Feuerwerk oder Dauerbrenner? Teil 2

Mein liebster Fund im Brückenkopfpark in Jülich ist eine Telefonzelle vom Typ „Clubtelefon 5“, die die letzten knapp zwanzig Jahre an dieser Stelle überlebt hat und die im Jahr 1998 noch von enormer Wichtigkeit gewesen sein muss. Denn auf dem Rundweg durch den Park wird die kleine, traurig verlassene, vor sich hin vermoosende Zelle immer wieder ausgewiesen. Ein Relikt aus Zeiten, als Handys noch Geschäftsleuten vorbehalten waren. Auch diese, wie Insektenaugen geformten Geräuschabschirmmuscheln hat man so lang nicht mehr gesehen, dass man unweigerlich denkt: Ach, stimmt, so war das mal. Nach den richtigen Telefonhäuschen mit Tür und Telefonbüchern kamen diese Hartplastikfreiluftzellen wie diese hier. Die Mädchen, die gegenüber der vergessenen Zelle gerade Ponyreiten lernen, haben ein solches Telefon wahrscheinlich noch nie benutzt. Die einsame Telefonzelle mitten im Wald steht wie ein Sinnbild für das Dilemma des Parks. Was sich im Gartenschaupark Zülpich erahnen lässt, ist im Brückenkopfpark in Jülich längst Realität. Moos überall. Man kann hier nicht von angestaubt sprechen, auch wenn es der richtige Ausdruck wäre. Verwuchert, vermoost, vergrünt. Das Abgerockte hat auch seinen Charme – keine Frage. Aber man fragt sich in dieser Parkanlage ernsthaft, ob das Erbe der Landesgartenschau zu schwer gewogen hat. Ob es ein Segen ist oder ein Fluch, eine solch große Parkanlage in der Stadt zu haben. Bei sieben Euro Eintritt glaube ich nicht, dass der Jülicher regelmäßig zum Flanieren in den Park geht. Mich wunderte es auch, dass der kleine Skatepark und der Spielplatz so gut mit Kindergeschrei und Skateboardgeklacker belebt waren. Aber ist man ehrlich beim Durchstreifen der Gärten und hat man noch im Hinterkopf, wie das in Zülpich im Jahr eins nach der Gartenschau aussah, dann muss man eingestehen, das Feuerwerk ist hier längst abgebrannt. Man macht aus den Überbleibseln des Ausnahmejahres noch gerade eben das Beste.

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Feuerwerk oder Dauerbrenner? Teil 1

Was an Feuerwerken verzaubert, ist deren Vergänglichkeit. Kaum ist der Glitzerregen am Himmel, verpufft er auch schon im schwarzen Nichts. Es ist kein Wunder, dass Feuerwerke früher am Hof der Repräsentation dienten. Konnte man doch herrlich für Gesprächsstoff von etwas sorgen, das nur kurzzeitig und limitiert zugänglich war. Im Falle der Bundes- und Landesgartenschauen handelt es sich in meinen Augen auch um ein Feuerwerk. Nah an der höfischen Kultur sind diese konzeptionell auch. Denn ohne ständische Vorreiter der Landschaftsarchitektur – wie etwa dem preußischen Fürsten von Pückler-Muskau, der uns eher aus dem Gefrierfach bekannt ist, der aber als Genie der Ausformung von Landschaftsgärten denkwürdige grüne Oasen geschaffen hat – wäre das Gartenschauformat undenkbar. Nun war der Adel eher für das Klotzen anstatt des Kleckerns bekannt und die Repräsentation heiligte grundsätzlich alle Mittel. Im Falle von Fürst Pückler traf ebenso letzteres zu, ihn trieb jedoch nicht die Repräsentation, sondern der Wunsch, das ideale Landschaftsbild zu erschaffen, an. Nachdem er sein Vermögen dafür verbraucht hatte, paktierte er mit seiner Frau. Sie ließen sich scheiden, damit Pückler England auf der Suche nach einer wohlhabenden Frau bereisen konnte, die ihm durch die Hochzeit dazu verhelfen würde, die Pläne seines Landschaftsparks zu verwirklichen. Der Fürst unterschied übrigens streng zwischen Garten und Park, deswegen wäre ihm ein Gartenschaupark wahrscheinlich äußerst suspekt. Wie dem auch sei, heute sind derlei leidenschaftliche Feuerwerke im öffentlichen Raum eher in der Kritik und der Gedanke des nachhaltigen Wirtschaftens hat sich in einer jungen, vernunftorientierten Gesellschaft kompromisslos entwickelt. Das wirft mehrere Fragen auf: Die erste und augenscheinliche: Wie nachhaltig waren die Landesgartenschauen in Zülpich (2014) und Jülich (1998)? Und die zweite, etwas weniger offensichtliche: Kann man ohne Pomp und Ausschweifungen à la Pückler Parks von Dauer schaffen?

Historisch eingemauerte Beete treffen auf Wassersportspaß

Als ich an einem Spätsommertag, der anfangs etwas wolkenverhangen war, vor dem großen Haupteingang des Gartenschauparks Zülpich stehe, muss ich ein wenig schmunzeln. Mit Flaggen und auf acht Sprachen wird man willkommen geheißen und steht dann einsam und verlassen vor dem riesigen Eingangsbereich. Der große, verwaiste Parkplatz lässt erahnen, wie viel hier im letzten Jahr los gewesen ist. Zugegeben, es ist ein Wochentag am Ende des Sommers. Deswegen habe ich keine Besucherströme erwartet, aber dass ich während meines Aufenthalts weitere Besucher an zwei Händen abzählen kann, das hatte ich dann auch nicht vermutet. Beim Lösen der Eintrittskarte werde ich freundlich von einer Dame unterstützt. Kurz denke ich, aus welchem Grund ich wohl wie ein hilfloser Senior behandelt werde, dem man beim Abzählen des Geldes zur Hand gehen muss, aber dann füge ich mich in die skurrile Situation und sage mir, so fühlt sich dann das Alter an. Die Hilfsbereitschaft der Kassenfrau ist entweder Gewohnheit aufgrund der Zielgruppe des Parks oder der Aktionismus desjenigen, der weiß, er wird den Rest des Tages nicht viel mehr zu tun haben, denke ich. Also, lieber etwas Unnötiges tun als stundenlang herumzusitzen. Mit Hilfe komme ich also auf das Gelände und lasse mich bei der Gelegenheit auch gleich mit Hintergrundinformationen versorgen. Es zieht mich zu allererst zum Strand. Strand in Zülpich? Na klar, es gibt hier sogar Strandkörbe, die auf dem weißen, feinkörnigen Strandabschnitt stehen, der unten am Wassersportsee für die Landesgartenschau angelegt wurde. Auch ein Anlegesteg, auf dessen Größe nahezu die gesamte Bodensee-Hobbyschifffahrt neidisch sein dürfte, findet sich zwischen den beiden Holzgebäuden des Seebads und hinter der ehemaligen Seebühne. Hier unten im Strandkorb mit dem Blick auf den Wassersportsee, auf dem zwei Windsurfer im Zickzackkurs über das Wasser gleiten, kommt man sich vor wie auf Borkum oder an der Ostsee. Ich kann mir gut vorstellen, dass hier an heißen Sommertagen viel los ist und das neue Seebad mit dem Wasserspielplatz für Kinder auch in Zukunft gut besucht sein wird.

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Wenn das Heilen einem Zweck dient

Kurorte sind Orte der Heilung, Genesung und Erholung. Sie präsentieren sich gerne als eine Art heile Welt, in der der Kurgast schnell und auf angenehme Weise wieder zu Kräften findet. Diese Selbstdarstellung, in der häufig das Thema Sterben völlig ausgeklammert wird, bekommt einen Riss, sobald die dunkleren Kapitel ihrer Geschichte betrachtet werden. Diese Genesungsorte waren im 19. und 20. Jahrhundert durch die kurörtliche Infrastruktur, die hohe Bettenkapazität und die gute medizinische Versorgung ideale Lazarette und militärische Hauptquartiere und profitierten entwicklungsgeschichtlich, finanziell und medizinisch von Kriegen. Die Sonderausstellung „Vergessene Gäste – Kurorte im Krieg“ zeigt in den Römerthermen in Zülpich, wie der Krieg in die heile Welt der Kur- und Badeorte Einzug hielt und wie dort versucht wurde, den Schein der heilen Kurwelt zu erhalten.

Ob man im Krieg schnell gesund werden wollte, ist fraglich. Für sich selbst schon. Aber schnell zu genesen, hieß eben auch, schnell wieder an die Front zu können. In den Kurorten herrschten für die rasche Heilung jedenfalls beste Bedingungen. Wahrscheinlich hätte sich Hippokrates im Grab umgedreht, wenn er davon hörte. „Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden“, heißt es in seinem Eid. Eine schnelle Genesung eines Soldaten herbeizuführen, entspricht dem Nutzen des Patienten. Wenn aber eine von den Kriegstreibern instrumentalisierte Medizin agiert, dann kommt die medizinische Ethik schnell ins Wanken und man fragt sich, ob die Heilung nun zum Nutzen oder zum Schaden des Kranken ist?

Im Krieg gelten immer andere Gesetze als in Friedenszeiten. Klar. Interessant, finde ich, ist aber der Aspekt dieses widersinnigen Heilens, der letztlich wiederum zum Schaden führt. Entweder wird der Soldat wieder verletzt oder stirbt oder tötet. Das passt nicht in die heile, vornehme und vor allem auch „todesfreie“ Zone der Kurorte. Hier stirbt man nicht. Hier wird man gesund. Hier spielt schöne Musik, um vom Grauen des Krieges abzulenken. Die Ausstellung zeigt aber, dass es in den Kurorten im Ersten und Zweiten Weltkrieg zu einem enormen Anstieg der Sterberate kommt. Die heile Welt bröckelt. Im Zweiten Weltkrieg war es strikt verboten, dieses Phänomen zu dokumentieren und zu fotografieren, da der Soldatentod zum Heldentod mythisiert worden war.

Für die Ausstellung konnten sicherlich auch aus diesem Grund aus den Kurorten wesentlich mehr persönliche Erinnerungsstücke (wie Briefe, Postkarten, Seifenstücke und Berichte) aus dem Ersten als aus dem Zweiten Weltkrieg zusammengetragen werden. Ein Rolle gespielt haben wird dabei aber auch die Fortführung der Inszenierung der heilen Welt des Badeortes. Denn aus den etwa 70 Lazaretten in den Kurorten – das Bad Aachen war ein Kurlazarett der Luftwaffe – dürften solche Erinnerungen und Überlieferungen nach dem Krieg leicht zu sammeln gewesen sein, schon allein aufgrund der vielen Zeitzeugen. Aber die Mythisierung des ruhigen und heilen Kurorts wog offenbar schwerer als die Erinnerung an die dunkleren Tage diesen Orten.

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