17:55 Uhr, „Bang Boom Bang“

Saatkrähen picken in einem Wohngebiet vor einer angefressen wirkenden Mauer Moos aus dem Boden. Hinter der etwa zwei Meter hohen Mauer mit abschließbarem Tor stehen zwei Dutzend Männer. Ordentlich aufgereiht pinkeln sie ins wildernde Gras. Grau aufragende Pfosten in der Mitte der Brachfläche komplementieren das Bild. Die Abendsonne zeichnet den Horizont weich. Blickt man nicht zu konzentriert in die Ferne, ist die Weite ganz nah.

„Das hier ist der Sportpatz“, sagt ein Mann, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Bang Boom Bang“ trägt. Er hält ein laminiertes Foto nach oben, auf dem eine Tribüne und ein Fußballplatz abgebildet ist.
„Uh, klasse!“, ist aus den Männerreihen zu hören. Dazu Nicken, anerkennende Blicke über Brennesselansammlungen.
Es folgen erhobene Zeigefinger: „Da muss Til Schweiger entlang gejockelt sein.“ Und vor der Brust verschränkte Arme, kombiniert mit breitem Stand: „Ja nee, is klar.“

Dann hat man sich satt gesehen. Es gibt noch weitere Sehenswürdigkeiten. Die Saatkrähen gucken von unten, ihre grauweißen Schnäbel erzählen eine andere Geschichte. 18:06 Uhr



>Bang Boom Bang – Kultfilm im Pott<

Busfenster mit KFZ-Kennzeichen für BBB-Insider. ©mhu
Busfenster mit KFZ-Kennzeichen für BBB-Insider. ©mhu
2011 war die Bustour noch ein Gag auf einem Junggesellenabschied. Dann kam das Interesse außerhalb des Bekanntenkreises. Seitdem bieten die Veranstalter von „Bang Boom Bang – Die Tour“ in regelmäßigen Abständen Fahrten zu den original Drehorten des Kultfilms „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ an. In Unna und Dortmund kann man so neben dem Sportplatz auch Keeks Haus, „Franky’s Video Power“, Schluckes  Fundort, den Flughafen und die Pferderennbahn besichtigen.
Die Nachfrage ist groß, die Tour beliebt und die Veranstalter routiniert. Neben selbst recherchierten Hintergrundinfos zu Regisseur und Film gibt es Bier und Unterhaltung bis in die Nacht. Bei der Tour Ende Juli gehörte auch der Besuch des Films beim Open-Air-Kino im Westfalenpark und Party im Daddy Blatzheim dazu.

Kult, Kult, Kult – warum eigentlich?

Seit 18 Jahren läuft jeden Freitag im Bochumer Kino UCI die deutsche Action-Komödie „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ von Regisseur Peter Thorwarth. „Bang Boom Bang“ ist der erste Teil der heute so schön benannten und beworbenen Thorwarth’schen „Unna-Trilogie“, dazu gehören „Was nicht passt, wird passend gemacht“ (2002) und „Goldene Zeiten“ (2006).
Wenn man fragt, warum es heißt, dass „Bang Boom Bang“ exemplarisch für das Ruhrgebiet stehe, dann folgen Sätze wie: „Das gibt es woanders nicht“, „Das ist typisch Ruhrpott“ und in Abwandlung: „Das ist nur hier möglich“, „So stellt man sich eben das Ruhrgebiet vor“. Dass die Menschen, die ich auf der Bustour getroffen habe, eben nicht so sind, zeigt allein schon die Frage nach schulischem und akademischem Werdegang, Beruf und Familienstand. Trotzdem konnten viele jede Zeile des Films mitsprechen, verbanden erste Dates oder ihre Jugend mit dem Film. Auch waren es überwiegend Männer, die an der Tour teilnahmen. Später im Westfalenpark waren auch mehr Männer als Frauen zugegen. Manch eine Frau wurde für ihre Teilnahme gelobt. Ein „Männerfilm“ also? Und wenn ja: Dann wird unterschlagen, dass Melanie – die einzige signifikate Frauenrolle im Film, gespielt von Alexandra Neldel – die Jungs am Ende alle linkt.

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Cross the borders

Ort: Vreden | Datum: Sa, 15.07.2017 | Wetter: sonnig, 21°C

SPRACHGRENZE. GRENZE DES GUTEN GESCHMACKS. REVIERGRENZE. Ich überquere sie mit wenigen Schritten auf dem Weg in den ersten Stock. Handel und Schmuggel. Mit Kiepe, Hundekarren, Händlerwagen und Berkelzomp verkehrten die Menschen zwischen den Niederlanden und Deutschland. Vreden liegt im Westmünsterland, in unmittelbarer Nähe zur Region Achterhoek, Niederlande. Reger Austausch von Waren im Grenzgebiet. Neben Fliesen, Tabak und Pfeifen stehen heutige Exportschlager der Region. Hier schließt sich der Kreis: mein Navi stammt ebenfalls aus dem deutsch-niederländischen Grenzgebiet.

AUSGRENZUNG. EINGRENZUNG. GRENZVERKEHR. GRENZEN heißt die neue Dauerausstellung des KULT in Vreden. Die Grenze wird hier als ein Ort präsentiert, ein Raum der Bewegung und Begegnung. Ein Anlass, über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu beiden Seiten der Staatsgrenze zu sinnieren. Und zu erkunden, ob auch im Alltag der Menschen – damals wie heute – ebenda eine Grenze verläuft. Alltagsgegenstände wie Holzschuhe und Hauben lassen allerdings auf ganz andere Kriterien der Grenzziehung schließen. Wirtschaftliche, soziale und religiöse.

Korn und Frikandel. Frau Antje und der Kiepenkerl.

Es geht auch an die eigenen Grenzen. Automatische Zuordnungen hinterfragen. Stereotype entlarven. Deutsche? Münsterländer? Niederländer? Nach dem Rundgang sitze ich im zukünftigen Sonderausstellungsbereich. Heute gibt’s hier Kaffee und Kuchen. Neben mir am Tisch unterhalten sich zwei Paare lebhaft. Auf – ja, auf was eigentlich? Einzelne Wörter erkenne ich als Deutsch, andere als Niederländisch. Und dazwischen? Platt! Sie stammen, so entnehme ich dem Gespräch, aus der Region. Aber ob von deutscher oder niederländischer Seite kann ich auch nach einem Stück Donauwelle nicht sagen.

Zwischen Zwillbrock und Eibergen

Jetzt will ich sie aber auch sehen, die Staatsgrenze. Spätnachmittags erreichen der Bulli und ich einen kleinen Flachdachbau. Keine Vorhänge, keine Rollladen, keine Hausnummer. Drinnen: eine leere Kakaoglasflasche im Fenster und ein Sicherungskasten, dessen Tür offensteht und in den weißen Raum hineinragt. Draußen, unweit des Baus: ein von hohem Gras und Sträuchern umrankter Grenzstein mit zwei Wappen. Auf der einen Seite drei Balken, auf der gegenüberliegenden zwei Löwen.

Auf der anderen Straßenseite das blaue Schild mit gelbem Sternenkreis und der weißen Aufschrift „Nederland“. Daneben ein Schild „Berkelland“. Daneben: eine freistehende Skulptur. Der Rasen hier ist kurzgeschoren. Durch eine Edelstahllinse folgt der Blick einem schmalen Graben. Links davon Weidezaun und Gehöft, rechts davon Weidezaun und Gehöft. Open Schakel / Offenes Kettenglied von Piet Slegers wurde als gemeinsames Projekt der Städte Vreden und Eibergen 1995 zur Öffnung der Grenze zwischen den Niederlanden und Deutschland aufgestellt.


GRENZEN heißt die neu eröffnete Dauerausstellung des KULT in Vreden. Anhand der Region Westmünsterland wird aufgezeigt, welche Bedeutungen einer Grenze im Alltag zukommen können. Und wie der oder die Einzelne damit umgeht. Stichwort Schmuggel. Originale sind zu diesem Thema übrigens leider noch nicht zu sehen. Trotz mehrfacher Aufrufe in der Lokalzeitung. Ein in Aussicht gestellter Schmuggel-BH wurde in letzter Minute doch noch zurückgezogen. Hier also nochmals der Aufruf: Wer doch noch ein Schmuggler-Unikat in den Dienst der Wissenschaft geben möchte, melde sich beim KULT in Vreden. No questions asked…

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