Morgens um 4 Uhr vor den Toren des Dortmunder Großmarktes. ©mhu

04:27 Uhr, Großmarkt Dortmund

Nachts sind alle Städte schön. Nur nachts möchte ich sein, durch Straßen streifen, Fahrtwind spüren und keinen Gegenverkehr. Kälte in Zuneigung verwandeln und in ein Ich, das schaut, sammelt und sich lässt. Alles mit sich machen lässt – und die Welt annimmt, wie sie ist.

Auf dem Großmarkt in Dortmund muss man die Welt annehmen, wie sie ist. Diese Welt aus Fischen und Früchten, aus Hubwagen und Kisten. Aus Männern hinter Pulten und Männern unterm Scheffel. Stilisierte Frauen werben still für Äpfel, Physalis und Bananen. Das Eigentliche findet in den Hinterzimmern statt. Geschäftiges Misstrauen in den Blicken, wer sind die, was wollen die, Großkunden sehen anders aus. Anekdoten über Händler, die sich mit Kunden streiten. Ich habe dich beim Nachbarn gesehen, zu mir musst du nicht mehr kommen. Streng reglementierte Besitzverhältnisse und ein Verständnis von Jovialität, das dem Jetzt nicht mehr entspricht. Jede Halle ist einem eigenen Regiment unterworfen, das Obst ist träge. Es wird in Kulturen unterschieden, gedacht und gehandelt – eine vertane Chance; auch Suppe ist eine Option, um fünf Uhr morgens. Gegen die Entwicklungen in der Branche fühlt sich niemand mehr gewappnet. Allein sitzt der Mann in seinem Häuschen im Containerverschlag, der für die Wertstoff-Sortieranlage genutzt wird. Er sitzt schon lange da, und wird es noch eine Weile tun. Hinter den Hallen erinnern Gleise an einst genutzte Transportwege. Verkehrsschilder hängen schief. Und dann ist da der Wendekreis.

Am Wendekreis endet die Welt, und sie beginnt. Jemand hat sein Fahrrad dort abgestellt, ein anderer Paletten. Danach geht es zurück, immer wieder. Der Gedanke daran ist das schönste Bild. 04:58 Uhr



>Großmarkt Dortmund<

Pförtnerhäuschen mit Atmosphäre. Die Anlage wurde 1951/52 gebaut. ©mhu
Pförtnerhäuschen mit Atmosphäre. Die Anlage wurde 1951/52 gebaut. ©mhu
Vielleicht muss man bald von einem Relikt sprechen, denn die (inter-)nationalen Marktstrukturen sprechen mittlerweile eine andere Sprache: Wie ein Großmarkt im wörtlichen Sinn fühlt sich der Großmarkt Dortmund nicht mehr an. In eine andere Welt taucht man trotzdem ein.
So, wie der Großmarkt heute ist, gibt es ihn seit 1951/1952 auf dem Bundesgelände am Bahnhof Dortmund Süd. 1976 gründete sich die Großmarkt Dortmund Genossenschaft, seither betreiben ansässige Unternehmen den Markt selbstständig. Der Dortmunder Großmarkt ist einer der zehn größten Märkte in Deutschland (es gibt insgesamt 25), aktuell sind 23 Händler dort tätig. Bei dem Großmarkt handelt es sich um einen Frischemarkt. Es werden Obst und Gemüse, Frischfisch, Fischwaren, verpackte Lebensmittel, Frischfleisch, Kartoffeln und Zwiebeln verkauft. Daneben gibt es eine Bananen-Reiferei, Kühlhäuser und Lager. Der Großmarkt versorgt nach eigenen Angaben in einem Radius von 200 Kilometer etwa 3 Millionen Einwohner.

 

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