Nacht, eine;

Man kann sehr gut in Herford der Nacht lauschen und dabei etwas umherflanieren. Auf dem Weg begegnete mir diese Baumrinde und wollte Gemälde werden. Nacht eben.

 

 

Die Mondfinsternis
stimmt für mich Debussy oder Satie an,
kleine Winkel unter Laternenpfeilern.
Ein Schritt wird Melodie und Epiphanie
eines Eroberns der wehenden Bäume
der wartenden Träume;
sie loten eine Kathedrale aus,
Wolken und Zerrstellen.

Ich lausche den Schatten,
die leuchtend vorbei schleichen,
zu Geplätscher, Singsang
und Streicher erwachen.

Man spielt mit jedem Schritt Klavier,
hier ist die Nacht so still,
man braucht geflüsterte Musik
oder gebügelte Ohren,
um den Mond aufzuhalten.

Ein Scheinwerfer zerschneidet die Nachtruhe.
Manchmal vertue ich mich,
mit dem Dunkel im Halbton
liegen die Laternen
;
doch es sind nur
ungeölte Scharniere,
die uns nach Hause berufen.

Mehr von Theresa Hahl

Schaufenster in ein neues Morgen

Gerade gelingt es mir nur sporadisch, alles an Eindrücken zu verwerkeln, denn es ist wirklich viel zu verarbeiten. Meine Poetenseele liebt die ganzen Erfahrungen, es braucht nur etwas Zeit, um wirklich alles zu verwirklichen, was da in meinem Kopf entlangspaziert.

Vor Kurzem habe ich einer Führung (Schaufenster Route OWL 4.0) durch verschiedene Betriebe beigewohnt und war erstaunt, verwundert und etwas perplex, da sich mir unerforschte Welten preisgegeben haben, wie zum Beispiel die Herstellung von Trennverstärkern, individuell online konfigurierbar, Elektrofuhrparks betrieben mit Photovoltaik, Innovationszentrum für Elektromobilität, roboterbetriebene und gutisolierte Zukunftsbetriebe, die alles daran setzen, diese Welt etwas grüner zu gestalten. Der Zeitplan war recht strikt und ich habe versucht, so gut es ging alles in mich aufzunehmen, was da zwischen Maschinenlärm und Busrundfahrt auf mich einprasselte.

Ein großer Dank geht raus an den Dörentrupper Elektrofuhrpark, Weidmüller und Phoenix Contact, ebenso an Herbert Weber, Astrid Kleinkönig, Stefanie Kramer.

 

 

 

 

 

„Träume groß und traue dich zu scheitern“

Ich sprach heute mit einem Mann,
Fasern aus Gleitsicht-gegläster Oberflächlichkeit,
ein Investor in allen möglichen Dingen, ich weiß nicht,
ob ich ihm zu nahe kam, als ich ihn nach Nachhaltigkeit fragte;
aber war da schon der neue Piepton der Entmündigung,
der Verkündigung eines Weitergehens?

Ich sehe durchaus den Sinn darin,
ökonomisch, provisorisch, investorisch zu denken,
für ein kleines Individuum beizeiten auch logisch,
doch träumt ein freier Geist schon immer utopisch
sich ein in Veränderlichkeit,
in das, was verweilt und letztendlich auch bleibt.
Ein Schaufenster in ein neues Morgen.

Sehen wir einmal aus
dem modellierten PuppenhausSchaufenster
unserer Archillesversen des Lobbyismus heraus,
in die wirkliche Zukunft freigedachter Konzeption,
denn wir haben gute Ansätze, wir vertrauen,
dass die geregelten Gesetze nachziehen,
dass es weniger Verschwendung
mehr Verwendung zukunftsträchtiger Mittel geben wird.

Eine Windmühle erzählte mir einst
leise eine kleine weise Waise,
dass wenn der Mensch die Windmahlkraft
und auch die Sonnenwärme durch Arroganz vergisst,
wird er sich etwas bauen, es wird ihm beigebracht,
was nur ein Außmaß an Trauern bei einem Reaktorunglück
wohl in Nebentätigkeiten gern vergisst.
Entschuldigung, leider bin ich keiner von den -oren (Koordinatoren, Multiplikatoren, Sponsoren, Investoren,…) dafür habe ich ganz gute Augen und Ohren
Hiermit wird dieses Gedicht digitalisiert.

Für weiteres
*Umbürgern von Rotmilanen*
können wir später noch weiter verfahren und Pläne aufstellen

was mich enerviert und diese Stolperpfeiler graviert
sind so einfache Lüc _k_ en im Verständnis
der Verantwortung hochbetuchter Menschen in ihren Elfenbeintürmen.

Lassen wir uns diese doch zu Windrädern machen
oder zu Solarmaschinen.
Wir glauben an das Gelingen,
es gibt unter uns nämlich schon einige,
die sich verdingen,
ihr Wort zu halten,
nicht nur darauf warten,
bis die Chancen verhallten,
die einstmals gegeben waren.

Das Schaufenster ist direkt vor der Tür.
Lass dir den Anblick auf den Pupillen zergehen.
Vielleicht prickelt etwas auf deinen Augäpfeln.
Vielleicht verbindet sich ja gerade ein Gehirn
mit der Welt und lässt dich umdenken.
Vielleicht versteht irgendetwas in dir gerade,
dass diese Welt nur weiterbesteht,
wenn es keine Unterschiede
sondern mehr Aufmerksamkeit gibt.

Wir sprengen heute einfach den Rahmen
und lassen uns ein neues Fenster bauen,
in das Windräder passen,
wie Winkekatzen in Schaufenstern,
das sich verdingt,
nachhaltige Möglichkeiten zu schaffen,
zu erschaffen, um kurzsichtige Umsetzung
hinter uns zu lassen,
die Veränderung Wahrhaftigkeit zu machen.

Ich mag diesen Ausblick sehr.

Mehr von Theresa Hahl

Was wäre die Werre, wenn sie nicht Werre wäre…

Poetischer Spaziergang nach Bad Salzuflen

Das zweite kleine Mosaikstück OWL entstand aus den schönen Miniaturszenarien, die ich während einem 8,ookm langem Spaziergang nach Bad Salzuflen an den Ufern der Werre gesammelt habe. Wahrscheinlich habe ich gut eine Stunde länger gebraucht als der sportliche Nordicwalkingstäbchenschwinger, um immer wieder anzuhalten und Eindrücke aufzuschreiben.

Aber es war schon lustig, als ein Gärtnereiwagen vor mir auf dem Fahrradweg an der Werre hielt, während ich gerade in der Hocke mit einem Stück Papier und einem Bleistift herumfrickelte. Nachdem ich aufstand und dann erst merkte, dass ich wohl im Weg war, trat ich natürlich ein Stück an den Wegesrand. Beim Vorbeifahren kurbelte sich das Seitenfenster herunter und ich nahm ganz perplex ein High-Five entgegen. Danke!

Ich fand den Werbeslogan der Herforder Brauerei am Bahnhof so lustig, dass er gleich als Beginn meines Gedichtes dienen durfte.

Als kleines Puzzlestück: ein bisschen Impressionismus am Werreufer (5x5cm):

Das „Westfälische Begrüßungskomitee“
heißt die Werre breit und lang
in ihrem eingedämmten Gang
willkommen:
Stufensteine schlagen plätschernd
Blasen in das einherdümpelnde Blau.
Begradigtes Kalkül,
wäre zu hart zu sagen,
zu solch sanftmütigem Wasser.
Nicht einmal ein Papier-
oder ein Walnussschalenkahn
könnte hier hanseatische Seenot erleiden.
Das befinden auch
die schlummernden Marienkäfer
der Uferalleebänke
und verweilen wohlgesonnen
im Halbschatten.

Am Wehr sieht das natürlich anders aus:
In langen Wasserfäden
macht der Fluss hier einen Sprung
und treppt in breiten Rollbändern bergab,
wie ein wassergewordenes Kassenband
auf dem Weg zur Abfertigung.
Eine Weide lächelt heimlich
über diese ganze Aufregung
und ein Enterich träumt,
er wäre ein Pirat.
Auf einem Schild steht in gelbschwarz
„Achtung Wehr. Lebensgefahr!“

An manchen Stellen liegen Bootsstege,
wie Zungen der gutbetuchten Villen,
brach am Ufer,
doch wird ihnen missgönnt,
so ausgetrocknet, wie sie sind,
in den Fluss zu tauchen.
Ein Wasserhuhn bequäkt die Ungerechtigkeit darin.
Ein Rasenmäher gibt sich gleichgültig rasselnd
hinter Heckenpalisaden verwunschener Ferne
und das Schilf nickt windversehen ein.

Die Werre silbert weiter vor sich hin
in kleinen Rillen Licht,
in kleinen Wellen Hoffnung
auf ein großes Meer.
Doch nur ein Rentnerpärchen
schiebt zwei kugelrunde Kuchenbäuche
drahteselquietschend am Quentinufer vor sich her.

Langfingrig greifen Algen nach dem Wasserlauf,
ob sie ihn aufzuhalten mögen?
Zwei Angler ufern sich im Sonnen,
auch anstehende Kanutenkollisionen
im Flussmittel der Werre
können sie nicht stören.
Ein Fisch beißt an,
ein Mann jault auf,
als sein Dackel
einmal die Festigkeit der Wade
seines Herrschens ausprobieren will.
Dann bleibt es still.

Aber die Werre interessiert das wenig,
sie fließt blaugrüngolden und auch stetig
wie ein Uhrwerk gemäß ihrer eigenen Façon,
als eigenwillig kleiner Strom,
der gerne Kanus und auch Kajaks,
schnurstracks oder gemächlich halbtags,
aufnimmt in die kleine Wasserwelt,
in Wellen kecker Zwergenwildbachstromschnellen,
in der kleine Drachen fliegen, getarnt nur als Libellen; 
die so idyllisch veränderlich und etwas frech,
dahinplätschert und keinem einzigen Betrachter
einen Seufzer in den Lungen lässt.

Mehr von Theresa Hahl

Hansestadt ohne Hafen

Hoekerfest

Angekommen in Herford, wollte ich natürlich gleich meine neue Heimat erkunden und stromerte gen Innenstadt, nur um mich prompt in der „fünften Jahreszeit“ dieser Stadt, einem lebenslustigen Bürgerfest und dem dementsprechend großen Menschentrubel wieder zu finden.

Auf dem Gänsemarkt blieb ich erst einmal stehen. Die beste Begrüßung, die man erwarten konnte: Der Shanty Chor der Hansestadt Herford stand da auf der Bühne und sang:  „An de Eck steiht ’n Jung mit’n Tüddelband, in de anner Hand ‚Bodderbrot mit Kees, […] ischa ’n Klacks för ’n Hamborger Jung.“

Um die Ecke gab es sogar Fischbrötchen. Wäre ich nicht erst seit kurzer Zeit Hamburgerin, ich hätte mich zu Hause gefühlt.

Deshalb das erste kleine Stück meines Ostwestfalen-Mosaiks:

5x5cmGänsemarkt
 

Über den Kopfsteinpflasterlabyrinthen
liegt Flammkuchengeruch in der Luft
und enthemmtes Lachen,
die schillerndbunten Bänder
neben den Wappen des Maibaums
erinnern an kleine Drachen,
wenn der Wind sich mit der Sonne bricht,
das auf dem Marktplatz schlendert.
An den Rändern, in den Gassen
verkauft ein Kind
eine gefühlt ganze Garnison,
nein, eine Arche Noah
an Schleichtiersortiment.
Sonnenschirmgeflatter und Blätterdachgeraschel.
Eine englische Telefonzelle
schmiegt sich an einen Baum;
eine Bratwurst platzt im Mundwinkel
zwischen grauen Spitzbartbarten
und freut sich über den Senf,
den sie dazu geben darf.
Allgemeines Zumwohlsein,
denn Riesling ist Riesling
ist Unsinn, sagt ein Schild.

Und das ist erst der Anfang, der Beginn
nicht nur eines Abends, eines Erfahrens,
einer Zeit der Anwesenheit,
eines Kulturflanierens und Erfassens
inmitten Städten und Wiesen,
neben Flüssen und Bahntrassen,
zwischen Erleben und daraus Sinn schaffen.

Mehr von Theresa Hahl