HUNGER – Ein Schwabo beim „Sultan“ in Aachen

Aachener Bushof  an einem verregneten Juliabend. Ich vermesse die Koordinaten, registriere viele düstere Gesichter, lande beim „Sultan“ und stoße auf einen hungrigen „Agenten“ aus dem Schwabenland. Er will die Welt retten. Wie und vor wem will ich wissen.

Ihre Augen unruhig, hungrig… (c)SVl.

Am Fenster meines neuen, noch leeren, sperrigen Zimmers, erwische ich im verlassenen Hinterhof den traurigen Blick eines Clowns aus Kunststoff, der eingefroren auf einem wackeligen, ca. zwei Meter hohem Ballerina-Bein steht. Es ist die erste Stunde meines neuen Lebens in Aachen. Ich betrete die laute Straße, irre um den Block, steige in den Bus und lande mitten in Aachen, am „Bushof“, da wo im Minutentakt aus allen Richtungen Busse ein- und ausfahren. Mein Magen knurrt. Der „Sultan“, breit in rot gekleidet, zwinkert mir mit seinen Leckereien zu. An diesem Sonntagabend gegen 21 Uhr drängelt es sich vor dem Schnellimbiss. Ein Gewimmel aus Farben, Geräuschen und würzigen Düften. Am Spieß drehendes Fleisch. Junge Männer mit Bärten aller Sorten, kurz, lang, gepflegt, wild, stehen vor seiner langen Theke wie Soldaten. Ihre Augen unruhig, hungrig. Ich stelle mich in die Schlange.

„Vucko & Tito“

Er fällt mir sofort auf, ich glaube, ich ihm auch.

Sein dünnes, seidiges Haar um sieben Nuancen heller als der Rest der Köpfe, der in der langen Schlange wartenden Menschen, dreht sich unruhig hin und her. Sein Blick ist wach, sein Körper fit, ich schätze ihn auf 47.

Zwei kleine dunkelhäutige Mädchen in Sari-Kleidern, kaum größer als ein Stock, hüpfen um einen Mann im weißen Gewandt. Ihr Vater vielleicht. Oder Großvater, der sie, sobald sie ruhig sind, über ihre Köpfe streicht. Die Kinder studieren den Mann mit dem hellen Seidenkopf. Er registriert ihre Blicke und geht in die Offensive:

„Hi, little girls, do you come from India?“

„No, nooo…“ sagt die eine. „We come from Pakistan!“ ergänzt die andere:

„And you?“

„I´m German, I come from Stuttgart!“, höre ich ihn, seine Heimatstadt besonders betonen. Ein echter „Schwabo“ also.

Die beiden Mädchen hüpfen weiter, suchen nach neuen Wundern. Der Schwabe spürt meinen Blick im Nacken und nimmt jetzt mich in Angriff:

„ Die Tour der France macht hungrig, ne? Waren sie dabei?“

„Nein, leider knapp verpasst!“

„ Ach, Sie kommen auch nicht von hier?“ fragt er.

„ Nein. Ich komme aus Köln. “, höre ich mich behaupten.

„Aus Köln?“ Er misst mich längs und quer:

„Und ursprünglich?“.

Oh Gott. Ursprünglich? Eine schwere Frage für jemanden wie mich. Wo fange ich an? Das kann schnell eine lange Geschichte werden. Ein Vierteljahrhundert lang… In Sarajevo, damals Jugoslawien, kurz vor dem Krieg…Seitdem mag ich diese Frage nicht.

„Tschechien? Polen?“ höre ich den fröhlichen Schwaben raten.

Ich will es ihm und mir nicht zu schwer machen und mache es kurz: „Sarajevo, Ex Jugoslawien…“

„Ach… Vuckoooo! Titoooo!!“ grinst er.

Ich muss lachen. Mein früheres Leben skurriler zu assoziieren, könnte ich auch nicht. Der friedliche Wolf aus Sarajevo, das  lustige Maskottchen, das uns und dem Rest der Welt die beste Winter-Olympiade aller Zeiten beschert hat und das  Schlitzohr,  der Yugo-Cheffe, der Faschisten besiegt hatte, Stalin „Njet“ zu sagen wagte, uns  mit einer  kleinen Utopie, dem Selbstverwaltungs-Sozialismus der „Brüderlichkeit und Einheit“ jahrzehntelang verführte, auf dem internationalen Parkett zwischen Westen und Osten, Sozialismus und Kapitalismus wie keiner anderer tanzte, dem  die Königin Elisabeth eine gläserne Kutsche schenkte, Kennedy einen Chevrolet, Gaddafi ein Kamel und Gandhi zwei Elefanten. Damals glaubte ich, wir seien der Nabel der Welt…

„1A!“, sage ich, „Volltreffer!“

Wir sitzen danach wie alte Kumpels auf der langen Bank aus Sperrholz vor dem „Sultans of Kebab“ und verschlingen hastig unsere frisch erworbenen Leckereien. Er hält einen Döner in den Händen, ich Lahmacun und Ayran. Um uns summt es wie in einem Bienenstock. Das Nachtleben der jungen Menschen, viele Ankömmlinge unter ihnen, die vom Alter her unsere Kinder sein könnten, beginnt gerade jetzt und hier. Mit Hunger. Beim Sultan. Am Fließband. Sie reden laut, blicken ernst, viele sehen gestresst aus. Ich spitze meine Ohren: höre Arabisch, Persisch, Türkisch, und ab und an schnappe ich ein paar Wörter Deutsch auf:

„Ja, Bruder…alles…nix, hey Mann, kompliziert… “

Jung, hungrig, arbeitslos

Der Schwabe staunt:

„So viele junge Männer!“ Das wäre er auch noch mal gerne, so jung… aber nicht so arbeitslos!“

„Leider… man kann nicht alles haben!“ rezitiere ich die Standardweisheit meiner georgischen Freundin.

„ Ob die Jungs hier noch  die Kurve kriegen?“ rätselt der Schwabe.

„Sie schaffen das schon… keine Sorge!“  spüre ich in mir Angelas Zuversicht aufkommen.

„Wir haben das auch geschafft…“

Der Schwabe schüttelt besorgt den Kopf.

„Die Welt ist heute anders als damals, als wir noch jung waren…“ sagt er wehleidig. „… damals gab es noch Sozialismus…“ meint er.

Ich bin überrascht.

„Ach, das hört sich an, als ob Sie das kaputte System vermissen würden?“ frage ich ihn.

„Ja… im Sozialismus haben alle eine Arbeit gehabt, musste keiner auf der Straße betteln, und auf doofe Gedanken kommen. Und der Kapitalismus damals hatte ein Gegengewicht, musste sich anständig benehmen…“ sagt er.

Ich nicke.

„Leider fehlte im Sozialismus die Motivation….“ sagt er.

„… und die Demokratie!“ füge ich hinzu.

Das System, das  Bildung, Gesundheit und Gerechtigkeit nicht nur verspricht, vermisse allerdings auch ich!

„Jetzt sind der Westen und der Osten wieder vereinigt. Im globalen Raubzug des Turbokapitalismus. Der muss jetzt gegen ganz anderem Kaliber kämpfen: gegen den IS! Die Islamisten“, schwadroniert der Schwabe.

„ Vielleicht sind das seinen eigenen Auswüchse…“ höre ich mich sagen.

 Angst,  Ausländer, Agent

Der Schwabe und ich sitzen nun vor dem leeren Plastiktablett, unsere Mägen rülpsen vor sich hin, versuchen den „Sultan“ zu verdauen. Ich brauche einen Mocca und möchte den Schwaben einladen. Er blickt unruhig, wolle lieber woanders hingehen, sagt er. Hier habe er langsam Angst, gibt er zu.

„Angst?“ staune ich über seine Ehrlichkeit.

Ich verstehe. Wäre ich hier alleine, hätte ich längst das Weite gesucht. Mit ihm, dem redseligen Schwaben, der mir an diesem Sonntagabend ein wenig die Einsamkeit vertreibt, fühle ich mich sicher. Ich will hier und nirgendswo anders mit ihm, dem Schwaben, einen Kaffee trinken, um seinen und meinen Ängsten und all den jungen, ernsten Menschen, die hier bei „Sultans of Döner“ heute Abend ihr Stück Heimat gefunden haben, in die Augen zu sehen.

Ich will sie verstehen, diese Angst, die uns lähmt, trennt, die zwischen uns steht, wie ein Monster. Sie ist so menschlich, wie Sehnsucht und die Liebe, wie der Wunsch dazu gehören zu wollen.

„Keine Angst!“ sage ich dem Schwaben. „Ich bin bei Ihnen! Hier bin ich eine von ihnen, praktisch ihre Schicksalsschwester… die Ausländerin“.

Er lacht verunsichert, nimmt meine Einladung zögernd, aber mutig an.

Hinter der Mocca-Theke bedient ein hübsches Gesicht unter leuchtend blauem Kopftuch. Es lächelt schüchtern, als ein kräftiger, dunkelhaariger Junge in einem weiten, schwarzen, schweren Trainingsanzug mit den drei Streifen auf Deutsch bestellt:

„Einen kräftigeren Mocca als sonst bitte, ruhig ein Löffelchen mehr“.

Der Schwabe mustert den Jungen von oben nach unten, lacht als ob er einen guten Witz gehört hätte, und startet eine neue Recherche.

„ Neeeh, kein Türke, ich stamme aus dem Irak“, reagiert die schwarze Trainingsmontur.

Er sei vor zehn Jahren nach Aachen gekommen, erzählt er weiter, geflohen, damals im Krieg, als Saddam getötet wurde…

„Zehn Jahre ist auch dieser Krieg her?“ staune ich. „Oh, Gott!“

Die Rollen der Bösen

Warum ausgerechnet die Araber, die Rolle der Bösen jetzt schon solange so hartnäckig besetzen, frage ich mich.

Bei uns, damals in Sozialismus, waren die Araber die Guten, unsere Verbündeten. Zu uns kamen sie als Freunde, als Mitglieder der „blockfreien Bewegung“, um mit Tito die Welt zu retten… vor den Atombomben der bösen Russen und Amerikaner…  wie  früher vor den deutschen Faschisten, den „bösen Schwabos“ im 2.Weltkrieg. Bevor Tito mit Willy Brandt auf der Insel „Brioni“ kubanische Zigarren rauchten und Tito die deutsche Schuld an unserem Land  vergaß. Willy verwandelte dafür unsere Arbeitslosen in seine Gastarbeiter, unter anderem meine vier Onkel und meine Lieblingstante.

Mein  Vater hat bei  Gaddafi gearbeitet. Meine Nachbarin als Köchin bei Saddam. Said aus Palästina hat mit meinem Bruder in Sarajevo Architektur studiert. Mit Dollars, die seine Brüder in Amerika verdienten. Wenn Said sonntags zu uns kam, hat er zuerst mit unseren Vater eine Runde Schach gespielt. Der Papa wollte sein Arabisch auffrischen. Die Mutter hatte ihnen Tee serviert, den uns Djamal von seiner Mutter mit vielen lieben Grüßen aus Ramallah mitgebracht hatte.

Bosnien, das im Herzen Jugoslawiens und Europas lag, hatte die Tür zum Osten und zum Westen gleich weit geöffnet. Das Zusammenleben von Moslems, Christen, Juden und Atheisten war eine Selbstverständlichkeit. Die Andersartigkeit wurde mit Neugier und Herzlichkeit als Geschenk des Himmels gelebt.

Hunger & Spiele (c) SVl.

Das unser im Krieg verlorene Paradies haben nun die Saudis entdeckt. Dank Instagram, Facebook und anderen Internetnetzen kommen jedes Jahr mehr und mehr reiche Araber mit ihren verhüllten Frauen, Töchtern und Müttern nach Sarajevo, berichtet ein Kollege von „Oslobodjenje“, der Zeitung, für die ich früher auch geschrieben habe. „So viel Grün, so viel Wasser, weite Schatten, hohe Berge, leckere Speisen… alles zum Spottpreis… sie fühlen sich bei ihren Glaubensbrüdern, den bosnischen Moslems, einfach phantastisch!“

Der Schwabe mit seiner Tasse Mocca in der Hand fängt an, sich langsam beim „Sultan“ zu entspannen; er sucht uns einen freien Platz im inneren Bereich, geht leger durch den neonhellen Laden und setzt sich dann mutig direkt hinter eine Gruppe bärtiger Männer in Hochwasser-Hosen.

Warum musste der „Schwabo“ sich ausgerechnet an diesen Tisch setzen? Er glänzt sauber wie kein anderer. Es ist nicht zu übersehen, dass sich da sonst keiner hin traut. Nur wir beiden Narren – er Deutsch, ich Frau, im Alter ihrer Eltern – wagen es, sich so nah bei diesen finsteren Jungs niederzulassen.

Hoffentlich startet er jetzt keine neue Recherche. Die Jungs sehen nicht so aus, als ob sie Lust hätten, auf seine Fragen brav zu antworten, wo sie her kommen, wie lange sie hier sind, so wie vorhin die kleinen Mädchen im Sari, der Iraker oder ich.

Lange Bärte, kurze Hose, düstere Blicke

Besser er ist ein Agent und lauscht unauffällig, welche Pläne die bärtigen Jungs haben könnten. Das wäre gar keine schlechte Idee. Solche Jungs kommen ständig auf gefährlichen Ideen, die nicht nur ihnen schaden. Ich fange an, meine Ohren zu spitzen. Es muss arabisch sein, was sie sprechen. Ich erinnere mich an die Freunde meines Bruders in Sarajevo und frage mich, was wohl aus ihnen geworden ist und auf welcher Seite sie jetzt stehen.

Die düsteren Gesichter scheinen uns nicht ernst zu nehmen, sie schauen durch uns hindurch. Mein Blick schweift hin und her. Vom Schwaben, der entspannt mir gegenüber sitzt und seinen Kaffee schlürft und den harten Jungs, die er im Rücken und ich im Auge haben.

Ob die im Nahmen Allahs unschuldigen Menschen schaden wollen? Ob sie dabei sind, Terror vorzubereiten? Sind sie wirklich so böse, wie sie aussehen? Vielleicht haben sie selber Angst? Und wollen nur eines: sich Respekt verschaffen! Auf der besseren Seite des Lebens stehen, wie die gleichaltrigen Hipster, denen sie verdammt ähnlich sehen. Machen sie das böse Spiel, weil sie selber Angst haben? Weil sie nie dazugehören dürfen ?

„In der Zwickmühle“

Meine Gedanken sind wieder in Sarajevo. Bei den Arabern. Sie sind heute ein zweischneidiges Schwert in Bosnien. Sie bringen Geld ins Land, das Bosnien nötig hat, aber sie laufen mit ihren bis auf die Augenschlitze in Schwarz vermummten Frauen und einer Herde lauten Kindern durch das Land wie Außerirdische, ohne Kontakt zu den Einheimischen zu suchen. Wo sie hinkommen, herrschen neue Gesetzte, ohne Alkohol, Musik und Witze.

„Who pays, who says!“ sagen die bosnischen Wirte und zählen zufrieden ihre Dollars.

Die Araber „schwimmen“ im Geld, heißt es in Bosnien. Gegen den Araber als Touristen hätten sie nichts. Im Gegenteil. Geld ist das, was Bosnier an Arabern am meisten interessiert. Aber die Araber wollen mehr von Bosniern. Sie kaufen alles auf, was sie finden können: Immobilien in jeder Lage. Im großen Stil: Landflächen bis zu 10 Hektar und mehr! Den Preis bestimmen sie. Unter einen Dollar bezahlen sie pro Quadratmeter. Dahinter stecke ein Plan! vermuten die besorgten Bosnier.

Die bosnischen Muslime fühlen sich nun in der Zwickmühle. Von den Westeuropäern sind sie unter Generalverdacht als Muslime geraten und von den Arabern als schlechte Moslems ins Visier genommen, denen der „echte Islam“ beigebracht werden müsse.

Am Bushof. Beim Sultan. Am Fließband. (c)SVl.

Der Schwabe, nun mit fröhlichem Grinsen, scheint seine Angst vor Arabern gänzlich verloren zu haben. Er hat sich nun noch näher an die Gruppe der bärtigen Jungs in den kurzen Hosen und mit den düsteren Blicken gewagt. Ein Agent? Bond? James Bond? Der im Auftrag der Geheimdiensten seine Antenne  im „Sultan“ installiert? Um die gefährlichen Pläne der verlorenen jungen Männer rechtzeitig zu vereiteln?

Er liebe die Welt, sagt er. Seine Familie lebe seit 500 Jahren in Stuttgart, aber er sei lieber unterwegs. Früher als Schreiner, jetzt als Manager „bei Bosch“. Er habe sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachgeholt, dann BWL studiert. Wirtschaft dirigiere heute die Politik. „Früher war es andersrum“, palavert er.

Zu spät?

Die Teegläser der jungen Araber sind schon längst ausgetrunken, einer unter ihnen, der mit dem längsten Bart, hält gerade einen Vortrag; er blickt ernst, mürrisch, die anderen hören konzentriert zu, einer kaut an den Resten seines zusammengerollten Döners.

„Die könnten die Brüder von Che und Castro sein, wenn sie nicht so böse gucken würden“ will ich sie freundlich dekodieren, beiße mir aber auf die Lippen, schwärme lieber von Aachen, der Eifel und der Dreiecks-Region, in dem Deutschland endet und Europa beginnt, oder andersherum?

Er liebe diese Stadt „der deutschen Königen, Kaiser, Kurfürsten…“, leider sei er hier nur  unterwegs,  immer auf dem Weg nach Europa: nach Brüssel, Paris, London…, sagt der Schwabe und schaut durch die dicken Fensterscheiben auf die dunkle Strasse. Heute bleibe erzum ersten Mal  „beim Karl“ über  Nacht. Ganz in der Nähe vom Aachener Dom. Morgen gehe es weiter nach Luxemburg… Der Schwabe wackelt auf seinem Stuhl hin und her. Er hoffe, sagt er, dass die Welt noch lange so bleibe…

„So bleibt?“  staune ich.

„Die Welt darf nicht so bleiben!“ protestiere ich: „Die Armen können nicht immer ärmer und die Reichen nicht immer reicher werden!“

„Für die Veränderung ist es leider zu spät!“ sagt der Schwabe.

„Zu spät?“

Er sei seit zwanzig Jahren „global unterwegs“, er wisse, wie „die Bosse und Drahtzieher“ tickten:

„Keiner gibt etwas ab ohne Widerstand“ sagt er.

Ich nicke. Leider hat er Recht.

„Jede Veränderung bedeutet Krieg und Vertreibung!“ Sein besorgter Blick wandert durch die Sultan-Bude, die nach Knoblauch, Lamm und Frust riecht.

Ich schweige. Dem „Agenten vom Schwabenland“ muss ich heute Abend beim „Sultan“ zum dritten Mal Recht geben.

Vor einem Vierteljahrhundert habe ich mein Ex-Land und Ex-Leben im Krieg verloren. Seitdem kommt die Welt nicht zur Ruhe. Seit dem gab es den 11. September, Afghanistan, Irak, Israel, Libanon, Arabischer Frühling, Syrien… IS…

Die Weltretter

In dieser Nacht wälze ich mich auf der harten Matratze hin und her, die scharfe Sultan-Soße klettert bis zur Kehle, meine Augen wach wie die von Eulen kreisen über die kargen Wände meines neuen Zuhauses. Bevor der Clown aus dem Hof mit seiner dicken Träne auf Zehenspitzen in mein Zimmer reinkriecht, sehe ich weiß.

Auf Ski jage ich die bosnischen Berge herunter. Mit Tito und Vucko. In einer ungeheuren Geschwindigkeit fahren sie an mir vorbei. Der Schwabe und der Sultan folgen meinen Helden. Mit Kalaschnikows auf dem Rücken. Ganz hinten sehe ich auf wackeligen Beinen in Hochwasser-Hosen die bärtigen Jungs. Es sei ein Wettbewerb, um die Welt zu retten! höre ich die Donner-Stimme des großen Herrn vom Himmel über mir. Ich erschrecke, will los fahren, sehe wie meine Ski sich verknoten. Ich falle hart auf dem Boden und lande in einer weißen Wolke.

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