Ein riesiges, modernes Refugium
22. Oktober 2015
Durch die erstmals in diesem Jahr verschneite Eifel fahre ich in Richtung Kall-Steinfeld. Die eben erst sich bunt färbenden Blätter schimmern durch die weiße Last hindurch. Verschneite Laubbäume sieht man nicht oft. Ich weiß gar nicht, ob ich sie jemals so gesehen habe. Der Winter eilt seiner Zeit voraus. Mit gedrosseltem Tempo geht’s gen Kloster. Was erwartet man vom Gang ins Kloster? Man hat so ein Bild vor Augen, das aus Entbehrung, Verzicht und Ritualen besteht. Karge, kühle Klosterwände. Kontemplation statt hektischer Zerstreuung. Dunkles Holz. Eine pragmatische Einrichtung. Auf dem Tisch die Bibel. Sie ersetzt den Fernseher. Wer Ruhe sucht, reduziere das Grundrauschen, lautet die Formel. Schweigen. Handyverbot vielleicht? Schweigen. Gebete, Gespräche, Gebete. Göttliche Gemeinschaft. Als ich die Möglichkeit bekam das Kloster Steinfeld in Kall aufzusuchen, spulte sich dieser Film in meinem Kopf ab. Allerdings hatte ich auch gehört, dass es dort ein kürzlich erst eingeweihtes Gästehaus geben soll, das auf Vier-Sterne-Niveau einzuordnen sei. Nun gut, abwarten, dachte ich. Auf Reisen habe ich schon viele Sterne-Systeme kennengelernt – was nun klösterliche Sterne betrifft, konnte ich meine Erwartungshaltung nicht so recht einnorden.
Jedoch war das, was sich tatsächlich hinter der weißen Tür zu meinem Gästezimmer verbarg, ein wahr gewordener Design-Traum. Nicht übertrieben luxuriös, aber sehr kommod. Man knipst Design-Lampen an, bettet sich auf einem Boxspring-Bett mit 2,10 Meter Länge, kann von dort fernsehen oder am Sekretär in seine Korrespondenz versinken. Auf Eichendielenboden schwebt man in das Bad aus schwarzem Naturstein mit ebenerdiger Dusche. Nicht zu vergessen sind die Minibar, aus der ich mir noch ein Steinfelder Klosterbier gönnen würde, und die Kunstwerke an den Wänden, die man erwerben kann. Was will man mehr, dachte ich. Wunderbar. Aber Moment noch, ich bin doch im Kloster und nicht im Traumhotel? Kurz denke ich, das passt doch nicht. Wie gehen der gehobene Hotelstandard und das Kloster zusammen? Darf man sich im Kloster überhaupt dem Luxus hingeben?