MOMUMENT Teil XII

ZWÖLF
Hinter der dritten Brücke stellte ich den Roller ab und setzte mich auf eine Bank. Die Sonne schien natürlich. Ich fragte mich, ob es in der Simulation auch manchmal regnete, stürmte oder gewitterte. „Du kannst gerne das Wetter verändern.“
Ich betrachtete die Lichtreflexe auf dem Wasser. Plötzlich machte es mich wütend, diese ganze falsche Idylle. Was war denn mit den Stürmen, mit den Überschwemmungen, waren die dokumentiert? Oder die Waldbrände? Und was war mit Unfällen, gab es Verbrechen, Mord, gab es Krieg? Ob man den Krieg einfach pausieren, abschaffen, ausblenden konnte, oder man sich einfach mitten ins Gefecht stellen konnte, mitten in die Schussbahn, mitten auf das Ziel der Bombe, ohne verletzt zu werden? Und was war mit dem langsamen Ende der menschlichen Zivilisation auf der Erde? Mit dem Aussterben der Arten? War auch dieses Ende dokumentiert worden? Wie weit in die Zukunft reichte die Simulation? Würde ich einen Ausflug in die Zerstörung, einen Urlaub in der Katastrophe machen können?
„Die Katastrophe ist jetzt“, sagte die Stimme nüchtern.
Wieder weinte ich. Diesmal lange und laut. Es hörte mich ja niemand und mir wurde bewusst, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich sicher sein konnte, dass ich allein war.

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