Schnurrviertel

Am Beispiel Minden zeigt sich, wie unterschätzt Ostwestfalen doch ist. Neben den ganz bekannten Sehenswürdigkeiten gibt es auch kleine, verborgene.

Von meinen noch nicht veröffentlichten Gedichten, habe ich mir deshalb das Schurrviertel in Minden als nächsten Post ausgesucht. Das ist ein von einer Bürgerinitiative selbsternanntes Viertel, das direkt neben der Martinikirche und dem kleinsten und schiefsten Haus der Stadt liegt, dem Windloch, das so heißt, weil es dort immer durch die Gassen pfeift. Es ist ein unglaublich, wunderschöner, sehenswerter Ort.

Den kleinen Irokesen auf dem Friedensplatz gilt mein Minimosaik:

 

 

Schnurrviertel

 

Ruhe auf dem Friedensplatz,

Seelenerörterung im Kleinen des Seins;

angesiedelt hinter dem Windloch,

wo die Gassen einem frech hinterher pfeifen.

Eine freilaufende Hühnerschar pickt

Krümel aus Kopfsteinpflasterschluchten

gespickt mit Unkrautveraderungen.

Geranien erschweren Laternenmaste:

in nostalgischer Pracht läutern sie das Gusseisen

zwischen Fachwerk und Kirchengemäuer;

selbst Uhren scheinen hier Ruhe gefunden zu haben,

nur der Brunnen nagt und mahnt

mit leisem Plätschern dem Zeitfluss der Kastanien.

Kleine gackernde Zaungäste in cappuccino, weiß und schwarz

ermitteln hier den Mittelpunkt der Welt

oder einer kleinen Idylle.

Ein Basilikum schickt sanft andächtig flatternd

einen Gruß an den Lavendel nebenan.

Als die Zaungäste ermahnt werden,

endlich nach Hause zu gehen,

erklingen leise Proteste, gackernderweise.

Die Queen selbst schaut all dieser Gelassenheit

aus einem kleinen Schaufenster zu und denkt sich ihren Teil.

Beim Griechen bestellt ein Rentner Frühlingsrollen.

Ein alter und ein junger Punk unterhalten sich auf einer Bank.

Kleine Katzenattacke auf die gefiederte Irokesenfamilie, ohne großes Aufheben.

Irgendwo verborgen liegen hier Schicksale und Einblicke.

Zwei Helium Ballons rudern im Wind und jemand spielt sehr schief ein altes Saiteninstrument.

Irgendwie scheint die Welt hier in Ordnung zu sein.

 

 

 

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