Vom Leben und vom Sterben

Brigitte holt mich an einer Bushaltestelle im bergischen Nirgendwo ab. Am Morgen hat sie einen Kuchen gebacken, der wartet jetzt im Kofferraum. Wir fahren in ein kleines Dorf bei Nümbrecht, wo Brigitte die ersten Jahre ihres Lebens verbracht hat. Mit den Eltern wohnte sie im Haus von Tante Elli, die alleinstehend war, beide Brüder im Krieg gefallen, wovon Tante Elli sich zeitlebens nicht erholt hat. Die weinte und schrie, oft stundenlang, sagt Brigitte, heute würde man sagen, sie war depressiv. Überhaupt war der Krieg in der Kindheit gegenwärtig. Die Eltern ließen Flüchtlinge aus Ostpreußen bei sich wohnen. Ein paar Meter vom Haus entfernt, befindet sich ein Kriegerdenkmal, da gehen wir jetzt hin. Da haben wir als Kinder gespielt. Die Namen von Tante Ellis Brüder stehen auch drauf.

Noch beim Abhören der Aufnahmen kann ich hören, wie still dieser Ort ist. Die Vögel zwitschern und das Gras wächst.

Ist Krieg Arbeit?, denke ich, und dass ich mir diese Frage noch vor zwei Monaten nicht gestellt hätte. Es kommt alles wieder hoch, sagt Brigitte. Hinter dem Denkmal erstreckt sich ein Bolzplatz zwischen hohen Bäumen. Meine Eltern waren arm, aber wir hatten das Notwendige. Im Garten weideten die Kuh und ein paar Schafe, Hühner gab es auch, denn Tante Elli hatte eine kleine Landwirtschaft, da half Brigittes Vater mit, wenn Not am Mann war. Aber eigentlich war er bei der Post beschäftigt. Die Mutter war ebenfalls berufstätig und zwar beim Fernmeldeamt in Waldbröl. Da hat sie die Menschen per Draht miteinander verbunden. Das war ihr Ding. Und später hat sie bei Steinmüller in Gummersbach als Rezeptionistin gearbeitet, 16 Jahre lang.

Das Ding explodiert jeden Augenblick

Die Mutter hatte Schichtdienst, von ein Uhr mittags bis zehn Uhr abends. Einmal weinte Brigitte im Unterricht, weil sie ihre Mutter vor der Schicht noch sehen wollte. Da schickte der Lehrer sie nach Hause. Die Mutter fuhr mit dem Rad zur Arbeit und wieder zurück. Zwanzig Kilometer jeden Tag, auch nachts. Bus gab es nicht. Nach der Arbeit wartete noch der Haushalt. Mit dem Wirtschaftswunder kam die erste Waschmaschine. Von Tante Elli. Die Mutter saß zwei Stunden davor und passte auf, sagt Brigitte und lacht. Die hatte Angst, das Ding explodiert jeden Augenblick.

Brigitte ist evangelisch getauft, aber vor zehn Jahren zum Katholizismus konvertiert. Der Glaube und die Kirche tragen sie und geben ihr Kraft, sagt sie. Inzwischen sind wir nach Wiehl gefahren, haben das Auto vor der Tropfsteinhöhle geparkt und auf dem Parkplatz den Kuchen gegessen. Auf der Straße der Arbeit wandern wir an Schloss Homburg vorbei und weiter nach Nümbrecht.

Wir sprechen von der Jagd. Brigitte ist nämlich Jägerin. Ich bin überrascht. Eine Jägerin habe ich mir anders vorgestellt. Wie genau, kann ich gar nicht sagen. Ihre Familie hat ein Jagdrevier im Wildenburger Land gepachtet und zwar vom Neffen der Gräfin Marion Dönhoff, der ehemaligen Herausgeberin der Wochenzeitung Die Zeit. Aber das nur nebenbei. Die Tiere, die sie im eigenen Revier erlegt, gehören der Familie und werden vermarktet. Besonders vor Weihnachten floriert das Geschäft.

Schießen bedarf viel Übung

Schon in der Bibel steht, dass man Tiere essen darf, sagt Brigitte, das ist eine Art Abschöpfen des Überflusses, ähnlich der Weizenernte. Wildschweine zum Beispiel haben keine natürlichen Feinde bei uns. Oder Kaninchen – wenn es Überbestände gibt, entwickeln sie die Myxomatose, die in der Regel tödlich ist. Es gebe viele Beispiele dafür, wie die Natur bei Überbeständen sich selbst reguliere. Ein interessantes Phänomen könne man bei Rehen feststellen. In Brigittes Revier, wo der Jagdbestand angepasst ist, wiege ein Reh satte 18 bis 20 Kilo. In manchen Gegenden, wo nicht gejagt, wird, seien sie deutlich leichter. Die Tiere dort haben Stress, sagt Brigitte. Sie brauchen ihr Territorium und das ist bei Überbeständen nicht gegeben.

Für den Jagdschein muss sehr viel gelernt werden, acht Monate lang paukte Brigitte, damals 45 Jahre alt, Jagdtheorie, Jagdrecht, Waffenkunde, Waffenhandhabung, Hundewesen, Wildbiologie, Spuren lesen, Baum-Arten. Hinzu kommt, dass sie das Schießen lernen musste, das mochte sie nicht so sehr. Es bedarf viel Übung, die Tiere sollen ja nicht unnötig leiden.

Schweine in sechs Stockwerken übereinander

An der Jagd interessiert sie gar nicht so sehr das Tiere Töten. Sondern das Drumherum, das In-der-Natur-Sein. Zwei bis drei Stunden lang verbringt sie dann am Hochsitz, am liebsten allein. Das ist wie Meditieren. Manchmal kommt auch nichts. Ist auch ok. Das Sitzen im Wald schärft ihre Wahrnehmung. Man sitzt eine Stunde da und auf einmal hört man, ach da rauscht ja ein Bach ganz in der Nähe.

Neulich, es war schon fast dunkel, hat sie ein Reh erlegt. Man sollte natürlich immer in die Zehn treffen, das heißt ins Herz, sagt Brigitte. Nur, manchmal drehen sie sich plötzlich, während man schießt, und dann flüchten die Tiere und es dauert eine Weile, bis die Organe aufhören. Der Hund fand das verendete Reh schließlich. Weidet man das dann gleich an Ort und Stelle aus?, frage ich. Nein, nein, sagt Brigitte, die Erde würde das Fleisch verunreinigen. Erst wird das Tier zum Haus getragen, dort aufgehangen und aufgeschärft. Danach kommt es ins Kühlhaus und muss eine gewisse Zeit abhängen, bis es die Fleischreife erreicht hat. Der spezielle Wildgeschmack, den viele nicht mögen, entsteht, wenn Wild lange abhängt. Hautgout, nannte man das früher. Das Fleisch war dann fast schon gammelig. Macht man heute aber nicht mehr so.

Marderkot, oder der eines Wiesels? ©Bleier

Schlimmer als das Töten von Tieren findet Brigitte die Massentierhaltung. Schweine in sechs Stockwerken übereinander halten, unter grauenhaften Bedingungen. Gäbe es nur Billigfleisch, wäre sie Vegetarierin.

Sie bückt sich und zeigt auf ein Häufchen Kot, das mitten auf dem Weg liegt. Wahrscheinlich ein Marder. Oder Wiesel, sagt sie. Ich mache ein Foto, es ist wahrscheinlich das erste Foto in meinem Leben vom Kot eines anderen Lebewesens. Ob ich mal mit auf den Hochsitz kommen möchte, fragt sie mich. Etwas in mir sagt sofort ja, etwas in mir sagt sofort nein. Klingt schon verlockend, sage ich. Ich überleg’s mir.

Was ist denn eine Grüne Dame?

Brigitte ist nicht nur Jägerin. Sie ist auch Seelsorgerin, seit 20 Jahren. Gelernt hat sie Medizinische Fachangestellte, bei einer Kinderärztin, weil sie immer etwas mit Kindern machen wollte. Nach der Lehre kam sie nach Waldbröl ins Klinikum Oberberg, in die Radiologie, hat dort Strahlenschutz und andere Weiterbildungen gemacht. Damals hatten die noch 700 Betten. Heute sind es weniger. Bei Wikipedia lese ich, es sind sogar weniger als die Hälfte, nur noch 320.

Bis heute ist sie dem Krankenhaus verbunden, als Grüne Dame. Was ist denn eine Grüne Dame, frage ich und überlege, ob ich Grüne Dame klein oder groß schreiben werde. Grüne Dame, das ist ein ehrenamtlicher Dienst, man geht über die Zimmer und fragt: Brauchen Sie etwas, ein Gespräch oder was zu trinken oder zu essen oder Batterien für das Hörgerät. Besonders sensibel müsse man mit den Angehörigen der Sterbenden umgehen. Und generell wichtig sei, sich selbst zurückzunehmen. Darf ich für Sie beten, fragt sie dann vorsichtig. Manchmal geschehen Wunder, erzählt Brigitte, auch wenn die Kranken schon nicht mehr ansprechbar waren, beten sie manchmal das Vater Unser mit.

Wir sind mittlerweile kurz vor Schloss Homburg und machen einen kleinen Abstecher zu den Dicken Steinen. Die liegen mitten im Wald herum und sind tatsächlich ziemlich dick. Und grün bemoost und sehr schön. Im Internet steht, es handelt sich um Quarzit-Härtlinge aus der Devonzeit. 350 Millionen Jahre alt. Wir machen Fotos von den Steinen und von Brigitte auf den Steinen.

Gesprächsprotokolle zerpflücken

Brigitte als Grüne Dame

Danach habe ich noch die klinische Seelsorge-Ausbildung gemacht, da habe ich viel dazugelernt. Zum Beispiel Gesprächsprotokolle schreiben, die hinterher auseinander gepflückt werden. Ich bin gespannt, ob Brigitte auch mein Gesprächsprotokoll auseinanderpflücken wird. Ich hoffe nicht. Besonders schätzt sie die Supervision, das sei wie eine eigene Therapiestunde. Überhaupt ist ehrenamtliche Arbeit gesellschaftlich unverzichtbar. Seelsorge zum Beispiel fängt auch das Fehlen von dringend benötigten Therapieplätzen auf. Zudem ist es ein niedrigschwelliges Angebot. Beim ambulanten Hospizdienst bin ich auch. Da wird man beispielsweise gefragt, ob man zu bestimmten Zeiten die Angehörigen ablösen kann, damit die mal Pause machen oder nach Hause fahren können.

Zudem ist Brigitte Mitbegründerin des Hilfswerks St. Martin e.V., dessen Prinzip Helfen durch Teilen ist. Wichtige Grundsätze sind unter anderem Völkerverständigung und Förderung internationaler Gesinnung. Unterstützt werden Projekte in Kenia, Uganda oder dem Kongo, aber auch Menschen, die an Weihnachten einsam sind oder in Not geratene Familien.

Und nebenbei passt sie aufs Enkelkind auf und abends geht sie trommeln. Wow, sage ich. Und zu alldem müssen Sie sich auch noch mit der Regionsschreiberin treffen! Sie lacht. Das hört sich alles sehr viel an, aber ich kann das gut sortieren. Weil ich auch gelernt habe, nein zu sagen.

Weiterführende Links zur Straße der Arbeit

Die Straße der Arbeit III von Wiehl nach Waldbröl
Übersichtskarte (Sauerländischer Gebirgsverein, Bergisches Land)

Mehr von Ulrike Anna Bleier

In einer Diktatur ist dein Kopf nie frei

Sie zieht gerade um. Und freut sich schon auf das Neue, das verrät das Timbre ihrer Stimme. Ihre Stimme ist sopran. Sopran und sehr gelassen.

Wir haben uns in Wuppertal an der Bushaltestelle Werk Öhde getroffen, um nach Beyenburg zu laufen. Straße der Arbeit, lacht sie, hört sich irgendwie harmlos an, aber meistens ist Arbeit ja doch mit Ausbeutung verbunden.

Die Straße der Arbeit
von Wuppertal nach Beyenburg

Tausend Sachen hat sie in ihrem Leben gemacht, einen geradlinigen Lebenslauf habe ich nicht vorzuweisen, sagt sie, mit einem Hauch Ironie in der Stimme. Sie hat Linguistik studiert, ist nach Basel gezogen, ist nach Nürnberg gezogen, hat Kinder bekommen, ist Industriekauffrau geworden, hat im Büro gearbeitet. Dann in einem Lager. Genauer genommen im Duft-Lager, wir haben Parfüm verpackt. Ich habe es geliebt da. Wir waren wie eine Familie. Bis das Kreuzband riss. Eigentlich war es ein Arbeitsunfall, aber ich habe nicht registriert, dass da was kaputt ist und bin am nächsten Tag in Urlaub gefahren, da war das Knie schon angeschwollen. Tja, das wars dann mit dem Duftlager.

Und jetzt, ist alles wieder ok? Ja. Naja. 2015 kamen die Flüchtlinge und das Bamf suchte Übersetzer:innen. Die suchen Leute wie dich, hat eine Freundin gesagt.

Rahel übersetzt und dolmetscht aus dem Tigrinya. Und wieder zurück ins Tigrinya, das ist ihre Muttersprache. Eigentlich haben wir in Eritrea neun Sprachen: Tigrinya, Tigre, Afar, Saho, Kunama, Bedscha, Blin, Nara und Arabisch. Seit wir in einer Diktatur leben, lernen die Leute nur noch eine Sprache. Wenn du in einer Diktatur lebst, ist dein Kopf nie frei.

Du fühlst stärker mit

Wo hast du geparkt, kannst du dir das merken, bis wir wieder zurück sind, fragt sie mich. Das ist ein Wesenszug von ihr, sich für andere verantwortlich zu fühlen. Wir haben uns zwei Wochen zuvor im Zug kennengelernt, als sie einem älteren Ehepaar ihren Platz angeboten hat. Das Ehepaar setzte sich und sie stand da im Gang mit ihrem vollen Kaffeebecher in der Hand und der Zug schwankte. Setzen Sie sich doch neben mich, bat ich sie, ein bisschen beschämt, dass nicht ich meinen Platz abgegeben hatte.

Rahel hat weder Führerschein noch Auto. Obwohl ich mir in den letzten Jahren manchmal eins gewünscht hätte, vor allem, als ich in den Ankerzentren gearbeitet habe. In Zirndorf, das ist in Bayern. Da kommt man schlecht mit den Öffentlichen hin. S-Bahn, Bus, noch ein Bus. Sie hat dort für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gearbeitet, mit Menschen, die aus Eritrea geflüchtet sind. Anstrengend. Gerade wenn es deine eigene Muttersprache ist. Schwierig, dich abzugrenzen. Du fühlst stärker mit, aber du urteilst auch härter. Weil du ja alles selbst mitgemacht hast. Zum Beispiel, was Sprache angeht, ich kenne das von meinen Geschwistern und mir, dass man eine neue Sprache superschnell lernt. Und denke dann immer: Mein Gott, ist doch nicht so schwer! Aber ist eben nicht bei allen so. Vor allem dann nicht, wenn man abgeschottet in einem Lager wohnt.

Muss man aus dem richtigen Land kommen?

Wuppertal ist die Stadt mit den meisten Treppen in Deutschland, sagt Rahel. Und wenn man oben ist, wird man belohnt. Die Aussicht ist grandios. Dass es hier sowas überhaupt gibt, passt irgendwie gar nicht zu Wuppertal. Sie lacht. Wir biegen falsch ab und laufen zwei Kilometer durch den Wald, einmal den Berg hoch und nach einer Kehre wieder hinunter und sind froh, dass wir falsch abgebogen sind. Der Frühling hängt in den Ästen, die Sonne scheint, im T-Shirt laufen wir unter der A1 durch auf die andere Seite.

Was die Leute auf der Flucht erleben, ist grauenhaft. Wenn sie sieht, wie groß die Hilfsbereitschaft und wie klein die Hürden für Flüchtlinge sein können – wow! Toll. Aber auch schmerzhaft. Wie soll man das verstehen! Muss man aus dem richtigen Land kommen? Die Eritreer, für die sie gedolmetscht hat, kamen jedenfalls aus dem falschen Land. Am schlimmsten waren die Berichte von der Balkan-Route, aus Ungarn, Serbien, Kroatien, sagt sie, teilweise kaum zu ertragen. Brutale Gewalt, Vergewaltigungen, Schläge, Demütigungen, vor allem gegen Frauen. Wenn du das übersetzt, erlebst du alles selbst mit. Du übersetzt ja nicht nur, du musst mit den Menschen sprechen, ihnen zuhören, Fragen stellen, Worte finden für das, was sie erlebt haben. Man kann vieles nicht 1:1 übersetzen. Oft kam sie nach einem Arbeitstag nach Hause und konnte kaum ein Wort mehr mit ihren Kindern wechseln. Supervision? Gab es nicht. Ist denen doch egal, wie es uns geht, und die Ironie ist aus ihrer Stimme verschwunden.

Die Bank am Randes des Marscheider Waldes winkt uns heran. Wir essen unsere Brötchen, tauschen gekochte Eier und Süßigkeiten aus. Wir rauchen einen Joint. Es ist der Tag, an dem der Sahara-Sand die Sonne verdeckt und den Himmel orange färbt.

Mittlerweile arbeitet Rahel in Solingen und begleitet eritreische Familien. Hilf dir selbst, sonst hilft dir der Sozialarbeiter, sagt sie. Wir lachen. Aber sie meint es ernst: Manche, sagt sie, schaden den Leuten oft mehr als sie ihnen nützen. Vor allem dann, wenn die Lösungen ausschließlich am Schreibtisch erarbeitet werden. Auch außerhalb ihres Jobs ist sie ehrenamtlich im Einsatz; sie zeigt mir ihr Handy, es ist voller Whatsapp-Nachrichten von Leuten, die ihr Dokumente schicken, mit denen sie nicht klar kommen.

Wir überqueren die Wupper und winken einem Angler, der bis zur Hüfte im Wasser steht.

Eines Morgens war die Wupper blau

Mit ihren Eltern und sieben Geschwistern ist sie Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland geflüchtet. Sie wohnten in Solingen, wo sie auch jetzt wieder lebt. Die Wupper, sagt sie, war der dreckigste Fluss in Europa. Eines Morgens sind wir aufgewacht und die Wupper war blau! Die Fische sind mit dem Körper nach oben auf der stinkenden Suppe getrieben. Da war mal wieder irgendein Gift von einer Fabrik in den Fluss abgeleitet worden.

Heute ist die Wupper nur blau, wenn die Sonne scheint, und die Fische schwimmen unter Wasser

Sie war 13, als sie flüchten mussten, in Eritrea tobte der Unabhängigkeitskrieg mit Äthiopien, dem großen Nachbarn. Erst 2018 endete dieser Krieg und der äthiopische Regierungschef erhielt den Friedensnobelpreis. Doch aus dem Frieden entstand in Eritrea keine Demokratie. Die Aggression richtet sich nun gegen Teile der eigenen Bevölkerung. Rahels Eltern, die zurückgegangen waren, mussten ein zweites Mal fliehen, sie leben jetzt in Kenia.

Wir haben keine Lust mehr auf den asphaltierten Weg und laufen querfeldein. Sie geht viel zu Fuß, ist die Anstiege gewöhnt, weniger von München, mehr von Solingen. Eigentlich lustig. Ach, schön ist es hier. Aber wohnen möchte man in solchen Vierteln lieber nicht. Sie braucht das Urbane, die Abwechslung, die kurzen Wege zu Freunden und Kneipen. Wuchtige Bäume liegen quer auf dem Waldboden und versperren uns den Weg und wir müssen uns durchs Dickicht schlagen.

Wir sind schon viel weiter als die geplanten elf Kilometer gelaufen. Weil wir immer wieder vom Weg abgekommen sind. Zurück nehmen wir den Bus. Der erste fährt uns vor der Nase davon. Zum Glück, denn es wäre der falsche gewesen. Der zweite kommt 10 Minuten später. An einer Haltestelle sehen wir das Schild KZ Kemna. Oh. Ich google, während Fahrgäste aus- und einsteigen. Von 1933 bis 1934 war hier, in einer ehemaligen Putzwollfabrik. ein Konzentrationslager für politische Gefangene. Sag ich doch, sagt Rahel, Straße der Arbeit, das klingt irgendwie harmlos.

Weiterführende Links zur Straße der Arbeit

Die Straße der Arbeit, Etappe I von Wuppertal nach Beyenburg
Übersichtskarte (Sauerländischer Gebirgsverein, Bergisches Land)

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Die Kneipe

Ulli, pass auf, es ist so. 2019. Schon 2019 hab ich da manchmal mutterseelenallein am Tresen gesessen. Da kann ich mein Bier auch zuhause trinken. Setz ich mich vor den Spiegel, dann ist mehr los. Und billiger ist das auch.

Also komm mir nicht mit Corona. Corona haben alle gehabt. Aber da war schon vorher niemand, Ulli. Keine Sau. Und deshalb sag ich, der Lothar macht nicht mehr lang. Der macht nicht mehr lang, und das ist gut so. Der hat fertig, der Lothar. Weißt du, wie alt der ist? 60, 61, sowas. Und wenn die vergessen haben, dem in die Rentenkasse zu zahlen, was sie sehr wahrscheinlich vergessen haben: ein ganz armes Schwein. 

Naja, so ist das. Früher haben wir alle gedacht: Hallo, wir sind die Könige! Das ist halt vorbei. Aber Stammgäste nimmst du nicht aus, Ulli, dabei bleibt es. Die Stammgäste sind dein Kapital. Das hat der Lothar nie verstanden. Da hast du einmal dein Portemonnaie vergesssen, einmal schwach auf der Tasche, da ging der Hahn zu. Und deshalb ist da keiner mehr hin, mein Lieber. Corona, von wegen. 

Jetzt hat er es noch mit einer neuen Kellnerin versucht. Meint die, sie wär bildhübsch, hat sie selbst gesagt. Ich hab die ignoriert, mein Gott, es gibt schönere. Ist nicht meine Welle, sag ich zu meiner Frau. Ich sag: Zahl du bei der, und dann gehen wir. Und das haben wir gemacht. Und sind dann runter zu der neuen. Die gefällt mir ja nicht. Gar nicht gefällt die mir, schon das Interieur. Aber die nehmen für frisch Gezapftes einen Euro. Null vier! 

Klar, Ulli, klar. Das ist der Einstiegspreis. Aber so hab ich das auch bei der Gans erlebt, die waren ewig auf eins fuffzig. Die hatten da immer ein Dreißig-Liter-Fass. Und in zwei Stunden haben die locker zwölf Fässer durch. Dann hatten die mal die Brauerei gewechselt. Das ging auf eins siebzig, aber das hielt sich auch lange. Und jetzt sind sie auf zwei. Aber was krieg ich sonst für zwei? Nichts, Ulli, nichts! Ich will nur mein Bier trinken, in Remscheid. 

Und der Lothar, der versteht es einfach nicht. Der lässt ihn verkommen, den schönen Laden. Wirst sehen, am Ende steht der da, mit seiner Zicke von Kellnerin, und zählt aber die Penunze. Das wär früher nicht passiert. Als noch der eine die Kneipe gemacht hat, der eine mit dem Bart. Der, wo immer selbst noch die Leiter hoch ist. Weil oben der Fusel steht. 

Weißte doch selber, wie der heißt! Der ist jetzt in Günzburg. Günzburg, Ulli! So sind halt die Zeiten. Ich warte einfach darauf, dass der Lothar die Miete nicht mehr zusammenkriegt. Das ist bald soweit, und dann: Bing! Wechselt die Truppe. 

Der ist ja gar nicht Hauptpächter. Der Hauptpächter sitzt auf Malle. Ewig schon. Weiß aber keiner genaues. Ich war neulich auch da. Malle, mein ich. Geht ja jetzt wieder. Und was soll ich sagen! Weißt du selbst, Ulli, weißt du selbst. Die haben Kneipen. Schweden! Finnen! Deutsche! Iren! Holländer! Alle in einem Laden. Und was du sonst noch denken kannst. Pool. Billard. Dart. Wahnsinn. Nur essen kannst du da nicht. aber da musst du dich halt entscheiden. Ob du essen willst oder trinken, Ulli. Im Leben. 

Na. Wir wollen mal sehen, wie lange der Lothar es noch macht. Leid tut er mir schon, das geb ich zu. Aber ich hab’s ihm immer gesagt. Jetzt ist es zu spät. Jetzt kommt erstmal der Weihnachtsmarkt, mein Lieber. Und Weihnachtsmarkt, das ist ein Gemetzel, das weißt du. Da kommt keiner gut raus. 

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Zwischenruf: Schnipsel IV

Als Regionenschreiber ist man ja oft auf der Jagd. Nach DEM Satz, der wirklich etwas von der Umgebung erzählt, DEM Moment, in dem Menschen etwas offenbaren. Die Jagd macht müde. Deshalb setzt man sich. Und wenn man dann sitzt, ereignen sich Satz oder Moment manchmal völlig unvermittelt. Viel öfter noch ereignet sich gar nichts. Und am häufigsten ein Weder-Noch, das erstaunlich dringend aufgeschrieben sein will. Verstreute Notizen.
(Anm.: Auch eine liebgewonnene Gewohnheit vom letzten Mal; Schnipsel I & Schnipsel II, Schnipsel III)

Remscheid, Alleestraße. Die Dame, die sich vom Stuhl hievt, den Tisch umkurvt, ihren Rollator stehenlässt, die rüstig zum Eingang des Backshops wackelt und durch die Tür ruft: „Hallo! Chef! Eine Bestellung!“
„Selbstbedienung!“, kommt es von drinnen.
Die Dame prustet: „Nö, dafür bin ich zu alt.“

Remscheid, Theodor-Heuss-Platz. „Spielt ihr hier richtig Basketball oder nur just for fun?“ Der Mann quatscht die zwei Jungs an, die auf den Korb am Remscheider Löwen werfen. Das heißt, sie haben geworfen – bis die noch winzige Tochter des Mannes im pinken Anorak den Ball geschnappt hat und hinweggewetzt ist. Sie spielten schon richtig, sagen die Jungs unwohl und blicken ihrem Ball hinterher, den das Mädchen nun Richtung Allee-Center trägt. Ihre Mutter läuft ihr hinterher und versucht die Kleine sanft zu überreden, das fremde Spielgerät wieder herzugeben. „Welche Position?“, fragt der Mann die Jungs fachmännisch, „Ah, Point Guard, verstehe“, sagt er, „Ist gut, wie ihr das spielt“, sagt er, „sehr, sehr gut.“ Die Jungs nicken zunehmend unwohl, der eine dreht sich zum wiederholten Mal nach ihrem Ball um, als ein Schrei ertönt, gleich darauf die Tochter auf dem Arm der Mutter zurückkommt, die Mutter ruft: „Jetzt ist Alarm!“ Die Jungs wollen wissen, wo ihr Ball geblieben ist. „Na, vielleicht macht ihr mal Schluss für heute“, sagt der Mann, räuspert sich und geht im Stechschritt davon.

Remscheid, Peterstraße. Eine junge Frau versucht, einen Pekinesen zu bändigen. Das Tier springt an ihr hoch, schüttelt den Pelz, schnappt übermütig nach Frauchens Händen. Zwei Passanten bleiben stehen und finden den Hund putzig und süß. Die Frau fährt entnervt herum: „Mich können‘se auch mal anfeuern, danke!“

Remscheid, Carl-Friedrich-Straße. Zwei Schüler grinsen über das ganze Gesicht und zeigen dabei hervorragend justierte Zahnspangen. Der eine hält ihnen ein Handy vor die Gesichter, sie hören einer Stimme zu, ihr Grinsen wird immer breiter dabei. Das silberne Blitzen des eingespeichelten Metalls, bis der andere, er hat einen kiffenden Teddybär auf dem Pullover, die Handystimme schließlich auflachend unterbricht: „Klar, wahrscheinlich. Dann bin ich jetzt plötzlich so einer, der mit einer Zwei nicht mehr zufrieden ist?“

Remscheid, Gewerbeschulstraße. Zwei Schülerinnen, dick geschminkt, noch dicker angezogen, schlurfen der überraschend prallen Sonne entgegen. Der einen verläuft der Mascara: „Sind wir in zehn Minuten am Rathaus oder was meinst du?“ Die andere zieht an ihrem Seidenschal: „Keine Ahnung, in dem Tempo bleiben wir hier.“

Remscheid, Hindenburgstraße. Der glatzköpfige Mann mit verkniffenen Augen, der an der Bushaltestelle lehnt. Er lässt Bus um Bus um Bus vorbeiziehen, ohne sich auch nur umzudrehen. Das weiße Shirt platzt ihm fast über dem Bauch, er hat es trotzdem in die Hose gesteckt, Tätowierungen quellen aus den Ärmeln und dem Halsausschnitt. Sein Gesicht ist rot, und als die Kellnerin des nahen Cafés aus der Tür kommt, durchzuckt es ihn plötzlich: „Ey, ey, ey!“ Er brüllt, er zeigt auf die Teller, er zeigt auf die Kinder, die die Teller bekommen, alle starren ihn an, er sagt leiser: „Lecker Waffeln.“

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Der Glaube

Wenn ich‘s doch sage. Fang du nicht auch noch an. Das geht so schnell heutzutage. Dass du in der Ecke stehst. Mit Twitter und allem. Das heißt gleich: Querdenker. Dabei hab ich mit denen nichts, gar nichts mit denen am Hut. 

Ich hab auch keinen Hut, das ist die andere Sache. Aber ich hab Augen im Kopf. Und ich sag dir jetzt: Das Virus. Das ist sowas von real! Ich brauch da auch keine Experten mehr für. Bin zweimal geimpft, und warte jetzt auf die dritte. 

Und deshalb glaub mir mal, dass ich viel bin. Aber keiner von den Spinnern. Weil, das denken die jetzt bei der Stadt. Weil, ist auch bequemer. Ist klar. Weil, wenn die mir glauben würden? Die müssten das ganze Ufer zusperren. 

Das mach jetzt ich. Also, wenn ich Zeit hab. Das geht jetzt aber nicht so schnell. Ist erst mal anderes zu tun. Wir müssen die Leute alarmieren, verstehst du? In der Wupper schwimmt ein Krokodil. 

Was weiß denn ich, wo das herkommt! Gibt doch Verrückte genug. Ich sag ja, das ist aus dem Zoo entwischt. Irgendwann bei dem Hochwasser vielleicht. Und jetzt wills keiner gewesen sein. Aber vielleicht ist es auch privat. 

Also, dass das von privat kommt. Weil es jemand gehalten hat. In der Badewanne, keine Ahnung. Und dann entkommt so ein Tier. Und dann sagst du ja auch nicht, verzeihung, haben sie mein Krokodil gesehen?

Aber ich hab‘s gesehen, na hör mal. Bin ich blind, oder was! Acht Tage ist das jetzt her. Seit acht Tagen dreht das Viech hier frei. Oder länger. Ich hab‘s untersucht. Siehst du das Häufchen? Da vorne?

Das ist kein gewöhnliches, glaub mir. Hund oder Katze sieht anders aus. Und daran kannst du‘s natürlich bemessen. Ich sag dir lieber nicht genau, wie. Hat was mit der Konsistenz zu tun. Bei Kuhfladen weißte ja auch: Sind sie ganz trocken, ist die Herde schon etwas länger vorbei. Und dieser staubtrockene Klumpen? Das ist Krokokot. 

Jetzt schau nicht so. Der ist nicht gefährlich. Gefährlich ist nur das Tier selbst! Da brauchst du Glück, das hab ich dem Wanni auch gesagt. Ich sag: Wanni, was hatten wir ein Schwein! Aber der Wanni wieder, weißte? Wir waren doch besoffen, und so. Ich sag, klar, sag ich, nicht mehr ganz nüchtern, und dunkel war es auch! Ist halt so, in der Nacht. Das heißt aber ja nicht, dass da kein Krokodil war! Ich glaub, der Wanni hat immer noch Angst. 

Wir nämlich: Da hinten, da hinten am Ufer gesessen. Und gib ihm, natürlich, aber moderat. Und dann hören wir so Fische. Das ist ja schon selten, dass man hier Fische hört. Eigentlich gibt‘s das gar nicht, aber so kleine Fische, so bisschen plitsch, plitsch, plitsch, platsch. Und dann auf einmal, flapp! Ein richtiger Schlag. Sind wir ganz nass geworden von. Dabei saßen wir gar nicht so nah. 

Da muss was richtig großes einmal raus sein und dann wieder rein. In die Wupper. Ich sag: Wanni, pass auf! Und dann seh ich die Zähne, ich seh den Schwanz und diese schuppige Haut. Und kleine Augen, so an den Seiten. Die blitzen! Ich bild mir das ja nicht ein. 

Acht Tage, wie gesagt. Und ich jetzt der einzige, der aufpasst. Ich hab den Fluss im Auge, aber das Vieh ist nicht noch einmal hochgeschwommen. Das ist natürlich clever. Das weiß jetzt Bescheid. Das sind ja Jäger, da, wo die herkommen. Im Nil und so. 

Aber ich bin auch clever. Ich halt die Leute vom Ufer fern. Ja, wer denn sonst? Nur bei den Kindern ist es schwierig. Da mach ich dann oft einen auf, du weißt schon. Bisschen Stulle, bisschen ballaballa. Und renn so auf die zu. Dann sind die Eltern gleich da, kannste mal sehen, zack zack. Da muss man sich nämlich eigentlich gar keine Sorgen machen. 

Und wegen dem Kroko auch nicht. Ich hab da nämlich einen Plan. Weil, wenn sonst keiner was tut? Dann muss ich Fakten schaffen. Ich sag dir, was ich mache, siehst du die Brücke, da? Da häng ich ein Hühnchen runter. Einfach so, an der Schnur. Keinen Broiler, noch roh. So eins aus dem Supermarkt. Weil, wenn das Krokodil Fisch mag? Dann kann das dem Hühnchen nicht widerstehen. 

Und dann schnappt es zu. 

Und dann sehen das alle. 

Und wenn nicht, muss ich es nachts wieder abhängen, klar.

Aber ich weiß schon, was du jetzt denkst. Nämlich, das ist ja ein schlauer Plan. Und jetzt will der Typ sicher gleich Geld von mir, für das Hühnchen. Aber nee, nee, nee, glaub mir mal. Das Geld für das Hühnchen hab ich schon. Hab ich schon längst. 

Ich brauch Geld für Kippen. Haste was?

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Das Gespräch

„Okay, okay, pass auf. Als wir raus sind. Was glaubst du, was die wollten?“

„Ne. Ne! Ich will‘s nicht wissen, oder?“

„Die Küche.“ 

„Hä?“

„Die wollten die Küche.“ 

„Was haben die die Küche zu wollen?“

„Na, zahlen sollten wir die. Das haben sie gesagt. Die haben gesagt, wenn wir keine neue Küche einbauen …“

„Dann?“

„Dann nix mit Kaution. Und verklagen auch noch. Und Gedöns.“

„Gedöns!“

„Und dass da immer mit Küche ist. Das ist ja nicht umsonst so. Weil, weißte Bescheid. Ich sag nur: Mietpreisbremse. Da sind das Füchse! Wenn du mal den Klempner brauchst? Du wartest Monate. Aber bei solchen Sachen, da sind sie fix!“

„Ist ein Skandal. Und was habt ihr gemacht?“

„Hör mal. Du kennst unsere Küchen.“ 

„Ich wollt grad sagen: Ist doch im ganzen Haus dasselbe Ding.“

„Eben, ich muss dir nichts erzählen. Einbauküche. Billigstes Zeug. Sechziger Jahre. Fiel praktisch schon auseinander, als wir eingezogen sind. Und wir haben da immerhin zwölf Jahre gewohnt.“

„Wir sind erst elf drin.“

„Seht zu, dass ihr rauskommt. Weil, eins kann ich dir sagen: Wir haben unsere gepflegt. Was glaubst du! Jede Schranktür in dem Teil hab ich einmal neu verschraubt. Und zwar mindestens. Und vor dem Auszug sind wir nochmal drüber mit der Politur. Blitz und blank war das. Der ganze Laden. Besser in Schuss, als wir den gekriegt haben.“

„Da wird dir anders.“

„Das kann ich dir flüstern, mein Lieber. Ich mein, ich fang ja gar nicht erst von den Rohren an. Die Rohre, das hattet ihr doch auch?“

„Das will ich auch nicht wissen, oder?“

„Die sind uralt! Ich hab nen Kumpel von nem Kumpel. Der kennt sich aus, der hat sich das mal angeschaut. Und halt dich fest: So alte Rohre, das ist sogar illegal.“

„Ne. Ne!“

„Wenn ich‘s dir sage. Da kannste ne Bleivergiftung kriegen von. Hilft nur eins, Wand aufmachen und raus damit. Im ganzen Gebäude. Und dann gib ihm, Sanierung und alles. Das hab ich auch sofort gemeldet. Aber glaubst du, da ist jemals irgendwas passiert?“

„Hör ich zum ersten Mal.“

„Sag ich ja. Das sind Verbrecher. Was hab ich mich bucklig geschleppt mit den Wasserkästen. Ich mein, das trinken ja sonst meine Kinder, das Zeug. Das war der Anfang vom Ende.“

„Glaub ich gern. Glaub ich gern.“ 

„Nicht glauben sollst du, machen! Macht euch weg da, sofort. Das ist doch alles nur vom Eisberg die Spitze. Und jedes Jahr haben die noch ihre Erhöhung durchgepeitscht!“

„Mit der Miete?“

„Ja, aber hallo, mit der Miete! Das Maximum raus, gnadenlos. Wahrscheinlich hättest du die in Grund und Boden klagen können, aber ne, ich tu mir das nicht an. Ich bin einfach nur froh, dass wir weg sind.“

„Krass.“

„Bei euch nicht?“

„Was?“

„Na, Mieterhöhung?“

„Das? Nicht so direkt.“

„Nicht direkt? Was redest du!“

„Ich zahle noch den Einzugspreis.“

„Jetzt komm. Hast du auf Harzer gemacht, bei denen?“

„Ne. Ich hab mir mal einen geschnappt.“

„Du siehst mich sprachlos.“

„Und dann war Ruhe.“

„Was hast du denn mit dem gemacht?“

„Naja, du kennst mich.“

„Ich glaube nicht!“

„Wir hatten ein Gespräch gehabt.“

„Mein lieber Mann.“

„Nur ein kleines. Aber wo ich das jetzt mit den Rohren höre?“

„Vielleicht habt ihr ja bald noch eins.“

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