Was, wenn es plötzlich nur noch die Ärzte und André Rieu gibt?

Erst vor Kurzem ist er in sein neues Büro in Eschweiler umgezogen. Aber an den Wänden des ehemaligen Zollhauses hängen schon Fotos von ihm und bekannten Musikern wie BAP, Tokio Hotel oder den Skorpions, um nur einige zu nennen.
Max Krieger ist Kulturmanager der Stadt Eschweiler und Stolberg, und ist in der Städteregion für viele Veranstaltungen bekannt, die er organisiert oder auch initiiert hat: Die Kurpark Classix, der Aachener Kultursommer auf dem Katschhof, Monschau Klassik, Stolberg Goes, das Eschweiler Musikfestival oder die Jazztage – überall zog oder zieht er im Hintergrund die Fäden, hat immer neue Ideen. Den Satz „Da gibt es etwas, das ich auf jeden Fall noch machen will“, habe ich bestimmt nicht als einzige aus seinem Mund gehört.
Weil Max Krieger die Kulturszene der Städteregion eben so gut kennt und prägt, habe ich mich mit ihm für ein Interview getroffen, und wollte wissen, was er so zum kulturellen Status Quo unserer Region zu sagen hat.

Schon 1998, als erstmals über eine mögliche Städteregion gesprochen wurde, glaubte er direkt an die Bündelung der Kulturangebote. Und „einiges ist ja auch schon daraus erwachsen“, sagt Krieger zum Beispiel im Hinblick auf das Kulturfestival X, das noch bis September verschiedene Orte der Städteregion bespielt.
Das Angebot sei also groß: Monschau zum Beispiel mit der Klassik und dem modernen Kunstmuseum KUK, Eschweiler mit dem Karneval oder Art Open, Stolberg mit seinem Festvial Stolberg Goes oder Kunst auf dem Weg, und Aachen zum Beispiel mit den Kurpark Classix oder dem Kultursommer.
Ja, das Angebot ist schon groß nur gibt es – so der Kulturmanager – ein Problem der Wahrnehmung. Vor allem die Medien seien hier gefragt, findet er, um „lokale Leuchtturmprojekte zu präsentieren – stellvertretend und als Schutz für alle kleineren Initiativen, die nicht alle die Aufmerksamkeit bekommen, die sie vielleicht verdient hätten.“
Was Krieger damit meint, sind vor allem die vielen Vereine, Volkshochschulen und engagierte Bürger, die einen großen Beitrag zur Kultur leisten.

Es klingt schon ziemlich plausibel, was Krieger sagt und er spricht mir fast aus der Seele, wenn er meint, dass das kulturelle Angebot in der Städteregion eigentlich recht groß ist und im Verborgenen viele kleine Initiativen und Projekte wirken, die Aufmerksamkeit verdient hätten.
Aber was ist dann der Grund, dass viele mit dem Freizeit- und Veranstaltungsangebot in der Region unzufrieden ist?
Max Krieger glaub nicht, dass es zu wenig sondern eher ein Überangebot an Kultur gibt – und mitunter eins, das nicht jeder Zielgruppe gerecht wird.

Die Älteren Menschen kann man zum Beispiel auf musikalischer Ebene mit dem herkömmlichen Klassikangebot der Städteregion hervorragend bedienen.
Schwieriger findet er es, ein jüngeres Publikum zu erreichen, das von der digitalen Welt immer mehr abgelenkt werde. Schüler und Studenten würden im regionalen Kulturangebot ein wenig vernachlässigt, findet er. Sie möchten „Kulturshopping“ am liebsten so einfach wie im Internet. Da reiche es manchen selbst nicht, dass zum Städteregionsfestival der Musiker Patrice kommt und die Karte nur 3 Euro kostet. Nein, dann sei manchen Aachenern der Weg nach Alsdorf noch zu weit.
Man müsse also die Kulturkonsumenten wieder gewinnen. Nur wie? Krieger sieht die Chance nicht in vereinzelten Showeinlagen bekannter Stars. Natürlich sei es von großem öffentlichen Interesse, mit großen Namen zu werben. Der Erfolg daraus sei allerdings rein kommerziell. Für die Gesellschaft bringe es herzlich wenig. Und wieder betont Krieger, dass man die kleinen regionalen Institutionen nicht vergessen darf. „Denn was passiert, wenn das Vereinsleben irgendwann ganz wegbricht? Dann gibt es nur noch Ärzte und André Rieu“, so Kriegers grenzextreme Prognose.

Dass zum Beispiel ein Jakobshof oder der Musikbunker in Aachen dicht machen sollen, das dürfte efinach nicht passieren. Diese Art von kultureller Grundversorgung müsse man unbedingt bewahren! Zum Beispiel, indem man junge Bands proben lässt: dafür setzt er sich selbst ein und stellt gleich neun Proberäume in der Eschweiler Schwellengasse jungen Musikern zur Verfügung. Bis vielleicht auch sie irgendwann als Fotomotive in seinem Arbeitsraum hängen.

Mehr von Ines Kubat