Nachtrag; Fragmente, OWL <3

Liebster Herr Blog,

leider war ich zuletzt rippenfellmäßig etwas ausgenockt, du darfst trotzdem noch ein bisschen Liebe, Freundschaft und Spätoktober abhaben. Hier noch drei schöne Gedichte zum Abschied und eine Danksagung:

Man ermisst schlichtweg oft nicht,

welche Horizonte einem vor die Türe gelegt sind.

Ein Begriff für das Ganze lässt sich kaum finden,

wir unterbinden in fremdartigem Befinden

die Welt unserer Maßregelung der Vorstellungswelt.

Das Einzige, was jetzt nur noch fehlt wäre Entgeiselung der Sinne.

Ich danke meinen Kettensprengern, allen die an mich glaubten, verstehen und lauschen.

 

OWL! (Oh wie lyrisch!)

Es gibt ein Land in dem die Freiheit wächst

nicht gebannt an Vorschriften,

Nachrichten, Fachsichten, Nachtschichten oder Berichte,

dass ein Rechtsruck tatsächlich wieder ein Thema ist

oder gewollte Kunst mitunter das Schema frisst.

Man lebt dort frei im Sinne des Wortzaubergeistes

ein Stück Bestand,

was als Pfand des kleinen Makrokosmos

ein wenig Magie immer bereit hält.

Hier wird liebend gelebt,

hier wird ausgiebig widerstrebt,

es wird inspiriert neu erkundet,

was Horizonte hinter sich lässt,

geschätzt ca. alle Tellerrandweiten zersetzt,

zur Ergießung einer Mikrokosmosidee

eines Kopfes mit viel Empathie.

Hier wird der Werre, der Weser, der Aa gehuldigt beim Lauschen,

denn es gibt dabei beeindruckendes Ohrmuschelrauschen

Und könnte man Liebe in Gold umwandeln

ich würde sie eintauschen

für einen Zeltplatz in OWL.

Von „Als Hipster nach Höxter“ bis zur Schokoladenfabrik

von der Wewelsburg, Regionalbahnbetrieb,

über tausend Wege im Teuto und dem was verblieb

nach dem Sturm der Gezeiten,

atme ich tief

ein und aus

denn Bielefeld existiert.

Japanische, botanische Gärten und die Unwegbarkeit der Ländlichkeit

Wolkendalmatiner und ein beobachteter Entenfight,

Zelten in kleinen Galerien der Großartigkeit,

Begegnung mit einem weißen Pferd am Rande der Endlichkeit,

Walnussbootbau für großartige Kinder,

Staunen, Lachen, Schmunzeln, was stets verhindert

zu zweifeln, zu hinterfragen,

was nur den Wert vermindert,

den ein Wort bedeuten kann für dich und mich.

Für alle Nullen und Einsen

allem zweifelnden Kleinsinn

zwischen Paderborn und Minden,

wir lassen uns die Freiheit des Wortes mitnichten entbinden.

Alles was ich erlebte, alles was ich empfinde

jeder Augenschmaus, jede Begegnung

mit der ich diese Zeit hier verbinde,

hat mir eine kleine Heimat erschaffen.

Natürlich muss ich bald wieder packen,

doch das Geheimnis hinter all diesen Worten

ist ein Stück Herzblut

an eine bezaubernde Region zu verorten.

In diesem Text ist ein Fehler:

er enthält nicht

alles Erlebtes, Gesehenes, Angestrebtes.

Doch:

Merci, Thank you, Takk fyrir, muchos gracias,

für alle Monate, Tage, Stunden, Minuten, Sekunden

ab jetzt fühle ich mich mit OWL

in meinem Wesen verbunden

 

 

 

Wewelsburg

Sterile Umgebung, Beklemmung und dann

orangene Sitzmöbel über einem schwarzen Gestirn.

Manche feiern sie bodenküssend gern,

die falsche Welt die darunter verborgen liegt;

voller Scham guckt ein Stück meines Seins zurück

auf Untaten, unterschlagene Grausamkeiten

unsagbarem Halbwissen

einer Person die in Hybris gefunden hat,

was sich nicht mal Ikarus zu denken anmaßte.

In den Katakomben ruht noch Unrat

einer Erbschuld, einer Mitwisserschaft,

dem Schlimmsterdenklichen,

was menschlich nicht begreifbar ist.

Denn meine Adern erschaudern,

ob des was gemauert,

dort noch Huldigung bekommt.

Hier ist kein Mittelpunktreich zu vermitteln.

Hier hing die Menschheit an einem falschen Konstrukt mal sehr schief,

uns gilt es das nun nicht nur zu bedauern, sondern nicht neu zu erbauen,

was damals dazu führte ein Sedativ der Gesellschaft zu werden.

In der Gruft steht das Wasser den Totenköpfen knietief.

Ein einzelnes Pferd draußen auf der grünen Weide interessiert es nicht,

was hier einst aus Unlauterem gegossen werden sollte

in eine faschistoide Phantasie,

die nur vermeinte ein totes Pferd reiten zu können.

Wir streichen diese Anbetungsstätte

verwandeln sie in ein Gedenken der Wahrheit,

der Wahrheit die hinter hohen Zäunen geträumt wurde.

Es gilt zu ermitteln, vermitteln,

wie es passieren konnte, noch geschieht,

es braucht Einblick und Ausblick,

eine Gesellschaft die ausspricht,

dass das hier kein Heiligtum,

sondern ein zu reminiszierendes Verantworten ist.

Die Burg selbst natürlich nicht,

nur das was in und um sie herum geschah,

aber das erschien ja nie auf einem Bauplan.

 

Und letztendlich noch die Zusammenfassung, die ich auf der Bühne bei der Abschlussveranstaltung geschrieben habe:

Hier lebten eure Poeten

vielleicht etwas verlebt,

denn wir geben alles für unsere Kunst

nicht nur für Gunst des Publikums

sondern um sich neu zu erfinden

Wir schaffen es Worte zu Sinn zu verbinden,

Worthülsen würden hinter Baumrinden

verschwinden, weil sie nicht genug Kraft haben

Kreativität zu vermindern.

Verkantungen und Baumarktgefühl

Orte der Erhabenheit,

verkehrsberuhigungsgekühlt

ein Trucker Jesus,

südwestfalenbefühlt;

Utopien in Wuppertal,

endloses Träumen,

Bullilogbuch, das kratzt an den Säumen

der Wahrnehmung Wirklichkeit,

denn es gibt Sommer am Sonntag

mit fliegender Flamingozuckerwatte,

die überwintert

eine Windschutzscheibe,

die nicht verhindert

alles, alles, alles wahrzunehmen.

Zum Beispiel Sauerlandheimat,

was diese bereit hat

zu bieten, zu geben, zu generieren.

Vom Bahndamm zum Buchfink

zum Witwenkränzchen

zum Schmieden und Stieren

zu Riesen und Wollschweinen

Start up mit 79 #surferparadies

aka. Sauerlandharmonie.

Ein Tod in Euskirchen

zwischen Koran, Bibel und Duden

lassen vermuten

hier will niemand versäumen

Wagnisse in Deutsch aufzuschreiben.

Es träumen Gedanken in diesen Zeilen,

aber lasst uns doch kurz bei unseren Poeten verweilen.

Flüchtige, tüchtige, aufrechte Menschen,

scheitern nur an den Grenzen

eine Linie die man einstmals überschritt

oder das Zeichen eines Stifts,

das uns den Verstand abschnitt.

11Drops zur sofortigen Einnahme

3 Smarties Wegführung

ein Name,

Einschätzung der Region

Busruckeln als Destination

Leverkusen, ein Grund für Kuchen

oder Fluchen

Gespiegelter Jazz

auf Feldern zu Pizza;

Kunst braucht hier kein Geländer

wir haben schon jetzt die Routen verändert;

denn Hellwege sind keine Höllenwege,

es gibt trotzdem Espressi,

man versetzt sich gut in die

Container, ausrangiert;

In Heesen gewesen

als Hipster nach Höxter

und bis nach China,

wir waren noch nie da,

wo wir gerade lebten,

bleiben trotzdem respektvoll

eure Poeten.

Verwegen auch einmal nachts

den Bahnhof zu betreten,

Wanne-Eikel, Gestirn der Volkssternlichkeit;

Es ist 18:58,

mehr als ein Sonnenfleck

und ein Wanderfalken

der dann verbleit

von einer Region

über 9 bis in die andere,

man muss auch sagen,

dass sich verwandelte,

was wir kannten,

woher wir kamen

und bald erwandern wir

neue Regionen,

Abertrillionen Expeditionen

voller Mut und Leben

Glut und Streben

Ein Wort: schwarz auf weiß,

just gehört, wirklich nice!

auf Papier zu behalten.

Ihr Job ist es unsere Kunst für uns zu verwalten.

Wir konnten uns umkrempeln, frei sein und walten

kleine Königreiche, die wir poetisch gestalteten;

Am Ende haben wir Sterne in den Augen,

Haikus in den Ohren,

und Millionen Möglichkeiten NRWs im Herzen.

Man kann das widerspiegeln von Kunst nicht unterbinden,

aus Zelten, Reisetaschen, Koffern und Heimwegen, Krümel von Aachen bis in den letzten Dachbalken in Minden,

Liebe Grüße,

eure Poeten, wir verbinden.

 

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Nacht, eine;

Man kann sehr gut in Herford der Nacht lauschen und dabei etwas umherflanieren. Auf dem Weg begegnete mir diese Baumrinde und wollte Gemälde werden. Nacht eben.

 

 

Die Mondfinsternis
stimmt für mich Debussy oder Satie an,
kleine Winkel unter Laternenpfeilern.
Ein Schritt wird Melodie und Epiphanie
eines Eroberns der wehenden Bäume
der wartenden Träume;
sie loten eine Kathedrale aus,
Wolken und Zerrstellen.

Ich lausche den Schatten,
die leuchtend vorbei schleichen,
zu Geplätscher, Singsang
und Streicher erwachen.

Man spielt mit jedem Schritt Klavier,
hier ist die Nacht so still,
man braucht geflüsterte Musik
oder gebügelte Ohren,
um den Mond aufzuhalten.

Ein Scheinwerfer zerschneidet die Nachtruhe.
Manchmal vertue ich mich,
mit dem Dunkel im Halbton
liegen die Laternen
;
doch es sind nur
ungeölte Scharniere,
die uns nach Hause berufen.

Mehr von Theresa Hahl

In den Gärten

Achherrje, jetzt wird es schon so herbstlich. Ich gewann letzten Monat noch sehr viel Sonnenbrand bei der Bewanderung der Gärten Bielefelds. Es gibt da einige Schönheiten zu bestaunen. Der japanische Zen-Garten ist zwar fußläufig ziemlich außerhalb gelegen, besticht allerdings durch seine kuriose Geschichte eine Helikopters, der dort am 14.09.1993 mit dem Kaiser und der Kaiserin von Japan zu einem Staatsbesuch am Rande des Teutoburger Waldes landete.

Bielefeld beheimatet zugleich einen der wunderschönsten botanischen Gärten, die ich jemals gesehen habe. Er ist rund um die Uhr geöffnet, liegt erster Erscheinung nach ziemlich direkt an einem Wohngebiet, dessen Dächer bald im Grün versinken, verlangt nur den Eintritt neugieriger Füße und schmiegt sich an einen ganz anderen Waldsaum des Teutos. Ich stromerte den ganzen Tag durch wundersame Gewächse und erbaute mich an den aus dem Latein übertragenen Pflanzennamen.

Das kleine Mosaik ist aus auf der Straße aufgelesenen Blüten gebastelt.

 

 

In den Gärten

Am Rande des Teutoburger Waldes
entspringt eine Exotik in Flora
mit durch blätterverschachtelten Baumkronenperspektiven
auf Dacharkaden der Ziegelsteinschindeln
benachbarter Nutznießer und Gönner einer reichen Botanik.
Sie laden ein hier zu verweilen.
Nachts tobt im botanischen Garten
eine Schau der Namen und Klassen,
wie in einer wahren Gesellschaftshierarchie,
könnte man fast sagen:.

Rhododendron erkennt man zu leicht,
vielleicht auch eine Pelargonie
Edelweiß oder einen Ginko,
denn sie tragen nur Anzug von der Stange
und sind in jedem besseren Blumenladen zu finden.
Doch kaum mag ein wolffilziges Habichtskraut
einer Lichtnelke ein Begriff sein,
vielleicht ein Stachelnüsschen,
das sich unter einer Fetthenne duckt,
eine Edeldistel gibt sich nur
mit einem kanadischen Windröschen ab,
nicht mit solchen Pechnelken,
wie einem Quirl-Zehnfuß,
denn Krätzkraut und Augenwurz
sind keine Prachtscharten.
Hier mag sich noch eine Kuhschelle
mit einer Tigerglocke grüßen,
aber in den oberen Etagen,
steht ein Nickender Lauch im Anzug
bedient eine Freilandgloxinie
und eine etwas zu aufgetorkelte Forellenlilie,
die nach dem Athos-Steinbrech
bedeutungsvolle Blicke wirft und am Tau nippt.
Kaukasus Kugelblume, Flauschkraut und Laugenblume
sind etwas pikiert, fehl am Platz
und entwurzeln sich ihrer Erwartungen.
Der Würgebaum steht stets allein im Wald.
Ein später Besucher stromert vorbei und denkt sich:
„Ha! Da steht eine Tanne, die kenn‘ ich!“
Kapfuchsie streckt ihm die Zunge raus.

 

 

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Resümee einer Halbzeit

Zur Halbzeit meines Aufenthalts in Ostwestfalen-Lippe breche ich kurz mit meiner Konvention und breche meine Zeit hier ein wenig herunter.
Um am Anfang anzufangen, muss ich ehrlich gestehen, dass ich außer ein paar Auftritten in einigen lautmalerischen Städten wie Lemgo, Detmold, Altenbeken, Bad Driburg, dem viel bescherzten Bielefeld, Minden und Paderborn diese Kulturregion nur als grünes, verschwommenes Füllmaterial zwischen Himmelsrichtungen aus einem Zugfenster betrachtet habe, oder Ausharrpunkt eines Verspätungs-/ bzw. Strandungsunfalls einer Regionalbahn auf der Durchreise.

Tatsächlich hatte ich mich für eine andere Region beworben. Zum Glück bin ich hier gelandet.
Völlig unvoreingenommen stolperte ich also in den ostwestfälischen Sonnenschein am Tag meiner Ankunft und war schon in diesem Moment ziemlich überrascht, denn es gab hier Sonnenschein.

Aus vielen Aufenthalten in Nordrhein-Westfalen, wusste ich, wie unterschätzt dieses Bundesland ist. Die Rechtfertigung, warum ich in Heidelberg aufgewachsen, dann nach Berlin, nach Marburg und letztendlich nach Bochum gezogen war, tat ich irgendwann mit einer müden Handbewegung ab. Es gibt einfach Banausen, was die verborgene Schönheit von Städten und Regionen angeht. Angenommen, man kommt in Heidelberg an und sieht nur den Bahnhof, würde man lieber in Bochum sein.
Warum ich jetzt aber aus Hamburg nach Herford gesandt wurde, konnte ich noch keinem so richtig erklären, vor allem, weil ich selbst auch nur das Marta kannte, als Architekturfreund, aber nicht die genaue Verortung erklären konnte.

Seitdem habe ich fast jeden Tag damit verbracht eine kleine neue Ecke dieses unergründeten Landstrichs für mich zu erobern. Vom Stehen in überfüllten Regionalbahnzügen, Staunen über von einem Smartphone nicht photografierbarer Naturwunder, Warten im Regen auf Busse, die nur sehr, sehr selten fahren, Kartografieren der Landschaft für ein Gefühl von Heimkehr, seltenem Unvermögen aufzuschreiben, was ich empfinde, Hektik bei manchen Begegnungen, Gelassenheit bei vielen Erkundungen, Wespengarnisonen, die sehr gefährlich für mich sind, nicht selten dem ein oder anderen fragenden Blick ob meines hier auffallenden Kleidungsstils, glücklichem Sonnenbrand nach einem durchwanderten Tag, bis hin zu dem Punkt, wo man weiß, dass man es mag, hier poetischer Forschungsbeauftragter zu sein. Es wäre tatsächlich etwas anderes gewesen mit einem Auto, es wäre zu klein gewesen mit all den Erinnerungen an Bord.

Meine größte Schwierigkeit bestand darin, die Unwegbarkeit der Ländlichkeit Ostwestfalen-Lippes mit mir selbst abzuklären, manchen Veranstaltungen oder Orten in meinen Möglichkeiten nicht gerecht werden zu können, nämlich der Fähigkeit ein Auto zu fahren und zu besitzen. Zum Glück habe ich eine hohe Frustrationsschwelle, obwohl da innerlich schon manchmal ein ziemlicher Groll herrschte, da es hieß, wirklich schöne Facetten der Region zu verpassen. Das spricht ja aber durchaus für diese Perle Nordrhein-Westfalens.

Viel Euphorie und Abenteuergeist wird in kommender Zeit den Herbst sehen in einer wundervollen, überraschenden Fülle der Möglichkeiten einer Kulturregion, die viele Geheimnisse und Wahrheiten birgt, deren Erkundung mir vergönnt ist nachzukommen.

<3

 

 

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Sommersonnenaufgang am Flusslinienlauf

Manchmal wache ich sehr früh auf und will ein paar Eindrücke einfangen, die man bei gewohntem Mittagsbetrieb nicht so festhalten kann, da Tageszeiten eine große Rolle spielen in der Wahrnehmung, von Stimmung zu Stille. Hier gibt es viele Flüsse, Kanäle, Wehre, Bäche, Stauwerke und Quellen.

Frühmorgendlich schlich ich mich einmal dahin und malte danach dieses Minimosaik auf ein Stückchen Holz, das ich fand (ca. 4x5cm):

 

Flusslinienlauf, Sonnenaufgang

Es kreisen Schiffe, Boote, Galeeren und Fregatten,
eigentlich nur Blätter oder Nussschalen,
papiergewordene Dreimaster,
um ein unwegbares Deck
der Seewelt, der Flusswelt, der Meerwelt
der gitterstäbetigernden Unwahrscheinlichkeit.
Boote bringen nur kleine Reminiszenzen an Morgen
verschachteln sich im Ton des Unglaubbaren;
ein Nebelschweif bittet um Salut,
eine Wolke am goldgepunztem Himmel verschweigt,
was unter ihrer Mehrdimensionalität erreichbar wäre;
an blauer Leinwand angetackert,
ringt ein Halbmond immer noch um Erlöschung;
lange Schatten aus gähnender Schwere des Uferlaufs
werfen einen Hauch Unnahbarkeit in Spiegelungen.
Kleine Kreise, die das Wasser ebnen;
Schleusenkakophonie, Wehrdiastolen, Flussatmen;
Plattenwechsel auf noch schlaftrunkenen Brücken
und Schwalben finden ihre adäquaten Mückenportionen
im lichtumwobenen Sommersonnenaufgang.
Fände man eine Kapitänskajüte für die Stille des Morgens,
sie wäre umschlossen von einem kleinen Wasserecho
einer Nussschale, die leise eine halbe Eskimorolle erleidet.

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Schnurrviertel

Am Beispiel Minden zeigt sich, wie unterschätzt Ostwestfalen doch ist. Neben den ganz bekannten Sehenswürdigkeiten gibt es auch kleine, verborgene.

Von meinen noch nicht veröffentlichten Gedichten, habe ich mir deshalb das Schurrviertel in Minden als nächsten Post ausgesucht. Das ist ein von einer Bürgerinitiative selbsternanntes Viertel, das direkt neben der Martinikirche und dem kleinsten und schiefsten Haus der Stadt liegt, dem Windloch, das so heißt, weil es dort immer durch die Gassen pfeift. Es ist ein unglaublich, wunderschöner, sehenswerter Ort.

Den kleinen Irokesen auf dem Friedensplatz gilt mein Minimosaik:

 

 

Schnurrviertel

 

Ruhe auf dem Friedensplatz,

Seelenerörterung im Kleinen des Seins;

angesiedelt hinter dem Windloch,

wo die Gassen einem frech hinterher pfeifen.

Eine freilaufende Hühnerschar pickt

Krümel aus Kopfsteinpflasterschluchten

gespickt mit Unkrautveraderungen.

Geranien erschweren Laternenmaste:

in nostalgischer Pracht läutern sie das Gusseisen

zwischen Fachwerk und Kirchengemäuer;

selbst Uhren scheinen hier Ruhe gefunden zu haben,

nur der Brunnen nagt und mahnt

mit leisem Plätschern dem Zeitfluss der Kastanien.

Kleine gackernde Zaungäste in cappuccino, weiß und schwarz

ermitteln hier den Mittelpunkt der Welt

oder einer kleinen Idylle.

Ein Basilikum schickt sanft andächtig flatternd

einen Gruß an den Lavendel nebenan.

Als die Zaungäste ermahnt werden,

endlich nach Hause zu gehen,

erklingen leise Proteste, gackernderweise.

Die Queen selbst schaut all dieser Gelassenheit

aus einem kleinen Schaufenster zu und denkt sich ihren Teil.

Beim Griechen bestellt ein Rentner Frühlingsrollen.

Ein alter und ein junger Punk unterhalten sich auf einer Bank.

Kleine Katzenattacke auf die gefiederte Irokesenfamilie, ohne großes Aufheben.

Irgendwo verborgen liegen hier Schicksale und Einblicke.

Zwei Helium Ballons rudern im Wind und jemand spielt sehr schief ein altes Saiteninstrument.

Irgendwie scheint die Welt hier in Ordnung zu sein.

 

 

 

Mehr von Theresa Hahl