Trajektturm

Nachts denke ich an den Trajektturm, seine Hebebühne, die still steht, mittlerweile. Nichts wird mehr befördert, von Gleis zu Deck. Es fehlt das Gegenstück am anderen Ufer. Abgerissen wegen Baufälligkeit, so sagen sie. Ich denke an die 47.000 Waggons, stelle mir jeden einzelnen vor, seinen Weg von Land zu Wasser. Wenn ich fertig bin, ist ein Jahr vorüber.

Keine Brücke wollte man hier, wegen der Franzosen. Zu schmackhaft, befürchtete man und baute Türme wie Wächter an beide Seiten des Rheins:

Seitenansicht des Hebeturms mit vorgelegter Dampffähre. In: Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, Jg. VII, Berlin 1857

Nachts lese ich in der Zeitung, wieder geht es darum, etwas nach oben zu hieven. (Frage mich, ob die Geschehnisse der Welt sich nicht auf eine einfache Formel herunterbrechen lassen: Dinge von A nach B bringen.) Diesmal soll eine andere Last befördert werden: die Kunst.

„Wir können den Etat nicht raketenhaft steigern“, sagt die Ministerin. Schade, ich sehe doch so gern den Dingen beim Aufsteigen zu.

Oh! Wie praktisch: Da schiebt sich schon ein Feuerwerk vor die Linse, spiegelt sich im Wasser. Wir sitzen auf einem Boot, fahren vorbei an Containern. Hier wurde verschifft und mit Pferden den Rhein hochgezogen, gegen die Strömung. Mittlerweile alles in internationaler Hand, kaum noch Landgang. Die Seemänner bleiben aus, die Kneipen sterben. Olga und ihre 16 „gesunden“ Zimmer gibt es nicht mehr.

Am nächsten Morgen im Hotel, wirft die Dame zwischen Erkundigungen, ob mein Frühstücksei auch wirklich so hart sei, wie ich es wünsche, (extra länger drinnen gelassen) ein, ihre Mutter stamme aus Hamburg. Immer wieder habe sie zurück gewollt (die frische Luft). Legte sich der Staub, kam das Heimweh. Und der Staub legte sich oft.

Plötzlich muss ich an die Delphine im Hotelzimmer denken. Ihr Sprung schafft es über den Bilderrahmen hinaus.

( Wenn ich zurückkehre, bleibt die Frage: War das überhaupt deine Region? Aber ich habe eine Ufer-abstandsmeßlatte gefunden. Es war die Reise wert! Nicht einmal das Internet kennt sie, die „Bräuler´sche Ziellatte“ von 1950. Wie man damit misst und vor allem, was genau, muss ich noch herausfinden. Sollte sich unter den Lesern ein Binnnschiffahrtskapitän befinden, bitte melden Sie sich in Wagen 13 beim Bordpersonal! oder hier: schreiberin@region-koeln-bonn.de )

 

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