Sommersonnenaufgang am Flusslinienlauf

Manchmal wache ich sehr früh auf und will ein paar Eindrücke einfangen, die man bei gewohntem Mittagsbetrieb nicht so festhalten kann, da Tageszeiten eine große Rolle spielen in der Wahrnehmung, von Stimmung zu Stille. Hier gibt es viele Flüsse, Kanäle, Wehre, Bäche, Stauwerke und Quellen.

Frühmorgendlich schlich ich mich einmal dahin und malte danach dieses Minimosaik auf ein Stückchen Holz, das ich fand (ca. 4x5cm):

 

Flusslinienlauf, Sonnenaufgang

Es kreisen Schiffe, Boote, Galeeren und Fregatten,
eigentlich nur Blätter oder Nussschalen,
papiergewordene Dreimaster,
um ein unwegbares Deck
der Seewelt, der Flusswelt, der Meerwelt
der gitterstäbetigernden Unwahrscheinlichkeit.
Boote bringen nur kleine Reminiszenzen an Morgen
verschachteln sich im Ton des Unglaubbaren;
ein Nebelschweif bittet um Salut,
eine Wolke am goldgepunztem Himmel verschweigt,
was unter ihrer Mehrdimensionalität erreichbar wäre;
an blauer Leinwand angetackert,
ringt ein Halbmond immer noch um Erlöschung;
lange Schatten aus gähnender Schwere des Uferlaufs
werfen einen Hauch Unnahbarkeit in Spiegelungen.
Kleine Kreise, die das Wasser ebnen;
Schleusenkakophonie, Wehrdiastolen, Flussatmen;
Plattenwechsel auf noch schlaftrunkenen Brücken
und Schwalben finden ihre adäquaten Mückenportionen
im lichtumwobenen Sommersonnenaufgang.
Fände man eine Kapitänskajüte für die Stille des Morgens,
sie wäre umschlossen von einem kleinen Wasserecho
einer Nussschale, die leise eine halbe Eskimorolle erleidet.

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