Das Foto zeigt einen Mann der auf einem Stuhl sitzt

Mein Herz schlug mir bis zum Hals

„Wir hatten ja nichts“, sagt Josef Rademacher immer wieder erklärend. Nach dem ersten Weltkrieg und vor allem nach dem zweiten Weltkrieg waren die Leute schlichtweg arm und litten Hunger. Und was macht man, wenn man in dieser Zeit in einem Dorf wohnte, das so nah an der holländischen Grenze liegt, dass man die Nachbarn geradezu riechen kann, wenn sie den so heiß ersehnten Kaffee aufbrühen oder die teuren Zigaretten rauchen? Man wird kreativ. Man schleicht sich über die Grenze und kauft die Dinge, die dort viel günstiger sind als im eigenen Land. Und das schmuggelte man dann nach Deutschland. Soviel, wie man tragen und vor den Zollbeamten verbergen konnte. Das passierte vermutlich in allen westlichen Grenzregionen Deutschlands.

Und genauso passierte es auch in Effeld, einem kleinen Ortsteil der Gemeinde Wassenberg im Kreis Heinsberg. Dort war ich vor einigen Wochen bei Irmgard und Kurt Stieding zu Gast. Sie hatten mich eingeladen, einen kleinen Einblick in die Schmuggel-Vergangenheit dieser Gegend zu bekommen. Und dazu hatten sie eben auch Josef Rademacher eingeladen. Er stammt aus diesem Ort, der sich eng an die Grenze zu den Niederlanden schmiegt. Kaum fünf Gehminuten über Felder, da sieht man schon den Grenzstein.Und er erzählt gern von diesen Schmugglertagen, hat so einige Histörchen auf Lager und meistens ein leicht spitzbübisches Schmunzeln auf den Lippen.

Geschmuggelt wurde eigentlich immer. Aber die unterschiedlichen Zeiten Anfang des 20. Jahrhunderts brachten auch ganz unterschiedliche Sehnsüchte zu Tage. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg war das Verlangen besonders groß nach Kaffee und Zigaretten. Das machte zwar die Mägen der Kinder auch nicht voller, aber es diente als Ersatzwährung. Denn die beiden Luxusgüter waren damals mehr wert als Geld, das durch die Inflation praktisch nutzlos geworden war.

Mehr von Ines Kubat