„Es ist nie zu spät“ – Outlet in historischen Mauern

Das Foto zeigt eine AltstadtFährt man die kurvenreiche Straße ins Tal von Bad Münstereifel hinab, dann könnte man meinen, in einem gewöhnlichen Städtchen mit historischer Altstadt unterwegs zu sein. Schließlich hat man zuvor Warnschilder passiert, auf denen Kühe zu sehen waren, hat den ein oder anderen Bauernhof hinter sich gelassen und es wäre einem nicht ansatzweise möglich gewesen, die Heuballen auf den Feldern zu zählen. Spätestens unten im Tal wird man stutzig. Denn das Parkleitsystem gibt sich großspurig, gar nicht dörflich, eher großstädtisch. Es leitet den Fahrer auf einen der Parkplätze von A bis D und übermittelt in Leuchtschrift die Anzahl der noch freien Parkplätze. Die kleinstädtische Beschaulichkeit ist vorerst verflogen. Auf den ersten Metern vom Parkplatz Richtung Innenstadt fällt auf, dass sich hier Alt und Neu verschränkt. Man passiert einen weißen Neubau mit Schuh- und Textilgeschäften, der direkt an die Stadtmauer herangebaut wurde. Auf einem der Stadtmauer vorgelagerten, historisch-gemauerten Gebäude prangt in Bahnhofsschildergröße „Gerry Weber“. Wenn auch gepflastert, so hat die Straße keinerlei Stolpersteine. Alles ist sauber, wirkt wie eben erst gefegt, gestrichen und geputzt. Man betritt den Stadtkern durch das Orchheimer Tor, eines von vier mächtigen Stadttoren der vollständig erhaltenen 1,6 Kilometer langen Stadtmauer und Burganlage aus dem 13. Jahrhundert.

Erfolgreiches erstes Jahr
Das Foto zeigt mehrere HäuserAm Wochenende feierte Bad Münstereifel das einjährige Bestehen der Stadt als Outlet-City. Der Begriff Outlet-City bezeichnet für gewöhnlich „auf der grünen Wiese hochgezogene Einkaufsstädte“, die gerne auch mal einen historischen Stadtkern nachbilden. Das Konzept von Bad Münstereifel beschreitet den umgekehrten Weg. Denkmalgeschützte, aber leerstehende Gebäude im von der Wehranlage umschlossenen Stadtkern wurden restauriert und zu Outlet-Stores verwandelt. Die neuen Ladelokale sind so angeordnet, dass sie sich mit dem alteingesessenen Einzelhandel verknüpfen. Der Einkaufsbummel verbindet sich mit Urlaubsflair und der Ortsgeschichte. Jeder Laden profitiert vom anderen und alle von der mittelalterlichen Kulisse, die die Outlet-City bundesweit einzigartig macht. Der Puma-Outlet-Store wird vom „Roten Rathaus“ und der Stiftskirche umrahmt. Die Erft schlängelt sich parallel zu den Besucherströmen durch den Ort, vorbei am St. Michel-Gymnasium, Wellensteyn, Apothekenmuseum, Lindt, Camel Active, Entenmarkt, Bitburger Bierhaus und der mittelalterlichen Burg. Für ihr Konzept haben die Investoren nach den ersten zwölf Monaten eine beachtliche Erfolgsbilanz aufzuweisen: eine Million Besucher und eine deutliche Revitalisierung der Stadt. Das Konzept ist aufgegangen. Die anfängliche Kritik ebbt ab. Die Stadt lebt wieder auf.

Das Foto zeigt einen Fluss in einer Stadt mit einem GehwegBeim Schlendern durch die Gassen am Montagnachmittag stellt sich prompt ein Urlaubsgefühl ein. Allerdings jene Stimmung, die einen am Ende der Hauptsaison in Skigebieten oder am Meer beschleicht. Es fühlt sich an, als wäre es möglich, dass ein Teil der Läden demnächst für ein halbes Jahr schließt. Dass dann die Nebensaison beginnt und nur die Läden für den Alltagsbedarf geöffnet bleiben. Kurz gesagt: Man bald wieder unter sich ist. Wahrscheinlich rührt dieser Eindruck daher, dass an diesem Ort organisch Gewachsenes auf städteplanerisch Konzeptuelles trifft. Wie es gerne an saisonabhängigen Urlaubsorten der Fall ist.

Die Shopping-Saison ist jedoch ganzjährig. Deswegen werden das alte und das neue Bad Münstereifel noch mehr zusammenwachsen und sicherlich weiterhin ein Vorzeigeobjekt für stadtplanerischen Mut werden. Denn den braucht es, um eine in den Dornröschenschlaf gefallene Stadt wieder wachzuküssen. Auch Delegationen aus anderen Regionen wurden mittlerweile in Bad Münstereifel gesichtet. Leerstand gibt es fast überall, ein adäquates Mittel ist aber selten zur Hand. Hier hat man es gefunden und Heino, der in Bad Münstereifel lebt und dort ein Café betrieben hat (heute ist darin der Puma Store), hat schon einige Jahre zuvor das Lied zum Zeitenwandel geschrieben: „Mach Dir keine Sorgen, denn Deine Zeit kommt vielleicht schon morgen. Es ist nie zu spät, sei bereit für ein neues Leben.“

Das Foto zeigt ein Torte mit dem Gesicht des Sängers HeinoHeino-Torte zum Abschluss
Wer sich in der Stadt noch ein wenig näher mit Heino beschäftigen möchte, dem sei der Besuch des Heino Cafés im historischen Kurhaus ans Herz gelegt. Man kann sich dort goldene Schallplatten, eine Vitrine mit Musik- und Fernsehpreisen, Fangeschenke und jede Menge Fotos des Schlagersängers ansehen. Der rosafarbene Raum hat allerdings etwas von einem Schrein. Man muss ehrlich sagen, dass man dankbar dafür und froh darüber sein kann, dass dieser Eindruck durch die Heino-Torte wieder etwas ironisch gebrochen wird. Von selbiger, einer Schokocreme-Torte, grinst zum Glück ein auf weiße Schokolade gedruckter Heino.

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