Wie Aachen zu mir kam – Verwechslung, eine Vorgeschichte (1)

Folge 1  

„Mujo & Haso!“, hätte ich fast gerufen als ich den staunenden Blick der beiden hereinspazierenden Männer erwische, die wie zwei alte ausgehungerte Bären die neue Veedels-Kneipe betreten und ihre Augen an mir kleben ließen. Wie auf Kommando hebt sich meine Hand zum Gruß.

Dass auch sie die neue frisch eröffnete Veedel-Szenekneipe in Shabbychic-Look entdecken würden, wundert mich nicht. Die Stimmung aus Nostalgie, Zerstörung und Lust auf Freiheit, die alten goldblumigen Tapeten, gemischt mit den neuen Wallblechimitaten in 3d und groben, abgerissenen, unverputzten Wänden ist genau die Mischung die ich an diesem Abend brauche, um meiner Aufregung vor den Aufgaben, die vor mir stehen und den aufgewühlten Stimmen in meinem Kopf freie Luft zu geben.

Flora 6 Hirsch

Aber dass   „Mujo und Haso“, die komische Gestalten aus meiner Heimat, die mich überall und immer wieder verfolgen, sich trauen an so einem Abend und so einem Ort genau bei mir um die Ecke aufzukreuzen? Das geht mir zu weit!

Seit Jahren tauchen die beiden schrägen Vogel vor mir auf, sobald ich meinen Koffer gepackt habe, sobald sich meine Ohren vor Aufregung, Freude, Traurigkeit oder Glück spitzen.

Jetzt hat es mich wieder gepackt: Ein Stipendium in Aachen wartet auf mich und die schöne Aufgabe, eine ganze Region vier Monate lang in deutschen Wirtschaften zu erforschen, sie unter meine ganz persönliche Lupe zu nehmen, meine Stammtische  mitten im deutschen Wunderland zu gründen. Der Alien in mir war erwacht und bereit auf das Abenteuer.

Veedel-Szenekneipe in Shabbychic-Look: Die Stimmung aus Nostalgie,

Zerstörung und Lust auf Freiheit

Mein deutscher Mann hatte mich kurz zuvor von unterwegs angerufen. Nach seiner ersten Parteisitzung wollte er mit mir in der „Flora 6“, dieser neuen Hip-Kneipe in Köln-Nippes, auf seine und meine neue Ära anstoßen. Ich war sofort dabei. Seine frisch geweckte Leidenschaft für Politik stachelt mich an. Sein feuriger Genosse aus Würselen,   hat auch mich mit seinem „Wind of Change“ angefeuert und ich bin bereit ihn, meinen deutschen Mann wieder zu bewundern und seine Ansichten aus allen Ecken und Nähten in Angriff zu nehmen. Wer, wenn nicht er, mein Held, soll die Sozialdemokratie und damit Deutschland retten? Und mich, den Alien, der sich in Deutschland wieder langsam fremd fühlt. Und fürchtet. Und: wer wenn nicht, ich, seine Ehefrau,   soll ihn dabei unterstützen. In meiner Tasche knistert die frisch ausgedruckte E-Mail,   der Stipendium-Vertrag aus Aachen. Ich will ihm, meinem deutschen Mann, damit imponieren. Mit einem triumphierenden Lächeln, wortlos damit vor der Nase winken. Doch dann treten die beiden Männer mit den ansteckenden Blicken in die Kneipe, glotzen mich an und ich kann nicht anders als die Hand zu heben und sie anzulächeln.

Das hätte ich lieber sein lassen sollen, wünscht sich mein deutscher Mann am nächsten Tag beim Frühstückt. Die beiden komischen Kerle, die ich offensichtlich mit meinen Heimathelden verwechselt hatte, hätte ich uns besser erspart…

…die nächste Folge: Verfolgung

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