Die Hauptstadt des Papiers
13. Oktober 2015
Einer meiner ersten Ausflüge im Rahmen von stadt.land.text führte mich nach Düren – ich wusste nicht viel über die Stadt und wollte einfach mal eintauchen. Nach einer Weile des Flanierens durch die Straßen begann ich, Menschen zu befragen, was besonders an Düren sei. Am häufigsten hörte ich, dass es im Krieg zu 99 Prozent zerstört wurde. Endlich nannte jemand etwas Erfreuliches und zwar: Düren sei „die Hauptstadt des Papiers“. Da horchte ich auf. Später, als ich an diesem Hochsommertag meine Füße in die Rur streckte, war mir noch nicht bewusst, dass dieser Fluss entscheidend zum Ruhm der Stadt beigetragen hatte.
2015 ist das „Jahr des Papiers“ in Deutschland, denn vor 625 Jahren wurde die erste Papiermühle vor den Toren Nürnbergs in Betrieb genommen. Damals lag die eigentliche Innovation jedoch schon mehr als 1.000 Jahre zurück. 105 n. Chr. beschrieb der chinesische Beamte Tsai Lun als erster den Herstellungsprozess des Papiers. Er gilt deswegen als Erfinder der Methode. Allerdings wird das heute angezweifelt, da man Papiere aus der Zeit von 200 v. Chr. gefunden hat. In Asien florierte das Papier also schon sehr früh: Im 2. Jahrhundert gab es Papiertaschentücher, 200 Jahre später die ersten bedruckten Tapeten und um 650 n. Chr. führte man in China sogar schon Papiergeld als Währung ein. Über die Seidenstraße erreichte das Papier den arabischen Raum und gelangte von dort über Nordafrika nach Europa. In der spanischen Provinz Valencia wurde 1144 erstmals Papier produziert.
Als Ulman Stromer in Nürnberg seine Getreidemühle in eine Hadernmühle umbaute, wusste er von der starken Nachfrage und erkannte seine unternehmerische Chance im Papier. Seitdem erfuhr das Handwerk des Papiermachens hierzulande eine enorme Entwicklung: Laut des Verbands der Papierfabriken ist Deutschland heute in der Papierherstellung auf Platz eins in Europa und weltweit auf Platz vier. Insgesamt werden 22,4 Millionen Tonnen Papier in rund 165 Betrieben von insgesamt 40.000 Beschäftigten produziert. Die Region Aachen mit den Kreisen Euskirchen, Düren und Heinsberg spielt dabei eine wichtige Rolle: 7.400 Beschäftigte in der Papierindustrie erwirtschaften jedes Jahr einen Umsatz von gut zwei Milliarden Euro, damit ist sie, laut der Industrie- und Handelskammer Aachen, der drittstärkste Industriezweig der Region Aachen, der ein Viertel des jährlichen Branchen-Gesamtumsatzes in Nordrhein-Westfalen generiert.
In Düren wurde seit dem 16. Jahrhundert Papier in kleinen Papiermühlen produziert. Die rasante Entwicklung zur deutschen „Hauptstadt des Papiers“ und der industriellen Papierproduktion wurde allerdings erst vor 305 Jahren angestoßen. Rütger van Scheven erhielt am 9. Juli 1710 die Genehmigung zum Bau der ersten Papiermühle in Düren und legte damit den Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg der Papierstadt, in der zeitweise rund 70 Betriebe produzierten.