11:35 Uhr, Dortmund Kreuzviertel

Bunte Ballons weisen den Weg zu den Innenhöfen. Ins Augen springen sie einem nicht, man muss sie schon suchen. Unterschiedliche Gruppen treffen auf den Gehwegen aufeinander – sie erkennen sich an dem Flyer, der die Standorte der Hofflohmärkte in Punkten angibt. Es wird Hofflohmarkt-Wissen ausgetauscht: „Also, da vorne, da verpassen Sie nix.“

Auffällig sind die Kinder. Mit ihren eigenen kleinen Ständen, auf denen Spielzeug und Bücher sorgsam gestapelt sind, sitzen sie auf Campingstühlen oder auf dem Boden, haben die Hand unterm Kinn oder am Mund und schauen bei jedem neuen Hinterhof-Besucher erwartungsfroh auf. Ein Junge in einem Hof in der Nähe der Möllerbrücke putzt seinen Mini-Trekker. Der Dreck wird nicht verschwinden, er ist reingewachsen in das Plastik, aber der Junge putzt kräftig.

Ein anderer trägt eine schwarz-rot-goldene Vuvuzuela durchs Viertel. Der Klang der Vuvuzuela ist heiser bis trocken, von Kneipengängern an der Essener Straße erntet der Junge belustigte Blicke. Ein weiterer sitzt mit einem Roboter, den er in ein Einkaufskörbchen gestellt hat, auf Pflastersteinen und ruft jemanden auf der anderen Seite des großen Innenhofes etwas zu. Es wird geantwortet, aber ein Gesicht ist nicht zu sehen.

In einem Hof wird über die bevorstehenden Sommerferien gesprochen. Die Erwachsenen sitzen nebeneinander hinter ihren Verkaufstischen und tauschen Reise-Tipps aus. „Da ist es familienfreundlich. Jetzt kein Highlight, aber wär ja dann auch anstrengend, so mit drei Kindern.“ Eine sagt: „Wir fahren dieses Jahr nicht nach Schweden. Wir fahren höchstens nach Essen.“ Und kurz darauf: „Ich war nicht ein einziges Mal am Phoenixsee. Erst mal gefällt mir die Bauweise nicht und dann weiß ich ja, wer da wohnt: nur Leute mit Knete.“

An einem anderen Stand werden Anekdoten erzählt. Das Thema ist nicht herauszuhören, aber eine Frau redet sich in Rage: „Alter, Alter. Das kann sich keiner vorstellen.“ – Pause – „Alter.“ – Pause – „Ich schwör‘!“ Es wird nicht klar, ob sie es ironisch meint oder nicht. Niemand lacht.

An der Liebigstraße wird verhandelt. Im Vorbeigehen ist die Verkäuferin zu hören: „Also, bei eBay zahlen’se mehr. Das hab ich natürlich recherchiert.“

In einer Einfahrt wird einem Kleinkind, das in einem Kinderwagen liegt, die Windel gewechselt. Mutter und Vater sind geübt und beflissen, die volle Windel wird erst einmal auf den Boden gelegt. Hinter ihnen spielt ein Junge im Hof, er wirft einen Ball in die Höhe und schaut, ob er auf anwesende Besucher fällt.

Im Innenhof der Kurze Straße verkauft ein Künstlerpaar Götterspeise, Kir Royal und Kunst zum Selbermachen. Aus einem selbstgebauten Kunst-o-maten kann man sich eine Kunstkugel ziehen. Darin: ein Pfeifenreiniger, zwei Augen, Lametta und eine Stoffkugel. „Wenn man mal in der Kneipe sitzt und sich langweilt“, sagt die Künstlerin. Und: „Wir suchen noch Mitstreiter.“ Sie verteilt Visitenkarten, dann öffnet sie mehrere Flaschen Farbe und ein Junge setzt sich mit einem Pinsel auf ein weißes Leintuch. 14:27 Uhr


>Das Kreuzviertel<
Ganz romantisch: Das Kreuzviertel ist ein Gründerzeit-Viertel. ©mhu
Ganz romantisch: Das Kreuzviertel ist ein Gründerzeit-Viertel. ©mhu
Leben wollen sie alle im Kreuzviertel. Es ist das Dortmunder In-Viertel der vergangenen Jahre. Bereits zu D-Mark-Zeiten wurde ein Wandel in der Wohnkultur vermerkt. Die Studierenden von einst haben mittlerweile Familien gegründet, das Viertel ist kinderruhig und hundesauber. Die FH-Studierenden sitzen in den Restaurants und Kneipen rund um die Fachhochschule und Bäume wachsen viel und hoch. Das Kreuzviertel verdankt seinen Namen der Heilig-Kreuz-Kirche, innerhalb der Gemeindegrenze situiert sich auch das Viertel. Ein Besuch lohnt sich immer – nicht nur der Cafés, Kneipen und Läden wegen, sondern auch wegen des Literaturhauses, das dort ebenfalls ansässig ist.

Der nächste Hofflohmarkt in Dortmund wird am 2. September im Bezirk Kaiserbrunnen veranstaltet.

Mehr von Melanie Huber