Von Minus zu Plus in Alt-Breinig

Auch der Sturz ist ein Flug. In den Schmerz. Bevor der Phönix aus der Asche, aus dem verbrannten Nichts aufersteht und ins All schießt…

Richard hat seine Reisen nach Ägypten, Iran und Jordanien abgesagt. Nicht wegen Moldawien, „dem falschen Ort“, aus dem er, „als falscher Mann“, im diesem Frühjahr schneller zurück als hin geflogen sei. Nun ist Herbst und Richard denkt an Kairo und die Schneeberge im Iran. Dort habe ihm vor 40 Jahre „das Fernweh gepackt“,  das ihn nun wieder „heimsuche“.

Der Breiniger „Phönix“

SES

Er, der Breiniger Bäckermeister und Konditor, fliegt seit fünf Jahren um die halbe Welt dank des SES – Senioren Experten Service aus Bonn, mit dem er „die Kunst des deutschen Brotbackens“ und „die guten deutschen Rezepte für Gebäck, Kekse und Konfitüre“ den „befreundeten Völkern weltweit“ beibringe.

Vier Mal im Jahr steigt der Breiniger in Flugzeuge und fliegt für drei Wochen nach China, Ukraine, Usbekistan, Tadschikistan, Azerbeidjan, Bulgarien, Mazedonien, Chile, Brasilien, Moldawien oder Madagaskar. Überall warte auf ihn ein Auto, eine Dolmetscherin, eine Wohnung. Er arbeite 4-5 Stunden am Tag und genieße die Aufmerksamkeit und Gastfreundschaft seiner Gastgeber. „Ein Leben wie im Urlaub“, strahlt Richard.

Richard Vinken, Breiniger Bäcker, unterwegs für „SES“ in der Welt

Sein Auftragsgeber hatte ihn in diesem Frühjahr nach Kischinau, in die moldawische Hauptstadt, geschickt. Wie immer habe er auch hier sein Wissen und seine Erfahrung, „herzlich“ wie er sei, ausgepackt. Doch die Erwartungen der dortigen Schokoladenfabrik-Bosse seien höher gewesen. Mit Breiniger Pralinenrezepten konnten die moldawischen Chefs in der Hauptstadt wenig anfangen. So sei Richard zum ersten Mal ohne den Auftrag zu erfüllen, vorzeitig nach Hause entlassen worden. Das schmerze ihn, natürlich. Ausgerechnet in so einem armen Land, habe er, der deutsche Konditor, „einstecken“ müssen.

Viel lieber denkt Richard an China, die vorletzte Reise mit dem „SES“. In dem größten Land der Welt sei er nie alleine gewesen, habe sich nie alleine fühlen müssen. Die zwei Dolmetscherin haben für ihn, den deutschen Bäckermeister, alles organisiert, auf ihn am Flughafen gewartet, ihn täglich mit dem Taxi vom Hotel zur Arbeit und zurück gefahren, übersetzt, und sogar seine Freizeit durchgeplant. Auch in anderen Länder habe er schöne Erfahrungen gesammelt, in Baku sei er zwei Mal gewesen, die Dolmetscherinnen aus Aserbaidschan und der Ukraine habe er als seine Gäste in Breinig empfangen. Doch Madagaskar gehöre zu seinem „Spitzenorten“.

Madagaskar via Paris

„Waaas? Auf Madaaagaskar warst Du auch schon??“ staunt Sebastian, der junge Steinmetz aus Mosbach, der im „Hennecken Naturstein Meisterbetrieb“, bei Richards ersten Nachbarn, arbeitet. Wenn er Richard mit seinem Fahrrad an der Kreuzung kurven sehe, mache er immer eine kleine Pause. Er liebe seine schrägen Geschichten aus allen Herren Ländern.

Richard & Sebastian

Stolz wie Oskar erklärt der Steinmetz die geheimen Zeichen auf einem Stein vor dem Betrieb: „Breinig liege an der weltbekannten Pilgerroute, auf dem Jakobsweg. Pilger aus der ganzen Welt kommen nach Alt-Breinig!“

Und tatsächlich, auf den vier Steinplatten auf dem Boden steht: „Santiago de Compostela -Breinig 2516 km“.

Doch Richard sei ein Glückspilz, beneidet ihn der Steinmetz zwinkernd. Ständig sei er unterwegs: China, Brasilien, Madagaskar… Er selber wisse nicht einmal wo Madagaskar  liege, gibt der Junge zu.

Ich spitze meine Ohren, richte die Antennen, ich weiß es nur ungefähr. Wiki weißt es genau, ich schalte mein Smartphone an:

Madagaskar, die viertgrößte Insel der Welt, genannt auch „achter Kontinent“. Vor 150 Millionen Jahren von Afrika und vor 90 Millionen Jahren vom indischen Subkontinent getrennt. Ehemalige französische Kolonie, heute ein Entwicklungsland. 23, 6 Millionen Einwohner…“, lese ich vor.

 „Club Méditeranée

Die Menschen auf der Insel seien einfach, arm, aber sehr freundlich, sagt Richard. In Madagaskar habe er sein Französisch auffrischen können… Ohne Dolmetscher konnte er seine Gastgeber noch näher kennenlernen. Französisch habe Richard als Austauschschüler dank des Adenauer-De-Gaulle-Freundschaftsvertrags in Paris ein Jahr lang gelernt. Ein Jahr später zog er als gelernter Bäcker nach England, habe in einem Londoner Hotel ebenfalls ein Jahr lang gearbeitet.

Ein Jahr später habe er den „Club Méditeranée“, von dem ein englischer Kollege geschwärmt habe, entdeckt, sich dort vorgestellt und dank seiner guten Englisch- und Französischkenntnisse als Bäcker vier Jahre lang mit dem Spaß-Klub von Ägypten, Iran nach Karibik und Mexiko reisen können.

In Kairo habe er drei Monate in einem Hotel gelebt und die reichen Touristen mit seinen Pralinen verwöhnt. Danach sei er im Iran sechs Monate in den Bergen gewesen, habe gearbeitet und sei Ski gefahren…

„Damals war noch die Schah-Zeit, genau vor 40 Jahren!“ sagt Richard und seine Stirn rollt sich zu einer dicken Falte.

Irgendwann musste das „wahre Leben her“: Heirat, Familie, zwei Kinder. Für die weiten Reisen blieb in Breinig weder Zeit noch Geld übrig. Als selbständiger Bäckermeister habe er hart arbeiten müssen.

Krise als Chance

Doch Richard sei sich sicher gewesen, einmal werde wieder „seine Zeit“ kommen. Zeit für Reisen, fremde Länder, andere Kulturen… Das Fernweh liege in seinen Genen, sagt er. Sein Onkel lebe in Kanada und seine Oma sei auch immer auf Reisen gewesen. Nun sei er, dank SES, und seinem Pleiteladen „wieder an Bord“, sagt er und lacht breit als ob er gerade von seinen größten Erfolg erzählen würde.  Doch nach Ägypten und Iran wolle er nicht mehr, die alte Erinnerungen seien zu schön, um sie zu zerstören.

Ob Richard für seinen Laden schon einen Vermieter gefunden hätte, will der Steinmetz wissen.

„Schwer…“, meint Richard,

Jetzt habe noch einer, der letzte Bäcker im Alt-Breinig auch dicht gemacht.

„Ach, was? Er auch?“, wundert sich Sebastian.

Ja, der alte Mann habe auch keinen Nachfolger gefunden.

Nachmieter gesucht!

Richard, der Alt-Breiniger Bäckermeister, der eine Krise nach der anderen mit einem fröhlichen Gesicht steuert, sehe in jede Krise eine Chance. Er erinnere sich, sagt er, wie sein Vater in den 60er Jahren mit der Bäckerei die Existenz der ganzen Familie sichern konnte. Obwohl damals sieben Bäckereien in Ort gegeben habe, meint er. In den 80ern, als er dann mit seiner Frau den Laden von seinem Vater übernommen hatte, blieben noch drei Bäckereien übrig. Die Umsätze seien immer weiter zurückgegangen. Seine Frau und er hätten es dann mit der Konditorei versucht, hätten ihre eigene Pralinen zubereitet…

Die Bürokratie habe ihnen aber immer neue Steine in die Weg gelegt: Auflagen über Auflagen. Bei immer weniger Kunden und Umsätzen. In Januar dieses Jahres habe er kapituliert.

Nun habe er mehr Zeit für die Reisen, meint er. Für SES arbeite er zwar ehrenamtlich, aber wann hätte er sich sonst die Welt noch mal leisten können?

„Und was sagt Ihre Frau dazu?“ frage ich.

„Ach…“, schmunzelt Richard genüsslich. „Meine Frau freut sich, wenn ich fort bin… sie hat dann ihre Ruhe und freut sich, wenn ich wieder zurück bin“.

Ok, die Reise nach Moldawien, hätte er sich wirklich sparen können, aber er habe ansonsten viel Glück im Leben gehabt und ein paar kleine Steine im Schuh  könne er sportlich einstecken. Existenzielle Ängste habe er nicht.

Die Kinder seien groß, das Haus abbezahlt, seine Frau verdiene jetzt Geld in ihrem eigentlichen Beruf. Als gelernte Bankkauffrau arbeite sie in Aachen bei der Sparkasse. Und er habe auch einen Minijob…

Wartend auf einen Anruf aus Bonn fährt Richard von Breinig in alle Richtungen, ob nach Frankfurt, Köln, Düsseldorf, Amsterdam oder Brüssel. Als Minijober, eine Art Shuttle-Fahrer bringe er die VIP-Reisenden, Aachener Direktoren, Professoren und Ingenieure zu den benachbarten Flughäfen, oder wartet auf sie, wenn sie von ihrer Geschäftsreisen zurück nach Hause kommen.

Wenn Richard für SES wieder fliegt, werde auch er abgeholt. In Peking habe er staunen müssen, eine „ganze weisse Wand voller Namen, die abgeholt werden sollten“, unter ihnen war auch sein Name.

Trauer um Breiniger „Minus“

In Breinig vermisse Richard nun vor allem „Minus“, seinen Schulfreund, der mit diesem Namen früher wegen seiner Körpergroße – klein, schmal – gehänselt worden sei. „Minus“ sei eine „Breiniger Legende“, den die Welt besser als Win Braun, als deutschen Maler kenne. Seine Bilder schmücken Museen und Galerien weit über die Bundesgrenze. Win Braun sei aber „seinem“ Breinig bis zum „letzten Atemzug treu geblieben“, sagt Richard. Leider sei „Minus“ in diesem Februar, kurz bevor die ersten Schneeglöckchen aus der Erde kamen, verstorben.

„Zu früh!“ sagt Richard, wischt sich eine Träne aus den Augen, besteigt sein Rad und fährt los.

Sebastian, der Steinmetz, schaut auf die Uhr, schaltet den Rasenmäher an und rast über die grüne Fläche im Garten des Betriebs, direkt an den Kreuzung. Sein Chef komme in zwei Tagen vom Urlaub zurück, bis dahin müsse alles perfekt aussehen.

Auf der geschlossenen Tür der Bäckerei neben der angeklebten Telefonnummer steht auf einem Zettel:  „Ladenlokal zu vermieten!“

Sofort registriert mich Richards Frau hinter der Glastür. Mit ihr betrete ich ihr und Richards Pleiteladen, ein historisches Schmuckstück: original Fünfziger. Gut erhaltene Glasvitrinen mit Ecken aus Chrom, dreibeinige Tische, Geschirr mit Goldrand.

Eine Spielwiese für Nostalgiker wie mich. In zehn Tagen würde ich Richards Konditorei in eine Hipster-Tante Emma-Erzählstube umwandeln. Mit Kaffee, Pralinen, Musik und erlebten Geschichten wie die von Richard.

Oder die von Helmut, seinem Nachbar. Er sitzt vor seinem Steinhaus auf einer Bank und lässt mit seinem Hund, ein braunes und ein blaues Auge, die Welt an diesem stillen Montag vor sich hin plätschern. Er lächelt freundlich und erzählt seine „Pendler-Geschichten“.

20 Jahre Pendler

Als geborener Breiniger, habe er in Krefeld als leitender Maschinenschlossertechniker 45 Jahre bei Evonik Firma gearbeitet, „einen angesehenen Produzenten von Methacrylaten und anderen Chemiestoffe“.

Helmut, der Breiniger Pendler

Seine Eltern hatten ihm das Haus von 20 Jahren vererbt, deswegen sei er nach Breinig umgezogen und sei die nächsten 20 Jahren zwischen Breinig und Krefeld täglich 200 km gependelt.

Seine erste Ehe sei auch daran zerbrochen. Er habe aber das alte Steinhaus komplett restauriert, ein Teil hinter dem Haus noch nachgebaut und aus dem ehemaligen Kühe-Pferde- und Hühner-Stall ein prächtiges Miethaus ausgebaut. Er, Rentner inzwischen, sei nun komplett versichert und genieße mit seiner zweiten Frau das Leben in Breinig in seinem 180 m2-Traum aus „Stein und Fleiß“. Die Kinder, ihre drei und seine drei, kämen regelmäßig aus der ganzen Welt zu Besuch…

In dem  großen Hinterhof blühen in dem dornigen Busch noch ein paar zarte, letzte Rosen.

Die Straße, so schön wie ruhig, eine historische Augenweide aus Stein, schaut mich an wie ein Exponat.

       
Stein auf Stein. Blaustein. Bruchstein. Gepflegt. Verfugt. Verwittert. Im Retrolook.

Helmut lese zwischen Farben und Fugen der Steines die Geschichte Breinigs:  der graue Stein komme aus dem Steinbruch „Schomet“, der jetzt Andre Hennecken alleine gehöre, dem Chef von Sebastian, der gerne Richards Geschichten hört.

Häuser aus großen Steinstücken seien reiche Häuser gewesen, „je kleiner die Steine, desto ärmer das Haushalt“. Die Häuser aus bräunlichen Steinen, bräunlich wegen des Kupfers, kommen aus  Wahlheim, zwei Orte weiter, seien jüngeren Datums. In den 70er Jahren sei die ganze Straße unter Denkmalschutz gestellt worden, nur zwei Häuser seien neu. Nun wird Breinig wieder neu entdeckt, von den reichen Städtern, die hier ihre Urlaubdomizile sichern wollen.

„Die Preise schießen in den Himmel“, sagt Helmut und streicht sich zufrieden über seinen Bart.

Die Zeit schlägt hier gerade um. Wird umgekrempelt. Überstrichen. Mit der neuen, frischen Bio-Farbe. Die alte, vergangene, vergeht langsam. Am Stock. Wie ein altes Ehepaar, das sich aufeinander stützt, bevor es um die Ecke biegt. Ein verträumtes Gesicht mit einem Pinsel in der Hand streicht vertieft in seine Gedanken ein Fenster. Im Schneckentempo. Vor dem Haus ein kleiner Lkw mit der Aufschrift „Eugeneanny.com. – Lehm, Kalk, Biofarben, Planung, Design!“ Ein Einheimischer scheint sich auf die Restaurierungen der alten Schätze des Ortes spezialisiert zu haben. Zum richtigen Zeitpunkt.

Eugene, der  Bio-Restaurator

„Eugeeeen!“ ruft Sebastian, der Steinmetz mit dem Rasenmäher, hinter einem dunkelhäutigen Mann her, der über die Straße eilt. Der Mann in einem weißem Overall schaut verdutzt.

„Ich bin nicht Eugene! Suchen Sie vielleicht meinen Chef?“ fragt der Mann in gepflegtem Deutsch. Er habe zwar die gleiche Hautfarbe wie Eugene, leicht zu verwechseln, er sei aber Lui.

Dann holt er aus seiner Hosentasche sein Handy, tippt, spricht kurz in den Hörer, französisch, dann kommt aus dem Nachbarhaus ein anderer dunkelhäutiger Mann. Der wahre Eugen, vermute ich.

„Eugeneanny.com. – Lehm, Kalk, Biofarben, Planung, Design!“

Ihm gehöre auch der kleine LKW in Kalkfarbe mit dem Bio-Restaurierung-Aufkleber, erfahre ich. Der Afrikaner, Ende 40, Glatze, fester Händedruck, stellt sich vor:

„Eugene Anny aus Togo!“

Bei ihm scheinen jetzt die neuen, stolzen Steinhäuserbesitzer aus Alt-Breinig Schlange zu stehen. Er könne ihre Träume von Lehm-Wänden, Wand-Heizungen und Bio-Leben verwirklichen wie keiner anderer.

„Wie wird ein Togolese Experte für Alt-Breinig?“ will ich wissen.

„Ach, Liebe…“, meint Eugene schmunzelnd.

Er bringt mich in sein neuestes Werk: ein Haus „Anno 1787“, ein altes, niedriges Steinhaus, das er gerade grundsaniert:

„Biologisch“.

Der Erdgeschoss, ein offener Raum, die Wände mit Kalk geweißt, Wandheizung unter Putz, mit Lehm verkleidet. Das Bad in Betonfarben, geräumig, noch ohne Sanitäranlagen. Am Fenster steht der um zwei Köpfe größer Mann mit dem Pinsel in der Hand, das Gesicht erkenne ich sofort. Der Rumäne spreche leider kein Deutsch, dafür könne er mit perfekt mit Farben umgehen, meint sein Chef, Eugene aus Togo.

Der Afrikaner tritt auf die erste Stufe der alten Holztreppe, sie quietscht und führt in die erste Etage. Der Boden aus altem Holz ist frisch geschliffen, glänzt, die Wände mit Lehm und Kalk veredelt, riechen nach Bio.

Eugene arbeite seit einem dreiviertel Jahr an diesem Haus, sagt er. Lui, sein Assistent aus Gabun, der schönes Deutsch und perfektes Französisch spricht, und der Rumäne, der kein Wort Deutsch sagt, unterstützen ihn. Eugene beschäftige fünf Arbeiter und arbeite „bundesweit,“ auch in Holland, Belgien, Luxemburg.

Lehm & Kalk als Heilmittel

Ich will wissen, wie er dazu gekommen ist, mit Bio-Stoffen alte Häuser zu sanieren.

„Dank meiner Arthritis und dem Asthma!“ meint Eugene, schmunzelt, macht eine kleine Pause, genießt meine Verwirrung und erzählt dann sein Drama, das zu seinem Glück wurde:

Er habe jahrelang schlimmste Allergien gehabt, Arthritis, Asthma… eine „Hand voll  Tabletten täglich geschluckt, sei ein Wrack gewesen… aber seit er mit Lehm und Kalk arbeite, sei er geheilt, wieder fit und verdiene gutes Geld.

„Wie kam es dazu?“, frage ich noch mal.

Er habe seinen neuen „Bio-Beruf“ tatsächlich aus Not ergriffen. Seinen eigentlichen Beruf, Lackierer, habe er in den 90ern gelernt und als erster Schwarzer in Deutschland darin die Meisterprüfung abgelegt. Er habe damit zwar gutes Geld verdient, sei aber immer kränker geworden. Alle möglichen Krankheiten hätten ihn heimgesucht: Hautausschläge, Allergien, Arthritis, Asthma…. Ohne die „Masse an Tabletten“ hätte er keinen Tag überstehen können.

Doch wenn er einige Wochen in seiner Heimat Togo verbrachte, verschwanden alle seine Schwierigkeiten. Sobald er aber in Deutschland war und als selbständiger Lackierer einen neuen Auftrag bekam, brachen seine Krankheiten wieder aus. Er ließ sich testen und die Diagnose war deutlich: er war auf alle Stoffe, die er jahrelang in seinem Beruf verwendet hatte, allergisch. Also wurde ihm empfohlen, sein Beruf sofort an den Nagel zu hängen.

Afrika-Art

Eugen sei ratlos gewesen, und fing an, aus Verzweiflung und um sich abzulenken, sein Haus in Alt-Breinig umzubauen. Er baute mit Lehm und Kalk so wie es bei ihm zu Hause in Togo üblich ist. Seine Krankheiten beruhigten sich. Dann klickte es in seinem Kopf.

Das restaurierte Haus, Anno 1787, Eugenes Werk

Vielleicht könne er auch andere Häuser mit Lehm, Kalk und Biofarben umbauen, das zu seinem neuen Beruf machen und damit eine neue Karriere starten, überlegte er.

Der Togolese ließ sich in Luxemburg weiterbilden und spezialisierte sich auf Restaurierungen und Umbauten mit Lehm und Kalk und startete erfolgreich sein Unternehmen.

Nun sei er wieder völlig gesund, lebe ohne Tabletten und „mache viele Menschen glücklich“. Und sich selbst auch.

Neulich habe ihn die Polizei angehalten.

Erleichtert sei er gewesen, als der Polizist von ihm wissen wollte, ob er, auch dessen Haus renovieren könne, „so mit Lehm, Kalk und Co“, habe ihn der Polizist gefragt. Natürlich konnte er. Dem Polizisten sei wohl sein kleiner LKW mit dem Firmenaufkleber aufgefallen.

Eugene strahlt zufrieden. Ja, ihm gehe es gut, sagt er auf dem Dachboden, einem großzügigen, offenen, hohen Raum, der nun aus zwei Etagen besteht.

Er habe viele seiner eigenen Ideen hier umsetzen können.

Auf seiner Homepage stehe noch mehr, sagt er und drückt mir seine Visitenkarte in die Hand. In einem Monat habe er wieder Zeit. Morgen fahre er mit seiner schönen Frau, einer Deutschen, in den Urlaub nach Afrika ….

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