SOHN während der Ritournelle. ©mhu

22:33 Uhr, Bochum Jahrhunderthalle

Der Fotografengraben ist mäßig voll, auf der Bühne sitzt der Künstler mittig vorne auf einem Hocker, vor ihm ein Gerät, das er wie ein Schaltpult bedient. Beim Singen ruckt er manchmal mit dem schwarz behuteten Kopf, seine Augen sind die meiste Zeit geschlossen. In der Regel nutzt er seine Hände zur Rhythmuseinhaltung, Raum-Körper-Koordination und zur symbolischen oder tatsächlichen Erhebung von Machtansprüchen. Viel in Bewegung ist er nicht.

Die Fotografen treten sich auf der freien Fläche zwischen Bühne und Publikum gegenseitig auf die Füße. Nur die Männer in den orangefarbenen T-Shirts verstehen es, den unscheinbar wirkenden Kameraleuten mit ihren je eigenen Tempi auszuweichen. Die Mienen der Orangefarbenen sowie der Kameraleute bleiben währenddessen ungerührt. Im Graben klickt es leise.

Ein Schrei unterbricht den Fotografentanz. Ein Mann mit runder Brille, ausgemergeltem Gesicht und dichtem, braunem Haar, hält sich krampfhaft an der Absperrung fest, ruft: „So schön! Es ist so schön!“ Seine Stimme überschlägt sich, keiner der Fotografen schaut sich um. 22:39 Uhr



>Ritournelle in der Jahrhunderthalle Bochum<

Aus 33 Neonröhren besteht EUROPA, die Ruhrtriennale-Installation am Westgiebel der Jahrhunderthalle. ©mhu
Aus 33 Neonröhren besteht EUROPA, die Ruhrtriennale-Installation am Westgiebel der Jahrhunderthalle. ©mhu
Jahrhunderthalle, Ritournelle, Ruhrtriennale: Das sind drei Begriffe, die zusammengehören. Seit 2002 gibt es das internationale Festival der Künste im Ruhrgebiet, die Ruhrtriennale, die mit dem Elektro-Musikfest Ritournelle ihre alljährliche Eröffnung feiert – und zwar im Festivalzentrum, der Jahrhunderthalle in Bochum.
Zu Gast bei der Ritournelle war in diesem Jahr nicht nur SOHN, sondern auch Nicolas Jaar, Ahmet Sisman u.v.m. Das Festival zeigt Produktionen aus den Sparten Theater, Tanz, Musik, Literatur und Bildende Kunst.

Die Jahrhunderthalle

1902 vom ehemaligen Montankonzern, Bochumer Verein, für die Düsseldorfer Gewerbe- und Industrieausstellung im Stadtteil Stahlhausen erbaut, wurde die Halle später als Gebläsemaschinenhalle für die Hochöfen des Bochumer Vereins genutzt und stetig erweitert. 1968 kam es zur Stilllegung der Halle, über die Nachnutzung wurde jahrzehntelang diskutiert. Seit 2003 ist die Stätte Spielort der Ruhrtriennale und mittlerweile beliebter Veranstaltungsort sowie Bestandteil des Westparks.

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