Gegen den Strom

Folge 2: Eine Frau in Männerwelten

Das Foto zeigt eine Frau neben einem Aufsteller mit der Aufschrift"Hier Strom tanken! Natürlich, Unabhängig, Preiswert"Sie hat blondierte Dreads, sie trägt einen Rock am Ring Pulli und sie lacht. Das ist Christina Denesiuk. Die 26-Jährige ist nicht wie die meisten Mädels in ihrem Alter. Sie hat schon früh gewusst, was sie will, sie steht unter Strom: Christina Denesiuk ist Elektroinstallateurin.

„Ich war schon in der Schule anders als die anderen“, erzählt Christina und erinnert sich noch gut an ihre Zeit auf der Mädchenschule in Düren. Die meisten ihrer Mitschülerinnen gingen im Anschluss studieren. Christina machte erst einmal ein Freiwilliges Soziales Jahr im Jugendheim. „Ich wurde dort zu so etwas wie einem Hausmeister“, sagt sie. Mal eine Glühlampe wechseln; mal einen Raum neu streichen. „Handwerkliches hat mir schon immer gelegen.“ Und schließlich war er da, der Wunsch, so etwas dauerhaft zu machen. Christina wollte zunächst für ein paar Wochen ein Praktikum bei einem Elektroinstallateur machen. Doch es gab ein Problem: Die meisten Betriebe hatten keine Damentoilette! Naja, fast alle – außer die Fassbenders. Sie luden Christina zu einem Vorstellungsgespräch ein und anstelle eines Praktikums wurde ihr eine Ausbildungsstelle angeboten. Christina war damals 19. „Meine Mutter sagte: Mach das nicht, geh studieren!“, erzählt Christina. „Aber ich wollte nicht. Ich wollte genau das hier.“ Eben Elektroinstallateurin werden. Heute trägt Christina auch die klassische schwarze Handwerkerhose mit den großen Taschen. Was denn da so drin sei? Ein Bleistift zum Anzeichnen, ein Zollstock. Christina tastet noch mal nach. Eine Spitzzange – ja, das war’s. Diese Gegenstände trägt sie immer bei sich – wie ihre Piercings in Mund, Wange und Nase.

Das Foto zeigt mehrere aufgewickelte KabelIhre Ausbildung hat sie sogar verkürzt. Es sei trotzdem nicht immer einfach gewesen: „Ich war hier immerhin die erste Frau, die mit auf die Baustelle gefahren ist.“ Aber das war es nicht nur. Christina hatte es nicht nur schwieriger, weil sie eine Frau war, sondern auch, weil sie eine bessere Schulbildung hatte als viele andere. „Das gefiel manchen nicht!“ Heute weiß Christina wie sie mit männlichen Provokationen auf der Baustelle umgehen kann: „Meist schalte ich auf stur, das prallt dann an mir ab.“ Die Kollegen in ihrem Betrieb tolerieren sie inzwischen vollkommen. Handwerker anderer Betriebe seien manchmal weniger offen. „Handwerk ist leider immer noch sehr männerdominiert.“ Klar sei so ein Wanddurchbruch nichts für schwache Nerven. „Na ja, dafür brauche ich eben kein Abo im Fitnessstudio!“

Doch auch Christina hatte eine Zeit, in der sie sich nicht sicher war, ob der Strom das Richtige für sie ist. Nach ihrer Ausbildung im Betrieb Fassbender entschloss sie sich dazu, eine zweite Ausbildung zur Informatikkauffrau zu machen. Dort arbeitete sie meist im Büro; reparierte Drucker und übernahm „reichlich PC-Kram“. Die Ausbildung hat sie zwar auch abgeschlossen. „Aber dafür gebrannt habe ich nicht!“ Rückblickend vergleicht sich Christina mit einer Pflanze: „Die trockene Büroluft hat mich total eingehen lassen.“ Deshalb kehrte sie nach der Ausbildung in den Betrieb der Fassbenders zurück und macht nun ihren Meister.

Inzwischen darf Christina Häuser schon komplett alleine installieren. „Wenn ich fertig bin und es funktioniert, dann hüpfe ich auch gerne mal über die Baustelle“, sagt sie. Das erfreue immer die ganze Mannschaft. „Ich stehe endlich wieder unter Strom.“ Christina Denesiuk hat ihre Leidenschaft gefunden: Nicht gegen, sondern für den Strom!

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