Der Liebesengel
4. Oktober 2016
Folge 7: Nadine kommt – Tupper war gestern
Nadine wirft ihre blonden Haare über die Schulter, legt einen schwarzen Rollkoffer auf den Boden und zieht an den Reißverschlüssen. Sie öffnet ein rosafarbenes Satintäschchen und holt ihn hervor: einen pinken Silikonvibrator. Warum? Weil sie es kann: Nadine ist ein „Liebesengel“ und veranstaltet Toypartys in der Region.
Nadine öffnet als nächstes ein Täschchen mit ihren „Einsteigern“ und holt ein paar eiförmige Gebilde mit Gummischwänzchen hervor. Liebeskugeln. „Die fühlen sich nicht nur gut an, sondern trainieren auch den Beckenboden“, erklärt sie. Nach einer Schwangerschaft und im Alter wird dieses Training immer wichtiger, „damit man keine Ups-Momente hat.“ Nadine weiß das alles, nicht nur, weil sie es sich angelesen und erfragt hat, nein, sie testet jedes Produkt, das sie verkauft auch selbst. „Ich plappere natürlich nicht alles heraus, was bei mir im Schlafzimmer so passiert – aber ich werde oft gefragt, wie die Toys denn so sind.“ Nadines Mann sieht das Ganze gelassen. Nur wenn ihre „Entspannungsgeräte“ wieder geladen werden müssen, und alle Steckdosen im Haus – auch die in der Küche – mit dem Spielzeug belagert sind, beschwere er sich. Nadine lacht. Sie habe inzwischen Mehrfachsteckdosen besorgt.
Angefangen hat alles mit der Einladung einer Freundin zur Toyparty. „Ich dachte mir damals, klar komm ich da mit!“ Peinlich berührt war Nadine nie vom Thema Sex. Schon von ihren Eltern wurde sie immer sehr offen erzogen. „Ist doch einfach was ganz Normales“. Wie Essen und Reden halt, findet sie. Nach der Party habe ihre Freundin sie gefragt, warum sie das nicht auch mache. Das war im Sommer 2014. Kurz darauf wurde Nadine zum „Liebesengel“. Mittlerweile ist sie jedes Wochenende unterwegs. Unterwegs mit ihrem schwarzen Koffer.
Bei einer Dildoparty lädt eine – meist weibliche – Gastgeberin ihre Freundinnen zu sich nach Hause ein. Dann kommt Nadine – und das kostet zunächst gar nichts. Wenn alles bereitsteht, legt sie los, erzählt von den praktischen Liebeskugeln, reicht glitzerndes und nach Zuckerwatte schmeckendes Körperpuder durch die Runde und stellt Duftkerzen auf, mit deren Wachs man sich auch massieren kann. „Meist ist da schon das Eis gebrochen“, erzählt sie. Weiter geht’s mit den Dildos und Vibratoren. Nadine macht den pinken Vibrator an; über fünf verschiedene Programme hat dieses Exemplar. Sie hält ihn an die Nasenspitze: „So können die Mädels die Geräte am besten testen.“
Mädelsabende, Jungesellinnenabschiede, aber auch Pärchen-Treffen und Partys für homosexuelle Männer bietet Nadine an. Viele Männer hätten allerdings oft Vorurteile gegenüber den Toys: „Sie fühlen sich schnell ersetzt“, weiß Nadine. Dabei gebe es gerade für den Mann und auch für Paare besonders erregendes Equipment. Für Heteromänner macht Nadine jedoch keine Partys. Ihr Werbematerial als „Liebesengel“ werde von manchen Männern bewusst falsch verstanden. „Ich muss mich da selbst schützen.“ In eine unangenehme Situation kam sie noch nicht. Meist seien die Partys unglaublich fröhlich und man bekomme immer interessante Anekdoten erzählt. Einmal habe sie eine Party in einer Runde Gynäkologinnen in Aachen veranstaltet. Die Frauen hatten schon so einiges erlebt: In einem Nachtdienst sei ein junger Mann zu einer Gynäkologin in die Ambulanz gekommen. Er sagte, er hätte da ein Problem – hinten. Sie setzte ihn ins Wartezimmer zu anderen Patienten – wahrscheinlich Durchfall oder so –, doch als sie ihn aufrief, war der Mann weg. Nach zwei Stunden war er plötzlich wieder da: ‚Was haben sie denn gemacht?‘, habe sie ihn gefragt. Der Mann antwortete kleinlaut: ‚Ich saß im Auto und habe gewartet, dass das Ding in mir aufhört zu vibrieren.‘ Im Wartezimmer war der von seinem Po verschluckte Vibrator schlichtweg zu laut.
Unangenehm. Aber auch ein bisschen lustig. Damit diese Dinge nicht jedem passieren, erklärt Nadine immer wie die Geräte richtig zu nutzen sind. Und dafür kommt sie höchstpersönlich: Mit ihrem schwarzen Rollkoffer voller Entspannungsgeräte, mit Geschichten, über die man herrlich kichern kann und die einem vor Augen führen, dass ein vibrierendes Gerät eigentlich genauso harmlos ist wie Tupperware.