Das Gespräch

„Okay, okay, pass auf. Als wir raus sind. Was glaubst du, was die wollten?“

„Ne. Ne! Ich will‘s nicht wissen, oder?“

„Die Küche.“ 

„Hä?“

„Die wollten die Küche.“ 

„Was haben die die Küche zu wollen?“

„Na, zahlen sollten wir die. Das haben sie gesagt. Die haben gesagt, wenn wir keine neue Küche einbauen …“

„Dann?“

„Dann nix mit Kaution. Und verklagen auch noch. Und Gedöns.“

„Gedöns!“

„Und dass da immer mit Küche ist. Das ist ja nicht umsonst so. Weil, weißte Bescheid. Ich sag nur: Mietpreisbremse. Da sind das Füchse! Wenn du mal den Klempner brauchst? Du wartest Monate. Aber bei solchen Sachen, da sind sie fix!“

„Ist ein Skandal. Und was habt ihr gemacht?“

„Hör mal. Du kennst unsere Küchen.“ 

„Ich wollt grad sagen: Ist doch im ganzen Haus dasselbe Ding.“

„Eben, ich muss dir nichts erzählen. Einbauküche. Billigstes Zeug. Sechziger Jahre. Fiel praktisch schon auseinander, als wir eingezogen sind. Und wir haben da immerhin zwölf Jahre gewohnt.“

„Wir sind erst elf drin.“

„Seht zu, dass ihr rauskommt. Weil, eins kann ich dir sagen: Wir haben unsere gepflegt. Was glaubst du! Jede Schranktür in dem Teil hab ich einmal neu verschraubt. Und zwar mindestens. Und vor dem Auszug sind wir nochmal drüber mit der Politur. Blitz und blank war das. Der ganze Laden. Besser in Schuss, als wir den gekriegt haben.“

„Da wird dir anders.“

„Das kann ich dir flüstern, mein Lieber. Ich mein, ich fang ja gar nicht erst von den Rohren an. Die Rohre, das hattet ihr doch auch?“

„Das will ich auch nicht wissen, oder?“

„Die sind uralt! Ich hab nen Kumpel von nem Kumpel. Der kennt sich aus, der hat sich das mal angeschaut. Und halt dich fest: So alte Rohre, das ist sogar illegal.“

„Ne. Ne!“

„Wenn ich‘s dir sage. Da kannste ne Bleivergiftung kriegen von. Hilft nur eins, Wand aufmachen und raus damit. Im ganzen Gebäude. Und dann gib ihm, Sanierung und alles. Das hab ich auch sofort gemeldet. Aber glaubst du, da ist jemals irgendwas passiert?“

„Hör ich zum ersten Mal.“

„Sag ich ja. Das sind Verbrecher. Was hab ich mich bucklig geschleppt mit den Wasserkästen. Ich mein, das trinken ja sonst meine Kinder, das Zeug. Das war der Anfang vom Ende.“

„Glaub ich gern. Glaub ich gern.“ 

„Nicht glauben sollst du, machen! Macht euch weg da, sofort. Das ist doch alles nur vom Eisberg die Spitze. Und jedes Jahr haben die noch ihre Erhöhung durchgepeitscht!“

„Mit der Miete?“

„Ja, aber hallo, mit der Miete! Das Maximum raus, gnadenlos. Wahrscheinlich hättest du die in Grund und Boden klagen können, aber ne, ich tu mir das nicht an. Ich bin einfach nur froh, dass wir weg sind.“

„Krass.“

„Bei euch nicht?“

„Was?“

„Na, Mieterhöhung?“

„Das? Nicht so direkt.“

„Nicht direkt? Was redest du!“

„Ich zahle noch den Einzugspreis.“

„Jetzt komm. Hast du auf Harzer gemacht, bei denen?“

„Ne. Ich hab mir mal einen geschnappt.“

„Du siehst mich sprachlos.“

„Und dann war Ruhe.“

„Was hast du denn mit dem gemacht?“

„Naja, du kennst mich.“

„Ich glaube nicht!“

„Wir hatten ein Gespräch gehabt.“

„Mein lieber Mann.“

„Nur ein kleines. Aber wo ich das jetzt mit den Rohren höre?“

„Vielleicht habt ihr ja bald noch eins.“

Mehr von Tilman Strasser

Soziologie der Mahlzeit in Südwestfalen

Eine Einführung

 

Schlausmen, sagt man im lokaken Platt zu Mahlzeit, oder Festmahl. Es gehörte zu der Geheimsprache der Sauerländer, die Handel mit der Grafschaft Mark trieben. Sie waren es, die Holz- und Eisenwaren vertrieben. Das lese ich in Grimmes Erzählung zur Eröffnung der Eisenbahn in Südwestfalen von 1871.

Bei der Eisenbahn, da ist die ganze Region  aus dem Häuschen!

Endlich ist die Region über Eisen, was ja bei ihnen gewonnen und hergestellt wird, mit der Welt, mit Berlin und Paris verbunden.

Zu dieser Gelegenheit gibt es einen Schlausmen, aber dazu keinen Reibekuchen, Grünkohl oder Mettwurst, sondern Austern und Schnecken, genau wie in Paris. Und gegessen wird natürlich auch nicht zu Mittag, wie es sich gehört in der Region, sondern um vier Uhr am Nachmittag, wie das die Franzosen machen. Alle sind glücklich und halten lange Reden, bis auf ein altes Mütterchen, dem das Pfeifen der Lokomotive nicht geheuer ist. Wenn Menschen jetzt den Wind machen, wo kommen wir da hin? Am nächsten Morgen rückt sie mit einem Topf selbstgekochter Mettwurst und Sauerkraut beim Stationsvorsteher an, um die Mahlzeit nach Frankreich zu schicken, wo ihr Sohn Soldat ist. Ihr Hans soll mal wieder was Richtiges zwischen die Rippen kriegen.

Der Bahnvorsteher schickt die Frau weg, die Bahn transportiert doch nur Bestellungen und Briefe und kein gekochtes Essen.

Das Mütterchen entrüstet sich: Was nutzt die ganze Angeberei mit der Eisenbahn, wenn die ihrem Hänschen nicht mal was Ordentliches in den Magen schickt, besser er kommt schnell nach Hause!

 

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Kochen, schreibt der französische Ethnologe Claude Lévi-Strauss in seinem Aufsatz „Das kulinarische Dreieck“ („Le triangle culinaire“, 1965), ist eine universelle menschliche Handlung. Das Dreieck ist die Transformation des Rohen in das Gekochte bis hin zum Verfaulten, angesiedelt zwischen Natur und Kultur, befindet sich Nahrung und ihre Zubereitung in einer ständigen Wandlung. Die Zubereitung der Nahrung ist Kultur und transportiert sich im Geschmack und im Genuss, manifestiert sich im kulturellen Gedächtnis jeder Region als lokaler Eigensinn. So auch in Südwestfalen. Fortsetzung folgt!

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Zeichnungen in dem Beitrag von Lou Peveling, Herzlichen Dank!

Mehr von Barbara Peveling