Stadt ohne Stadt statt Stadt der Städte? – (Schmallenberg, Teil 1)

„Schmallenberg ist die größte Stadt in Nordrhein-Westfalen“, – Pause – flächenmässig!“, dann lachen. Die Irritation funktionierte beim ersten Mal. Zumal bei meinen miserablen Geografiekenntnissen. Dann konnte das trotz NRW-Abi aber doch nicht sein, dass ich davon noch nie gehört hatte. „Ich hatte gedacht Köln…“, setzte ich noch an und lachte dann nur so halb mit. Weshalb mir im Anschluss wohl eine kleine Schreiber-Antrittsvorlesung über die verwaltungshistorischen Zuschnitte des Hochsauerlandkreises gehalten wurde – Städte, kreisfreie Städte, kommunale Neugliederung von 1975, die „Regionale“, die Namenschöpfung „Südwestfalen“ und die Debatte um Autokennzeichen für Städte innerhalb des HSK.

Schmallenberg ist also die größte Stadt NRWs. Und Berlin die reichste Stadt Deutschlands – jedenfalls an Spinnern. Und Hagen ist die schönste Stadt der Welt – für Fans der brutalistischen Architektur. Dennoch löste der Witz in mir die Frage aus: Stadt, was ist das eigentlich? Zumal ich betrachtend umherreise für ein Projekt, das sich stadt.land.text nennt.

Ich komme aus der „Stadt der Städte“, wie sich das Ruhrgebiet mit seinen 53 Städten seit neuestem und nach der gefühlt zehnten Imagekampagne nennt. 5 Millionen Einwohner, viel versiegelte Fläche und Action – aber Metropole? Nun ja, eine andere Debatte. Derzeit wohne ich in der „Stadt Schmallenberg“, bestehend aus sogar 83 Ortschaften, getrennt (oder verbunden?) nicht durch Autobahnen und Vorstädte wie das Ruhrgebiet, sondern durch Berge, Wiesen und Wälder. Schmallenberg kommt dabei gut ohne Slogan aus, aber auch damit, eigentlich keine „richtige“ Stadt zu sein, weder in der Breite aus 83 Orten, noch als eigentliche Altstadt Schmallenberg. Grund sind natürlich in der Breite die Berge und ganz viel Gegend zwischen den Siedlungen und in der Altstadt die Bänkchen vor den Häusern. Ja, richtig gelesen.

Bevor hier Mißverständnisse entstehen: „richtige Stadt“ ist nicht snobistisch gemeint, sondern – ab von verwaltungsrechtlichen oder etymologischen Definitionen, von mittelalterlichen Stadtrechten und so weiter und so fort – mit Blick auf das, was man „urban“ nennen könnte. Was das ausmacht, ist so unklar wie unterschiedlich. Nur fühlen, kann es wohl jeder. Kulturwissenschaftler nennen „Stadt“ eine „Kulturraumverdichtung“, Soziologen begreifen sie als eine „vergleichsweise dicht und mit vielen Menschen besiedelte, fest umgrenzte Siedlung“. Beides trifft sowohl auf Schmallenberg wie das Ruhrgebiet, aber eben auch Berlin und Sao Paulo mehr oder weniger zu.

Aber selbst wenn es „Fortschritt ohne Entwicklung“ (Pasolini), Nutellabrot ohne Butter (für meine Frau) oder Klugheit ohne Verstand (der US-Präsident) gibt, eine Stadt ohne Stadt kann es nicht geben, oder doch?

Dazu Morgen mehr in Teil 2——- #stadtlandtext

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