Von Fremde und Neugier
10. Juli 2017
Freitag Nachmittag, ich mache mich auf den Weg in den Hellweg. Ehrlich gesagt, auch mir war bis vor kurzem der Baumarkt bekannter als die Kulturregion.
Ich stehe im überfüllten Regionalexpress von Düsseldorf nach Hamm, wir kreuzen das Ruhrgebiet, ich erkenne den Dialekt, die direkte Redensweise. Halt in Duisburg. In Essen. Bochum. Dortmund. Klischees im Kopf. Currywurst, Pommes Schranke, Fußball, Stahl, Pott, ich komm aus dir.
Im Fenster wird es grüner. Der Zug leerer. An der Bahnstrecke ist die Grenze zwischen Ruhrgebiet und Hellweg genau auszumachen: Graffitis im Ruhrgebiet, blanke Mauern im Hellweg. Dann Felder, Wiesen, Kühe. Schornsteine. Fördertürme. Backsteinhäuser. Ein riesiger Rangierbahnhof, ein Meer aus Birken. Dazwischen Container aus China. Abgestellt. Vielleicht vergessen. Oder Ausrangiert. Im Wartezustand. Stille Beobachter aus der Ferne, voller Erinnerungen aus Fernost.
Was machen Container aus China in Hamm? Ich sympathisiere mit diesen Fremden, letzte Woche war ich selbst noch in Fernost. Ich erinnere mich an mehrstöckige Highways, an gigantische Reklamewände, an Spielhöllen. An eine Grenze, unüberwindbar, die aus einem Land zwei macht. An Manga, K-Pop und Karaoke. An Menschen, die nicht wissen, wo sie hingehören, aber weiterlaufen.
Am Bahnhof Hamm-Heessen ist es wunderbar ruhig. Wer wohnt hier? Weiß jemand von ihnen, was diese Container aus China hier machen?
Freitag Abend im Biergarten Kötter, man kennt sich. Menschen, die schon immer hier wohnen. Menschen, die vielleicht auch mal nach Fernost reisen wollten, aber. Es gibt immer ein Aber. Sie wohnen hier, sind Ureinwohner. Menschen die wissen, wo sie hingehören. Man kennt sich. Lange und gut. Schützenverein, Junggesellenverein, Fraktion, freiwillige Feuerwehr. Nachbarschaft.
Ich kenne diese Formen von organisierter Gemeinschaft nicht. Ich wollte das auch kennenlernen, aber. Da, wo ich wohne, kenne ich meine Nachbarn nicht. Ich würde gern mit ihnen im Biergarten sitzen. Aber!
Freitag Nacht. Da, wo ich schlafe, ist es still. Die Stille ist mir fremd. Fremde. Stille. Dunkelheit. Im Wartezustand im Hellweg. In der Kulturregion. Schwer beladen mit Erinnerungen. Und Fragen. Und Neugier.