Jam-Session am Highway 2
4. September 2017
Ort: Kulturgut Haus Nottbeck | Datum: Fr/Sa, 18./19.08.2017 | Wetter: bewölkt, Regen, 20°C
Aus der Helligkeit und Wärme des Cafés hinaus auf den Hof. Das Auge braucht einen Moment. Es ist dunkel. Nacht- und Land-dunkel. Die leuchtenden Linien um den Sandplatz und die Lichtsäulen vor den Gebäuden sind vor einer Stunde erloschen. Die umliegenden Höfe nur zu erahnen. Um die Ecke, verklingt Stimmengewirr. Das Glimmen von Zigarettenspitzen außer Sicht. Über Brücke und Gräfte auf die Streuobstwiese. Der Wind steht richtig. Man hört das Rauschen der A2.
Highway in Hörweite
Statt einer Tankstelle an einem Highway hier ein altes Rittergut mitten im Nichts. Hier hält nicht mal mehr ein Bus. Der ehemalige Sitz des Amtsdrosten. Kreisgrenze. Kulturregionsgrenze. Jetzt Ort der Westfälischen Literatur. Und statt amerikanischer Rockstars on the road Westfälische Literatinnen und Literaten. Ebenfalls auf Tour. Anreisende aus Berlin, Hamburg, dem Ruhrgebiet. Und hier: Stop! – And Read! Eine literarische Jam-Session umgeben von Klinker, Wassergraben und Münsterländischer Felderlandschaft. Unplugged und down-to-earth.
„Fast schon Natur-Kitsch hier. Aber wenn’s schon mal da ist…“
Lese-Sessions rund um das Kulturgut. Auf einer Picknickbank mit ehemaligem Stallgebäude im Rücken. Entlang der Gräfte gehend. Auf dem Fußballplatz gegenüber dem Kulturgut. Soundscapes im Gartenhaus und im Saal. –Verschränktes Gelände – Lügende Landschaft – Kreisverkehr – An der Tankstelle – am kai – Immer wieder: Orte. Räume. Blicke. Und Bewegungen. Über allem: Sprache(n). Und dazwischen: tauscht man sich aus.
Wir stehen dicht gedrängt unter einem Sonnenschirm aus meiner Camping-Bulli-Ausstattung. Auf dem Fußballplatz. Hinterm Parkplatz. Gegenüber vom Sandplatz. Philipp mit Kamera und Equipment neben mir. Daniel mit Zeichenblock und Stift hinter mir. Ich halte den Schirm. Ein paar Ausfallschritte entfernt das Tor. Darin: Christoph Wenzel. Ebenfalls mit Schirm. Um uns herum: Regen. Satte grüne Wiesen. Und Lyrik. Gelesen vom Autor himself. Live und unplugged.
„Wer Lyrik schreibt, ist verrückt, wer sie für wahr nimmt, wird es.“ (Peter Rühmkorf)
Am Samstag Lese-Live-Streams. Vom Stop am Highway raus ins Netz. Lokal & digital. Junge Lyrik aus Westfalen für ein paar Minuten fast weltweit. Nottbeck an den Kreis- und city limits: ein Ort, der verknüpft. Einige waren bereits hier. Eine Woche, um zu schreiben, zu sortieren. Gedanken und Texte. Andere sind das erste Mal da. Man kennt sich. Man sieht sich zum ersten Mal. Geht um das Gut, gen Stromberg, allein und gemeinsam.
Lyrik riecht nach Orangen und Zigarettenqualm. Schmeckt nach Ginger Ale und Bier. Und dem heimischen Klaren.
Seit Herbst 2016 geben sich Künstler und Künstlerinnen aus Westfalen auf dem Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde-Stromberg die Klinke in die Hand. Stop ˈnˈ Read ist ein Projekt der LWL-Literaturkommission für Westfalen in Zusammenarbeit mit der Kulturgut Haus Nottbeck GmbH. Idee und Konzept stammen von Walter Gödden, die Kommunikation übernimmt Fiona Dummann.
Um die Kurzlesungen zu verfolgen, muss man nicht in die unendlichen Weiten der Westfälischen Provinz aufbrechen. Die Stops werden auf der Website des Projekts zugänglich gemacht. Mit vielen bekannten Gesichtern, gezeichnet von Daniel Unrau. Und den Clips von Philipp Wachowitz. Das Line-Up des Wochenendes und in Kürze auf der Homepage des Projekts Stop ˈnˈ Read zu sehen:
Greta Ganderath | Marius Hulpe | Adrian Kasnitz | Georg Leß | Arnold Maxwill | Sarah Marie Meinert | Hendrik Otremba | Charlotte Warsen | Christoph Wenzel | kolberg+stern
Die Veranstaltung „Junge Lyrik“ mit Live-Streams und Abendveranstaltung am Samstag fand im Rahmen des hier! festival. regional. international. des Netzwerks literaturland westfalen statt. Das Literaturfestival bietet noch bis zum 30. September verschiedenste Veranstaltungen in ganz Westfalen – und auch über die Regionsgrenzen hinaus. Stadt.land.text NRW 2017 ist mit einer Lesung der RegionsschreiberInnen Westfalens am 26. September 2017 in der Studiobühne der KulturRäume Gütersloh dabei.