Was wäre die Werre, wenn sie nicht Werre wäre…
11. Juli 2017
Poetischer Spaziergang nach Bad Salzuflen
Das zweite kleine Mosaikstück OWL entstand aus den schönen Miniaturszenarien, die ich während einem 8,ookm langem Spaziergang nach Bad Salzuflen an den Ufern der Werre gesammelt habe. Wahrscheinlich habe ich gut eine Stunde länger gebraucht als der sportliche Nordicwalkingstäbchenschwinger, um immer wieder anzuhalten und Eindrücke aufzuschreiben.
Aber es war schon lustig, als ein Gärtnereiwagen vor mir auf dem Fahrradweg an der Werre hielt, während ich gerade in der Hocke mit einem Stück Papier und einem Bleistift herumfrickelte. Nachdem ich aufstand und dann erst merkte, dass ich wohl im Weg war, trat ich natürlich ein Stück an den Wegesrand. Beim Vorbeifahren kurbelte sich das Seitenfenster herunter und ich nahm ganz perplex ein High-Five entgegen. Danke!
Ich fand den Werbeslogan der Herforder Brauerei am Bahnhof so lustig, dass er gleich als Beginn meines Gedichtes dienen durfte.
Als kleines Puzzlestück: ein bisschen Impressionismus am Werreufer (5x5cm):

Das „Westfälische Begrüßungskomitee“ heißt die Werre breit und lang in ihrem eingedämmten Gang willkommen: Stufensteine schlagen plätschernd Blasen in das einherdümpelnde Blau. Begradigtes Kalkül, wäre zu hart zu sagen, zu solch sanftmütigem Wasser. Nicht einmal ein Papier- oder ein Walnussschalenkahn könnte hier hanseatische Seenot erleiden. Das befinden auch die schlummernden Marienkäfer der Uferalleebänke und verweilen wohlgesonnen im Halbschatten. Am Wehr sieht das natürlich anders aus: In langen Wasserfäden macht der Fluss hier einen Sprung und treppt in breiten Rollbändern bergab, wie ein wassergewordenes Kassenband auf dem Weg zur Abfertigung. Eine Weide lächelt heimlich über diese ganze Aufregung und ein Enterich träumt, er wäre ein Pirat. Auf einem Schild steht in gelbschwarz „Achtung Wehr. Lebensgefahr!“ An manchen Stellen liegen Bootsstege, wie Zungen der gutbetuchten Villen, brach am Ufer, doch wird ihnen missgönnt, so ausgetrocknet, wie sie sind, in den Fluss zu tauchen. Ein Wasserhuhn bequäkt die Ungerechtigkeit darin. Ein Rasenmäher gibt sich gleichgültig rasselnd hinter Heckenpalisaden verwunschener Ferne und das Schilf nickt windversehen ein. Die Werre silbert weiter vor sich hin in kleinen Rillen Licht, in kleinen Wellen Hoffnung auf ein großes Meer. Doch nur ein Rentnerpärchen schiebt zwei kugelrunde Kuchenbäuche drahteselquietschend am Quentinufer vor sich her. Langfingrig greifen Algen nach dem Wasserlauf, ob sie ihn aufzuhalten mögen? Zwei Angler ufern sich im Sonnen, auch anstehende Kanutenkollisionen im Flussmittel der Werre können sie nicht stören. Ein Fisch beißt an, ein Mann jault auf, als sein Dackel einmal die Festigkeit der Wade seines Herrschens ausprobieren will. Dann bleibt es still. Aber die Werre interessiert das wenig, sie fließt blaugrüngolden und auch stetig wie ein Uhrwerk gemäß ihrer eigenen Façon, als eigenwillig kleiner Strom, der gerne Kanus und auch Kajaks, schnurstracks oder gemächlich halbtags, aufnimmt in die kleine Wasserwelt, in Wellen kecker Zwergenwildbachstromschnellen, in der kleine Drachen fliegen, getarnt nur als Libellen; die so idyllisch veränderlich und etwas frech, dahinplätschert und keinem einzigen Betrachter einen Seufzer in den Lungen lässt.