Was wäre die Werre, wenn sie nicht Werre wäre…

Poetischer Spaziergang nach Bad Salzuflen

Das zweite kleine Mosaikstück OWL entstand aus den schönen Miniaturszenarien, die ich während einem 8,ookm langem Spaziergang nach Bad Salzuflen an den Ufern der Werre gesammelt habe. Wahrscheinlich habe ich gut eine Stunde länger gebraucht als der sportliche Nordicwalkingstäbchenschwinger, um immer wieder anzuhalten und Eindrücke aufzuschreiben.

Aber es war schon lustig, als ein Gärtnereiwagen vor mir auf dem Fahrradweg an der Werre hielt, während ich gerade in der Hocke mit einem Stück Papier und einem Bleistift herumfrickelte. Nachdem ich aufstand und dann erst merkte, dass ich wohl im Weg war, trat ich natürlich ein Stück an den Wegesrand. Beim Vorbeifahren kurbelte sich das Seitenfenster herunter und ich nahm ganz perplex ein High-Five entgegen. Danke!

Ich fand den Werbeslogan der Herforder Brauerei am Bahnhof so lustig, dass er gleich als Beginn meines Gedichtes dienen durfte.

Als kleines Puzzlestück: ein bisschen Impressionismus am Werreufer (5x5cm):

Das „Westfälische Begrüßungskomitee“
heißt die Werre breit und lang
in ihrem eingedämmten Gang
willkommen:
Stufensteine schlagen plätschernd
Blasen in das einherdümpelnde Blau.
Begradigtes Kalkül,
wäre zu hart zu sagen,
zu solch sanftmütigem Wasser.
Nicht einmal ein Papier-
oder ein Walnussschalenkahn
könnte hier hanseatische Seenot erleiden.
Das befinden auch
die schlummernden Marienkäfer
der Uferalleebänke
und verweilen wohlgesonnen
im Halbschatten.

Am Wehr sieht das natürlich anders aus:
In langen Wasserfäden
macht der Fluss hier einen Sprung
und treppt in breiten Rollbändern bergab,
wie ein wassergewordenes Kassenband
auf dem Weg zur Abfertigung.
Eine Weide lächelt heimlich
über diese ganze Aufregung
und ein Enterich träumt,
er wäre ein Pirat.
Auf einem Schild steht in gelbschwarz
„Achtung Wehr. Lebensgefahr!“

An manchen Stellen liegen Bootsstege,
wie Zungen der gutbetuchten Villen,
brach am Ufer,
doch wird ihnen missgönnt,
so ausgetrocknet, wie sie sind,
in den Fluss zu tauchen.
Ein Wasserhuhn bequäkt die Ungerechtigkeit darin.
Ein Rasenmäher gibt sich gleichgültig rasselnd
hinter Heckenpalisaden verwunschener Ferne
und das Schilf nickt windversehen ein.

Die Werre silbert weiter vor sich hin
in kleinen Rillen Licht,
in kleinen Wellen Hoffnung
auf ein großes Meer.
Doch nur ein Rentnerpärchen
schiebt zwei kugelrunde Kuchenbäuche
drahteselquietschend am Quentinufer vor sich her.

Langfingrig greifen Algen nach dem Wasserlauf,
ob sie ihn aufzuhalten mögen?
Zwei Angler ufern sich im Sonnen,
auch anstehende Kanutenkollisionen
im Flussmittel der Werre
können sie nicht stören.
Ein Fisch beißt an,
ein Mann jault auf,
als sein Dackel
einmal die Festigkeit der Wade
seines Herrschens ausprobieren will.
Dann bleibt es still.

Aber die Werre interessiert das wenig,
sie fließt blaugrüngolden und auch stetig
wie ein Uhrwerk gemäß ihrer eigenen Façon,
als eigenwillig kleiner Strom,
der gerne Kanus und auch Kajaks,
schnurstracks oder gemächlich halbtags,
aufnimmt in die kleine Wasserwelt,
in Wellen kecker Zwergenwildbachstromschnellen,
in der kleine Drachen fliegen, getarnt nur als Libellen; 
die so idyllisch veränderlich und etwas frech,
dahinplätschert und keinem einzigen Betrachter
einen Seufzer in den Lungen lässt.

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