Hansestadt ohne Hafen

Hoekerfest

Angekommen in Herford, wollte ich natürlich gleich meine neue Heimat erkunden und stromerte gen Innenstadt, nur um mich prompt in der „fünften Jahreszeit“ dieser Stadt, einem lebenslustigen Bürgerfest und dem dementsprechend großen Menschentrubel wieder zu finden.

Auf dem Gänsemarkt blieb ich erst einmal stehen. Die beste Begrüßung, die man erwarten konnte: Der Shanty Chor der Hansestadt Herford stand da auf der Bühne und sang:  „An de Eck steiht ’n Jung mit’n Tüddelband, in de anner Hand ‚Bodderbrot mit Kees, […] ischa ’n Klacks för ’n Hamborger Jung.“

Um die Ecke gab es sogar Fischbrötchen. Wäre ich nicht erst seit kurzer Zeit Hamburgerin, ich hätte mich zu Hause gefühlt.

Deshalb das erste kleine Stück meines Ostwestfalen-Mosaiks:

5x5cmGänsemarkt
 

Über den Kopfsteinpflasterlabyrinthen
liegt Flammkuchengeruch in der Luft
und enthemmtes Lachen,
die schillerndbunten Bänder
neben den Wappen des Maibaums
erinnern an kleine Drachen,
wenn der Wind sich mit der Sonne bricht,
das auf dem Marktplatz schlendert.
An den Rändern, in den Gassen
verkauft ein Kind
eine gefühlt ganze Garnison,
nein, eine Arche Noah
an Schleichtiersortiment.
Sonnenschirmgeflatter und Blätterdachgeraschel.
Eine englische Telefonzelle
schmiegt sich an einen Baum;
eine Bratwurst platzt im Mundwinkel
zwischen grauen Spitzbartbarten
und freut sich über den Senf,
den sie dazu geben darf.
Allgemeines Zumwohlsein,
denn Riesling ist Riesling
ist Unsinn, sagt ein Schild.

Und das ist erst der Anfang, der Beginn
nicht nur eines Abends, eines Erfahrens,
einer Zeit der Anwesenheit,
eines Kulturflanierens und Erfassens
inmitten Städten und Wiesen,
neben Flüssen und Bahntrassen,
zwischen Erleben und daraus Sinn schaffen.

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