Besonderheiten der Region Aachen – Teil eins
4. September 2015
Wie ich in meinem ersten Beitrag geschrieben habe, versuche ich das Kennenlernen der Region zu dokumentieren und im Blog immer wieder einfließen zu lassen, was ich persönlich an Besonderheiten wahrgenommen habe. Hier sind meine Notizen zum ersten Monat.
Grenzen: Als „Binnendeutscher“, der fernab von Ländergrenzen aufgewachsen ist, hat man immer das Gefühl, an der Grenze treten die Unterschiede der Nationalitäten am Deutlichsten zum Vorschein. Dabei verschwimmt hier alles und das Gegenteil ist der Fall. Die Grenze ist eine Aufweichzone, in der keine klare Abgrenzung stattfindet. Ich kenne mehrere Menschen aus dem Innenland, die möchten aus unterschiedlichen Gründen im Ausland lieber nicht Autofahren. Fürchten sich vor dem Grenzüberschritt. Hier ist so etwas gar nicht vorstellbar. Als ich von Aachen nach Monschau fuhr, führte mich mein Navi viele Kilometer über Belgien. Das klingt wahrscheinlich für diejenigen, die hier aufgewachsen sind, völlig banal, aber für mich war das ein Erlebnis mit Aha-Effekt. Ich verstand in dem Moment, warum die Grenzen verschwimmen, wenn allein schon die Verkehrswege völlig selbstverständlich gemeinschaftlich genutzt werden. Im Gegensatz zu den kaum vorhandenen und aufgeweichten Ländergrenzen empfinde ich die Städtegrenzen oder Regionsgrenzen – also die Identifikation mit dem eigenen Ort und die gleichzeitige Abgrenzung zur Umgebung – hier mancherorts viel stärker ausgeprägt als anderswo. Das ist ein komischer und interessanter Widerspruch. Vielleicht lassen sich dafür in den kommenden Monaten noch Gründe finden?
Blitzer: Wenn man in der Städteregion Aachen geblitzt wird, kommt ein dreisprachiges Knöllchen. Das ist mir direkt viel sympathischer als die einsprachige Variante.
Begrüßung: Seit einem Monat tappe ich eigentlich täglich in die Begrüßungsfalle: Betrete ich ein Geschäft oder einen Raum, dann grüße ich mit „Hallo“. Jedes Mal kommt ein „Guten Tag“ zurück. Jedes Mal denke ich: „Jetzt habe ich schon wieder vergessen, dass es hier etwas offizieller zugeht als im Ruhrgebiet.“ Von dort bin ich gewöhnt, eigentlich immer mit „Hallo“ zu grüßen. Alles andere wirkt dort eher zugeknöpft. Gut, morgens sagt man „Guten Morgen“, aber ab Mittag gibt es dann eigentlich nur noch das „Hallo“. Hier in der Region ist man teilweise schon um halb elf beim „Guten Tag“, das verwirrt mich und mir fällt erst hier auf, wie sehr ich mir das Hallo in den letzten Jahren im Ruhrgebiet angewöhnt habe. Dort, wo ich ursprünglich herkomme, sagt man „Grüß Gott“, das würde hier mit Sicherheit noch schlechter ankommen als das „Hallo“.
Kulinarik: Man sagte mir, es sei die Nähe zu Belgien, die in der Region Aachen zu einer kulinarischen Vielfalt führe. Schon bei den ersten Spaziergängen durch Aachen, fiel mir auf, wie viele Feinkostläden, Käseläden, Schokoladen- und Pralinenläden, Konditoreien und Metzger es gibt. Anfangs dachte ich, das Phänomen beschränke sich auf die Stadt Aachen, aber wie ich feststellte, findet man es nahezu in der ganzen Region wieder. Ein Beispiel dafür sind auch Kaffeeröstereien, die man vielerorts antrifft. Dabei sei nicht zu vergessen, dass ich schon jetzt ein absoluter Liebhaber von Streuselbrötchen bin.
Starke Meinungen: Es geht in Aachen direkter zu als angenommen. Teilweise geht es sogar ruppig zu, Fahrradfahrer und Autofahrer brüllen sich schon mal an; Veranstalter werden während der eigenen Veranstaltung offen kritisiert und lautstark auf Planungsfehler hingewiesen. Das habe ich so in dieser Qualität noch nirgends erlebt. Es mag ein Zufall sein, dass ich mehrere solcher Szenen gleich zu Beginn erlebt habe. Aber mein Eindruck ist bisher, dass man hier sehr meinungsstark ist und eine genaue Vorstellung hat, wie Dinge sein müssen und wenn die Dinge davon abweichen, wird die Unzufriedenheit direkt geäußert. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte so ein eher kitschiges Bild von Aachen und war in den ersten Tagen überrascht von einer eher aufgeladenen Stimmung. Es mag an den Hochsommertagen gelegen haben, wer weiß. Aber ich komme direkt aus dem Ruhrgebiet, da ist man auch direkt und laut, aber eben eher auf eine kumpelhaftere Art. Aber wie schon mal gesagt, das sind zufällige Eindrücke, vielleicht sehe ich das Ganze schon nächsten Monat mit ganz anderen Augen. Ich kann hier nur den Prozess des Kennenlernens wiedergeben – ganz persönlich und eben auch vom Zeitpunkt und Zufall abhängig.
Sprache: Die verschiedenen Dialekte kann ich noch nicht wirklich auseinanderhalten und sie werden im Alltag auch nicht mehr wirklich gesprochen. Wie fast überall in Deutschland hört man einen Mix aus Hochsprache mit Dialektfärbung. Der Dialekt klingt auf mich sehr weich und melodisch. Die Tonlage, Betonung, aber auch der Rhythmus verblüffen mich hier und da, vor allem die starke Betonung des Auslauts/Wortendes, die ich als charakteristisch für den Sprachraum empfinde. Es ist für mich aber ein wohlklingender Dialekt, dem man gerne zuhört.