Sauerland Haikus III – Holländer, tote Tiere und ein Golgatha

Bürgersteigspflege
Spatel, Bürste, Besen
Hausschuhe passend

 

überland, vorm Acker
Bushalte und Telefonzelle

ohne Anschluss

 

Sandalenholländer
blonder Bäckerflirt

Brot zu dick geschnitten

 

Für immer Zähne
gefletscht vor dem Fotowald
Heimat im Museum

 

Negertal Dorfkrug
Grauhaarige bei Pils und Korn
Baumwipfel schon gelb

 

Stadtkind zeigt und rennt
guck grün! was ist das? guck tot
Sauerlanddschungel

 

Zukunft am Waldrand?
im Teich liegt Mutter Gottes
Försterhütte zu mieten

 

Steil hinauf elf Qualen
lebensgroßer Tod am Kreuz
herrlicher Talblick

 

 

Mehr von Christian Caravante

Resümee einer Halbzeit

Zur Halbzeit meines Aufenthalts in Ostwestfalen-Lippe breche ich kurz mit meiner Konvention und breche meine Zeit hier ein wenig herunter.
Um am Anfang anzufangen, muss ich ehrlich gestehen, dass ich außer ein paar Auftritten in einigen lautmalerischen Städten wie Lemgo, Detmold, Altenbeken, Bad Driburg, dem viel bescherzten Bielefeld, Minden und Paderborn diese Kulturregion nur als grünes, verschwommenes Füllmaterial zwischen Himmelsrichtungen aus einem Zugfenster betrachtet habe, oder Ausharrpunkt eines Verspätungs-/ bzw. Strandungsunfalls einer Regionalbahn auf der Durchreise.

Tatsächlich hatte ich mich für eine andere Region beworben. Zum Glück bin ich hier gelandet.
Völlig unvoreingenommen stolperte ich also in den ostwestfälischen Sonnenschein am Tag meiner Ankunft und war schon in diesem Moment ziemlich überrascht, denn es gab hier Sonnenschein.

Aus vielen Aufenthalten in Nordrhein-Westfalen, wusste ich, wie unterschätzt dieses Bundesland ist. Die Rechtfertigung, warum ich in Heidelberg aufgewachsen, dann nach Berlin, nach Marburg und letztendlich nach Bochum gezogen war, tat ich irgendwann mit einer müden Handbewegung ab. Es gibt einfach Banausen, was die verborgene Schönheit von Städten und Regionen angeht. Angenommen, man kommt in Heidelberg an und sieht nur den Bahnhof, würde man lieber in Bochum sein.
Warum ich jetzt aber aus Hamburg nach Herford gesandt wurde, konnte ich noch keinem so richtig erklären, vor allem, weil ich selbst auch nur das Marta kannte, als Architekturfreund, aber nicht die genaue Verortung erklären konnte.

Seitdem habe ich fast jeden Tag damit verbracht eine kleine neue Ecke dieses unergründeten Landstrichs für mich zu erobern. Vom Stehen in überfüllten Regionalbahnzügen, Staunen über von einem Smartphone nicht photografierbarer Naturwunder, Warten im Regen auf Busse, die nur sehr, sehr selten fahren, Kartografieren der Landschaft für ein Gefühl von Heimkehr, seltenem Unvermögen aufzuschreiben, was ich empfinde, Hektik bei manchen Begegnungen, Gelassenheit bei vielen Erkundungen, Wespengarnisonen, die sehr gefährlich für mich sind, nicht selten dem ein oder anderen fragenden Blick ob meines hier auffallenden Kleidungsstils, glücklichem Sonnenbrand nach einem durchwanderten Tag, bis hin zu dem Punkt, wo man weiß, dass man es mag, hier poetischer Forschungsbeauftragter zu sein. Es wäre tatsächlich etwas anderes gewesen mit einem Auto, es wäre zu klein gewesen mit all den Erinnerungen an Bord.

Meine größte Schwierigkeit bestand darin, die Unwegbarkeit der Ländlichkeit Ostwestfalen-Lippes mit mir selbst abzuklären, manchen Veranstaltungen oder Orten in meinen Möglichkeiten nicht gerecht werden zu können, nämlich der Fähigkeit ein Auto zu fahren und zu besitzen. Zum Glück habe ich eine hohe Frustrationsschwelle, obwohl da innerlich schon manchmal ein ziemlicher Groll herrschte, da es hieß, wirklich schöne Facetten der Region zu verpassen. Das spricht ja aber durchaus für diese Perle Nordrhein-Westfalens.

Viel Euphorie und Abenteuergeist wird in kommender Zeit den Herbst sehen in einer wundervollen, überraschenden Fülle der Möglichkeiten einer Kulturregion, die viele Geheimnisse und Wahrheiten birgt, deren Erkundung mir vergönnt ist nachzukommen.

<3

 

 

Mehr von Theresa Hahl