18:42 Uhr, Bochum Südring Ecke Viktoriastraße
12. Juli 2017
Die Massen waren einmal, es ist Sonntagabend und zwischen den Ständen liegt der Müll. Der letzte Festivaltag wird noch einmal begangen, weil „Moop Mama, halt.“ – „So ein Quatsch! Weil: Carpark North! Und Staubkind!“ – „Alter, hört ma‘ auf. Auf leeren Magen streit ich nich. Wo gibbet hier Eis?“ Vor den Bühnen sammeln sich die Leicht- und Einhornbekleideten. Am Südring und in den Seitenstraßen stehen auf den Bordsteinen die Volksfest-Büdchen. Lange Warteschlangen bilden sich vor den Airbrush-Tattoo-Ständen. Schilder versprechen eine Haltbarkeit von drei Wochen, die Motivauswahl gestaltet sich bei vielen als schwierig. Erstens richtet sich der Preis des Tattoos nach dem Grad der Detailliertheit und zweitens ist da noch die Frage, wohin mit der komprimierten Farbe. Ein Mann, Mitte bis Ende Zwanzig, entscheidet sich für eine Stelle oberhalb der linken Brust. Dafür knöpft er sein Hemd auf. Rasiert ist er nicht. An einem anderen Stand hat ein zierlich anmutendes Mädchen ihren Fuß zwischen den Oberschenkeln der Airbrush-Tätowiererin platziert.
An der Viktoriastraße Richtung Königsallee findet sich auf der rechten Seite der König-Pilsener-Stand. Einem Mini-Biergarten gleichend wird unten das Bier ausgeschenkt und oben gesungen. „Wie auf’m Ballermann“, erklärt ein Vorübergehender einem Jugendlichen die Anordnung. Auf dem Containerdach steht ein Mann, der sich „Burkhard aus Duisburg“ nennt. Er singt Schlager – ob gecovert oder selbst geschrieben, ist nicht herauszuhören. Eine Frau steht vor dem kleinen Biergarten und hält ihr Handy nach oben. Burkhard aus Duisburg hat sonst kein Publikum.
Die Gespräche im Bermuda3Eck halten sich in Grenzen. Vorwiegend sucht man sich gegenseitig. Eine junge Frau etwa hält in der rechten Hand ihr Handy ans Ohr, in der linken hat sie einen blauen Becher, den sie in die Höhe hebt. „Links. Links. Links“, sagt sie. Und: „Verdammt, ich bin hier links.“ Sie steht zwischen zwei Getränkewagen auf einer freien Fläche zwischen den Fahrbahnen. Diese Information teilt sie ihrem Gesprächspartner nicht mit.
Ein anderer kramt aus seiner Hosentasche sein Smartphone, es vibriert. Er schaut auf den Display, seufzt und sagt: „Oh, Hase. Das kann doch nicht so schwer sein.“ Er hebt ab und navigiert: „Ich seh dich, komm rüber.“ Ein Mann, Mitte Zwanzig, kommt verschmitzt lachend auf ihn zu.
Der Rasenstreifen, der die Fahrbahnen der Viktoriastraße voneinander trennt, ist beliebter Ruhe-Ort. Nebeneinander aufgereiht stehen die Bierbänke und sitzen die Menschen auf dem Boden. Manch einer hat eine Decke mitgebracht, es wird von den Ständen rundherum Essen und Getränke angeschafft. Ein jeder hört eine andere Musik, das Genre ändert sich je nach Himmelsrichtung.
Vor der WDR1Live-Bühne ist es am vollsten. Carpark North spielt noch, danach kommt Moop Mama. Ein älteres Pärchen steht am rechten Rand der Bühne. Er ist in Teilen graumeliert, sie gewichtig. Er will diese Band hören, sie nicht. Während er mit leuchtenden Augen immer wieder nach vorne zieht – ein Schritt, dann noch einer – entfernt sie sich im gleichen Rhythmus von der Bühne. Nach drei Schritten ist der Abstand zwischen den beiden wohl zu groß. Er besinnt sich, tritt vier Schritte zurück, sie kommt ihm einen halben entgegen. So entfernen sie sich kontinuierlich vom Spektakel. Wenig später rappt Moop Mama: „Bochum ist ein guter Standpunkt – weit genug weg von Dortmund und Köln.“ 21:13 Uhr
>Bochum Total<