Loch, in das ein Ort fällt

Der Bus fährt hier jede Stunde. Am Ende kommt man raus, wo man war. Als wäre die Welt eine Kugel. Stimmt aber nicht. Die Welt ist ein Loch, in das ein Ort fällt. An den Rändern beginnt der Bagger, beißt sich in die Landschaft, bis hin zum Kern. Hinter Rollläden warten Räume, rieselt Stille. Sie sprechen von Verkippungsseite und meinen etwas, das nachgibt. Er aber steht starr. Dort, wo er die Dorfmitte vermutet, gibt es eine kleine Erhöhung. Er stellt sich drauf, wird Statue, sagt:

 Mich gräbt keiner weg.

Das Tor vom Friedhof haben sie mitgenommen, die Toten auch, fehlt nur, dass sie den Staub einfangen, damit es unserer eigener ist. Sie bauen uns neu auf. Ein paar Kilometer weiter sind die Häuser neu, die Nachbarn alt, sieht es aus wie Lego. Die Straßen heißen dort: wie hier. Legt einer einen Spiegel in die Landschaft. Jetzt stehe ich doppelt. Habe zwei Häuser, zwei Betten. Nachts wache ich auf, laufe zurück in den alten Ort, ins andere Bett, damit es nicht kalt wird. Tagsüber koche ich auf acht Herdplatten. Es wird eine Weile so gehen. Mein Haus lasse ich nicht ohne mich darin. Einer muss lüften, bevor der Krater kommt. Wie der Mond ist diese Straße, rau und leer. Schlägt man sich daran die Knie auf, beißt sich der Teer in die Haut. Besonders an heißen Tagen. Hier habe ich noch ein kleines Stücken, es ist verwachsen mit den Zellen seit etlichen Jahren.

Morgens dann nehme ich den Bus zurück, er fährt zwischen den Häusern umher, von einem zu anderen Ort. Bis ich bin, wo ich war, braucht es 33 Minuten. An der Haltestelle Vögel aus schwarzer Folie. Eine Kopie mit aufgespannten Flügeln. Alles neu und aus Plastik.

Aber: im Knie gibt es eine Stelle, die bleibt.

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