18:32 Uhr, Herne Hauptstraße

Ein unscheinbarer Waschsalon an der Hauptstraße in Wanne-Süd. Mit dem Rücken zum Schaufenster stehen blaue Kinosessel, zwei Männer sitzen darin. Sie schauen auf die Wand vor ihnen, ein weiterer Mann steht gebeugt vor einer Waschtrommel, rechts von ihm rattert es, der Schleudergang beginnt. Auf dem Fenster halb über den sitzenden Männern klebt das Foto einer Frau, die aussieht wie Lara Croft, die Heldin aus „Tomb Raider“. Durch ihre runden Brillengläser scheint sie den Betrachter zu fixieren, die Waffen gezückt, dabei breitbeinig – Ausfallschritt. Zwischen ihren Beinen steht ein gefüllter Wäschekorb, und daneben der Spruch: „Hier wa(s)che ich!“ 18:33 Uhr


>Frauenbilder, Männerbilder<

Anreiz zum Wäschewaschen? ©mhu
Anreiz zum Wäschewaschen? ©mhu
Je länger ich im Ruhrgebiet unterwegs bin, desto häufiger fallen mir Bilder und Verhaltensweisen auf, die durch Stereotype geprägt sind – und die immer etwas mit dem biologischen Geschlecht zu tun haben bzw. prinzipiell von nur zwei Geschlechtern ausgehen. Nicht nur in der Werbung, sondern auch im Alltag dominiert das Bild der Frau als Vamp, die – überspitzt ausgedrückt – dem malochenden respektive biertrinkenden Mann die Hölle heiß macht (siehe etwa Bang Boom Bang). Sozialhistorisch betrachtet könnte man das Thema bei der für den Pott so signifikanten Arbeitskultur ansiedeln. Weitergehend ließe sich die daraus entwickelte Sprache analysieren, der grobe Ton, das verbale Behaupten zwischen Frau und Mann. Und: Das derzeitige Auftreten in der Öffentlichkeit. Etwa die homogenen Mädchen- und Jungsgruppen an den Wochenenden und in den Abendstunden, die durch die Städte ziehen. Junge Frauen, die sich gegenseitig in der Stadtbahn schminken. Junge Männer, die bestimmte Choreographien ausführend, sich tänzelnd durch die Innenstadt bewegen. Und dann gibt es noch die älteren Generationen, die in Kneipen traditionelle Paarungsrituale imitieren. Usw.
:::
Umso erleichternder zu wissen, dass es hier im Pott auch Zusammenschlüsse von Menschen gibt, die aktiv Rollenbilder hinterfragen, aufbrechen, neu deuten. Wie etwa die wunderbaren Blogger*innen von Feminismus im Pott.

 

Mehr von Melanie Huber

18:58 Uhr, Volkssternwarte Herne

Auf dem Hof der Volkssternwarte Herne verbleichen rund die 12, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11.  In der Mitte des Kreises befindet sich eine Skala, ein Mann orientiert sich an ihr. Mit der Sonne im Rücken richtet er sich und seinen Schatten aus. „Es müsste jetzt kurz vor 7 sein“, sagt er nach einem kurzen Blick über die Schulter. Es ist 18:58 Uhr. Die Türen und die Luke der Beobachtungskuppel der Sternwarte stehen offen. Aus der Kuppel ragen das Ende einer Leiter und ein Kopf hervor, ein anderer geht mit einem Rechen voll mit Grünabfällen über den Hof. Ein weiterer beugt sich im Hof über ein Teleskop, sagt plötzlich: „Ah, da! Ein Sonnenfleck. Und was für einer!“ Dann wird der Himmel milchig und ein neues Beobachtungsobjekt gesucht. Der Mann mit der Uhrzeit wird auf der Spitze des Schornsteins eines stillgelegten Kohlekraftwerks unweit der Sternwarte fündig. Ein Wanderfalke sitzt auf einem Metallgerüst. Er ist mit dem Teleskop zu sehen, mit dem zuvor der Sonnenfleck entdeckt wurde. Der Falke steht auf dem Kopf, der Falke schreit. „Wir hatten auch schon einen, der ist von Astronomie auf Ornithologie gekommen. Hatte halt mehr Vögel beobachten können als Sterne und Himmelskörper“, sagt der Sonnenuhr-Mann. Um heute noch Himmelskörper sehen zu können, müsste man sich ins Planetarium setzen. Das geht dann auch. Und am Ende, am Ende hat man Sterne in den Augen. 19:45 Uhr



>Willkommen auf dem Mond: Wanne-Eickel<

Begrüßung am Bahnhof Wanne-Eickel. Wenn man nicht über Lokalgeschichtswissen verfügt, kommt man sich ein bisschen veräppelt vor. ©mhu
Begrüßung am Bahnhof Wanne-Eickel. Wenn man nicht über Lokalgeschichtswissen verfügt, kommt man sich mitunter ein bisschen veräppelt vor. ©mhu
Es gibt diesen Schlager. „Der Mond von Wanne-Eickel“ aus dem Jahr 1962 von Friedel Hensch. Die seit 1975 etwas widerwillig zu Herne gehörende, ehemalige Großstadt identifiziert sich so sehr mit diesem Tango, dass sie nicht nur Besitzerin eines 2131 Hektar großen Grundstückes auf dem Mond ist, sondern auch jede*n Besucher*in am Bahnhof und in der Innenstadt mit dem Schild „Willkommen auf dem Mond“ begrüßt. Ein Volkstheater mit dem Namen „Mondpalast“ komplementiert die Mond-Kampagne.

Volkssternwarte im Dorneburger Park

Dass in Wanne-Süd seit 1991 die Volkssternwarte Herne angesiedelt ist, passt da gut ins Bild. Die vom Verein „Astronomische Arbeitsgemeinschaft Wanne-Eickel/Herne“ ehrenamtlich betriebene Sternwarte lädt unter anderem jeden Montag ab 18:30 Uhr Interessierte zu Beobachtungsabenden ein. Beobachtet wird alles, was Himmel und Wetterlage hergeben – in den Wintermonaten ist dafür die passende Saison. Bei meinem Besuch konnte ich Sonnenflecken, die Aura der Sonne, Baumkronenblätter und den Wanderfalken betrachten. Nur der Mond, der sich an dem Tag eigentlich zur Partiellen Mondfinsternis zeigen sollte, war nicht zu sehen.

Mehr von Melanie Huber