Hedem

Rund um Hedem

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Auf dem Rückweg vom Nordpunkt – dem, wer würde es denken, 
nördlichsten Punkt NRWs – zur RB-Endhalte in Rahden kommen 
Rahel und ich doch noch und zum ersten Mal ernsthaft an diesem Tag auf 
das Thema der Landwirtschaft zu sprechen, wir hatten es, mit Ausnahme von 
Rahels Einwürfen hier und da beim Rumfahren, wo gerade noch ein Feld von 
ihrem Mann oder anderen Bekannten bestellt wird, auf unserer Tagestour durch 
den hohen Norden bisher gar nicht groß damit gehabt. Das war Rahel wohl 
auch Recht gewesen, wie sie nun sagt, es ist, wenn man, wie sie und ihre 
Familie, selber involviert ist, kein leichtes Thema, derzeit, mal wieder. Die 
Frage, die im Raum steht, ist: Warum treffen Leute in Berlin Entscheidungen für 
die Landwirtschaft, die selber mit dem Thema überhaupt keine Berührungspunkte 
zu haben scheinen? Als wir noch am Nordpunkt stehen und diese Marmor- (mein 
ich) Skulptur betrachten, die den Umriss von NRW hat und mit einigen eingravierten 
Städten (schwer lesbar) auf ihrer Oberfläche versehen ist, fällt mir auf, dass Dortmund ja 
tatsächlich mehr oder weniger die Mitte unseres Bundeslandes ist. Wahrscheinlich, weil 
ich halt lange nur in meiner Rheinland-Bubble gewesen bin, hatte ich als Zentrum, 
natürlich, immer Köln gesehen. 

2a

Das zweite tolle Essen an diesem Tag gab es im Garten von 
Dietmar und Elli Horn: Sie hat einen französischen Kirschkuchen 
gemacht, der, glaub ich, vor allem mal aus Eiern, dann auch aus Kirschen 
besteht, und er schmeckt auf eine Art luftig, die ich selten erlebt habe, gerade, 
wenn er unter Schlagsahne begraben ist – ich mach ein Foto von ihm, Elli 
lacht etwas irritiert, das bringe doch nix, unter der Sahne würde man den 
Kuchen ja gar nicht sehen. Wir sitzen da im Garten auf einer Terrasse 
bei einem Naturpool zum Kaffee und unterhalten uns – vor allem darüber, wie 
es ist, auf dem Land zu leben, hier, und Dietmar kennt den Sprung, er ist damals 
aus Düsseldorf, dem Kunststudium, hergekommen, erst nur einen Freund 
besuchen, dann gefiel ihm, was er sah, er blieb, Elli und er lernten sich 
beim lokalen Karneval kennen, das ist jetzt etwa dreißig Jahre her. Mischka, der 
Hund der beiden, verfolgt bellend jeden Radfahrer und jeden Fußgänger 
entlang des Gartenzauns, und der Zaun ist lang, ist gut für Mischkas 
Disposition, sagt Dietmar, der Bildhauer ist. Seine Skulpturen sind im 
weiten Garten verteilt, und Dietmar scheint jedes Material bearbeiten 
zu können und auch mal bearbeitet zu haben. Es ist irgendwie nice zu 
sehen, dass die beiden sich hier über die Jahrzehnte was Schönes aufgebaut 
haben, auch, dass sie immer noch zusammen sind, auch, dass Dietmar an-
scheinend zu dieser ganz seltenen Gattung Künstler zählt, die tatsächlich 
davon leben kann.

2b

Initiiert wurde die Zusammenkunft im Garten der Horns übrigens von 
Alex, der auch da ist, und der ein alter Freund von Rahel ist, die natürlich auch 
da ist, und die wiederrum und wie gesagt der Grund ist, warum auch ich da im 
Garten bin. Soweit, so gut. Alex auf jeden Fall ist Architekt, und zwischen Alex, 
Rahel, Dietmar und Elli gibt es viele Geschichten darüber, was es bedeutet, sich 
mit den Ortsbürokratien ihrer jeweiligen Gemeinden herum zu schlagen, vor allem, 
wenn es um die Bauämter gehe – wobei, gerade ist bei Alex und den Horns etwas 
Hoffnung in Sicht, ein Neuer ist gekommen, noch ist er motiviert. Alex fallen 
auch einige gute Materialen für Gedichte ein, zum Beispiel den Schriftverkehr 
mit dem Bauamt, eigentlich mit jedem Amt, zu Lyrik zu machen. Ist eine sehr 
gute Idee, die eine Recherchetiefe allerdings voraussetzt, zu der ich diese Tage 
gerade nicht fähig bin, also merke ich es mir nun hier in diesem Gedicht für eine 
unbestimmte künstlerische Zukunft vor. Nicht nur der Neue im Bauamt scheint 
motiviert, auch Alex selber macht einen energiegeladenen Eindruck, vielleicht 
ist das auch nur sein Gemüt (wenn, ist es Gold wert) und er organisiert viel 
in der Region, hat zum Beispiel eine Gruppenausstellung in der alten Gehwohl-
Fabrik angeleiert (wie geil, dass die hier in der Nähe sind, deren Schaum kriegt 
man wirklich in jeder medizinischen Fußpflegepraxis aufgebrummt), bei der, 
glaub ich, alle am Tisch, außer mir, mit dabei waren.

2c

Ehrlicherweise hab ich ein bisschen vergessen, Dietmars Frau Elli zu 
fragen, was sie eigentlich so macht (bzw., ich habe niemanden gefragt, aber
sie war die Einzige, die es nicht von sich aus erzählt hat), aber dafür erfahren wir 
zumindest am Ende noch, dass sie über den letzten Herbst und Winter das Mosaik für 
einen überdachten Teil ihrer Gartenterrasse gelegt hat, wir stehen staunend darauf, es 
muss ganz gut Arbeit gewesen sein. An die Mosaik-Terrasse schließt Dietmars 
Werkstatt an, auch dafür ist hier Platz, er hat sich Tageslichtfenster in die Decke 
gelassen, wobei er eigentlich am liebsten im Freien arbeitet. Ich mag, dass 
Dietmar raucht, wie jemand, der immer geraucht hat, und dass er gleichzeitig 
etwas leicht Schroffes und etwas sehr Nettes hat. Als wir wieder draußen auf dem 
Parkplatz stehen, versucht er noch, Rahel dazu zu überreden, eine seiner wenigen 
Auftragsarbeiten für ihn mit Mosaiksteinen zu bekleben, für umme, wie sich dann 
herausstellt, sie hatte beim Anblick von Ellis Terrassenarbeit angedeutet, dass 
ihr eine solche Arbeit auch Spaß machen könnte, und Dietmar ist drauf eingegangen. 
Das ist jetzt, wie so vieles von mir, eigentlich nur reine Behauptung, aber: ich würde 
behaupten, dass von allen bildenden Künsten die Bildhauer am stärksten immer am
Maggeln sind. Mein Vater hat auch ein Bildhauerdiplom, das hat er allerdings damals 
gleich schon wieder nach Erhalt verbrannt, so hat man das wohl gemacht, am aller-
letzten Ende der wilden 70er. 
 
Hier ist noch ein Tipp von den vier zum Thema Bauvorhaben, anscheinend noch 
nicht selber ausprobiert, nur schon aber häufiger beobachtet, bei den Nachbarn: Einfach 
bauen, auf keine Genehmigung warten, anschließend zur Not das Bußgeld kassieren, aber – 
zum Abriss wurde bisher noch nie jemand wieder gezwungen, was einmal gebaut ist, 
bleibt, egal, ob eigentlich mal genehmigt, oder nicht. 

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Das erste gute Essen gabs gleich vor dem Besuch bei den Horns bei 
Rahel und ihrer Familie selber, auf dem Hof, den ihr Mann Georg von 
seinen Eltern übernommen hat, es ist Mittagessenszeit: ihre Mutter hat 
extra Schweinebraten gemacht, dazu gibt’s natürlich Bratensoße, auch grüne 
Erbsen, vor allem aber komplett, und ich meine komplett, selbstgemachte 
Klöße, auch Kartoffelstücke, die ich aber wegen den Klößen schmähe (sorry!), und 
zusätzlich, vielleicht mein stiller Star, einen Salat, der aus Salatgurken, grünen 
Bohnen, Zwiebeln besteht, ich meine, in einer Tupperdose serviert, und der auf 
eine schöne Art süß ist. Die Nachspeise dann betont westfälisch: Quark mit 
Kirschen und Schokosplittern und zerkrümeltem Schwarzbrot. Großeltern, die 
essen machen: War immer eine Sache, wird wohl immer eine bleiben, zum Glück, und 
mal so sehr generell gesprochen. Der Vater meines Vaters hat Essen gemacht, dass 
wir als Kinder glaub ich so halb zu würdigen wussten, legendär seine mehr als 
bissfest gebratenen Pommes aus der Pfanne, auch die Camel ohne Filter, die er und 
mein Vater sich immer gegenseitig zu Geburtstagen und zwischendurch geschenkt 
haben, wobei, vielleicht waren die Camels auch nur mein Vater und mein Opa bekam 
HB. Die Mutter meiner Mutter konnte nicht wirklich kochen, dafür hatte sie immer 
ein Herz für Tiere und war fromm. Wenn wir sie und unseren Stiefopa besuchen 
kamen, alle halbe Jahre, gab es zumeist mehrere Torten aus dem Tiefkühler, und 
zum Abschluss einen riesigen Teller Schnittchen, wie sie das nannte, also belegte 
Brote, und die Erinnerung an die Art, wie meine mittlerweile verstorbene Großmutter 
(alle meine Großeltern, Stief- oder nicht, sind tot) Schnittchen gesagt hat, erzeugt auch 
heute noch so ein Gefühl in mir. Mit meinem Stiefopa kam eigentlich niemand richtig 
klar, btw, im Nachhinein hieß es, er habe eine Hirnkrankheit gehabt, die ihm sein 
Empathiezentrum zerstört hätte. Auch erst nach ihrem Tod erfuhr ich über meine 
Großmutter, von meiner Mutter, die sich um sie gekümmert hatte, dass sie immer für 
Monate am Stück und jeden Tag dasselbe Essen aß, um es nach diesen Phasen nie 
wieder zu holen. Interessanterweise mag Rahels Tochter die vorher erwähnte Nach-
speise nicht so gern, sie ist ihr zu durcheinander, was die Zutaten angeht, und das 
deckt sich voll mit den Beobachtungen über das Elternsein, die ich selber bei meiner 
Nichte derzeit machen kann, auch dort wird eigentlich alles nur ohne alles 
gegessen. Ich weiß nicht mehr, ob meine Brüder und ich auch so waren, meine 
Mutter erzählt schon im Nachhinein Geschichten gewisser Partikularität, aber, 
ernsthaft jetzt mal, nachdem meine Eltern McDonalds als Lösung gefunden 
hatten, ging das schon wirklich immer, also jetzt Sonntags oder mal so zur 
Belohnung, aber ich drifte ab, wie so häufig, wenn das goldene M ins Spiel kommt. 
 
Jeder übrigens, den wir an dem Tag treffen, hat einen oder mehrere Hunde, und 
da sind Rahel und ihre Familie natürlich keine Ausnahme, … 

3b

…auch sie haben zwei Hunde: eine alte Hündin, der man ihre 
Wachheit laut Rahel immer noch anmerkt, und einen noch jungen und 
relativ wilden Golden Retriever, Ariel, zehn Monate, der sich aber, seitdem 
er (oder ist es eine Sie?) sich in der Jagdhundausbildung befindet, langsam 
zu beruhigen beginnt, weil nun alle seine Instinkte regelmäßig angesprochen 
werden. Ich trag Ariels Haare auf meiner schwarzen Hose der Deutschen Post den 
Rest des Tages mit mir herum, und das erinnert mich an die Besuche bei Daniel und 
seiner Familie in Köln, die auch einen Golden Retriever haben, Matisse, bevor 
wir weiterzogen zum Zeichnen, mussten wir uns immer nochmal im Wohnungsflur 
abrollen, mit einer dort stets griffbereit-stehenden Fusselrolle. Matisse hat mir meine 
Angst vor größeren bellenden Hunden genommen. Ariels Ausbildung findet 
übrigens bei der Schwester von Arnold von der Nolden statt, den … 

4a

…wir gleich als Erstes, nach meiner Ankunft am S-Bahnhof Bald Holz-
hausen, am Vormittag noch, besuchten, und der mir oder uns, ganz grob 
natürlich nur in der Kürze der Zeit, circa acht Jahrhunderte Geschichte über 
Burg Steinsegen erzählt, das Anwesen seiner Familie, das er, seit den Siebzigern, mit 
seiner Frau, verwaltet. Irgendwann merkt Herr von der Nolden, dass ich wirklich 
fast niemanden der historischen Figuren, die er referenziert, einordnen kann, klar, 
von allen mal den Namen gehört, mehr aber auch nicht, aber wenn ihn das 
tiefergehender enttäuscht, lässt er es sich, dankenswerterweise, nicht anmerken, alles 
Wasser unter der Brücke für ihn, wahrscheinlich. Burg Steinsegen (im Volksmund 
Schloss Steinsegen genannt, aber das geht eigentlich so nicht, denn die Bezeichnung 
Schloss gebührt nur einem Anwesen von Fürsten oder Königen, wie von der 
Nolden gleich zu Beginn bemerkt, und so ist selbst die verbreite Benennung 
seines Anwesens ein kleiner Hinweis darauf, dass die Adelsgeschlechter 
gegenüber dem Pöbel ein gewisses Nachsehen hatten), Burg Steinsegen also 
wurde früher von drei Wassergräben umzogen. Der Äußerste umlief das ganze 
Anwesen, inklusive des Hofes, auf dem heute übrigens von der Noldens selber 
wohnen (Seiteninfo: dieses Hofgebäude stand eigentlich mal woanders und 
wurde, nachdem das erste abbrannte, im 19. Jahrhundert ab- und dann hier 
wieder aufgebaut, ein Vorteil des in der Region vorherrschenden Fachwerks, 
dessen Gebälk man relativ mühelos umziehen kann, nicht zuletzt dank der 
Zimmermannskunst, die jedes einzelne Element so markiert, dass seine Position 
auf ihm eindeutig abgelesen werden kann). Der innerste Graben war der Burggraben 
selber, auch früher als Latrine genutzt, na klar. Der mittlere, der den Garten des 
Schlosses umläuft, steht als Einziger heute immer noch. Als wir auf seiner Brücke 
sind, macht uns von der Nolden auf ein spitzes Dach im Unterholz aufmerksam. Das 
war früher der Eiskeller – im Winter, als das Wasser im Graben gefror, hob man 
von ihm die Eisplatten ab und lagerte sie dort ein, in einem fünf Meter tief 
gegrabenem Loch, unter besagtem Spitzdach. Das Eis hielt sich für den ganzen 
Rest des Jahres, in der Kühle der Erde, zur Nutzung in der Küche, für den 
Betrieb der ersten Vorläufer der heutigen Kühlschränke. 

4b

Noch so ein Trick aus alten Zeiten, den Herr von der Nolden einmal 
zufällig entdeckte, und den er seitdem selber gerne ab und zu anwendet (und es 
scheint, als ob Rahel, als er von ihm erzählt, da auch für ihren Hof extra hellhörig 
wird), wurde wie folgt herausgefunden: Für einen der Festräume im ersten Stock der 
Burg musste einmal der Boden überprüft werden. Von der Noldens Tochter war 
im Begriff zu heiraten, auf der Burg, wollte aber den besagten Raum nur mitnutzen, 
wenn vorher geklärt würde, warum dessen Boden immer so viel schwinge, die 
Sorge bestand, man könnte einstürzen. Der Holzboden wurde geöffnet, seine 
ihn tragenden Balken untersucht, und in der Tat, sie waren so morsch 
geworden, dass sie bereits vollständig jeden Bezug zur Wand verloren hatten, halt 
frei schwangen. Dieses Problem wurde behoben, der Clou aber war noch eine 
andere Entdeckung am Rande: Als sie den Boden des ersten Stocks öffneten und 
schon befürchteten, im Zwischenraum zur Decke des Erdgeschosses jede 
Menge Tiere oder zumindest ihre Spuren aufzufinden, fanden sie nichts 
dergleichen, dafür einen ganzen Teppich aus jahrhundertalten Ilex-Blättern, 
vollkommen verdorrt, aber immer noch so pieksig wie am ersten Tag. Seitdem 
verstreut von der Nolden auch selber Ilexblätter gegen Mader und so.
 
Mein liebstes Detail, das von der Nolden auf seine ruhige Art und fast 
schon schelmisch einmal kurz erwähnt, ist in der Eingangshalle zu Schloss 
Steinsegen zu finden, eine erst unscheinbar wirkende Eimerform unter einer 
der wieder aufgestellten Original-Holzstreben. Es handelt sich tatsächlich 
um einen mit Zement ausgegossenen Eimer, lackiert wie das Holz, genutzt, um 
die fehlende Länger der an dieser Stelle zu kurz gewordenen Strebe auszu-
gleichen. Diese Notfalllösung war einem der Handwerker aus Polen 
gekommen, die von der Nolden häufiger in seinen Erzählungen der Grund-
renovierung des Schlosses seit den 70ern erwähnt, und ohne die er, wie er 
selber sagt, dieses zu Anfang völlig aussichtslos wirkende Unterfangen niemals 
hätte bewältigen können. Eigentlich geht es die meiste Zeit in seinen Erzählungen 
über Burg Steinsegen auch darum, halt mit dem zu arbeiten, was man so hat. Die 
Malerarbeiten am Fachwerk im Innenhof hätten, wenn Denkmal-gerecht in 
Auftrag gegeben, so zum Beispiel weit über 30 Tausend Euro gekostet, von 
der Nolden entschied daraufhin, es einfach selber zu machen, und 
bekam dabei Unterstützung alter Freunde aus seinem Chorverein, er 
wirkt stolz auf das Ergebnis, als er es uns zeigt und kurz irritiert, als ich erst 
nicht raffe, was ein Chorverein ist, tatsächlich ist das glaub ich eine Art von 
Studentenverbindung. 

4c

Am Ende ist die Burg auch ein Zeugnis all der Lebenswelten aus acht 
Jahrhunderten, und die erste Regel, die von der Nolden selber sagt, ist: Umso 
besser es den Leuten geht, umso dekorativer werden ihre Bauvorhaben. Ansonsten 
hat anscheinend jeder mal so am Schloss gemacht, was ihm gerade einfiel und gefiel: Über 
der noch erhaltenen Burgmauer aus Steinen (die aus allen Steinen besteht, die man 
irgendwie auftreiben konnte in der Region, denn Steine sind eines der Dinge, die es 
historisch hier fast nicht gab, deswegen halt auch die Alternative des Fachwerkbaus 
aus Holz und Lehm) wurde ab der ersten Etage erst eine vollständig und ausladend 
dekorierte Holzfassade aufgebaut, um sie in späteren Jahrzehnten gleich wieder komplett 
über zu verklinkern, weil es dann halt gerade so Mode war, englischer Stil nannte man 
das, und so ist es auch heute noch. Vorne an einer Ecke stehen eher zufällig scheinend 
vier Säulen herum, stützen einen Balkon, es sind die einzigen Originalsäulen aus Rom 
in der ganzen Region, einer der Besitzer hatte sie mal als Beweis seiner Weltgewandtheit 
von dort mitgebracht und hier verbaut. An der Wand hinter den Säulen lehnen Grab-
steine, die irgendwann aufgetaucht waren, im Rasen der Auffahrt liegen Kanonenkugeln. 

4d

Und die Geschichte der Leute auf Steinsegen, ihrer wechselnden 
Besitzerfamilien? Nun ja, gibt es viel halt, sowas sammelt sich ja über acht 
Jahrhunderte, und natürlich gab es alles Mögliche in diesen Zeiten, inklusive 
eines preußischen Finanzministers, von dem auch noch eine Büste im Garten 
zeugt, aber vielleicht bleibt am besten festzuhalten, dass die Burg seit dem 
18. Jahrhundert nun schon im Besitz der von der Noldens ist, auch, wenn es 
manchmal sehr knapp gewesen sein mag, der ein oder andere Onkel das Anwesen 
fast in den Ruin getrunken hätte, zum Beispiel. Es gab auch mal einen von der 
Nolden, - das war aber glaub ich noch vor ihrer Zeit auf Steinsegen - der, um 
seine Stärke zu beweisen (und zu beweisen, dass er stärker war, als der Fürst, 
der ihn als Gast bei sich hatte), mal gegen einen Bären kämpfte, während einer 
Abendveranstaltung, zur Erheiterung der Gäste, und gewann. 

4e

Schloss Steinsegen kann übrigens heute für Hochzeiten und Ähnliches 
genutzt werden, und es ist auch ein Mietshaus, und auch so nahm 
alles seinen Lauf, also der Weg in die Jetztzeit, eines Tages in den 70ern 
stand ein Künstler vor der Tür und sagte, er würde gerne in dem damals 
noch vollkommen baufälligen Schloss wohnen, er hätte auch schon zusätzliche 
Interessenten. Von der Nolden, gerade frisch und gegen den Rat aller 
seiner Freunde und Familie mit der Pflege des Anwesens betraut, sagte zu. 

5a

Es ist schön, sich von Rahel rumfahren zu lassen an diesem Tag, über 
Landstraßen und durch Ortskerne, und sie hat zu allem etwas zu 
sagen, Schulen (zum Glück eine gute für ihre Tochter), irgendwelche 
Industriehallen, die man mal wieder auf Felder setzt, die dann nicht mehr 
der Landwirtschaft zu Gute kommen können, Rapsfelder, Baumsterben, beliebte 
KiTas, Lokalpolitik. Ich kann verstehen, warum sie wahrscheinlich in den 
 Gemeinschaften vor Ort häufiger darum gebeten wird, alle möglichen 
Aufgaben zu übernehmen, an dem Tag ist ein heißes Thema, das Unbekannte 
sie jetzt auch noch für den Vorstand der Wahlaufsicht zur anstehenden 
Landtagswahl vorgeschlagen haben, aber irgendwann ist der Teller halt 
voll. Genug zu tun hat sie: als Doktorantin, Künstlerin, Fotografin, Mutter, 
Landwirtin (das Offensichtlichste fällt einem immer erst nachher ein, ich 
habe sie den ganzen Tag gar nicht gefragt, ob sie selber alltäglich involviert 
ist, auf dem Hof und den Feldern, oder ob diese Arbeit eher ihr Mann 
übernimmt), Journalistin, Landfrau-Vorsitzende – genug zu tun hat sie, wie gesagt. 

5b

Irgendwann gegen Mitte unseres Trips fällt mir Folgendes auf: Ich 
habe, aus meinem Lifestyle heraus und damit vermeintlich als notwendig 
empfundenen Lebensregeln, nur einen einzigen, das meine ich ernst, einen 
einzigen Gegenstand in meinem Besitz, den ich nicht mit meiner eigenen 
Körperkraft davontragen könnte. Das ist mein, derzeit in meinem untervermieteten 
Zimmer in Köln stehender, Schreibtisch, vor elf Jahren von einer WG-Mitbewohnerin 
in Pforzheim übernommen, sie hatte ihn selber schon bei ihrem Einzug von 
ihrem Vormieter erhalten, als ihn Melda in Köln das erste Mal sieht, kommt sie 
nicht umher, auszurufen, wie hässlich er sei. Anyway, mit Rahel in ihrem 
schwarzen Tiguan fahren wir durch die Landen, und überall ist eine gewisse 
Weite, Gewicht. Felder, der Hof, die Landmaschinen, ganz selbstverständlich 
gibt es hier Dinge, die einem gehören und das Zehn-, das Hundertfache eines 
menschlichen Körpers wiegen, sich schon gar nicht mehr, gegen ihn aufwiegen
lassen, im Falle der Felder ja auch was-weiß-ich-wie-viele Körper ernähren. Wir 
sprechen darüber, und sie sagt, dass mit all diesem Besitz halt auch ein Gefühl der 
Verantwortung komme, diesen nun aber auch sinnvoll zu nutzen. Es gibt dieses 
Gefühl auf dem Land, dass man sich selber und miteinander die Dinge schaffen 
muss, die man braucht, auch, weil es sonst keiner für einen macht. Ich weiß auf 
jeden Fall nicht, ob ich jemals in meinem Leben so viel an einem Tag über 
Häuser und Hausbau geredet habe, eher nicht. Aber auch das scheint hier kein 
Luxus sondern Notwendigkeit zu sein, genauso, wie das Autofahren. Apropos, es 
ist auch sehr nice, dass Rahel eine der wenigen Kunden zu sein scheint, die ihren 
SUV tatsächlich für das Fahren im Unterholz benutzt, sie zeigt mir gleich zu 
Beginn, auf dem Weg zu Arnold von der Nolden, ein paar Waldpfade rund 
um Steinsegen. 

6 |

Was waren eigentlich so rote Fäden, den Tag lang, rund um Hedem? Vielleicht 
ist es Zeit für ein Resümee, wie am Ende einer Reality-Show, und ich entschuldige 
diese Stil-technische Geschmacksverirrung vor allen Beteiligten – also, irgendwie 
scheint es viele Geschichte von „Obwohl“ und „Dennoch“ und „Auch“ gegeben 
zu haben: Obwohl Herr von der Nolden von allen Seiten davon abgeraten 
wurde, die Verwaltung Burg Steinsegens zu übernehmen, machte er es dennoch, 
und es klappte, wider Erwarten, auch. Dabei ging er allerdings immer auch 
noch Erwerbsarbeiten, so, wie das auch Rahels Eltern taten, sie waren Landwirte 
im Nebenerwerb, und das ist schon eine ganz schöne arbeitstechnische 
Hausnummer, aus meiner heutigen Perspektive. Rahel hat ja jetzt dann auch 
nicht gerade wenig zu tun jeden Tag. Sie ist dabei aufs Land zurückgekommen, 
obwohl sie es sicher auch in einer Großstadt ausgehalten hätte, so wirkt sie 
zumindest auf mich. Wobei sie selber lachend sagt, dass es für sie schon das 
volle Leben sei, nun mit dem Hof auf der Hauptstraße eines Ortes zu sein und 
nicht mehr an seinem Rand, wie in ihrer Kindheit noch, da waren 
nur Felder um einen herum. 

Es sind alles auch Lebenswege, die immer darum gingen, zu etwas Ja zu sagen, so 
wie Rahel oder auch Alex zu ihrer Vergangenheit auf dem Land und Dietmar Horn 
vor vielen Jahren zu einer sich auf einmal auftuenden Zukunft auf demselben Ja sagten. 
Herr von der Nolden hat auch immer wieder Ja gesagt, gerade in entscheidenden 
Momenten schien er, trotz all der Familiengeschichte, flexibel gewesen zu sein. 
Rahels Mann Georg schließlich hat von Anfang an Ja zu Hedem gesagt, und auch zur 
Landwirtschaft, dies sogar in seinem Fall im Haupterwerb, für ein Studium derselbigen 
war er mal weg, für ihn ist das Bestellen der Böden eine Passion und eine Wissenschaft, 
sagt Rahel, und Rahels Vater staunt zumeist nicht schlecht, was Georg mit seinem 
mitgebrachten Wissen alles aus den Böden hier herausholen kann. 

Nun vielleicht auch noch eines der größten Unwörter der letzten Jahre 
aus dem Landleben, wie Rahel findet, und zwar die Position und der Titel der 
„Kümmerer“. Irgendwann wurde der Begriff wohl mal als eine Art ehrenamtliche Rolle im 
Diskurs über das Leben auf dem Land eingeführt und auch mit einer gewissen 
Wertigkeit aufgeladen, mit der Zeit stellte sich aber heraus, dass hinter all den daraufhin 
gern und neu ausgeschriebenen Kümmerer-Positionen eigentlich nur jede Menge 
unbezahlter Arbeit steckte. Eine Position auch, die zumeist immer von 
denen übernommen wird, die sowieso schon zu viel machen. 

Ich glaube, Rahel hat am Ende Nein zum Vorsitz der Wahlaufsicht gesagt. 
 
Im Zentrum von Rahden kommen wir an der einen, anscheinend super beliebten, 
Eisdiele vorbei, und Rahel erzählt ein wenig schmunzelnd, dass es mal irgendwelche 
Stadtplanungen gegeben hätte, die entweder, wenn ich mich recht entsinne, gleich 
die ganze Eisdiele oder zumindest einen Brunnen oder Bänke, auf denen alle ihr 
Eis anschließend immer essen, platt gemacht hätten, und das wäre ein riesiges 
Thema im Ort gewesen, in der Zeitung diskutiert, schlussendlich dann auch 
gekippt. Wir fahren an den weiter Eis-essenden Menschen von Rahden vorbei. 
Manchmal wissen sich die Leute auch schon noch zu helfen. 

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