Meine erste Woche auf Instagram oder: Tag 2. Sterben für Instagram.
2. Mai 2020
Ich will mich registrieren. Stelle dann fest, dass ich schon einen Account habe. Ich erinnere mich dunkel, dass ich zu Schulzeiten jemanden für eine Freundin angeschrieben habe (es war wirklich für eine Freundin, hey!). Aber umso besser. Schließlich will ich mich mit einem eigenen Account erst einmal einarbeiten, bevor ich für stadt.land.text eine Woche lang deren Instagram-Account bespiele.
Ich gehe auf die stadt.land.text-NRW-Seite. Da ist ja schon ein Beitrag von mir und meinem Projekt, mit ganz vielen Hashtags. Ich will ihn teilen, geht nicht. Ich bin jetzt schon genervt. Drücke auf hundert Symbole, aber da teilt sich nichts. Ich suche nach: Instagram mit dem PC nutzen. Google sagt mir, dass das nicht so einfach geht, weil Instagram für Handys gedacht und gemacht ist. Nervt mich noch mehr. Mein Handy ist alt, die Kamera ist trüb, verkratzt und hat 5 Megapixel. Da blinkt ein Hoffnungsschimmer auf: App installieren. Vielleicht geht es speziell für mich doch auf dem Laptop. Ich drücke drauf. Gruslige Informationen wie „Zugriff auf SMS“ erscheinen, wozu auch immer diese App meine SMS lesen muss. In meinem Hinterkopf führt mein imaginäres Theater 1984 auf, ich presse die Augen zusammen und klicke auf installieren. Nichts passiert. Mir dämmert, dass mein Laptop die App gerade auf meinem Handy installiert hat.
Ja.
Irgendwie doof, weil nicht ganz das, was ich mir erhofft hatte, aber ich bin stolz, dass mein Handy offensichtlich neu genug für diese App ist. Also doch übers Handy. Ich mache ein Screenshot von dem stadt.land.text-Post und lade ihn auf meinem Profil hoch. Auf dem Handy ist die Qualität erträglich, als ich es auf dem Laptop aufrufe, alles verschwommen. Ich bin frustriert. Es hat ewig gedauert, diese ganzen Hashtags nachzutippen. Naja, immerhin: Ich habe meinen ersten Post gemacht.
Ich abonniere und folge den ersten Leuten. Stelle fest, dass schon Fotos von mir auf Instagram sind, auch private. Denke: Oh, immerhin weiß ich es jetzt. Dafür ist es manchmal dann doch gut. Meine Freunde werden mehr. Habe meine ganzen Facebook-Homies jetzt auch hier, sie posten auf Instagram dasselbe wie auf Facebook. Ich teile meine Instagram-Posts auch auf Facebook und wir schwimmen glücklich in unserer doppelten rosa Seifenbubble, was für n Glück, doppelte Internetpräsenz und nur einmal mit Inhalt herumschlagen.
Am Abend starre ich glücklich in den Sonnenuntergang. Wie alle coolen Instagramer lasse ich mich natürlich überwältigt fallen, blicke melancholisch in die Ferne und deute Sternbilder. Schieße irgendwann, ganz in Ruhe, innerhalb von einer Sekunde ein PIC mit meinem Smartphone, poste es aber nicht direkt, das kann warten, wichtiger ist das Hier und Jetzt, das real life. Ich renne natürlich NICHT wie eine Irre in die Wohnung, schnell, schnell die Treppe hoch, schnappe meine Kamera, bete währenddessen, dass ich schneller bin als der Sonnenuntergang, bete, dass ich jetzt nicht mit meinen Wollsocken auf der Treppe ausrutsche und für meinen zweiten Instagram-Post sterbe, renne wieder raus auf den Balkon und knipse hundert Alternativen (von denen ich dann natürlich das erste nehme).
Nein, wer tut denn so was, das wäre ja krank und darüber hinaus super peinlich.
Ich schicke das Bild meiner Mutter. Sie freut sich.
Na, dann hat sich die Gefahr wenigstens gelohnt.
Mache abends meinen zweiten Instagram-Post. Sonnenuntergänge gehen immer, denke ich, füge noch einen moralischen Zeigefinger hinzu (Schönen Abend DAHEIM, ihr Lieben), dabei gehen meine Insta-Freunde vermutlich eher nicht auf Corona (aaaaah nich schon wieder dieses Wort)-Partys, aber egal. Sonnenuntergang und dann noch paar moralisch-fürsorglich-coole Hashtags wie sunset und nomorefomo und stayhome staysafe und staywasweißichnoch.
Damit kann man doch beruhigt schlafen gehen.