus an, schaut uns weiter 
an, solange, bis wir die Straße herunter aus seinem Blickfeld heraus sind. Zurück an den 
Steinen ist da wieder der besoffene Dude, er hat mittlerweile den Schatten des Waldes 
verlassen, sitz oberkörperfrei in der Sonne. 
Später, im Eiscafé auf der Hauptstraße von Horn-Bad Meinberg (das eigentliche 
Café, das wir besuchen wollten, hat ausgerechnet und nur an diesem Wochentag, ich 
meine, ein Mittwoch, nicht mehr nachmittags auf), erzählt eine Wanderin zwei Tische 
weiter allen, die es hören können, wie viel sie und ihre Kollegin am Tisch heute 
schon gelaufen seien und dass sie sich nun eine Erfrischung gönnen. Alexandra ist 
vegan und bekommt einen Eisbecher voller Erdbeeren, die Teenie-Bedienung freut 
sich darüber, dass sie ihr diesen Wunsch erfüllen kann, was nett von ihr ist, mich 
schaut sie ein wenig so an, als ob ich sus‘ bin, vielleicht war es auch meine 
Bestellung, Waffeln mit Eis. Eigentlich hätte ich gerne den Laguna Becher (das ist 
mit Blue Curacao und Sekt) bestellt, aber ich hab noch Angst um meine Verdauung, im 
April hatte ich einen alten Freund aus meinem ersten Studium in Wuppertal 
für einen Nachmittag getroffen, und da musste ich, nachdem ich in kurzer 
Folge Krokantbecher und Currywurst gegessen hatte, auf einmal so plötzlich und 
so heftig aufs Örtliche, dass ich es nur mit Mühe und in allergrößter Not auf eine 
Damen-Serways-Toilette im Hauptbahnhof schaffte, die ganze Halle war ich bereits in 
diesem komischen Gang gewatschelt, den man macht, wenn eigentlich schon alle 
Hoffnung verloren ist. Anyway, solche Situationen wollte ich zukünftig wenn 
möglich vermeiden, deswegen musste was Festes mit in die Bestellung. Mutig waren 
Alexandra und ich sowieso schon gewesen, wir probierten auf dem Rückweg im 
Wald beide ein paar Bärlauchblüten am Wegesrand, sind gut genießbar, schmecken 
wie Lauch und kurz am Anfang sogar ein wenig süß. Ansonsten hol ich mir auch noch 
ein Glas für einen Euro im größten Second Hand Laden auf der Hauptstraße, und 
die Verkäuferin weißt mich an der Kasse zurecht, warum ich nur ein Teil ausgewählt 
hätte. Das Glas hat nachträglich mit Window Color aufgemalte Marienkäfer drauf, dazu 
gehärtete Flüssigkeitsreste am Boden. Alexandra zeigt mir ihr liebstes Objekt, ein 
gesticktes Bild mit mittelalterlichem Motiv, bei dem sich vor höfischem Publikum zwei 
Ritter mit der Lanze duellieren und eher interessante Gesichtsausdrücke machen, während 
einer aus dem Sattel geholt wird, von der Lanze des Anderen. Der Laden ist in einem 
ehemaligen Plus gelegen (nicht unähnlich dieser Kulturstätte in Velbert Langenberg, bei 
der überregionalen Lesung von stadt.land.text, wo wir im Alldie-Kunsthaus waren, die 
halt in einem ehemaligen Aldi sitzen) und generell ist wohl gerade der Trend, das 
Privatleute einfach selber Second Hand in irgendwelchen Ladenlokalen machen, wenn 
sie es schon nicht vermietet bekommen. 
Auch an Laden und Schaufenster erinnert mich die Art, wie auf der Wewelsburg 
in einem der Räume das SS-Besteck ausgestellt ist. Es liegt einfach in einem 
Plastik-Geschirrkasten. Die Idee ist, die Dinge zu zeigen, aber nicht so sehr 
aufzuladen, sagt die Direktorin dort Wenke und mir, durch die ganze Ausstellung 
der NS-Vergangenheit des Ortes werde die Präsentation der Exponate so 
angegangen: ohne Überhöhungen. So ist das Geschirr dann in einem Kasten, nicht einzeln 
und heilig herausgestellt, wie sonst vielleicht üblicher für Objekte in einem Museum. Im 
selben Schaukasten gibt es auch einen Kerzenständer, aber man kann ihn von 
vorne nicht voll einsehen, um die Nazi-Insignien an seinem Kopfende zu betrachten, 
müsste man eine ziemliche Verrenkung vorm Kasten machen, ich unterlasse das dann. Das 
Geschirr erinnert mich an die Auslage von diesem Geschirrladen nahe dem Dom in 
Köln, dort gibt es ein Fenster, wo so ein auf mich irre teuer wirkendes Set einfach in 
eine Plastikschale liegt, mit handgeschriebenem Preiszettel über einige hundert Euro 
dran. Ist ein cooler Laden, btw. 
Das bekannteste Beispiel auf der Wewelsburg für diesen entmystifiziernden 
Umgang mit den Nazi-Zeit ist dieses – und ich erzähle vielleicht erstmal, was 
ich vorab davon gehört habe: Vorab wurde mir erzählt, dass es auf der Burg ein 
in ihren Boden eingelassenes Hakenkreuz geben würde, dass man dieses nie 
herausgenommen hätte, weswegen das Museum es nun versuche zu kaschieren, 
indem es Sitzsäcke darüber auslege. Tatsächlich sitzen Wenke, die Direktorin und 
ich, zwischen den Bean Beags auf Sitzhockern zusammen herum im besagten 
Raum und auf dem besagten Motiv, das allerdings kein Hakenkreuz sondern ein 
zwölfspeichiges Rad, ein Sonnenrad, ist. In den 90ern hat dieses Rad den Namen 
schwarze Sonne bekommen, ist ein gehyptes Symbol der Neonazi-Szene 
geworden. Während die SS die Wewelsburg nutze, hatte es diesen Namen noch 
nicht, war kein offizielles Parteisymbol, ein Sonnenrad, das sich in die 
Architektur des kreisrunden Raumes im Nordturm der Burg einfügte. Dieser 
Raum, Obergruppenführersaal genannt, befindet sich direkt über der ebenfalls 
kreisrunden, geplanten aber nie genutzten Gruft für SS Führer. Jetzt, wo wir hier 
zu dritt sitzen, leuchtet mir das mit den Bean Bags ein, auch der ganze Ansatz der 
Entmystifizierung. Als wir bei den diversen Nazi-Exponaten sind und die Direktorin 
uns nochmal dort den Ansatz erklärt, muss Wenke allerdings kurz lachen und sagt, dass 
sie das verstehen könne, aber die Sache sei, dass die Sachen eine Ästhetik, eine 
Ausstrahlung hätten, anziehend wären. Ich schenke Wenke später meinen 
Ausstellungskatalog, den mir die Direktorin wiederrum geschenkt hatte (vielen Dank). 
Es gibt diese Aussage, die ich vor Jahren mal aufgeschnappt und mir immer 
gemerkt habe, ein Freund und Walter Benjamin-Fan, Raphael, sagte mir später, dass 
sie von Benjamin sei: Faschismus ist die Ästhetisierung der Politik. Dazu 
ergänzend mein ehemaliger Wohnungsnachbar Manuel in Köln, als ich mal wieder 
bei ihm drüben war eines Abends (als wir noch miteinandersprachen, bevor er grußlos 
auszog): Manuel befand, dass Demokratie nicht ästhetisch sein könne und dürfe, sie 
müsse sich immer unbefriedigend anfühlen für den Einzelnen, matschig, kompromiss-
beladen, gerade, dass sie nie ganz funktioniere, sei, was ihre Freiheit kennzeichne. Manuel 
schlief in der Wohnung in einem Schlafsack auf den Kacheln im Bad und einmal im 
Jahr, mindestens, ging er für ein paar Wochen wandern im Wald, pennte auch 
dort. Er hat Malerei an der UdK studiert. Mir haben seine Bleistift-Skizzenbücher 
immer am Meisten gefallen. 
Den Abschluss der Ausstellung im Nordturm der Burg bilden einige Räume, die 
den Inhaftieren des nahegelegenen Konzentrationslagers in Niederhagen gewidmet 
sind. Hier ist ein komischer Fakt: Die Barracken wurden, nachdem die Alliierten dort 
angekommen waren, weiter genutzt, sie brachten in ihnen nun Geflüchtete unter, diese 
Geflüchteten blieben dann da, nicht ganz zwangsfrei, wohnen, konnten später auf 
dem Areal eigene Häuser bauen, wobei, es war ihnen auch nur dort und nirgendwo 
anders anscheinend erlaubt gewesen. Wenke und ich schaffen es nicht mehr den Berg 
runter und zurück nach Niederhagen, wo heute nicht mehr ganz so viel vom ehemaligen 
KZ übrig ist, ein Wohngebiet steht da. Auf unserer etwas mäandernden Fahrt nach Büren 
kommen wir allerdings noch eher zufällig an der größten Abschiebehaft Europas, laut 
Wikipedia, vorbei, die ist da auf einem Hügel im Wald. Direkt auf der Straßenseite 
gegenüber wurde eine Unterkunft für Geflüchtete eingerichtet. Als wir die Landstraße 
weiterfahren, kommen uns Leute aus der Unterkunft mit Einkäufen entgehen, es gibt 
keinen Weg neben der Straße, sie laufen auf ihr, die Locals und wir umfahren sie mit 
zu schnellen Autos. 
In einem der den Inhaftieren gewidmeten Räume hingen eine Winter- und eine 
Sommeruniform, die im KZ Niederhagen getragen wurde. Ein Angehöriger eines 
Überlebenden hatte die Kleidung Jahre später auf dessen Dachboden gefunden und 
dem Museum gespendet. Sie ist gestreift, sieht fast wie eine Requisite aus. Wenke erzählt 
der Direktorin und mir eine Geschichte, die sie mir glaub ich schonmal erzählt hat, in 
der, aus einem anderen KZ, den Inhaftierten ein verlorener Knopf an der eigenen 
Häftlingskleidung als Beschädigung von Staatseigentum ausgelegt wurde, sie dafür mit 
dem Tod bestraft wurden. In der Sonderausstellung zwei Räume weiter, über das Schicksal 
des Kindes Inge Ransenberg und ihrer Geschwister und Eltern, erzählt uns die Direktorin, 
dass einer der Brüder ermordet wurde im KZ (in Niederhagen?), weil er einen Schneeball 
nach einem der Mädchen aus dem Dorf geworfen hatte. Ansonsten ist im Raum mit der 
Kleidung noch eine Tube Klebstoff (ich meine, die Marke war „Moment“, die russische 
Variante von Pattex) ausgestellt, der Kleber wurde in der Zwangsarbeit zum Ankleben 
von Kragen an Kleidungsstücke verwendet, die Inhaftieren nutzen ihn wiederrum, um 
den Hunger zu betäuben. Mir fällt irgendwann auf, dass es ein Ungleichgewicht zwischen 
der Anzahl an hinterlassenen Objekten der Inhaftieren und der der hinterlassenen und 
ausgestellten Objekte der Täter gibt und dass das a.) in den Begebenheiten des ausgeübten 
Unrechts an sich liegt und b.) gleichwohl ein komisches Gefühl erzeugt, als ob es dieses 
Unrecht auch heute noch einfacher habe, sich vordränge, sich unmerklich und immer 
wieder neu einschreibe, in unsere Zeit, die halt nicht nur unsere ist oder sein sollte, sondern 
auch die aller Leute vor uns, irgendwie vielleicht auch gerade derer, die man zwang, aus 
ihr zu gehen. Was es gibt, sind Geschichten von Überlenden, in einem der letzten 
Räume, und Fotos, Fotos einiger der Überlebenden, im höheren Alter abgelichtet, einer 
wurde fast 100 oder so. Zeit, die Geschichten in diesem Raum anzuhören, haben 
Wenke und ich an diesem Tag aber auch nicht, ich muss nach der Führung 
durch die Direktorin gleich weiter zum nächsten Termin an der Wewelsburg. 
Vorher und nachher draußen sind überall Schulklassen und Gruppen generell 
unterwegs, es gibt auch eine Jugendherberge auf der Burg, die Direktorin war ganz 
froh, dass wieder was los ist. Und es gibt auf der Wewelsburg natürlich nicht nur 
die Gedenkstätte an das Nazi-Regime, sondern auch ein allgemeines Landesmuseum, 
einen Kräutergarten, etc. etc. Kurz nach unserer Ankunft kommen auf dem Hauptplatz 
Dutzende Kinder in Zweierreihen singend an Wenke und mir vorbei, später treffen wir 
wieder auf sie im Garten, wie sie Stöcke schnitzen. Ich musste übrigens so zeitig wieder 
los, weil um kurz nach drei noch der Bücherbus an der Wewelsburg hielt und ich dem 
Leiter des hiesigen Kulturbüros versprochen hatte, mir den Bus einmal anzuschauen. 
Vorab war ich nicht ganz sicher, warum eigentlich genau, die Begründung von Seiten des 
Leiters schien mir etwas zu leicht: ich würde ja schreiben, da gebe es Bücher, und so komme 
doch eins zum anderen. Außerdem hätten sie erst vor ganz Kurzem einen neuen Bus an-
geschafft, es ist da erste Mal, dass es ein neuwertiges Modell in der fast 50-jährigen 
Geschichte der Linie gebe. Als ich den Bus dann sehe und mir die beiden 
Mitarbeitern Gerry und Tanja ein bisschen was dazu zählen, wird auch mir klar, warum 
Herrn Zackmüller, dem Leiter, das Ding so wichtig ist. Es ist einfach ein schönes 
Projekt, wie es scheint mit viel Hingabe gemacht, und es ist natürlich auch ein 
Bekenntnis für die Region, die Kulturförderung dort, dass man den neuen Bus für viele 
weitere Jahre geholt hat. Die Nutzung ist kostenlos für alle Anwohner entlang seiner 
Routen, er steuert die Ortschaften im Kreis an, die keine Stadtbücherei selber 
haben. Mich fasziniert der Bus an sich, dass er fast wie ein amerikanisches 
Modell aussieht, es aber tatsächlich ein in Finnland speziell im Auftrag angefertigtes 
Fahrzeug ist. Drinnen ist für Tanja und Gerry auf jeden Fall kein so super 
klassischer Arbeitsalltag, und ich bewunder irgendwie auch die fahrenden Leute 
des Teams, die jeden Arbeitstag vielfach wechseln zwischen dem Manövrieren 
des Busses auf engen Landstraßen und der Arbeit als Bibliothekar. Der Bus ist, wie 
Gerry erzählt, nicht selten auch immer eine soziale Anlaufstation. Zusätzlich besuchen 
sie alle ersten Klassen in den Orten auf ihrer Route im jeweils zweiten Halbjahr, für 
spezielle Programme zur Leseförderung. Als Gerry und Tanja sich wieder aufmachen, 
lässt Gerry nochmal die Hupe für mich ertönen, die den Bus in jeder Ortschaft 
ankündigt. Ein bisschen connectete ich vielleicht auch mit den beiden, weil Sie 
auch erzählten, dass in der WDR Lokalzeit, beim gleichen Moderator, bei 
dem ich auch war, das Projekt vor allem dafür kritisiert worden war, dass es sich 
halt bei dem neuen Bus um einen Diesel handele. Gerry lacht und meint, wäre es 
ein Elektro geworden, hätten halt nur die Hälfte der Bücher reingepasst. 
Wo wir bei Bus sind, was leider nicht so gut geklappt hat, war die Hinfahrt mit 
der S61 ab dem Paderborner Hauptbahnhof, der Bus kam dann einfach nicht, und 
es fährt auch nur einer die Stunde, und so wurde aus einer solide geplanten Anfahrt 
doch noch eine ganz gute Hetze, in der ich am ZOB stehe, auf irgendeine 
Alternative wartend, mein belegtes Brötchen als Mittagessen vorab mit kleinen 
Bissen essend, wütend vor mich hingrummelnd, was das eigentlich hier wieder für 
ne Nummer sei. Aber es klappt alles noch, Wenke und ich treffen uns kurz vor 
knapp vorm Eingang zur Gedenkstätte, wie ausgemacht – achso, die ganze Zeit noch 
gar nicht erklärt, Wenke kam aus Köln an dem Tag zu Besuch. Später, nach 
Wewelsburg und Büren und den Externsteinen, fährt sie mich noch, in dem 
weißen Corsa, den sie sich seit einigen Jahren mit ihrer Tochter teilt, zurück 
nach Bielefeld, die Sonne steht da schon tiefrot am Himmel, Wenke animiert mich 
immer mal wieder dazu, sie doch zu fotografieren, und irgendwie unterhalten wir 
uns lange über ihre beiden Ägypten Urlaube. Sie rät mir, anzufangen Better 
Call Saul zu schauen, was ich ein, zwei Wochen später tatsächlich auch tue, sonst 
schaue ich auch diese vor zwei Jahren mal sehr populäre Netflix-Doku über das 
Cheerleader Team vom Navarro College aus Texas, USA. 
>> PS: Shoutout für Zauri Matikashvili, der mich, obwohl wir uns gar nicht richtig kannten, seine 
Doku-Reihe "Ahnen" (2019) online hat schauen lassen, Alexandra stellte den Kontakt her. In "Ahnen" ist 
Zauri vor Ort an der Wewelsburg, den Externsteinen und dem Hermanndenkmal und interviewt Leute, was
sehr aufschlussreich zu gucken ist. Ich habe von ihm ein bisschen die Strukturidee für dieses Gedicht 
gestohlen, in dem ich auch hier meine Besuche gerade dieser drei Orten miteinander verbinde.  <<

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Hedem

Rund um Hedem

1

Auf dem Rückweg vom Nordpunkt – dem, wer würde es denken, 
nördlichsten Punkt NRWs – zur RB-Endhalte in Rahden kommen 
Rahel und ich doch noch und zum ersten Mal ernsthaft an diesem Tag auf 
das Thema der Landwirtschaft zu sprechen, wir hatten es, mit Ausnahme von 
Rahels Einwürfen hier und da beim Rumfahren, wo gerade noch ein Feld von 
ihrem Mann oder anderen Bekannten bestellt wird, auf unserer Tagestour durch 
den hohen Norden bisher gar nicht groß damit gehabt. Das war Rahel wohl 
auch Recht gewesen, wie sie nun sagt, es ist, wenn man, wie sie und ihre 
Familie, selber involviert ist, kein leichtes Thema, derzeit, mal wieder. Die 
Frage, die im Raum steht, ist: Warum treffen Leute in Berlin Entscheidungen für 
die Landwirtschaft, die selber mit dem Thema überhaupt keine Berührungspunkte 
zu haben scheinen? Als wir noch am Nordpunkt stehen und diese Marmor- (mein 
ich) Skulptur betrachten, die den Umriss von NRW hat und mit einigen eingravierten 
Städten (schwer lesbar) auf ihrer Oberfläche versehen ist, fällt mir auf, dass Dortmund ja 
tatsächlich mehr oder weniger die Mitte unseres Bundeslandes ist. Wahrscheinlich, weil 
ich halt lange nur in meiner Rheinland-Bubble gewesen bin, hatte ich als Zentrum, 
natürlich, immer Köln gesehen. 

2a

Das zweite tolle Essen an diesem Tag gab es im Garten von 
Dietmar und Elli Horn: Sie hat einen französischen Kirschkuchen 
gemacht, der, glaub ich, vor allem mal aus Eiern, dann auch aus Kirschen 
besteht, und er schmeckt auf eine Art luftig, die ich selten erlebt habe, gerade, 
wenn er unter Schlagsahne begraben ist – ich mach ein Foto von ihm, Elli 
lacht etwas irritiert, das bringe doch nix, unter der Sahne würde man den 
Kuchen ja gar nicht sehen. Wir sitzen da im Garten auf einer Terrasse 
bei einem Naturpool zum Kaffee und unterhalten uns – vor allem darüber, wie 
es ist, auf dem Land zu leben, hier, und Dietmar kennt den Sprung, er ist damals 
aus Düsseldorf, dem Kunststudium, hergekommen, erst nur einen Freund 
besuchen, dann gefiel ihm, was er sah, er blieb, Elli und er lernten sich 
beim lokalen Karneval kennen, das ist jetzt etwa dreißig Jahre her. Mischka, der 
Hund der beiden, verfolgt bellend jeden Radfahrer und jeden Fußgänger 
entlang des Gartenzauns, und der Zaun ist lang, ist gut für Mischkas 
Disposition, sagt Dietmar, der Bildhauer ist. Seine Skulpturen sind im 
weiten Garten verteilt, und Dietmar scheint jedes Material bearbeiten 
zu können und auch mal bearbeitet zu haben. Es ist irgendwie nice zu 
sehen, dass die beiden sich hier über die Jahrzehnte was Schönes aufgebaut 
haben, auch, dass sie immer noch zusammen sind, auch, dass Dietmar an-
scheinend zu dieser ganz seltenen Gattung Künstler zählt, die tatsächlich 
davon leben kann.

2b

Initiiert wurde die Zusammenkunft im Garten der Horns übrigens von 
Alex, der auch da ist, und der ein alter Freund von Rahel ist, die natürlich auch 
da ist, und die wiederrum und wie gesagt der Grund ist, warum auch ich da im 
Garten bin. Soweit, so gut. Alex auf jeden Fall ist Architekt, und zwischen Alex, 
Rahel, Dietmar und Elli gibt es viele Geschichten darüber, was es bedeutet, sich 
mit den Ortsbürokratien ihrer jeweiligen Gemeinden herum zu schlagen, vor allem, 
wenn es um die Bauämter gehe – wobei, gerade ist bei Alex und den Horns etwas 
Hoffnung in Sicht, ein Neuer ist gekommen, noch ist er motiviert. Alex fallen 
auch einige gute Materialen für Gedichte ein, zum Beispiel den Schriftverkehr 
mit dem Bauamt, eigentlich mit jedem Amt, zu Lyrik zu machen. Ist eine sehr 
gute Idee, die eine Recherchetiefe allerdings voraussetzt, zu der ich diese Tage 
gerade nicht fähig bin, also merke ich es mir nun hier in diesem Gedicht für eine 
unbestimmte künstlerische Zukunft vor. Nicht nur der Neue im Bauamt scheint 
motiviert, auch Alex selber macht einen energiegeladenen Eindruck, vielleicht 
ist das auch nur sein Gemüt (wenn, ist es Gold wert) und er organisiert viel 
in der Region, hat zum Beispiel eine Gruppenausstellung in der alten Gehwohl-
Fabrik angeleiert (wie geil, dass die hier in der Nähe sind, deren Schaum kriegt 
man wirklich in jeder medizinischen Fußpflegepraxis aufgebrummt), bei der, 
glaub ich, alle am Tisch, außer mir, mit dabei waren.

2c

Ehrlicherweise hab ich ein bisschen vergessen, Dietmars Frau Elli zu 
fragen, was sie eigentlich so macht (bzw., ich habe niemanden gefragt, aber
sie war die Einzige, die es nicht von sich aus erzählt hat), aber dafür erfahren wir 
zumindest am Ende noch, dass sie über den letzten Herbst und Winter das Mosaik für 
einen überdachten Teil ihrer Gartenterrasse gelegt hat, wir stehen staunend darauf, es 
muss ganz gut Arbeit gewesen sein. An die Mosaik-Terrasse schließt Dietmars 
Werkstatt an, auch dafür ist hier Platz, er hat sich Tageslichtfenster in die Decke 
gelassen, wobei er eigentlich am liebsten im Freien arbeitet. Ich mag, dass 
Dietmar raucht, wie jemand, der immer geraucht hat, und dass er gleichzeitig 
etwas leicht Schroffes und etwas sehr Nettes hat. Als wir wieder draußen auf dem 
Parkplatz stehen, versucht er noch, Rahel dazu zu überreden, eine seiner wenigen 
Auftragsarbeiten für ihn mit Mosaiksteinen zu bekleben, für umme, wie sich dann 
herausstellt, sie hatte beim Anblick von Ellis Terrassenarbeit angedeutet, dass 
ihr eine solche Arbeit auch Spaß machen könnte, und Dietmar ist drauf eingegangen. 
Das ist jetzt, wie so vieles von mir, eigentlich nur reine Behauptung, aber: ich würde 
behaupten, dass von allen bildenden Künsten die Bildhauer am stärksten immer am
Maggeln sind. Mein Vater hat auch ein Bildhauerdiplom, das hat er allerdings damals 
gleich schon wieder nach Erhalt verbrannt, so hat man das wohl gemacht, am aller-
letzten Ende der wilden 70er. 
 
Hier ist noch ein Tipp von den vier zum Thema Bauvorhaben, anscheinend noch 
nicht selber ausprobiert, nur schon aber häufiger beobachtet, bei den Nachbarn: Einfach 
bauen, auf keine Genehmigung warten, anschließend zur Not das Bußgeld kassieren, aber – 
zum Abriss wurde bisher noch nie jemand wieder gezwungen, was einmal gebaut ist, 
bleibt, egal, ob eigentlich mal genehmigt, oder nicht. 

3a

Das erste gute Essen gabs gleich vor dem Besuch bei den Horns bei 
Rahel und ihrer Familie selber, auf dem Hof, den ihr Mann Georg von 
seinen Eltern übernommen hat, es ist Mittagessenszeit: ihre Mutter hat 
extra Schweinebraten gemacht, dazu gibt’s natürlich Bratensoße, auch grüne 
Erbsen, vor allem aber komplett, und ich meine komplett, selbstgemachte 
Klöße, auch Kartoffelstücke, die ich aber wegen den Klößen schmähe (sorry!), und 
zusätzlich, vielleicht mein stiller Star, einen Salat, der aus Salatgurken, grünen 
Bohnen, Zwiebeln besteht, ich meine, in einer Tupperdose serviert, und der auf 
eine schöne Art süß ist. Die Nachspeise dann betont westfälisch: Quark mit 
Kirschen und Schokosplittern und zerkrümeltem Schwarzbrot. Großeltern, die 
essen machen: War immer eine Sache, wird wohl immer eine bleiben, zum Glück, und 
mal so sehr generell gesprochen. Der Vater meines Vaters hat Essen gemacht, dass 
wir als Kinder glaub ich so halb zu würdigen wussten, legendär seine mehr als 
bissfest gebratenen Pommes aus der Pfanne, auch die Camel ohne Filter, die er und 
mein Vater sich immer gegenseitig zu Geburtstagen und zwischendurch geschenkt 
haben, wobei, vielleicht waren die Camels auch nur mein Vater und mein Opa bekam 
HB. Die Mutter meiner Mutter konnte nicht wirklich kochen, dafür hatte sie immer 
ein Herz für Tiere und war fromm. Wenn wir sie und unseren Stiefopa besuchen 
kamen, alle halbe Jahre, gab es zumeist mehrere Torten aus dem Tiefkühler, und 
zum Abschluss einen riesigen Teller Schnittchen, wie sie das nannte, also belegte 
Brote, und die Erinnerung an die Art, wie meine mittlerweile verstorbene Großmutter 
(alle meine Großeltern, Stief- oder nicht, sind tot) Schnittchen gesagt hat, erzeugt auch 
heute noch so ein Gefühl in mir. Mit meinem Stiefopa kam eigentlich niemand richtig 
klar, btw, im Nachhinein hieß es, er habe eine Hirnkrankheit gehabt, die ihm sein 
Empathiezentrum zerstört hätte. Auch erst nach ihrem Tod erfuhr ich über meine 
Großmutter, von meiner Mutter, die sich um sie gekümmert hatte, dass sie immer für 
Monate am Stück und jeden Tag dasselbe Essen aß, um es nach diesen Phasen nie 
wieder zu holen. Interessanterweise mag Rahels Tochter die vorher erwähnte Nach-
speise nicht so gern, sie ist ihr zu durcheinander, was die Zutaten angeht, und das 
deckt sich voll mit den Beobachtungen über das Elternsein, die ich selber bei meiner 
Nichte derzeit machen kann, auch dort wird eigentlich alles nur ohne alles 
gegessen. Ich weiß nicht mehr, ob meine Brüder und ich auch so waren, meine 
Mutter erzählt schon im Nachhinein Geschichten gewisser Partikularität, aber, 
ernsthaft jetzt mal, nachdem meine Eltern McDonalds als Lösung gefunden 
hatten, ging das schon wirklich immer, also jetzt Sonntags oder mal so zur 
Belohnung, aber ich drifte ab, wie so häufig, wenn das goldene M ins Spiel kommt. 
 
Jeder übrigens, den wir an dem Tag treffen, hat einen oder mehrere Hunde, und 
da sind Rahel und ihre Familie natürlich keine Ausnahme, … 

3b

…auch sie haben zwei Hunde: eine alte Hündin, der man ihre 
Wachheit laut Rahel immer noch anmerkt, und einen noch jungen und 
relativ wilden Golden Retriever, Ariel, zehn Monate, der sich aber, seitdem 
er (oder ist es eine Sie?) sich in der Jagdhundausbildung befindet, langsam 
zu beruhigen beginnt, weil nun alle seine Instinkte regelmäßig angesprochen 
werden. Ich trag Ariels Haare auf meiner schwarzen Hose der Deutschen Post den 
Rest des Tages mit mir herum, und das erinnert mich an die Besuche bei Daniel und 
seiner Familie in Köln, die auch einen Golden Retriever haben, Matisse, bevor 
wir weiterzogen zum Zeichnen, mussten wir uns immer nochmal im Wohnungsflur 
abrollen, mit einer dort stets griffbereit-stehenden Fusselrolle. Matisse hat mir meine 
Angst vor größeren bellenden Hunden genommen. Ariels Ausbildung findet 
übrigens bei der Schwester von Arnold von der Nolden statt, den … 

4a

…wir gleich als Erstes, nach meiner Ankunft am S-Bahnhof Bald Holz-
hausen, am Vormittag noch, besuchten, und der mir oder uns, ganz grob 
natürlich nur in der Kürze der Zeit, circa acht Jahrhunderte Geschichte über 
Burg Steinsegen erzählt, das Anwesen seiner Familie, das er, seit den Siebzigern, mit 
seiner Frau, verwaltet. Irgendwann merkt Herr von der Nolden, dass ich wirklich 
fast niemanden der historischen Figuren, die er referenziert, einordnen kann, klar, 
von allen mal den Namen gehört, mehr aber auch nicht, aber wenn ihn das 
tiefergehender enttäuscht, lässt er es sich, dankenswerterweise, nicht anmerken, alles 
Wasser unter der Brücke für ihn, wahrscheinlich. Burg Steinsegen (im Volksmund 
Schloss Steinsegen genannt, aber das geht eigentlich so nicht, denn die Bezeichnung 
Schloss gebührt nur einem Anwesen von Fürsten oder Königen, wie von der 
Nolden gleich zu Beginn bemerkt, und so ist selbst die verbreite Benennung 
seines Anwesens ein kleiner Hinweis darauf, dass die Adelsgeschlechter 
gegenüber dem Pöbel ein gewisses Nachsehen hatten), Burg Steinsegen also 
wurde früher von drei Wassergräben umzogen. Der Äußerste umlief das ganze 
Anwesen, inklusive des Hofes, auf dem heute übrigens von der Noldens selber 
wohnen (Seiteninfo: dieses Hofgebäude stand eigentlich mal woanders und 
wurde, nachdem das erste abbrannte, im 19. Jahrhundert ab- und dann hier 
wieder aufgebaut, ein Vorteil des in der Region vorherrschenden Fachwerks, 
dessen Gebälk man relativ mühelos umziehen kann, nicht zuletzt dank der 
Zimmermannskunst, die jedes einzelne Element so markiert, dass seine Position 
auf ihm eindeutig abgelesen werden kann). Der innerste Graben war der Burggraben 
selber, auch früher als Latrine genutzt, na klar. Der mittlere, der den Garten des 
Schlosses umläuft, steht als Einziger heute immer noch. Als wir auf seiner Brücke 
sind, macht uns von der Nolden auf ein spitzes Dach im Unterholz aufmerksam. Das 
war früher der Eiskeller – im Winter, als das Wasser im Graben gefror, hob man 
von ihm die Eisplatten ab und lagerte sie dort ein, in einem fünf Meter tief 
gegrabenem Loch, unter besagtem Spitzdach. Das Eis hielt sich für den ganzen 
Rest des Jahres, in der Kühle der Erde, zur Nutzung in der Küche, für den 
Betrieb der ersten Vorläufer der heutigen Kühlschränke. 

4b

Noch so ein Trick aus alten Zeiten, den Herr von der Nolden einmal 
zufällig entdeckte, und den er seitdem selber gerne ab und zu anwendet (und es 
scheint, als ob Rahel, als er von ihm erzählt, da auch für ihren Hof extra hellhörig 
wird), wurde wie folgt herausgefunden: Für einen der Festräume im ersten Stock der 
Burg musste einmal der Boden überprüft werden. Von der Noldens Tochter war 
im Begriff zu heiraten, auf der Burg, wollte aber den besagten Raum nur mitnutzen, 
wenn vorher geklärt würde, warum dessen Boden immer so viel schwinge, die 
Sorge bestand, man könnte einstürzen. Der Holzboden wurde geöffnet, seine 
ihn tragenden Balken untersucht, und in der Tat, sie waren so morsch 
geworden, dass sie bereits vollständig jeden Bezug zur Wand verloren hatten, halt 
frei schwangen. Dieses Problem wurde behoben, der Clou aber war noch eine 
andere Entdeckung am Rande: Als sie den Boden des ersten Stocks öffneten und 
schon befürchteten, im Zwischenraum zur Decke des Erdgeschosses jede 
Menge Tiere oder zumindest ihre Spuren aufzufinden, fanden sie nichts 
dergleichen, dafür einen ganzen Teppich aus jahrhundertalten Ilex-Blättern, 
vollkommen verdorrt, aber immer noch so pieksig wie am ersten Tag. Seitdem 
verstreut von der Nolden auch selber Ilexblätter gegen Mader und so.
 
Mein liebstes Detail, das von der Nolden auf seine ruhige Art und fast 
schon schelmisch einmal kurz erwähnt, ist in der Eingangshalle zu Schloss 
Steinsegen zu finden, eine erst unscheinbar wirkende Eimerform unter einer 
der wieder aufgestellten Original-Holzstreben. Es handelt sich tatsächlich 
um einen mit Zement ausgegossenen Eimer, lackiert wie das Holz, genutzt, um 
die fehlende Länger der an dieser Stelle zu kurz gewordenen Strebe auszu-
gleichen. Diese Notfalllösung war einem der Handwerker aus Polen 
gekommen, die von der Nolden häufiger in seinen Erzählungen der Grund-
renovierung des Schlosses seit den 70ern erwähnt, und ohne die er, wie er 
selber sagt, dieses zu Anfang völlig aussichtslos wirkende Unterfangen niemals 
hätte bewältigen können. Eigentlich geht es die meiste Zeit in seinen Erzählungen 
über Burg Steinsegen auch darum, halt mit dem zu arbeiten, was man so hat. Die 
Malerarbeiten am Fachwerk im Innenhof hätten, wenn Denkmal-gerecht in 
Auftrag gegeben, so zum Beispiel weit über 30 Tausend Euro gekostet, von 
der Nolden entschied daraufhin, es einfach selber zu machen, und 
bekam dabei Unterstützung alter Freunde aus seinem Chorverein, er 
wirkt stolz auf das Ergebnis, als er es uns zeigt und kurz irritiert, als ich erst 
nicht raffe, was ein Chorverein ist, tatsächlich ist das glaub ich eine Art von 
Studentenverbindung. 

4c

Am Ende ist die Burg auch ein Zeugnis all der Lebenswelten aus acht 
Jahrhunderten, und die erste Regel, die von der Nolden selber sagt, ist: Umso 
besser es den Leuten geht, umso dekorativer werden ihre Bauvorhaben. Ansonsten 
hat anscheinend jeder mal so am Schloss gemacht, was ihm gerade einfiel und gefiel: Über 
der noch erhaltenen Burgmauer aus Steinen (die aus allen Steinen besteht, die man 
irgendwie auftreiben konnte in der Region, denn Steine sind eines der Dinge, die es 
historisch hier fast nicht gab, deswegen halt auch die Alternative des Fachwerkbaus 
aus Holz und Lehm) wurde ab der ersten Etage erst eine vollständig und ausladend 
dekorierte Holzfassade aufgebaut, um sie in späteren Jahrzehnten gleich wieder komplett 
über zu verklinkern, weil es dann halt gerade so Mode war, englischer Stil nannte man 
das, und so ist es auch heute noch. Vorne an einer Ecke stehen eher zufällig scheinend 
vier Säulen herum, stützen einen Balkon, es sind die einzigen Originalsäulen aus Rom 
in der ganzen Region, einer der Besitzer hatte sie mal als Beweis seiner Weltgewandtheit 
von dort mitgebracht und hier verbaut. An der Wand hinter den Säulen lehnen Grab-
steine, die irgendwann aufgetaucht waren, im Rasen der Auffahrt liegen Kanonenkugeln. 

4d

Und die Geschichte der Leute auf Steinsegen, ihrer wechselnden 
Besitzerfamilien? Nun ja, gibt es viel halt, sowas sammelt sich ja über acht 
Jahrhunderte, und natürlich gab es alles Mögliche in diesen Zeiten, inklusive 
eines preußischen Finanzministers, von dem auch noch eine Büste im Garten 
zeugt, aber vielleicht bleibt am besten festzuhalten, dass die Burg seit dem 
18. Jahrhundert nun schon im Besitz der von der Noldens ist, auch, wenn es 
manchmal sehr knapp gewesen sein mag, der ein oder andere Onkel das Anwesen 
fast in den Ruin getrunken hätte, zum Beispiel. Es gab auch mal einen von der 
Nolden, - das war aber glaub ich noch vor ihrer Zeit auf Steinsegen - der, um 
seine Stärke zu beweisen (und zu beweisen, dass er stärker war, als der Fürst, 
der ihn als Gast bei sich hatte), mal gegen einen Bären kämpfte, während einer 
Abendveranstaltung, zur Erheiterung der Gäste, und gewann. 

4e

Schloss Steinsegen kann übrigens heute für Hochzeiten und Ähnliches 
genutzt werden, und es ist auch ein Mietshaus, und auch so nahm 
alles seinen Lauf, also der Weg in die Jetztzeit, eines Tages in den 70ern 
stand ein Künstler vor der Tür und sagte, er würde gerne in dem damals 
noch vollkommen baufälligen Schloss wohnen, er hätte auch schon zusätzliche 
Interessenten. Von der Nolden, gerade frisch und gegen den Rat aller 
seiner Freunde und Familie mit der Pflege des Anwesens betraut, sagte zu. 

5a

Es ist schön, sich von Rahel rumfahren zu lassen an diesem Tag, über 
Landstraßen und durch Ortskerne, und sie hat zu allem etwas zu 
sagen, Schulen (zum Glück eine gute für ihre Tochter), irgendwelche 
Industriehallen, die man mal wieder auf Felder setzt, die dann nicht mehr 
der Landwirtschaft zu Gute kommen können, Rapsfelder, Baumsterben, beliebte 
KiTas, Lokalpolitik. Ich kann verstehen, warum sie wahrscheinlich in den 
 Gemeinschaften vor Ort häufiger darum gebeten wird, alle möglichen 
Aufgaben zu übernehmen, an dem Tag ist ein heißes Thema, das Unbekannte 
sie jetzt auch noch für den Vorstand der Wahlaufsicht zur anstehenden 
Landtagswahl vorgeschlagen haben, aber irgendwann ist der Teller halt 
voll. Genug zu tun hat sie: als Doktorantin, Künstlerin, Fotografin, Mutter, 
Landwirtin (das Offensichtlichste fällt einem immer erst nachher ein, ich 
habe sie den ganzen Tag gar nicht gefragt, ob sie selber alltäglich involviert 
ist, auf dem Hof und den Feldern, oder ob diese Arbeit eher ihr Mann 
übernimmt), Journalistin, Landfrau-Vorsitzende – genug zu tun hat sie, wie gesagt. 

5b

Irgendwann gegen Mitte unseres Trips fällt mir Folgendes auf: Ich 
habe, aus meinem Lifestyle heraus und damit vermeintlich als notwendig 
empfundenen Lebensregeln, nur einen einzigen, das meine ich ernst, einen 
einzigen Gegenstand in meinem Besitz, den ich nicht mit meiner eigenen 
Körperkraft davontragen könnte. Das ist mein, derzeit in meinem untervermieteten 
Zimmer in Köln stehender, Schreibtisch, vor elf Jahren von einer WG-Mitbewohnerin 
in Pforzheim übernommen, sie hatte ihn selber schon bei ihrem Einzug von 
ihrem Vormieter erhalten, als ihn Melda in Köln das erste Mal sieht, kommt sie 
nicht umher, auszurufen, wie hässlich er sei. Anyway, mit Rahel in ihrem 
schwarzen Tiguan fahren wir durch die Landen, und überall ist eine gewisse 
Weite, Gewicht. Felder, der Hof, die Landmaschinen, ganz selbstverständlich 
gibt es hier Dinge, die einem gehören und das Zehn-, das Hundertfache eines 
menschlichen Körpers wiegen, sich schon gar nicht mehr, gegen ihn aufwiegen
lassen, im Falle der Felder ja auch was-weiß-ich-wie-viele Körper ernähren. Wir 
sprechen darüber, und sie sagt, dass mit all diesem Besitz halt auch ein Gefühl der 
Verantwortung komme, diesen nun aber auch sinnvoll zu nutzen. Es gibt dieses 
Gefühl auf dem Land, dass man sich selber und miteinander die Dinge schaffen 
muss, die man braucht, auch, weil es sonst keiner für einen macht. Ich weiß auf 
jeden Fall nicht, ob ich jemals in meinem Leben so viel an einem Tag über 
Häuser und Hausbau geredet habe, eher nicht. Aber auch das scheint hier kein 
Luxus sondern Notwendigkeit zu sein, genauso, wie das Autofahren. Apropos, es 
ist auch sehr nice, dass Rahel eine der wenigen Kunden zu sein scheint, die ihren 
SUV tatsächlich für das Fahren im Unterholz benutzt, sie zeigt mir gleich zu 
Beginn, auf dem Weg zu Arnold von der Nolden, ein paar Waldpfade rund 
um Steinsegen. 

6 |

Was waren eigentlich so rote Fäden, den Tag lang, rund um Hedem? Vielleicht 
ist es Zeit für ein Resümee, wie am Ende einer Reality-Show, und ich entschuldige 
diese Stil-technische Geschmacksverirrung vor allen Beteiligten – also, irgendwie 
scheint es viele Geschichte von „Obwohl“ und „Dennoch“ und „Auch“ gegeben 
zu haben: Obwohl Herr von der Nolden von allen Seiten davon abgeraten 
wurde, die Verwaltung Burg Steinsegens zu übernehmen, machte er es dennoch, 
und es klappte, wider Erwarten, auch. Dabei ging er allerdings immer auch 
noch Erwerbsarbeiten, so, wie das auch Rahels Eltern taten, sie waren Landwirte 
im Nebenerwerb, und das ist schon eine ganz schöne arbeitstechnische 
Hausnummer, aus meiner heutigen Perspektive. Rahel hat ja jetzt dann auch 
nicht gerade wenig zu tun jeden Tag. Sie ist dabei aufs Land zurückgekommen, 
obwohl sie es sicher auch in einer Großstadt ausgehalten hätte, so wirkt sie 
zumindest auf mich. Wobei sie selber lachend sagt, dass es für sie schon das 
volle Leben sei, nun mit dem Hof auf der Hauptstraße eines Ortes zu sein und 
nicht mehr an seinem Rand, wie in ihrer Kindheit noch, da waren 
nur Felder um einen herum. 

Es sind alles auch Lebenswege, die immer darum gingen, zu etwas Ja zu sagen, so 
wie Rahel oder auch Alex zu ihrer Vergangenheit auf dem Land und Dietmar Horn 
vor vielen Jahren zu einer sich auf einmal auftuenden Zukunft auf demselben Ja sagten. 
Herr von der Nolden hat auch immer wieder Ja gesagt, gerade in entscheidenden 
Momenten schien er, trotz all der Familiengeschichte, flexibel gewesen zu sein. 
Rahels Mann Georg schließlich hat von Anfang an Ja zu Hedem gesagt, und auch zur 
Landwirtschaft, dies sogar in seinem Fall im Haupterwerb, für ein Studium derselbigen 
war er mal weg, für ihn ist das Bestellen der Böden eine Passion und eine Wissenschaft, 
sagt Rahel, und Rahels Vater staunt zumeist nicht schlecht, was Georg mit seinem 
mitgebrachten Wissen alles aus den Böden hier herausholen kann. 

Nun vielleicht auch noch eines der größten Unwörter der letzten Jahre 
aus dem Landleben, wie Rahel findet, und zwar die Position und der Titel der 
„Kümmerer“. Irgendwann wurde der Begriff wohl mal als eine Art ehrenamtliche Rolle im 
Diskurs über das Leben auf dem Land eingeführt und auch mit einer gewissen 
Wertigkeit aufgeladen, mit der Zeit stellte sich aber heraus, dass hinter all den daraufhin 
gern und neu ausgeschriebenen Kümmerer-Positionen eigentlich nur jede Menge 
unbezahlter Arbeit steckte. Eine Position auch, die zumeist immer von 
denen übernommen wird, die sowieso schon zu viel machen. 

Ich glaube, Rahel hat am Ende Nein zum Vorsitz der Wahlaufsicht gesagt. 
 
Im Zentrum von Rahden kommen wir an der einen, anscheinend super beliebten, 
Eisdiele vorbei, und Rahel erzählt ein wenig schmunzelnd, dass es mal irgendwelche 
Stadtplanungen gegeben hätte, die entweder, wenn ich mich recht entsinne, gleich 
die ganze Eisdiele oder zumindest einen Brunnen oder Bänke, auf denen alle ihr 
Eis anschließend immer essen, platt gemacht hätten, und das wäre ein riesiges 
Thema im Ort gewesen, in der Zeitung diskutiert, schlussendlich dann auch 
gekippt. Wir fahren an den weiter Eis-essenden Menschen von Rahden vorbei. 
Manchmal wissen sich die Leute auch schon noch zu helfen. 

Mehr von Tobias Schulenburg

Sorge

Titel: Die Frage nach der Sorge und Pflege taucht auf, taucht immer wieder auf, in den Ecken und auf den Oberflächen der Dinge und Körper

1. Ziemlich langer Prolog, mit der Überschrift: Sich zu helfen wissen

1.1 |

Am ersten Aprilmontag steht der klingelnde Tür-zu-Tür Eintreiber vom 
Arbeiter-Samariter-Bund gleich schon vor der Wohnungstür (Alexandra 
und ich sitzen da noch an den Postern für die Schreibwerkstatt) und sagt 
mir, dass die Wohnungstüre gerade aufgestanden hätte, ich denke mir, nicht 
schon wieder. Ich hab die fünf Minuten, nach denen er fragt, und er betont in 
ihnen mehrmals, dass fünf Euro im Monat eine Entscheidung des Willens seien, 
keine des Portmonees, es ist also auf jeden Fall irgendwie meine Schuld. Als er 
realisiert, dass ich, obwohl ich freundlich bin, kein Geld geben werde, kriegt sein 
Gesicht so einen Ausdruck, nicht unähnlich dem der jungen Männer auf der 
Bahnhofsstraße, die mich für Tierschutz und Ähnliches anquatschen wollen, wenn 
ich ihnen, im Weitergehen (nie stehen bleiben) beteuer, heute keine Zeit zu haben, 
heute nicht, heute wirklich nicht, manchmal mach ich da auch das Victory Zeichen. 
Was dagegen funktioniert ist, mich, nachdem ich bereits Geld gegeben habe, noch 
nach zwei, drei weiteren Euros für den vollständigen Döner zu fragen, das haben 
schon einige Typen erfolgreich gemacht, und wer bin ich denn auch, mich 
zwischen einen Mann und seinen Döner zu stellen? 

1.2 |

Als ich vom Netto kommend auf die Ellerstraße einbieg, merk ich, wie mir 
Flüssigkeit aus dem Rucksack in die Hose läuft, der Übeltäter ist eine offene 
Packung Mozzarella, da hock ich schon am Beginn der Eller mit meinen durchnässten 
Einkäufen über den Boden des Bürgersteigs verteilt und beginn laut zu fluchen, auf 
diese Scheißstadt, auf alles. Gegenüber auf der Straßenecke das Fan-Projekt Arminia 
Bielefeld, was glaube ich so was Gemeinnütziges ist oder so. 

1.3 |

Dinge, die beim Spülen aus den Händen gleiten, erst übersehene, dann er- 
schreckende Flecken, eine überraschend niedrige Kellerdecke, das Störgeräusch, das 
die Boxen machen, wenn man sie angeschaltet am ausgeschalteten Laptop lässt, 
plötzlich aufgerissene Hände, und vielleicht bin ich auch einfach jemand, um den 
immer extra viel Staub entsteht. Ich geh zum Supermarkt und vergesse genau die 
eine Sache, für die ich eigentlich hergekommen war. 

1.4 |

Alexandra kennt einen Schneider, und wir beide bringen unsere längst 
fürs Flicken überfälligen Hosen dort hin, er macht die Arbeit gut. 

1.5 |

Zwei ältere Frauen kollidieren fast auf einer Gütersloher Kreuzung mit ihren 
Rädern, sie haben beide rote Brillen an. Etwas später wird ein älterer Herr auf 
einer Seitenstraße des porta-Geländes fast von einem herannahenden 
Geländewagen angefahren. Als ich draußen beim City Grill versuche, meine vegetarische 
Pita zu essen, ohne dass der ganze Salat auf dem Tisch oder in meinem Schoß 
landet, – ich hab irgendwie kein Besteck bekommen – sehe ich jemand mit 
hochgezogener Kapuze auf seinem Rad voll in die Fußgängerzone schießen, und 
fast erwischt er eine weitere Radfahrerin, genau zwischen den beiden muss 
ein älterer Herr etwas irritiert guckend inne halten. 

1.6 |

Was nicht funktioniert hat bisher, war nochmal Kontakt zu der freundlichen 
Straßenanwerberin für die neu eröffnete Parfümerie unten im Jahnplatz-Forum 
zu suchen, ich glaube, sie würde Prozente bekommen, wenn ich bei ihr was hole. 
Sie drückte mir am Beginn der Bahnhofstraße einen Flyer in die Hand und es war 
schon zu spät, um wieder umzudrehen, als ich bemerke, dass wir für die angebotene 
Parfümprobe tatsächlich bis runter unter den Platz in den Laden rennen müssen. Der 
Shop bietet Parfümzwillinge an, allerdings, wie die Anwerberin betont, haben die Parfüms 
hier die zweifache Menge an Duftstoff drin. Ich gehe wieder mit der Probe, aber nehme 
mir irgendwie fest vor, nochmal wiederzukommen, wenn sie da ist, und was zu holen, 
warum nicht mal zumindest ein bisschen (oder halt doppelt so viel) wie Hermès riechen. 
Sie war irgendwie nett gewesen, hatte eine Brille an und wirkte sanfter, als ihre Kollegen, 
sie hatte auch ziemlich lange künstliche Nägel gehabt, mit denen sie die Flakons immer 
so speziell umgriff. Sonst waren im Laden noch zwei Frauen in Schwarz mit Basecaps 
und gemachten Lippen gewesen und ein Verkäufer, dessen Haut etwas glänzte. 

1.7.1 |

Die Tür in der Ellerstraße stand übrigens vor dem ASB Typen schon einmal 
auf, und zwar gleich die erste Nacht dort. Frau Duisendieker und ihr Freund 
klingelten am Nachmittag des folgenden Tages, wir trafen uns an der immer noch 
offenen Tür, sie hatten es am Vorabend schon gesehen, aber da noch nichts sagen 
wollen. Man müsse diese alten Türen hier im Haus mit Gefühl behandeln, und sie 
raten mir, einfach den Schlüssel von Innen drauf zu lassen und abzuschließen, und 
so mach ich es von da an auch. Ansonsten will Frau Duisendieker noch wissen, ob 
ich geimpft bin und gibt mir Auskunft über den von Martin schonmal angedeuteten 
Flurdienst, also das Saugen des Teppichs im Treppenhaus. Ich höre sie und ihren 
Freund ab und an über mir in Ihrer Wohnung herumgehen, Möbel rücken. Ob mich 
Frau Kemperkötter unter mir wohl auch so hört? Es gibt hier in den Wohnzimmerdielen 
eine Pfütze des Knarzens, wenn man in die tritt, wird’s kurz immer ganz laut und 
gefühlt führt jeder Gang durch genau diese Stelle hindurch. 

1.7.2 |

Sonst riecht es die ersten ein, zwei Wochen bei Frau Kemperkötter im Haus ganz 
ähnlich wie früher im Haus meiner Großmutter in Witten, und der Geruch hängt 
klar auch mit der spürbaren Kühle des Flures zusammen und vielleicht auch mit 
den Dekorationen vorm Eingang zu Frau Kemperkötters eigener Wohnung im 
Erdgeschoss. Mit der einsetzenden Wärme des Frühlings verschwindet der Geruch 
langsam wieder. 

1.8 |

Bevor die Blüte des Frühlings allerdings einsetzt fällt mir noch auf, dass 
echt viel Moos an den Bäumen hier in Bielefeld ist. Es scheint ihnen also gut zu 
gehen – das hatte ich mal von irgendwo mitgenommen, dass viel Moos ein Zeichen für 
Baumgesundheit sei, aber ist natürlich und wie üblich keine gesicherte Information. 

1.9.1 |

Auch noch vor Frühlingsbeginn, auf der schmalen Straße runter von der 
Sparrenburg, an der Musikschule vorbei, kommt mir eine Gruppe Männer 
entgegen, sie sind verstreut hintereinander in ihrem Aufstieg. Ich verstehe 
sie erst nicht, bis der erste, als ich gerade schon an ihm vorbei bin, sich 
umdreht und beginnt zum letzten der Gruppe weiter unten zu rufen: „Opa 
komm. Opa kaputt. Opa hat Nase kaputt!“ In meinen fallenden Schritten muss 
ich dabei lachen, er sagt das irgendwie keck, und ich lach den gemeinten 
Nachzügler im Entgegenkommen an, er ist älter und lächelt verlegen, eher 
sogar verwirrt, und ich verstehe, dass er den Witz seines Bekannten von 
der Spitze wahrscheinlich gar nicht versteht und so wirkt es, als ob ich oder wir 
uns über ihn lustig machen. Damn. (Ham wir das nicht aber auch?) 

1.9.2 |

Vor diesem Rückweg, noch oben an der Burg, kann ich von einem 
Festungsvorsprung aus auf die rollenden Grünflächen unterhalb schauen, die 
Spaziergänger dort, die ein bisschen wie in Computerspielen von 
Früher aussehen, ¾ von oben, verjüngt. Eine Mutter (vermute ich) entscheidet 
sich, mit ihren beiden Kindern den Hügel ein Stück gemeinsam herunter 
zu rollen, die Kids hatten das schon ein paar Mal zuvor für sich gemacht. Die 
drei rollen los, ein Mann mit Hund taucht parallel von rechts auf, dieser, der 
Hund, beginnt, sich an den zurückgebliebenen Familiensachen zu schaffen 
zu machen. Außerhalb des Bildes schließlich ein Schrei: „He! Hundi!“ 

1.10 |

Meine Ausgaben für Kosmetik- und Gesundheitsprodukte sowie Services in 
diesem Bereich (Fußpflege, Frisör) sind dieses Jahr, bisher noch, vielleicht 
wider Erwarten, unterm letztjährigen Jahresdurchschnitt geblieben. 

1.11 |

Ich hab eine Hämorrhoide vom ganzen Sitzen auf zu harten Holzstühlen 
hier bekommen (mittlerweile sind genug Kissen am Start). Warum hab ich 
allerdings und eigentlich keinen, auch in Köln nicht, wirklichen Hausarzt? 

1.12 |

Der Staubsauger in der Schmiedestraße funktioniert ganz gut und Thea meint, es 
sei ein Zeichen einer gesunden Wohnung, wenn sie Spinnen in den Ecken hätte, 
eine schöne Sichtweise, und übrigens, natürlich sauge ich keine Spinnen ein. 
Die Frage nach der Sorge, der Pflege, taucht auf, taucht immer wieder auf, hinter den 
Objekten und in den Ecken und an den Oberflächen der Dinge und Körper und, 
unausgesprochen, auf den Mündern der Menschen und Tiere. 

2. Der Hauptteil: Etwas von Bethels Geschichte, dazu auch das generelle Thema der Pflege

2.1 |

Ich hole mir den ersten Sonnenbrand des Jahres, als ich, einen 
Maitag lang, von Wolfgang Bethel gezeigt bekomm, beziehungsweise 
seine ältere und jüngere Geschichte. Er gibt mir ganz privat eine Führung durch 
den Ort, der für ihn als Historiker für mehr als ein Vierteljahrhundert seine 
Arbeitsstätte gewesen ist. Der Wind im nun schon üppig grünen Laub, überall, 
der Sonnenschein, sie wechseln sich ab mit Gängen durch Verwaltungsgebäude, die 
Wolfgang immer einfach so betreten kann, kurzes Hallo-Sagen beim Ältesten von 
Nazareth, hat Anzug, vorher schon beim Bürgermeister von Bethel gewesen, Gregor, er 
ist Kölner, und wenn man das weiß, dann sieht man das auch gleich. Sein Rad steht 
neben seinem Schreibtisch und ich tippe, er telefoniert viel an einem Tag. Menschen 
in Anzügen, Hemden, Blusen, die sich Bruder und Schwester nennen, ab und zu 
unterbrochen von solchen, die etwas mehr so aussehen, als ob sie Jugendfreizeiten 
betreuten, und ich habe lange nicht mehr an einem Tag so viele mit ruhiger 
Stimme sprechende Männer gehört. Draußen im Sonnenschein viele kleine weitere 
Gruppen, meist jung-wirkende Menschen, ruhig redend, anscheinend die Sonne am Genießen. 

2.2 |

Später, beim Verlassen des nahegelegenen Marktkaufs Gadderbaum, mit 
Sonnenmilch im Jutebeutel (die kann auch nachträglich noch helfen, kleiner 
Tipp), treff ich denselben Mann, der mich schon einmal vormittags, auf dem 
Hinweg, vor Edeka am Ostwestfalendamm, angequatscht hatte, er fragt erneut 
nach Geld, dann erkennt er mich wieder und spricht eines der schönsten 
Komplimente aus, das ich in meiner Zeit hier bekommen werde: „Du kommst 
ja auch ganz gut rum.“ Er lebt anscheinend nicht weit von hier, die Rechnung 
ist ungefähr so: 800 € kostet sein Wohnheimzimmer, dafür sind da aber auch 
schon ein Sozialarbeiter und Verpflegungssachen mit drin, so ein Mal die 
Woche, ich glaub, es wird Kaffee als Beispiel genannt. 150 € zwacken die dann 
noch irgendwie zusätzlich ab, von seinem Hartz IV, und ich geb noch Mal zwei 
Euro zum Tschüss. 

Wo wir schon irgendwie bei Geld sind – die größten Einzelspender in der 
Geschichte von Bethel sind a.) Michiko, die emeritierte japanische Kaiserin, mit 
sieben Millionen €, die, vor vielen Jahren, bei einem Deutschlandbesuch, über 
Umwege (genauer: über eine junge, in Bethel arbeitende Ärztin aus Japan) von 
Bethel erfuhr, spontan vorbeischaute und von dem, was sie sah, wohl beeindruckt 
war. Ihr zu Ehren der japanische Garten, der eher weiter raus ist, schon richtig 
im Grünen von Gadderbaum steht. Auch da ganz draußen: die Pferdetherapie und 
die psychiatrischen Kliniken, Gilead IV, wie Wolfgang bemerkt, vielleicht extra so 
geplant, weiter weg von den Augen der Stadt. Hier noch ein Einschub über 
Geographie: Wolfgang bemerkt auch, dass man wohl heutzutage nicht mehr 
eine Diakonie für Menschen mit Beeinträchtigungen auf einen Berg bauen 
würde. b.) Der Schlagersänger Heino mit drei Millionen €, auf dessen Anlass 
die Regel zurückzuführen ist, dass man als Bewohner von Bethel Karten für 
Konzerte in der Neuen Schmiede immer für 2 € bekommt. Diese Fakten dropt 
Wolfgang vor der großen Kirche relativ weit oben, wir stehen vor ihrem Haupteingang 
und können zur anderen Seite durch die Büsche und Bäume den Hubschrauberlandeplatz 
auf dem Dach von Gilead I sehen, sieht aus wie ein riesiges Trampolin. Es war 
dieser Landeplatz, den Judith meinte, als sie davon sprach, dass man von ihrem 
Ellerstraßen-Balkon aus, die einfliegenden Rettungshubschrauber beobachten 
könne. Judith ist Wolfgangs Freundin, unser Kontakt kam durch sie. Eigentlich 
wollen Wolfgang und ich auch noch in die Kirche rein, sie muss, für eine 
protestantische Kirche, eine Häufung an Engels-Darstellungen aufweisen, die 
Idee war wohl, Glaubensgrundsätze visuell zu vermitteln, aber sie ist, überraschend, 
verschlossen. Ein alt wirkendes Paar taucht aus einem Taxi auf, mit sorgsamen 
Schritten, sie bemühen sich genauso an den verschlossenen Türen, Wolfgang informiert 
sie darüber, dass wohl zu ist, sie gehen wieder davon, zum Taxi zurück, in einer Stille, die 
auf etwas verweist, dass sich mir, in seiner Gänze, noch entzieht. Beide haben, in der 
heutigen Sonne, lange Sachen an und tragen gepolsterte Sandalen mit hellen Socken, ein 
Style, also zumindest das mit den Sandalen, den auch mein eigener Vater lange gefahren 
ist, je nachdem auch immer noch fahren würde, wäre da nicht vor elf Jahren ein irreversibler 
Hirnschaden nach wahrscheinlich Delirium tremens gewesen (aber auch hier: keine ge- 
sicherten Informationen), jetzt kommt an den Fuß, was meine Mutter gerade griffbereit hat. 

2.3 |

Abseits der beschuhten oder unbeschuhten Füße meines Vaters, die sich zumeist 
in Bochum befinden, machen in Bethel Wolfgang und ich uns von der Kirche aus 
auf zum letzten und höchsten Punkt unserer Tour, dem alten Friedhof. Ich nutz 
den Weg, um nochmal nachzufragen, ob er nicht Verbindungen zwischen der 
Tätigkeit beim Militär und der in einer diakonischen Gemeinschaft sieht, und 
er sieht sie durchaus, aber ich habe meine Frage nicht präzise genug 
gestellt, ich wollte ihn eigentlich fragen, ob das für ihn persönlich eine 
willkommene Parallele war, denn bevor Wolfgang mit Anfang Dreißig noch 
ein Studium der Philosophie und Geschichte anfing, das ihn als Historiker 
schließlich nach Nazareth, mit Sarepta einer der diakonischen Gemeinschaften 
in Bethel, bringen sollte, war er, in seinen Zwanzigern, bei der Bundeswehr 
gewesen, ich meine (wahrscheinlich beschreib ich das jetzt falsch) bei sowas, wie 
der Logistik der Fallschirmjäger, er war auf jeden Fall Offiziersanwärter. Am 
Eingang zum Friedhof angekommen, verweist er mich auf das dahinter gelegene 
Haus, ein ehemaliges Altenheim, hier hat Judith bis vor Kurzem gearbeitet, bevor 
sie nun, weiter unten am Berg, einen Neubau bezogen haben. Ich frag, ob es nicht 
komisch sei, ein Altenheim mit Blick auf einen Friedhof zu bauen und übersehe in 
der Frage, dass es sich bei den Alten zu einem nicht unermesslichen Anteil um 
die Diakonissen der Sarepta Schwesternschaft gehandelt hat und auch immer noch 
handelt, und dass für diese die Nähe zu ihren, auf dem Friedhof beerdigten, den 
Himmel schon bewohnenden Schwestern etwas sehr Beruhigendes hätte, ein 
natürlicher Kreislauf sei. Tatsächlich sehe ich die Friedhofswege entlang, mit 
Wolfgang auf eine Bank, hier auch die ersten und einzigen Diakonissen in 
Tracht an diesem Tag, es ist die Sommertracht, weiß und grau und von 
Weitem scheint sie in der Sonne zu leuchten. Wir sitzen da gerade nicht 
unweit der durchgehend gleich gehaltenen Gräber dieser Diakonissen des alten 
Weges, die deswegen wohl auch schon häufiger von Besuchern für Soldatengräber 
gehalten wurden. Noch so ein Friedhofsfakt: In Bethel bekommt jeder eine 
vollständige Beerdigung, der dort verstirbt. Nun ein Zitat: „Lobet den Herrn mit 
Posaunen“ (Psalm 150, Vers 3) – das steht auf dem Grabstein von einem der alten 
Vorsteher von Nazareth, er muss wohl gerne die Posaune geblasen haben, und 
Wolfgang hat Bilder in Archiven gesehen, wie er besagte Posaune als Darbietung 
für und vor Adolf Hitler spielt. Einer der älteren Brüder, der sich an den Posaunen- 
vorsteher noch selber erinnern konnte, meinte einmal zu Wolfgang, nachdem 
dieser diese Verbindung zu Hitler in einem Vortrag erwähnte, dass besagter 
Vorsteher ihn als Kind mal bei sich auf dem Schoss habe sitzen und ebenfalls die 
Posaune vorspielen lassen, und die Erinnerung an diesen Mann würde er sich durch 
nichts und niemanden mehr nehmen lassen. Auch ein Bethelfakt: In der Zeit des 
Nationalsozialismus, also vor gut 80+ Jahren, wurden hier über 1600 Menschen 
zwangssterilisiert. Seit circa 20 Jahren gibt es ein Mahnmal dafür. Über 100 Menschen 
verloren ihr Leben, weil zugelassen wurde, dass man sie aus Bethel deportierte. 

2.4 |

Als ich mich einige Wochen zuvor bei Judith, nach dem Kaffee, schon fast 
verabschiedet hatte, kamen wir im Flur stehend nochmal aufs Altwerden zu 
sprechen, wie man es gestalten könnte, möchte: Judith sagt, sie hat keine 
Angst davor, mal in ein Altenheim zu gehen. Sie arbeitet selber in einem und 
sieht darin eine gute Alternative, für den Fall, dass man mal Pflege braucht. Ihre 
Erfahrung aus ihrer Arbeit ist, dass es für die gut läuft, die einen gewissen 
Kontrollverlust akzeptieren, die sich an den Rhythmus des Altenheims 
gewöhnen können. Wenn das möglich ist, dann kann es dort schön sein und 
man entgeht dem Alleinsein im Alter, findet neuen Raum für Gemeinschaft (und, 
unter der Hand, das sage ich jetzt, den ich hab es so rausgehört: es gibt auch 
durchaus noch einige Romanzen dort). Aber: alle haben was, denn, unter 
Pflegestufe 3 kommt niemand mehr ins Heim, wie auch immer diese dann 
zustande gekommen sein mag, und so hat auch in ihrem Gesprächskreis, den 
sie einmal die Woche macht und über den wir uns zuvor am Tisch länger 
unterhalten haben (ich wollte Tipps für die Schreibwerkstatt abholen), jeder 
etwas: Sehen nicht, hören nicht, erinnern sich nicht. Da muss man gerade bei den 
Demenz-Patienten manchmal gucken, dass man das auffängt, wenn sie sich 
anfangen, häufiger zu wiederholen. Ab einem gewissen Zeitpunkt fällt es auch 
in dieser Gruppenkonstellation auf. Wichtig sei dann, darauf zu achten, eingehend 
auslenkend zu reagieren, nicht einfach zu verneinen oder zu beschämen. Zwischen 
meinem Kaffee bei Judith und dem Treffen mit Wolfgang bin ich an einem 
Sonntag noch in Bochum, bei meinen Eltern und mit meiner Mutter unterwegs, 
sie kommt gerade zum Auto zurück, sie hat noch schnell ein Brot gekauft (wenn 
es etwas gibt, das meine Mutter immer noch einmal schnell braucht, dann ist es 
ein Brot, immer ein Biobrot) und ich frage, ob wir nicht noch ein Stück 
Kirschkuchen für meinen Vater holen sollten, er hatte, bevor wir auf- 
brachen, danach gefragt, und sie lacht ein bisschen, fast jeden Tag frage mein 
Vater nach Kirschkuchen, und jeden Tag könne sie diesen nicht kaufen, alleine 
schon wegen dem Blutzucker. Aber ihm den Wunsch ausschlagen, warum denn, also 
sagt sie jedes Mal ja, und manchmal, wenn es sich anbietet, dann macht sie es 
auch. Vergessen hat er es, bis sie zurück ist, so oder so. Am Küchentisch fällt 
mir erneut auf, wie wahnsinnig dünn die übereinandergeschlagenen Beine 
meines Vaters aussehen. Als wir zwischendurch mal nur zu zweit in der Küche 
sind, fragt er mich ganz unvermittelt, wie ich den heißen würde, erschrickt über 
meiner Antwort. Das ist glaub ich das erste Mal, das mir das mit ihm passiert 
ist, manche meiner Brüder kennen das aber schon seit Jahren von ihm. Wenn mir 
denn was einfällt, versuche ich ihm meistens Fragen über sein Früher zu stellen, da 
gibt es eigentlich häufiger noch ganz gute Erinnerungsstücke in ihm. Er fragt mich, 
über den Nachmittag verteilt, immer mal wieder, wie es denn im Studium läuft, und 
es freut mich, dass er das fragt, er hat selbst mal Kunst studiert. 

2.5 |

Der GQ Award für den Tag in Bethel geht, natürlich abseits von Wolfgang und 
mir, ziemlich klar an Sebastian, einen Pastor, jung und braungebrannt und 
charismatisch, der auf einem Fahrrad angefahren kommt, in Anzughose und weißem 
Hemd, aber mit Flip-Flops und baren Füßen. Er kann einen direkt und nett ansehen und 
hat auch etwas die Unruhe von jemandem, der eigentlich schon weiter muss, gepaart 
aber halt mit der verantwortungsvollen Ausstrahlung eines Pastors. Wolfgang und er 
kennen sich, wir sitzen vorm Groß-Bethel Gebäude bei den Fahrradständern und 
hatten ein paar Minuten zuvor tatsächlich vor Sebastians noch leerem Büro gestanden. 
Wolfgang wird etwas auf einer Tagung vortragen, die Sebastian organisiert im September, 
zum Thema Stasi und Diakonie. Und dann ist Sebastian auch schon wieder von 
dannen, aber manchmal will man ja gerade die kurzen Erscheinungen erwähnen. 
 
Später, als wir in der Neuen Schmiede, zum Ausklang, im Garten für ein 
Getränk sitzen, meine ich, dass mir vielleicht von einem der anderen Tische 
interessierte Blicke zugeworfen werden, aber auch das bleibt keine gesicherte Information. 
 
Habe ich eigentlich schon irgendwas über den Gründer Bodenschwingh 
erzählt? Und wie alles seinen Anfang nahm, mit vier Diakonissen, und wofür 
das Sarepta im Namen der Schwesternschaft steht, und wo früher sich in Bethel 
deren „Garten Eden auf Erden“ befunden hat? Wie sich die Gemeinschaften seit 
den 70er Jahren reformiert haben? Über die Löcher im Berg und die früher halt 
noch üblichen Brautkurse? Gerade dieses Ding der Brautkurse? Nein? Fragen Sie 
doch mal Wolfgang. Der ist im Stillen, natürlich, auch die interessante Figur, an diesem 
Nachmittag: Er hat eigentlich mal Industriekaufmann gelernt, dann kam der Bund 
für acht Jahre, das Abi dort nachgemacht, ich meine auch, im Kosovo gewesen. Er 
kommt aus adeligen Hintergründen, seine Mutter hat jedoch bürgerlich 
geheiratet. Mit 30 beschließt er, sich nochmal mit etwas zu beschäftigen, dass 
ihm wirklich am Herzen liegt, und so geht er an die Uni Bielefeld, Philosophie und 
so studieren, landet, wie schon gesagt, im Archiv in Bethel, bleibt dort über 25 
Jahre, fängt an, Aufklärungsarbeit zu leisten, das scheint so auch ein bisschen sein 
Ding zu sein, bald wird er sein finales Werk zum Thema Diakonie und 
Nationalsozialismus veröffentlichen, doch die nächste Forschungsroute, in seiner 
Rente, ist schon benannt und eingeschlagen, nun dann Diakonie und Stasi. Von einem 
seiner Vorfahren hat er ein eisernes Kreuz vererbt bekommen, ein von den Männern 
vor ihm verehrter Familienschatz, nun ist er mittlerweile der letzte Mann seiner Linie 
und von ihm aus kriegt das Ding dann nach ihm gern die Bethelsche Brockensammlung, 
sagt er lachend, als wir noch oben bei den Gräbern der alten Diakonissen sitzen, später 
wollen er und Judith Pizza essen. 

3. Ein kleinerer Epilog, Überschrift dieses Mal: Hummeln

3.1 |

…vor Kurzem hab ich Judith nochmal auf einen Kaffee getroffen, irgendwie 
haben wir lange gemacht, ich hoffe nicht zu lange, es war schon kurz nach 
11, als ich ging. Sie erzählte mir mehr von ihrer Arbeit und wie der Alltag in 
ihrem Heim so aussieht, auch, was es eigentlich heißt, heute eine Diakonin zu 
sein – ah stimmt, Judith ist Diakonin, fyi (das ist allerdings nicht dasselbe wie 
Diakonissin, egal ob alter oder neuer Weg). Ich erzählte ihr von den Schreib- 
werkstätten und welche Wehwechen ich so bei der Stipendiumsarbeit hab. Sie 
erzähle mir auch privatere Dinge, die alles, was sie bis dahin erzählt hatte, in 
einem anderem Licht erscheinen ließen. Sie hatte wirklich gute Kalamata-Oliven für 
das spontane Abendbrot am Start, in das das Kaffee-Trinken überging, auch einen 
fast schon fromm schmeckenden Tee, das ist keine Anspielung auf Judith, nur auf 
den Tee, der war angeblich das Rezept irgendeiner Heiligen, die schon als Kind an 
irgendeinem Hof durch ihre Frömmigkeit auffiel, laut Klappentext der 
Teeverpackung. Es sah sehr edel aus wie die losen Blüten im Teesieb in der Tasse 
schwammen. Die Tage danach aß ich die übergebliebenen und mitgegebenen 
Teilchenstücke in der Schmiedestraße, während ich schrieb oder Eurosport schaute. 

3.2 |

Ich bin jetzt auch nochmal kurz bei der Zionskirche und dem alten Friedhof ge- 
wesen, letzte Fakten in Erinnerung rufen, die Grabinschrift von dem Posaunen 
blasenden Vorsteher zum Beispiel, der hieß übrigens Johannes Kuhlo. Ich hab mir 
auch nochmal die Namen der beiden Anfang der 1890er Jahre aus Ost-Afrika 
nach Bethel geholten (es wird erzählt: dort aus der Sklaverei von einem im Urlaub 
befindlichen Missionar befreiten) und dort dann verstorbenen Kinder aufgeschrieben: 
Elisabeth Fatuma und Johannis Kali-All. Beide starben in Bethel an der Schwindsucht 
nach ein paar Jahren. Die ganze Zeit die Hügel von Bethel rauf und runter lag Regen 
in der Luft. Auf dem alten Friedhof lief ich nochmal die Diakonissengräber ab und 
bemerkte an einer Stelle, dass die Luft dort schwirrte, fast wie durch Hitze, es waren 
dutzende Hummeln, die eine blau blühende Strauchgruppe abernteten. Ein jüngerer 
Mann lief barfuß vorbei. Auf dem Rückweg wurde ich von einem Mann und einer 
Teenagerin gefragt, wo Haus Ebenezer sei, ich meinte, es gesehen zu haben bei 
meinem Aufstieg und gab so hoffentlich die richtige Richtung an. Rettungshubschrauber 
flogen hin und wieder auf Gilead I ein (ah, regionale oder sogar landesweite 
Schwerpunkte von Gilead sind übrigens: schwere und schwerste Kopftrauma und 
die Kinderklink). Hoch zum Friedhof war ich an der Zionskirche vorbeigekommen, 
die dieses Mal auf hatte, so viele Engel konnte ich in ihrem Innern auf die Schnelle 
nicht ausmachen, aber vielleicht sind für eine protestantische Kirche ein paar ja 
auch schon eine Menge, mir fiel dafür das Holzdach der Kirche auf, und ich weiß 
nicht, ob man das darf, aber für einen Moment stellte ich mich hinter das Predigtpult, 
blickte in die leere Kongregation. Als Kind hatte ich Prediger werden wollen. 

Mehr von Tobias Schulenburg

Angst & Zeit

Die Angst verläuft durch einen

1 |

Es ist Mitte März und ich habe eine Lieblingsbank gefunden, auf 
dem Johannisfriedhof, unter einem Nadelbaum. Seine Äste so tief, dass 
ich mich bücken muss, um zu ihr hinzukommen. Wie unter einem Hut oder 
in einer Hütte sitzt man da. Was mir auch gefällt: Die Bank ist nicht auf 
den wirklich schönen Friedhof gerichtet, sondern angewinkelt, sodass man, da 
sie sich außerdem an der Friedhofsgrenze befindet, auf die gewundenen 
Auf- und Abfahrten des Ostwestfalendamms schaut, der hier entlang 
läuft. Man sieht auch den Damm selber, die ihn begleitenden Bahntrassen, dazu 
Industriehallen, von Dr. Oetker. Eine Friedhofsbank, um fahrende Auto zu 
schauen. Ich bin da und leg den Kopf in den Nacken, seh in das zunehmende 
Dunkel der Äste über mir, wie immer, wenn ich so ins Astwerk gucke, hoffe 
ich, dass mir keine Insekten ins Gesicht fallen. Die Autos zwischen den 
Büschen vor mir, wie Autos halt. Nochmal bin ich an der Bank, um eine 
Zeichnung vom Ausblick zu versuchen, es kommt ein Mann mit Helm 
vorbei, ich mach, auf sein Ausrufen hin, das Victory-Zeichen für ihn, nicht 
aber für seine Begleitung, die guckt nach vorn. An einem Feierabend mit viel 
Wind und Regen Anfang April bin ich erneut da und bemerke, dass ich auch
jetzt noch, dank des Nadelbaums, nahezu vollkommen trocken auf ihr sitzen 
kann. Die Bank ist eine, die gibt und gibt. Trotzdem bin ich, nach diesen ersten 
drei Besuchen, nie wieder bei ihr gewesen.

Frage |

Wie kommen die Flecken auf die Kassennummerntafeln bei Netto? Sie 
sind aus Glas, mit aufgeklebten Ziffern und hängen mehr als zwei Meter 
hoch, direkt überm Kassenband, aber sie sind mit Flecken gesprenkelt, als 
wären sie Badezimmerspiegel.

2 |

Für einen kurzen Zeitraum im April denke ich, dass es überall blühende 
Magnolienbäume geben müsste, hier in der Region, und die Referenzmenge für 
diese Annahme sind dann aber doch eher nur die Vorgärten aus betuchteren 
Straßenzügen, in Gütersloh und Bielefeld.

3 |

Auch im Bielefelder Westen ein eiergelber Altbau mit himmelblauen 
Fenstern, alles wie vor Kurzem gestrichen. Lässt das Haus fast schweben. Beim 
Vorbeikommen möchte ich hinein beißen, oder so. Noch ein nahezu 
Hunger erweckendes Architekturdetail sind die leuchtend grünen Beifenster, die 
mir zum ersten Mal an einem Altbau in der Moltkestraße in Gütersloh auffallen. 
Etwas später realisiere ich, dass es nur ein paar Häuser weiter von meiner eigenen, 
zweiten Unterkunft, in der Ellerstraße, auch so ein Haus mit grünen Fenstern gibt, 
waldmeisterschimmernd, gleich daneben wohnt der nette Verkäufer aus dem 
Second Hand Computerladen, den ich, solange ich dort wohne, manchmal 
auf der Straße treff, er lädt mich ein, dazu zu kommen, sollte ich ihn mal 
auf dem Siggi sitzen sehen. Er hat, nach eigenen Angaben, fünf Bücher in 
seinem Leben gelesen, eins davon war ein Sciene-Fiction Roman über 
Kommunisten auf dem Mond, während eines Auslandjahres, er ließ das 
Buch da, vergaß den Titel, doch seine Tante, ein großer Sci-Fi Fan, konnte 
ihm, nach nur ein oder zwei beschreibenden Sätzen, gleich den richtigen 
Titel wieder nennen – es war wohl etwas von Ursula K. Le Guin gewesen.

4 |

Auf der vierten Etage von einem der Apartmentgebäude auf der Danziger 
Straße ein riesiger Deko-Schmetterling, an einer Balkonwand angebracht, bestimmt 
einen halben Meter im Durchmesser, und er wirkt, zumindest von hier unten, im 
Mittagsblau, sehr naturgetreu, nahezu erschreckend naturgetreu. 

5 |

Ich glaube, im April war das, da besucht für zwei, drei Wochen jeden 
Abend ein ganz bestimmter Singvogel die Gärten nach hinten raus in der 
Ellerstraße, ich kann ihn selbst durch geschlossene Fenster hören, er taucht 
immer zwischen acht und neun auf, vielleicht für ein Viertelstündchen. Es 
muss dieser Vogel sein, der Umweltgeräusche aufnehmen kann, denn sein sehr 
Varianten-reicher Vortrag ist jedes Mal gespickt von Geräuschen, die eigentlich 
nur wie das gesungene Schließsignal von Autotüren klingen. Ich beginne, mich 
auf seine Gesänge zu freuen. Hier ist mal jemand, der es versteht, sehr direkt 
aus Wahrnehmung Kunst zu machen.

6a |

Mitte März passiert mir noch etwas, das mir so glaube ich noch nie bis 
dahin passiert ist, ich schreie einen Mitarbeiter in einer Hotline an. Es ist ein 
Kaltanruf meiner Sparkasse, Köln-Bonn, mit dem Mitarbeiter habe ich bis dahin 
noch nie gesprochen gehabt, und ich solle doch langsam mal den neuen AGBs 
zustimmen, ich sei einer der Allerletzten, die das noch nicht gemacht hätten, und 
grundsätzlich wünsche sich die Sparkasse von nun an nur noch Kunden, die sie,  
als Bank, auch zu schätzen wüssten – da vergess‘ ich mich ein wenig. Es hatte 
aber auch schon nicht so gut angefangen, der Mitarbeiter hatte mich, als ich 
seinen Anruf entgegennahm, erst für einen Anrufbeantworter gehalten. 

6b |

Am selben Abend komme ich, über die Straße namens Morgenbreede, an 
der Rückseite des riesigen Uni-Hauptgebäudes an, es ist mein erstes Mal hier 
oben am Berg, der Himmel schon im dunkelsten Blau. Sichtbar sind fünf 
Gebäudeflügel, hoch, durch einen Haupttrakt in ihrer Mitte verbunden. Eine 
Wiese fällt von der Straße zum Gebäudekomplex hinunter. Auffällig auch ein 
Lichtband in Form einer fast über den gesamten Komplex hell erleuchteten 
Etage, wahrscheinlich die Bibliothek. Vereinzelte Menschen, aus den Flügeln 
kommend, Wege in der Wiese hochlaufend. Alles zusammen ist es ein ziemlich
brutalistisches Feuerwerk, an einem Dienstagabend. Und dann ist da, bis hoch 
hin zur Straße hier, vor allem wieder eins zur hören: Vögel. Die Schwarmgeräusche 
kommen aus dem Innehof zwischen den ersten beiden Gebäudeflügeln, der Großteil 
der Fläche dort ist eingezäunt, Baustelle, ein Kran ragt in die Höhe. Ein matschiger 
Pfad führt um die Ecke und zwischen Gebäude und Bauzaun entlang, nach einem 
kurzen Stück erkenn ich den Baum, aus dem die Geräusche kommen müssen. 
Zwischen dem Astwerk die schwarze Ausformungen der Vögel, sitzend, am 
reden. Ich bin noch gut zwanzig Meter entfernt, da verstummen sie, ich bleibe 
stehen. Zurückdrehen – sonst ist niemand hier im Innenhof, oben vereinzelt 
Leute, auf der Morgenbreede. Dann eine Stimme, noch eine, noch eine und 
immer noch eine, aus dem Baum und auch den umstehenden Bäumen und von 
den Gebäudekanten und -vorsprüngen hinweg, über mir und überall nun 
die Stimmen der Vögel. Sie reden über mich. Ich setzte meinen Gang fort, 
auf den Baum zu, es wird noch lauter, nur noch ein paar Schritte, dann besser 
aber wieder Stehenbleiben, jetzt wirklich, ich sollte es nicht ausreizen, da steigen 
die ersten Vögel auf, fliegen in einem Kreis zwischen den Gebäuden entlang, ich 
versuche, sie gegen den Schein des Baustellenscheinwerfers zu erkennen. Sowas wie 
Raben vielleicht, aber eigentlich zu klein. Mit meinen Gedanken gebe ich dieser 
Spähergruppe zu verstehen, dass alles okay sei, dass ich nur gucken will. Sie kreisen 
zwei, drei Mal, gleich werden sie wieder landen – da macht es ein riesiges 
Geflatter und der Baum verliert, ein zweites Mal in diesem doch fast schon 
beendeten Winter, seine Blätter. Sie erheben sich aus ihm, in Kreisen, fliegen 
zuerst niedrig zwischen den Gebäudeflügeln umher, vielleicht wollen sie hoch 
aufs Dach!, stürzen dann aber doch weg, vom Gebäude und voneinander, und 
hoch über die Wiese sich verteilend zur Straße mit ihrer Allee, außerhalb meines 
Sichtfeldes. Stille. Auf der Hälfte des Weges direkt über die Wiese zurück, drehe 
ich mich nochmal um. Ich meine, einen Teil von ihnen ist bereits wieder im Baum 
sitzen zu hören. Auf dem Rückweg den Berg hinunter, das vereinzelte Licht der 
Fenster in den Häusern, die Straßen rauf und runter, wie Inseln in der Nacht. 

Frage |

Warum kann ich nicht Nein sagen? 

7a |

Gestern den ersten Abend in der neuesten, dritten, letzten Wohnung
verbracht: Nach der Ausstrahlung von Go Trabi Go auf dem beeindruckend fetten 
Fernseher, das Licht im Zimmer ausgemacht, und von der Couch aus liegend in 
das riesige schwarze Loch geschaut, dass das Wohnungsfenster zum Hinterhof 
ist. Hat man das Licht an und steht im Zimmer, ist es wie ein Spiegel, in dem man 
nur sich selber sehen kann, ängstlich versuchend, etwas in der Dunkelheit zu 
erkennen. Die Wohnung liegt im Erdgeschoss. Direkt an das Fenster heran ragt wild 
wachsendes Gras, Brombeeren, Insekten klickern tagsüber wie Steine dagegen. Ich 
liege im Dunkeln auf der Couch, meine Beine über eins ihrer Enden geworfen, 
sie wurde nicht zum Liegen gemacht. Die Dunkelheit im Zimmer und vor dem 
Fenster weicht langsam etwas Anderem, in dem das hohe Gras und die Äste der 
Kirsche im Hinterhof vor den Wolken wippend und wehend erscheinen, auch 
anderes taucht auf, in Silhouetten, der Nachbarszaun, die Bäume, die Industriehalle, die 
den Hof nach hinten hin begrenzt, der Nachthimmel dazu, als sowas wie ein Hintergrund. 
Natürlich läuft auch Musik, im Zimmer. Von circa sechszehn bis zwanzig habe ich, wie 
mir nun auffällt, schon relativ viel Zeit nachts draußen im Dunkeln verbracht, allein und 
mit Freunden, irgendwie hockten wir immer in irgendeinem Park oder an einem Ufer 
oder bei wem im Garten oder ich war wieder auf einem dieser irre langen Nachhausewege 
unterwegs. Jetzt lass ich die Dunkelheit durchs Zimmer kommen, die neue Wohnung 
einweihen, damit ich, in ein paar Tagen, nicht bei Einbruch der Dunkelheit gleich 
immer die Vorhänge zuziehen muss, sondern unbeeindruckt neben dem schwarzen 
Spiegel des Fensters bis weit über Mitternacht Fernsehen oder Laptop schauen kann.

7b |

Am nächsten Tag und die Tage darauf, fallen die Blüten des riesigen 
Kirschbaums als Schnee in das Dickicht des Hinterhofs, die Brombeeren und 
Brennnesseln und der Weizen und was auch immer sonst noch da wächst nehmen 
die weißen Flocken auf, wollen selber über den Rand meiner Fensterbank.
Wenn einen die Angst nicht umkreist, verläuft sie durch einen. 

Nachtrag |

Wenn man das riesige Fenster weit kippt, hört man jetzt, im 
beginnenden Sommer, die Tauben und andere Vögel durchs Blattwerk 
tappen, und die Blätter von allem Rauschen und Rascheln im fortwährenden 
Wind, wie Gewässer selber, oder wie Treibgut im Ozean der Luft. Ab- 
wechselnd dazu die Kinderschreie von hinterm Nachbarszaun und gestern 
Abend sogar, ein paar Häuser weiter, eine ganze Feier mit Anlagenmusik, bei 
der aber auch vor allem nur Kinder bis in die Nacht mitsangen, während sich 
hinterm Nachbarszaun zwei Männer ab und zu etwas sagten. Ich hörte Musik. 

Nur Zeit hast du genug

1 |

Die Stängel der schon kahlgeblasenen ehemaligen Löwenzähne 
im Gras. 

2 |

In der Lokalzeit bei WDR empfindet der Moderator mein 
Hiersein laut seiner Anmoderation als: seltsam und harmlos und 
nett, und, vor allem aber, und das sollte einen hellhörig machen, wenn 
es einem selber gilt: als von den Steuergeldern der Zuschauer bezahlt. 

3 |

Für eine knappe Zigarette sitz der Koch von SuuTje neben mir draußen 
auf der Bank, Martin bezahlt da gerade drinnen. Wir waren vor Ladenöffnung 
dagewesen, hatten aber trotzdem für ein Getränk schon Platz bekommen. Der 
Koch erzählt, er ist seit 15 Jahren in der Gastro, und er verachte Küche aus 
dem Tiefkühler. Er möchte sein Gemüse sehen. Hier kommt alles vom 
Markt, und dabei deutet er auf den Siegfriedplatz. 70 bis 80 Gerichte an einem 
typischen Tag. Er ist alleine da unten, nur in Stoßzeiten kommt manchmal Emre 
(das ist glaub ich der Chef) dazu, hilft was mit. Das Wichtigste: Alles so zu 
machen, dass man Zeit, das heißt: Schritte spart. So hat man ihm das damals 
beigebracht. Außerdem immer die Dinge parallel abwickeln. Wenn 15 Zettel 
gleichzeitig unten hängen, will keiner von denen erst in 1 ½ h sein Essen 
bekommen. Schließlich: Mit jeder neuen Küche lernt man auch das Kochen 
ein bisschen wieder neu. Er ist lässig. Manchmal fällt ihm die Asche seiner 
Zigarette auf die Brust, er wischt sie dann weg. Kippenende. Es geht los. 

Einschub |

Ich habe noch nie ein Gedicht darüber geschrieben, wie meine 
Freunde alle Tiere werden und wir zusammen Baden gehen. 

4a |

Es gibt keine Kneipenkultur in Bielefeld, sagt Thea, und es wirkt 
so, als ob sie Recht hätte, wo ich mir versuche, Kneipen in Erinnerung 
zu rufen, von meinen bisherigen Wegen. In Köln gibt es gefühlt auf fast 
jeder Ecke eine. Ich frage Thea, wo die Leute dann trinken gehen, aber 
irgendwie bleibt die Frage unbeantwortet. Auf dem Kesselbrink, klar, und 
auf dieser einen Bank z.B. im Grünstreifen vor Stauteich #2. Auch in die 
Dünen am Hauptbahnhof-Park, da bei der Tüte, kann man wohl gehen. Und 
vielleicht auch auf die Treppen von der Rückseite vom Bahnhof, zum neuen 
Bahnhofsviertel rauf. Aber das alles, das reicht doch nicht. 

4b |

Thea zeigt mir die Instagram- bzw. die Influener-Allee, eine 
lange, leicht gebogene Straße vom Ende der Innenstadt am Ostbahnhof 
bis hin zur Radrennbahn kurz vor Heepen, und eigentlich sähe sie, die 
Straße, fast trist aus, unauffällig gleichmäßiger Wohnungsbau entlang von 
ihr, mehr oder weniger, wie halt in allen Vorstädten, die ich so kenne, aber, 
und das ist halt der Clou, die ganze Straße entlang läuft eine Allee aus 
Kirschbäumen. Der Boden ist voll von deren rosa und pinken Blütenblättern, 
und vor noch ein paar Tagen muss es hier richtig heftig ausgesehen haben. Wir 
sind leicht zu spät, die Blüte hat ihren Zenith schon überschritten, und trotzdem 
wirkt es immer noch imposant. Am zweiten Tag in OWL, Anfang März, als ich 
zum ersten Essen mit dem Kulturbüro lief, kam ich schonmal hier entlang, aber 
da war alles noch märzlich und karg und mir fehlte die Aufmerksamkeit, zu 
realisieren, was das für Bäume waren. Die Anwohner beschweren sich anscheinend 
übrigens regelmäßig über all die Leute, die hier Fotos machen. Ich mach dann 
auch eins und merk sofort, dass uns jemand mit Schnäuzer beobachtet, aus 
der obersten Etage des Hauses vor uns. Ich grüße zaghaft. 

5 |

Die Fußpflege bei Swetlana findet in einem nahezu leeren und so noch 
größer wirkenden Raum statt, der früher mal als Büro gedient haben muss. Ich 
bin die ganze Behandlung lang mit der Nase fast unter den quadratischen Paneelen 
der damit abgehangenen Decke, diese Decke zusammen mit den Lamellenjalousien für 
mich schon immer das Inbild von Office gewesen. Ist ein gutes Gefühl. Dinge werden 
immer realer, wenn sie an einem Ort stattfinden, der mal für was anders bestimmt war. 

6 |

Wir schauen den einen der zwei Bären im Tierpark an, und ich glaube, ein 
bisschen unwohl ist uns allen dabei, Edda, Niklas und mir. Er liegt auf einer 
Wiese weiter oben, ich versuche die meiste Zeit, im Fell seine Augen 
auszumachen, frage mich, ob er sie einfach immer zu lässt. Dann blinzeln 
aber doch zwei schwarze Knöpfe hervor. Er liegt so da. Als wir um das Gehege 
herum den Pfad weiter hoch sind, zu den Silberfüchsen, findet Niklas den zweiten 
Bären, eine Sie, sie bewegt sich nah an der Wand zum überdachten und tagsüber 
vielleicht verschlossenen Gehege entlang, außerhalb des Blickfeldes der 
Besucher, die von unten immer wieder zu ihnen oder zu sich selber rufen. 

Einschub |

Ich habe noch nie ein Gedicht darüber geschrieben, wie Leute vor 
meinen frisch geputzten Fenstern fliegen. Ich habe noch nie meine Fenster geputzt. 

7 |

Ich steh an einem der oberen Teiche des Johannisbaches, eine Ente mit 
schön schimmernden Gefieder schwimmt auf ihm herum. Es ist auch ein 
Reiher da, der tatsächlich bei meinem Kommen nicht Reißaus genommen 
hat, nur ein paar Meter von mir entfernt hebt er seine Beine weiter 
langsam durch den Morast. Es ist alles sehr schön. 

8 |

Ich finde im Spiegel eines Abends, als ich eher gestresst bin (oder war es 
an einem Morgen?) auf meinem schütteren Kopfhaar eine graue Strähne, ganz 
vorne und mittig. Wie konnte sie mir bisher entgangen sein? Und in meinem 
Stress denke ich mir: Das habt ihr mit mir gemacht. Wer auch immer „ihr“ ist. 

9 |

Vier oder fünf Dudes in einem Café im Stieghorst Carré und sie unterhalten 
sich angeregt und sich gegenseitig bestärkend über ihre Sorgerechts-Probleme bzw. 
eher über die damit verbundenen Unterhaltszahlungen. Einem wurde wohl von 
seiner Schwiegermutter ordentlich Feuer gemacht. Sie sehen cool aus. 

Einschub |

Ich habe noch nie ein Gedicht über ausgedachte Autos geschrieben. 

10 |

Im Netto eines Abends auch eine lässige Girltruppe. Ich hör sie zum 
ersten Mal in meinem Rücken, als ich vorm Weinregal steh, sie beraten, ob 
sie ein oder zwei Flaschen Vodka brauchen, und die Argumentation wird dann 
schnell von einer von ihnen übernommen, sie seien ja: „Eins, zwei, drei, vier, Sanny 
– Fünf“, und eine Flasche reiche da sicher nicht. An der Kasse stehen sie vor 
mir und haben einen tatsächlich legendär wirkenden Einkauf gemacht: Die zwei 
besprochenen Flaschen Vodka (und ich vergess leider, darauf zu achten, ob 
es Marken- oder Discountware ist), dazu Bitter Lemon und Cola von der Netto- 
Eigenmarke. Zwei von Ihnen bezahlen außerdem vorab noch eine Packung 
Toast und eine Packung Scheibenkäse. Es hat fast was Gemütliches, ich frag 
mich, ob sie sich nur irgendwo zuhause abschießen wollen oder ob sie auch 
noch ausgehen werden, ihr Look gibt da irgendwie keinen klaren Aufschluss 
drauf. Sie lachen viel und der ebenfalls noch junge Verkäufer müht sich dann 
noch ziemlich ausgiebig an den Sicherheitsverschlüssen der Vodkaflaschen 
ab, er muss beide etliche Male auf die Kante seines Kassentisches hauen, bis 
sie endlich nachgeben, aufgehen. 

11 |

Larissa erzählt von Spinnen im Netz, die ihre Fühler überall hin 
ausstrecken – also, damit sind jetzt kulturelle und öffentliche Akteure gemeint. 

12 |

Alexandra und ich stranden für eine Zeit in dem Bistro am Flugplatz in 
der Senne, weil gerade der Rand von dem Gewitter vorüberzieht, das wohl in 
anderen Teilen OWLs für ziemlich viel Aufregung sorgen wird. Zum Glück 
noch vor meiner Großbestellung Pizza merke ich, dass ich fast kein Bargeld 
dabei habe, Alexandra wohl auch nicht, schade für die Cipolla ist es allerdings. 
Wie in jedem Etablissement wünsch ich mir auf eine vielleicht unangenehme 
Art, von den Mitarbeitenden, hier der Wirtin, gemocht zu werden. Der Regen 
zieht vorüber, Alexandra zeigt mir ihren alten Grundschulweg, der zwischendurch 
aus Trampelpfaden durch die Waldstücke hinter den Siedlungen besteht. Auf 
dem Sennefriedhof vorher und auch in den Gärten der Siedlungshäuser der 
Rhododendron in vollster Blüte, die Sträucher selber riesige Kugeln, aus denen 
dann wieder hunderte rosa und lila Puscheln steigen. Auch auf dem Friedhof, 
der Abschnitt mit den schwarzen Grabsteinen, die alle fast fotorealistisch- 
wirkende Abbildungen der Verstorbenen trugen. 

Einschub |

Ich habe noch nie ein Gedicht über Venedig, bei Tag oder 
bei Nacht, geschrieben. 

13 |

Ein interessantes Detail am Kulturhaus Ost, das mal früher eine FH 
oder Berufsschule o. Ä. gewesen sein muss, das Alexandra und ich entdecken, 
als wir nochmal durchlaufen, bevor das Haus sehr kurzfristig von der Stadt 
umfunktioniert werden wird: An einer Außenmauer zum Hof hin sind diverse 
Gussplatten an der Wand montiert. Teils landwirtschaftlich-romantische 
Motive, teils abstrakt gemustert. Es handelt sich laut einer Plakette um 
Bewitterungstest der jeweiligen Materialien, aus denen die Platten sind, diese 
werden auch angegeben, die Codes dafür sagen mir aber leider rein gar nichts. Laut 
der Plakette hängen die Platten seit Herbst 1977 hier. Und wie ist der Bewitterungsgrad 
ausgefallen? Das ist das Einzige, was man nicht mehr nachvollziehen kann, denn 
irgendwann wurden sie flächendeckend übersprayt. Alexandra sagt, dass sei ja 
auch eine Form der Witterung. Ich bin zu spät angekommen, um das Kulturhaus 
Ost noch wirklich mitzukriegen, aber in den kommenden Wochen und Monaten 
ist die Traurigkeit über dessen Schließung allen ehemals dort arbeitenden 
Künstlerinnen anzumerken, die ich hier und da treff, und vielleicht ist diese 
Traurigkeit auch ein guter Indikatior dafür, was dieser Ort für die, wie man sie 
so schön nennt, Kulturlandschaft hier bedeutet haben muss. 

14 |

Im Stieghorst Carré steh ich in einer Bäckerei und versuch mich 
am Lustigsein: Während ich hinter der Theke warte, krieg ich mit, wie 
eine ältere Mitarbeiterin zu einer Jüngeren sagt: „Du kannst mich auch 
Jasmin nennen“, und als sich diese mir zuwendet, sage ich zu ihr: „Sie 
können mich auch Jasmin nennen“. Die Mitarbeiterin lächelt etwas 
irritiert, ich bestell einen Kaffeestreifen. Zwischen Wunsch und 
Wirklichkeit ein Tal, darin lauert der Cringe. 

Nachtrag |

Ich hab noch nie ein Gedicht über eine Erweckungsgemeinde geschrieben. 

Nachtrag |

Ich hab noch nie ein Gedicht über Raumfahrt geschrieben. 

Nachtrag |

Ich hab noch nie ein Gedicht über Liebe geschrieben. 

Nachtrag |

Ich hab noch nie ein Gedicht geschrieben, in dem ich um Verzeihung bitte. 
Wenn ich nur wüsste, wie viel Zeit ich hab.

Mehr von Tobias Schulenburg

Rettung & Güte

Rettung

1 |

Was mich saved, immer und immer wieder, ist die Musik, und ich 
hab mich bisher noch nie genug oder eigentlich auch überhaupt dafür 
erkenntlich gezeigt, finanziell jetzt, bei den Schaffenden. Ich schlaf fast 
jeden Abend auf der Couch hier zu ihr ein, viel Piano und Streicher derzeit, ist 
Serienmusik, Bridgerton - Staffel zwei, hatte wieder eine Kostümdrama-Phase 
gehabt. Auch wichtig ist Kleidung. Vielleicht eigentlich eher der Körper, den sie 
bedeckt, aber nach ihm Ausschau zu halten, soweit bin ich meistens noch 
nicht (manchmal aber schon, immerhin). Und so mag ich gerade die Wärme 
und Weichheit meiner neu bestellten Jogginghose, sie ist aus einem fluffigen 
rosa Stoff, auf dem Bund steht wieder und wieder POWER geschrieben, sie war 
100 % für Damen bestimmt. Ist mir egal oder vielleicht sogar Recht und die größte 
verfügbare Größe passt gerade so. Ich seh in ihr ein wenig so aus, als hätte ich schon 
Teile meines Kostüms für Karneval an.

2 |

Mit Kurt und Ami bin ich wieder an der Damisch Pommesbude, sie 
sind für einen Nachmittag hier aus Köln, und dieses Mal ist nicht die 
nette Verkäuferin da, sondern ein älterer, großer Herr, der auch die Bude 
ausfüllt und sich anscheinend eigentlich immer irgendwo abstützen muss. Er 
hat auf eine selbstverständliche Art und Weise bei der Ausgabe seinen Daumen 
in meinen Pommes und das fühlt sich dann fast wie eine Form von Respekt an. Ami 
ermahnt er zur Ruhe, als sie ihn voreilig um die gewünschte Mayo bittet und er 
hätte es eh schon gemacht, alles zu seiner Zeit. In der nahezu kitschigen 
Frühlingsanfangssonne kommen wir beim Snacken auf Dating zu sprechen und 
die beiden meinen, dass ich bestimmt gut im Flirten sei, was mich vielleicht mehr 
freut, als es sollte. Für sich selber verneinen sie jeweils diese Eigenschaft, aber 
unter uns, sie sind beide ziemlich charismatische Typen, machen wir uns da 
mal nichts vor. Vielleicht ist mein Flirt-Game ja auch wirklich okay, aber 
mein Self-Assessment ist weiterhin, dass ich sehr stark anfange, um dann 
noch stärker nachzulassen. 
 
Fast drei Wochen vor diesem Besuch stand ich eines frühen Abends im 
Wohnzimmer in der Ellerstraße und ging so extra langsam unter der 
Luftballongirlande vor und zurück, damit mich einer der Ballons immer ganz 
knapp am Kopf streichelte, an der Stelle, wo ich schon fast eine Glatze hab. Ich 
wohn derzeit bei einer Familie, die selber auch beruflich irgendwo anders ist, 
anscheinend wurde kurz zuvor noch ein Geburtstag gefeiert, ich werd die 
Girlande auf jeden Fall bis zu meinem Auszug hängen lassen, es ist fast 
so, als wäre sie für mich eine Art Willkommensgruß gewesen. 

3 |

Gerade erklingen wieder die Glocken der katholischen Kirche, wie immer 
um 18 Uhr, von denen mir Judith vor ein paar Tagen schrieb, dass sie die 
so mag. Sie schrieb mir auch von den Rettungshubschraubern, die man, von 
Ihrem Balkon aus, mit großer Wahrscheinlichkeit bei einem gemeinsamen Kaffee 
einfliegen sehen könnte, auf das Dach des benachbarten Franziskus-Hospitals, aber 
als wir dann tatsächlich bei ihr Kaffee und Kuchen machen, kommt keiner und sie 
entschuldigt sich dafür, was natürlich ein bisschen lustig ist. In derselben Nacht oder 
vielleicht ein, zwei Nächte später, steh ich in der Küche am Kühlschrank für Snacks, als 
ich schließlich einen einfliegen hör‘, er ist schon weg, bis ich zurück auf der Couch bin. Von 
dort sehe ich eigentlich immer nur die Weite der schwarzen Nacht, weil das Wohnzimmer 
seine Fensterseite zum abfallenden Hügel hin hat, auf dem wir alle hier im Bielefelder 
Westen stehen, und so scheint es meistens, als schwebe man im All, sieht man von 
den rot leuchtenden Lampen der Baukräne am Franziskus ab. Wenn ich auf der Couch 
schließlich, zur erwähnten Piano- und Streicher-Musik einschlafe, wach ich meistens 
eine gute halbe Stunde später wieder auf, mit so einem Gefühl, das mich was 
an der Kehle hat oder auch, dass da vielleicht etwas an den Fenstern ist. Manchmal 
putz ich mir dann noch die Zähne, bevor ich im richtigen Bett liege, auf dem 
Kissen, dessen Geruch ich auch nach Wochen noch nicht identifizieren kann.


Nachtrag: Doch, einmal hab ich, vor einigen Jahren, für Musik was bezahlt, für elf Euro hab ich alle damaligen Alben von Terror Pigeon! auf Bandcamp gekauft und dazu noch irgendein Lob beim Kauf hinterlassen. 
Nachtrag 2: Ich glaube, der Geruch ist sowas wie Kirschkernkissen.
Nachtrag 3: Judith hat das Gedicht gelesen und tatsächlich hat sie niemals versprochen gehabt, dass die Hubschrauber aufs Franziskus einfliegen würden, das können sie nämlich gar nicht, da ist kein Landeplatz. Man kann sie allerdings, ab und zu und weiter weg, das Gilead hinter der Sparrenburg ansteuern sehen.

Güte

1 |

Am Fernmeldeturm hört man vor allem mal den Wind, und ich brauche 
einen Moment, um zu begreifen, dass das die Geräusche von Wind 
gegen Turm sind. Es klingt, als würde er, der Wind, nie wirklich von ihm 
ablassen, und kurz wird mir kalt für ihn, den Turm. Vor allem aber ist da 
dieses Gefühl, dass die Zukunft anscheinend schon angefangen hat. Ein paar 
Meter den unbefestigten Kammweg wieder zurück stehen zwei ausgewachsene 
Laster im Matsch, verlegen sowas wie Rohre, auf dem Rückweg komm ich 
gerade so an ihnen vorbei. Ein beschäftigter Bauarbeiter steht da hinter 
irgendeinem Aufbau. Vorher step ich, entlang eines abschüssigen 
Trampelpfads, einmal um den Turm, genauer eigentlich: um seinen Zaun, 
herum, die Bäume knarzen im Wind, über mir, es nieselt on-off. 
Vielleicht muss man auch einfach mit Antworten rechnen, wenn man 
auf der Spitze eines Berges steht. 

Die letzte Strecke hoch zur Kammspitze war der Boden plötzlich voll 
von grünem Blattwerk gewesen, und ich stellte eine Verbindung zwischen dem 
anscheinend schon längst im Gang befindlichen Frühling und dem älteren 
Mann mit der noch jungen Stimme her. Dieser war den Hang herunter und mir 
entgegengekommen, mit einer gewissen Skepsis drehte er sich auf meine Ansprache 
hin zu mir um - wo es zum Fernmeldeturm gehe? Da wurde er ganz nett und erklärte 
mir ziemlich gekonnt den Weg, gab schnellverständliche Längenangaben und sogar 
alternative Routen an, und seine Stimme war halt die eines jungen Mannes gewesen, 
während sein Gesicht sein Gesicht war. In dem saß auch ein Schnäuzer und eine 
Art-Director Brille, er wirkte tatsächlich, auf eine ruhige Weise, ziemlich bonzig. Zum 
Abschluss wünschte er mir „viel Erfolg“, ich fand dann alles auch genau so vor, wie 
er es mir beschrieben hatte, und fragte mich, welche sexuellen Präferenzen er wohl hatte. 

Später, auf dem Rückweg, den Kamm herunter, kam ich am Tierpark Olderdissen 
vorbei, der wieder regulär geöffnet hatte. In ihm kein einziger Mensch, also 
grüßte ich ein paar der größeren Vögel mit dem Victory-Zeichen. 

2 |

Die New Balance immer noch matschig von diesem Ausflug zum Turm am 
Tag zuvor, versuche ich sie nun, möglichst ohne Dreck zu hinterlassen, nach 
der Behandlung wieder anzuziehen, bei Swetlana, in der medizinischen 
Fußpflegepraxis Oldentrup. Sie bemerkt mein waghalsiges Spiel allerdings, die 
bereits verstreuten Krümel, sagt, es sei eh zu spät, und sie müsse den Raum ja 
sowieso reinigen und ich bin ein bisschen beschämt darüber und beschließe, den 
Schmutz zu minimieren, indem ich in möglichst langen Schritten wieder nach 
vorn bis zum Tresen geh und da muss sie dann doch wieder lachen, mein Glück, und 
gewährt mir sogar noch einen Rabatt. Während der Behandlung hatte ich 
mitbekommen, wie ein Zehennagelstück beim Clippen an ihre Stirn geschossen 
war, sie hatte sich davon nicht stören lassen, mich allerdings schon 
dafür gescholten, dass ich jedem Hautarzt bisher die Befunde des Vorherigen 
mitgeteilt hatte, so mache man das nicht, die müssten schon selbst erst einmal 
zu ihren Schlüssen kommen und jetzt leuchtet mir das natürlich alles ein. An meine 
derzeitige Hautarztpraxis: Bitte vergessen Sie alles, was sie bisher angenommen haben! 
 
Auf der Oldentruper Straße, hin und zurück, hebt der Wind übrigens fast 
die Ampeln an, während ich an ihnen warte, und den ganzen Weg lang, die Wolken 
am ausladenden Himmel, ändern alle paar Minuten ihr Gesicht. Als ich zurück 
wieder kurz vorm Dickicht der Waldschneise bei Oldentrup bin, und versuche, mich 
mit meinem Regenschirm gegen den einsetzenden Hagel zu schützen, sehe ich, weiter 
hinten, übers letzte Feld, kurz noch den Regio Richtung Hauptbahnhof entschwinden, meine 
Richtung, fünf Minuten vorher am Gleis war nichts von ihm zu lesen gewesen. Auf dem 
Hinweg, im einsetzenden Feierabendverkehr, an der Kreuzung Otto-Brenner-Straße, ließ ein 
Mann seinen kleinen schwarzen Seat im Wind aufheulen, bis er sich vom Ersten in den 
Zweiten verschaltete, und die Freiheit der Tage schien da kurz greifbar und nah. 

3 |

Einen weiteren Tag später probiere ich mich selber mal an sowas
wie Diagnose oder auch Ursachenforschung: im Radio kommt, dass 
Ferrero in Belgien wegen Salmonellen eine Fabrik schließen muss. Nun 
musste Dunja nur ein paar Tage zuvor ausgerechnet wegen Salmonellen 
ihren Trip hier her wieder absagen, und ich sims ihr mal meine ermittelten 
Hinweise. Da bin ich gerade in Gütersloh bei Birkholz, nahe dem ZOB, und 
versuch außerdem noch, eine Rumkugel (offiziell heißt die Trüffel, weil kein 
Rum drin ist) mit möglichst kleinen Bissen zu essen, wartend, dass die 
Nachmittagsvorstellung von Batman beginnt. Das Café der Bäckerei 
wurde anscheinend mal vor nicht allzu langer Zeit ziemlich dunkel renoviert, 
mattschwarz die Deckenverkleidungen, die Säulen, dazu wenig Licht. Eigentlich 
ganz angenehm. Eine Frau in rosa Pantoffeln läuft am Fenster vorbei, die 
Verkäuferin geht eine Rauchen und berät danach über Produktneuheiten, eine 
mehrgenerationale Frauengruppe kommt herein, sie scheinen sich auf den
Nachmittag hier zu freuen, gegenüber ist ein C&A, die, meines Erachtens, 
das absolute Endgame im deutschen Bekleidungs-Geschäft darstellen. Aus 
ihrer SMS ergibt sich, dass Dunja, wie ich, und was ich noch nicht wusste, mehrere 
Brüder hat und wohl auch excited für den neuen Batman ist, aber das mit den 
Salmonellen war schon noch eher und weiter das alte Sushi gewesen, und ich 
war glaub ich auch nicht der Einzige, der mit der Ferrero-These um die Ecke kam. 

Der Film selber ist dann auch gut, wenn man mal von seiner Weltanschauung 
absieht. Und ich merke mein eigenes Erwachsen-geworden-Sein daran, dass 
ich a.) die kurz vor Beginn noch dazugekommenen Kids, in den Sitzen hinter 
mir, mit ihrem kontinuierlichen Geflüster, eher sweet als nervig finde, b.) das Treten 
in meinen Sitz ignoriere und c.) dann doch, als es auch noch zu Handy-Geleuchte auf 
die Leinwand kommt, mal kurz eine Ansage machen muss. Mein Glück ist, dass die 
beiden gerade noch so jung sind, um auf mich zu hören, auch wenn ich die Zweifel daran 
dem Lautstärkeren schon anmerke. Zum Schluss bleiben wir alle aber irgendwie trotzdem 
bis zum Abspannende sitzen und sagen uns sogar noch Tschüss, ich glaube, die zwei 
hatten gehofft, dass noch irgendwas Lustiges nach den Credits kommt, ich wollte 
wissen, was das eigentlich für geile Geballer-Lieder in den Clubszenen waren, für 
die Playlist zum Spülen, Bügeln, Wäschesortieren, vielleicht. 

Wieder draußen, geh ich in der mittlerweile angebrochenen Abenddämmerung ein 
bisschen stadtauswärts und zurück, die Zeit bis zum nächsten Zug vertreibend, in 
diesem Nach-dem-Kino-Gefühl, das sehr gut ist, wenn man alleine sein darf, und treffe 
wieder auf die ehemals vor sich hin schreiende Frau vom Berliner Platz am Nachmittag*, die 
mittlerweile aber, im Vorbeigehen zumindest, ziemlich glücklich, vielleicht sogar 
glücksselig, wirkt. Am Bahnsteig fallen die Züge dann erstmal alle aus, bis eine leise 
Durchsage kommt: Zugdurchfahrt, und dann fährt auch schon ein ICE mit 
circa 3.500 Stundenkilometern direkt am Gleis vorbei. Hat was vitalisierendes. 

* Nachtrag:

Die schreiende Frau war mir am frühen Nachmittag am Rand vom Berliner Platz 
aufgefallen, sie hatte, an einer Bank Halt machend, sich immer wieder geräuspert, auf 
eine Art, die eigentlich schon wie Schreien klang. Eingeschlossen in ihr Räuspern 
manchmal der Ausruf: „Guck nich‘ so blöd!“ Sie hatte auch rosa leuchtende 
Wollsocken an. Parallel ereignete sich auf dem Platz Folgendes: Ein Junge wurde, auch 
schreiend, aber eher freudig, von einem Hund an der Leine über den Platz gezerrt, der 
Hund war muskulös, mit schwarz-glänzendem Fell, er hatte es auf diverse 
Taubenschwärme abgesehen. Die Mutter des Jungen hielt sich einen Snack vors Gesicht 
und blieb an ihrem Fleck etwas abseits stehen, ab und zu den Blick in die Richtung 
wendend, in die der Junge gerade gerissen wurde, ihn ermahnend, den Hund auch ja 
nur gut genug fest zu halten. Auch auf dem Platz stand noch ein weiterer Junge, mit 
Schulranzen, er bemerkte, was da hinter ihm so vor sich ging, fing an, sich mit 
besorgter Miene davon zu machen, als er von einem erneuten Ausruf der 
schreiräuspernden Frau wieder gestoppt wird. Er verharrt, sein Blick zum Ausruf am 
Platz weiter oben gerichtet, das Gekreische des Jungen mit Hund im Rücken. 
 
Die schreiende Frau lässt sich nochmal auf einer Bank etwas weiter 
die Königsstraße hoch nieder, auf der Seite gegenüber von ihr ist da ein 
Friseursalon. Vor dem Sitzen zwei junge Frauen und schauen halb in ihre 
Phones und halb lachen sie irritiert die beginnenden Geräusche der Frau von 
sich weg. Ich versink für ein paar Momente in Gedanken darüber, ob und wie
sehr ich eigentlich immer wieder gerne von Leuten, die regelmäßig Beauty 
an sich machen, gemocht werden möchte, bis ich bemerke, dass ich schon einige 
Ecke weiter bin, und über die Schrägdächer und Ziegel der Gütersloher Innenstadt 
hinweg ertönt nun ein richtig Lautes „guck nich‘ so blöd“, dann, ebenso laut, das 
Gelächter der Friseursalonfrauen.

Mehr von Tobias Schulenburg