Stellung beziehen II- Keeping Up with the Earthlings

Das Bügeleisen hinterlässt einen kreideartigen Fleck auf meinem letzten ansehnlichen schwarzen Hemd. Wie von Kurt Vonnegut prophezeit, bereite ich mich auf Besuch vor – von den Außerirdischen. Vonnegut hat unmissverständlich offengelegt, wann und wo sie kommen werden.

Mein Freund auf dem Sofa sieht mir beim Ruinieren meines Hemds zu, er meint, die Sache mit den Außerirdischen bilde ich mir nur ein, die Nachbarn und meine Familie sagen aber, ich bilde mir meinen Freund nur ein.

Ich bin kein Verrückter.

Meine Ex-Frau ruft an und sagt: „Atmung, über Atmung kann man am besten die Vernetzungen im Gehirn neu strukturieren, also setz dich hin, meditiere und achte dabei auf deine Atmung.

Also setzen wir uns hin, mein Freund und ich, und atmen zusammen.

Meine Ex-Frau hatte einmal richtig schöne Haare. Jetzt hat sie alle abgeschnitten und ist in einen Aschram im Süden Indiens gezogen, wo sie atmet, meditiert, fastet und versucht, eine Verbindung mit dem Universum herzustellen.

Wenn sie sich mit dem Universum in Verbindung setzen kann, warum kann ich dann nicht vom Universum besucht werden?

Ich bin kein Verrückter, was, wenn ich recht habe? Wenn Kurt Vonnegut in seinen Geschichten recht hatte?

Die Haltung der Menschheit gegenüber Außerirdischen kommt

nicht ohne Vorurteile aus; man behauptet, die antiken Weltwunder seien von Außerirdischen erbaut worden – die Pyramiden von Gizeh, in Stein gehauene Städte in Indien, magische Bodenzeichnungen in Lateinamerika und die riesigen Mauern in Persien und China, wie um zu sagen, dass die Menschen dort so etwas nicht geschafft hätten!

Ich bin kein Rassist, und auch kein Verrückter.

Wenn die Außerirdischen kommen, werden sie diese Theorien widerlegen, wir Menschen können Magisches erschaffen, wenn wir nach Schönheit streben und emphatisch bleiben. Das gilt für alle Menschen, egal welcher Herkunft, man muss ihnen nur eine Chance geben.

Auch die Theorie, dass Menschen gegen Feinde von außen zusammenhalten würden, wird bald widerlegt werden. Das sieht man jetzt schon bei jedem Krieg, bei jedem Wirtschaftsboom und der Umweltkrise

Wir würden schnell Stellung beziehen und fast alle Seiten würden versuchen, sich insgeheim mit den Außerirdischen zu verbünden.

Es wäre ein geheimer Wettlauf um die Gunst der Außerirdischen, aber nach außen hin würden die Regierungen ihr nukleares Spielzeug zur Schau stellen, manche würden es in den Himmel richten, manche auf andere Länder, nur für den Fall.

Und genau das ist der offizielle Grund für den Besuch der

Außerirdischen, diese Dinge sind kein Spielzeug. „Das Ego eines Erdlings ist sechzehn Mal größer als ein normales Ego und ihre Gehirne zeigen eine zwanzigfach geringere Fähigkeit, Zusammenhänge zu erstellen und Rückschlüsse zu ziehen“, heißt es in den Forschungsberichten aus anderen Galaxien.

„Wie viele Fluten braucht es, um die Schäden zu kontrollieren?“, hört man die Militärs bei ihrem letzten galaktischen Kongress sagen.

„Wir müssen eingreifen!“

Im selben Forschungsbericht steht, dass auf der Erde zwar Zeit gemessen wird, die Erdlinge aber dennoch nicht aus ihren Erfahrungen lernen. So entsteht ein Kreislauf, eine Endlosschleife, am Schluss kommt die Zeit bei Null raus.

Erdlinge sind zweidimensional, sowohl als Einzelpersonen als auch in der Gruppe, sie bewegen sich einzig allein auf zwei Achsen.

Der Achse von Angst und Tod und der Achse von Lust und Sex.

Die Forschung legt eine Intervention nahe, mit einem konkreten Plan für das Entwickeln von Bewusstsein in Bezug auf die Einschränkungen der Erdlinge.

Mein Freund behauptet, dass nach jedem kollektiven Trauma Außerirdische als Teil des kollektiven Bewusstseins in der Literatur auftauchen.

„In Comics war es Superman, ein außerirdischer Retter der Menschheit, der nach dem Ersten Weltkrieg erdacht wurde.

Die Verschwörungstheorien über Außerirdische haben nach dem zweiten Weltkrieg neu Fahrt aufgenommen, nach jedem großen Trauma suchen wir in unserer Verzweiflung und Notlage Antworten, so entstehen Götter und Mythen“, sagt er, dann atmet er tief durch.

Trotzdem denke ich, dass er, wie ich, auf die Außerirdischen gespannt ist. Er hofft und ich bin erwartungsvoll.

Ich glaube nicht, dass sie Götter oder Engel sind, ich bin kein Verrückter, auch Außerirdische haben ihren Stolz und sind nicht alle gleich. Die weisesten unter ihnen sehen nicht aus wie Menschen, sondern mehr wie Oktopusse. Sie werden erfahren, was wir in den Meeren angerichtet haben, einen Blick auf all das verschüttete Öl werfen und seufzen.

Sie werden sehen, wie der Müll der hochentwickelten, demokratischen Staaten in armen Ländern abgeladen wird und seufzen.

Die Oktopus-Nation wird Menschen auf der Flucht aufnehmen, denn sie wissen, dass die Zivilisationen einander brauchen, um zu gedeihen, trotz unserer aufgeblasenen Egos sind wir schließlich alle miteinander verbunden.

Aber Stolz ist universell und mit wachsendem kollektivem Bewusstsein und Macht, wächst auch er an!

Daher unterscheiden sich die Regime der Außerirdischen gar nicht so sehr von unseren, auch sie werden sich verbünden, mit uns und gegeneinander, für den Fall.

Die weise Oktopus-Nation wird anderen außerirdischen Nationen raten, keine Bündnisse einzugehen.

Die weise Oktopus-Nation wird Menschen auf der Flucht aufnehmen.

Ich freue mich darauf, hier wegzukommen. Mich rauszuschmuggeln, während Außerirdische versuchen werden, sich hineinzuschleusen, um zu sehen, wie es sich als Erdling so lebt.

Wir werden sie in Parks mit Hasch antreffen, angeblich beim Versuch, unsere „einfachen, aber puren Herzen“ zu verstehen, sie werden in einer Untergrund-Szene experimentelle Kunst schaffen, Gedichte schreiben über die eitle Existenz des Universums.

Manche werden aber allergisch auf die schuppende Haut der Menschen reagieren.

Die Ärzte beider Seiten werden das Tragen von Masken empfehlen.

Beide Seiten werden empfehlen, nach direktem Kontakt lange zu duschen, so ähnlich wie es jetzt schon bei Kakerlaken ist.

Manche Außerirdische denken, vermutlich zurecht, dass man uns nicht trauen kann. Dass wir nicht zivilisiert genug sind, nicht zusammengehörig genug, einander mit Vorurteilen begegnen. Unser Bild des Universums setzt sich aus den Eindrücken von sechs Sinnen zusammen – obwohl es kein

Geheimnis ist, dass wir eigentlich neunzehn scharfe Sinne haben.

Und unsere Angst vor dem Tod ist größer als der Respekt vor dem Leben.

Manche werden uns aufgrund unserer interessanten Hautfarben und den seltsamen Gesichtszügen jagen. Und manche werden meinen, das Menschenfleisch sei perfekt zum Grillen – wenn man es vorher lange genug einlegt.

Aber die Weisen werden davon abraten. Erdlinge darf man nicht essen, sie haben Gefühle und ein Bewusstsein. Außerdem können beim Verzehr Parasiten übertragen werden, die unheilbare Krankheiten auslösen.

Wir sind „haram“.

Wie Schweinefleisch in Judentum und Islam.


Etwas erfreulicher und unterhaltsamer wären aber die neuen Modeströmungen, denn wir würden versuchen unseren Göttern ähnlicher zu sehen, durch unser aufgeblasenes, aber zerbrechliches Ego identifizieren wir uns nämlich mit den Stärkeren, so ist das immer.

Die beiden Gesellschaften würden auch sexuelle Kontakte pflegen – wie es unter Lebewesen so ist. Fetische sind kreativ konstruierte Verhaltensweisen: Bei den Menschen würde ein Tentakel-Fetisch entstehen und auf Seite der Außerirdischen ein Haar-Fetisch und ein Kurven-Fetisch, was Einfluss auf die Modeindustrie hat. Und im ganzen Universum

würden heimliche Porno-Kanäle auftauchen.


Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Gruppen! Eine neue, ergiebige Quelle der Unterhaltung, Liebe, Lust, Konflikte, Interessenskonflikte und manchmal Kartharsis.

Das Drama!

Das galaktische Publikum würde sie lieben, die neue Sendung „Keeping Up with the Earthlings“, das wäre der größte Renner.

Demon and pity angels illustration

„Du wirst eine außerirdische Frau finden, die dich nicht verlässt!“, sagt mein Freund, während er wütend die Teller spült. Das ist nicht mein Ziel, ich weiß nicht, ob ich das könnte. Aber die Hoffnung stirbt natürlich zuletzt.

Ich würde gerne eine Achse der Hoffnung einführen.

Wer keine Hoffnung hat, weiß, dass man ohne sie schnell alle Lebenskraft verliert.

Das Bügeleisen zischt ein letztes Mal und hinterlässt einen weiteren kreideartigen Fleck auf dem Ärmel, man kann es aber noch anziehen, auch wenn mein Freund das anders sieht: „Darin kannst du dich nicht blicken lassen, kauf dir ein neues Hemd und eine ordentliche Hose ohne Löcher!“

Ich bitte ihn, tief durchzuatmen.

All das wird keine Rolle spielen, wenn die Außerirdischen einmal eingetroffen sind.

Meine Schwester ruft an, meine Ex-Frau ist verstorben. Meinem Freund erzähle ich, sie sei auf dem besseren Planeten, auf den auch ich ein Auge geworfen hatte.

Während er schluchzt und weint, erinnere ich ihn daran, zu atmen.

„Atme!“

Mehr von Rabab Haidar

Taking Sides 2- Keeping Up with the Earthlings


The iron is puffing a white chalk-like stain that threatens to ruin my only presentable black shirt. As predicted by Kurt Vonnegut I am getting ready to meet our new visitors, the extraterrestrials. Vonnegut was so clear about the date and time.

My friend on the sofa is watching me ruin my shirt. He says the alien story is in my imagination, and the neighbours and my family say that my friend is in my imagination.

I am no mad man.

My ex-wife calls and says: “Breath, breath is the most powerful tool to reorganize the connections in our brains, so sit and meditate on your breath.”

So we sit down, my friend and I, and together we breathe.

My ex-wife had beautiful hair. Now she cut it all off, referred to an ashram in south India, breathing, meditating, fasting, and waiting to connect with the universe.

If she can connect with the universe, why can’t I/can’t we be visited by the universe!

I am no mad man, what if I am right? What if all the clues in Vonnegut’s stories were right?

The alien theories presented by humans carry clear prejudice; claiming that the old wonders of the world were made by extraterrestrials – The high pyramids of Egypt, the deeply carved cities of India, the magical drawings on the ground of the Aztecs, and the huge walls of Persia and China, as to say those human races are incapable of doing that!

I am not a racist, and neither I am a mad man!

Once the extraterrestrials arrive they will debunk those claims, we humans can create magic if we seek beauty and are able to maintain empathy. All races are ok, once they have the chance!

Another theory that will soon be debunked is that humans will take one stand against an outsider enemy! This is proven wrong in every war, every economic peak, and through all the environmental crises!

We would quickly take sides, almost all sides will try to take the aliens as secret allies.

We would be in a crazy race to secretly gain the aliens as allies, yet on the surface, the governments would finally display their nuclear toys, some aiming them towards the sky, some aiming them at other countries, just in case!

And this is exactly what the aliens are officially here for, we cannot toy with those things. “Earthlings’ ego is sixteen times the normal ego, and their brains have shown twenty times less capacity to connect dots and reach conclusions!”, the alien established research papers from different galaxies states.

“How many floods can one create to control the damages?”, the military personnel argued in their final galactic meeting.

“We have to intervene.”

The same research papers would state that despite the presence of time, earthlings never learn from their experiences. Consequently, the earthling time goes in loops, endless loops so that the conclusion of time is zero.

Individually and collectively, the earthlings are two dimensional, they would move between two axes and two axes only

The axis of fear of death,

And the axis of lust and sex!

Research advises strongly on intervention, with a clear plan to develop the consciousness, bearing in mind the limitation of the earthlings.

My friend says that aliens come up in public consciousness presented in literature after every collective human trauma.

“Superman in comic literature, the alien savior of humankind, was created after WW1.

The alien conspiracy theories flamed after WW2, out of despair and existential crisis after every big trauma, we try to create answers, like in creating Gods and mythologies“, he argues, then takes a long breath.

Despite his argument, I believe he, like me, is waiting for the aliens to arrive. He is hoping and I am anticipating.

I don’t think they are gods or angels, I am no mad man, aliens have egos as well, and aliens are not one race. The wisest looks not like humans but more like Octopus. They will look at what we did to the bottoms of the oceans filled with spilled oils, and sigh!

They would look at the wastes taken from the developed democratic countries to be dumped in the lands of the poor countries, and sigh!

The octopus-like nation would accept human refugees, as they argue, like the wisdom dictates, that civilizations need each other to flourish, and even with our inflated ego, we are connected!

But as the ego is universal, the more collective mind created and the more power you give, the bigger the ego becomes!

Thus the aliens’ regimes are not much different from ours, they will take sides, with us, and against each other, just in case!

The wise octopus-like nation would advise other alien nations not to take sides. Delete the rest of the paragraph

The wise octopus-like nation would take humans, refugees,

I am looking forward to leaving here. To find a way to smuggle out, like some aliens would smuggle in, to live the earthling experience!

We will meet them in the parks having hash, connecting with our “simple but pure hearts” they would say, creating experimental art in the underground cultural scene, and writing poetry about the vain existence of the universe.

Nevertheless, some would show allergic reactions to the strange shedding skin of humans.

The physicians from both sides would advise everyone to wear masks.

Both sides would be advised to take long showers when they come in direct contacts, like the relations we have with our cockroaches.

Some extraterrestrials believe, probably rightfully, that we cannot be trusted. Not civilized enough, not connected enough, prejudice towards each other, our understanding of universal rules is limited by our six senses – despite the well-known fact that we have nineteen acute senses!

And our fear of death is more profound than our respect for life.

Some even develop a habit of hunting us, for our interesting skin shades and strange facial features, and some argue that our flesh is perfect for a barbecue – if marinated long enough!

But the wise would advise against it. It is forbidden to eat earthlings, as they have feelings and consciousness, and consuming our flesh might transfer parasites causing incurable diseases.

We are “haram”.

Like pig’s flesh in Islam and Judaism!

On another lighter, more entertaining note, we would come up with a new fashion to resemble that of our new gods, as earthlings’ inflated but fragile ego, we identify with the stronger, as we always do!

As the two societies would organically interact – like the nature of organic beings, and as the fetish is a creative constructed habit: We would witness the rise of an alien tentacle fetish, and an alien fetish of hairy earthlings and short curved human bodies, which in return would affect the fashion industry, and would create underground porn channels across the universe!

Interracial relationships! This particular aspect would take all worlds to a whole different level of entertainment, love, lust, conflicts, conflict of interests, and sometimes catharsis!

The drama!

The galactic audience would love our show “Keeping Up with the Earthlings”. We would be the biggest hits.

“You are to find an alien woman that would not leave you!”, says my friend who is now angrily trying to clean the dishes, but this is not what I am aiming for, I am not sure if I can, yet the idea is to have hope!

Another axis I would love to introduce is hope.

Ask the people who have no hope, the life force itself can be easily seized if hope is lost.

Demon and pity angels illustration

With the last puff of the iron and the final white chalk-like stain going to the rim of the sleeve, the shirt is still usable, despite the objections of my friend. “You cannot wear this, you have to buy a new shirt, and proper trousers with no holes!”

I ask him to remember to breathe.

As nothing of this matters when the aliens arrive!

My sister called, and my ex-wife passed away. I tell my friend that she just smuggled herself to the better planet I was aiming for!

As he weeps and sobs, I remind him to breathe

“Breathe!”

Mehr von Rabab Haidar

Taking sides 1. meeting Neo-Nazis

The summer is not yet here, so the chills of the autumn-like breeze dominate the air.  It is the first of May, Berlin is going to be at a boiling point today, with demonstrations in every bobble. 

Dortmund seems quiet. 

Listening carefully, this is not ‘quiet’!

I listen!

There are the usual car engines, there are the trains passing through the nearby station, the strollers, and the coffeeshop weekenders.

Yet, there is a deep resident silence, a silent space, a white noise caused by caution, or maybe it is just my eight-years-of-war adopted reactions to any unfamiliarity, that train your adrenalin to be ready to rush!

I am on my way to the nearby main station. It is May first, and the summer is not here yet. One cold breeze made the ground leaves scurry toward a corner; behind what was a gas station and now the Bergmann Kiosk. At that random corner, between two main streets, a hundred or so people gathered. Carefully and quietly approaching the crowd from behind the grass of the sidewalk, like a cat, is a police car. Then another police car sneaks in!

Intchuldegun! What is going on?” 

The policeman who tried to ignore my presence and look afar has to acknowledge me now as I placed my body directly within his sight range, two steps closer to his car.

Demonstrations,” he gave the one-word answer in a tone of take this and go!  As policemen usually do not prefer to chat much, especially with civilians, especially nosy civilians.

First of May?” I insist as it is good to know.

“Neo-Nazis.” 

My heart takes a small excited jump! My nosy-writer-heart.

Some adrenaline rush runs through my veins! My trained-to-jump nerves.

Most likely my eyes are sparkling at that point, thus the policeman’s eyes dim and narrow as to say “now you really have to go!”

Enchuldegun! What is it here?” I ask a young couple standing by the corner with the demonstration. Their smiles looking at me not what a neo-Nazi should react to a brown stranger jumping in their face!

“Demonstration against the neo-Nazi’s demonstration.” 

“Ach So! Where are they?” I ask.

 “They are going to pass in the main street right here.” The man is pointing to the street I came from, where my temporary Dortmund house is. 

And why you are here in the back street?”

“Police made us,” he smiles, “as not to have a collision between the two groups.”

His girl raises her hand to point at the end of Möller street but the street is so long and it heads uphill, thus her hand was pointing to the sky, she says, “but we are going to a parallel street, meeting probably there!”

“Ah, you sound like you are looking forward to meeting them!”

 I say so she laughs with a sparkle in her eyes. 

(Next day, the report will say that many encounters of anti-fascists took place, trying to block the neo-Nazi march! Two were taken custody.)

“Does this happen every year in Dortmund?”

“It’s the first demonstration of neo-Nazis!” the man says raising his shoulder as in “we are sorry for this shit”.

“As Dortmund is the capital of neo-Nazis,” the girl jumps in.

It is good to know, I think to myself.

“Ja, aber, many of them are from different places around Dortmund,” a man with a professional camera and a big lens and a bigger smile, standing at the opposite corner of the U-tower where the bizarre group will pass.

“Not from the city?” I clarify.

“Some are,” he replies.

It is always good to know, I think to myself.

 “Is it like that every year on May Day?”

“Noooo!,” he says, then tries to explain to me in English that this is the first time.

“Sorry my English is so bad,” he says smiling.

“I am sorry my Deutsch is worse, it is scheiße!

We both smile. 

Schonnen tag noch,” I say. 

“Schönen Tag,” he replies, still smiling, still standing and waiting for the march to start, to take a picture to remind the history of its deeds, as history tends to forget a lot.

I leave him to another corner where a small group of anti-fascists is standing with loudspeakers and a microphone carried by an elegant elderly man with long silver hair and a scarf, standing next to a black old car.

A woman says 

“We will take our stand, and they will be put in their place,”

(Next day the report will mention that opposite corner of where I met the smiling man with the camera, 25 people blocked the outer ring of walls and the police managed to lead the neo-Nazi past them.)

Big numbers of policemen in front of the main station stand in squads, besides a dozen of cars – but this is not bizarre, not abnormal, as they more often do that after every football match, greeting the football fans.

The chef, or the elder, dedicated another policeman to answer my civilian-in-concern questions in English.

“What is going on please!” 

Neo-Nazi demonstration, organized and authorized presentation of neo-Nazis.”  

 “Where are they now?” asking simple short questions, so as not to provoke the patience of a policeman.

“On the corner here,” the tall policeman stretched his hand to the left

“And on the far corner there,” he stretched his arm to the right. 

It is always good to know!

At the traffic light, on the way back home, watching the march by the U-tower, a woman with a hijab and a dark gray modest dress is pushing her little daughter to hurry up, leading her towards a side road away from the hot spot, the mother looks worried, the daughter looks confused.

As I watched them with a friend standing by the traffic light, and behind them, the neo-Nazi march is just starting, the friend says, “I am sorry you have to see that” and a cold breeze blows one more time.

“Not at all,” I reply, “better out than in. It is always good to know, so one can act better!”

“Not worried?” she asked me, watching the mother and her daughter disappear.  I wanted to tell her that a long time ago I replaced fear with anger and spite of the stupidity of the human collective mind, but instead, I say,

“Not at all, the police are everywhere.”

“Yes, good to know,” she smiles.

“Ah, it is always good to know,” I smile back.

Did I say “my friend“? Excuse me, I just met her by the traffic light, united by being witnesses of the moment some might argue that it shouldn’t exist, but it does. I cannot recall her face now, and most likely she cannot recall mine, but for a moment, standing on the same corner, taking the same stand, watching the black mob at the opposite corner on the verge of march, we became comrades.

By the same traffic light stand some other men and women, looking in concern, some coffee shop weekenders leave their cups of coffee and stand by their chairs, and the Trinkhalle owner I usually buy my cigarettes from leaves his kiosk to stand outside, looking uncomfortable.

The street grows more electrified, the number of police cars is more than the number of the trees in the Westpark, maybe more than the number of the trees in all of Dortmund city! A long, long, long line of police cars, walking slowly behind almost silent -with a few banners- neo-Nazi march. On the other side of the sidewalk of the same street, a handful of protestors, protesting the neo-Nazi march.

The handful sounds louder than the careful neo-Nazi march! 

(Next day reported that the neo-Nazis were not allowed to have but 20 flags, as ‘“The Dortmund police will not tolerate an intimidating and frightening appearance by right-wing extremists in our city,’ says the official police statement.)

A couple of hours later, the anarchists with their carnival-like colored banners and clothes, hair locks, and nails, gather for their official demonstration in the west park. 

Two musical bands, four loudspeakers, and three short speeches shouted against neo-Nazis as hard as they shouted against corona.

Or against the registration of coronavirus.

Maybe against the virus itself. I cannot definitely tell as my Deutsch is “scheiße!”

One big painting of many people of many colors, and clearly many different religions, happily sharing the same smile and the same place on the canvas. And on it is written “Alles…” 

I love the message, I love the ‘gatherness’, Yet, I have to confess, I don’t really know how to feel seeing myself drawn on a canvas calling to live together, do we really need banners to recognize that?

Humans! Disappointing humans! 

The anarchists leave the park with music and cheers, accompanied by a couple of police cars for protection, then one band marches with them, and one band stays behind for a second colorful carnival march.

Happy angry carnival!

(Next day a blog will write about the 4 pm loud and colorful anarchists’  demonstration)

In the evening I go back to the park, to the boccia playground, where one can share Weekend beer and cigarettes in peace.

A man named Marcio, always with a cigar, always shouting, always laughing, always missing the ball waves his hand at the mention of the 1st of May saying “Eh.” and continues missing the shots.

Pissing off one particular player who takes the game seriously, as his days cannot handle more fails on the boccia ground while he is failing in other places in his life.

Marcio laughs, smokes, fails, and smokes, and laughs.

Mehr von Rabab Haidar

Stellung beziehen 1. Neonazis treffen

Noch ist nicht Sommer und eine kühle herbstliche Brise weht durch die Luft. Es ist der erste Mai, Berlin wird heute hochkochen, an jeder Ecke werden Demonstrationen stattfinden.

Dortmund wirkt ruhig.

Aber wenn man genau hinhört, ist es eigentlich gar nicht „ruhig“.

Hört hin!

Da erklingen die üblichen Motorgeräusche, Züge im Bahnhof nebenan, Kinderwagen, die Wochenendausflügler in den Kaffeehäusern.

Und doch liegt eine Stille über allem, ein stiller Raum, das weiße Rauschen der Vorsicht oder vielleicht auch nur meine Reaktion auf Unvertrautes nach acht Jahren Krieg, in denen der Körper gelernt hat, das Adrenalin auf Knopfdruck hochzufahren.

Ich bin auf dem Weg zum nahegelegenen Hauptbahnhof. Es ist der erste Mai und noch ist nicht Sommer. Ein kalter Windstoß wirbelt Laub hinter einer ehemaligen Tankstelle auf, wo jetzt der Bergmann Kiosk steht. An dieser zufälligen Kreuzung von zwei Hauptverkehrsstraßen haben sich etwa hundert Menschen versammelt. Langsam und vorsichtig schleicht sich von hinten ein Polizeiauto wie eine Katze vom bewachsenen Bürgersteig aus an die Menge heran. Ein weiterer Wagen kommt hinzu.

„Intschuldegun! Was ist hier los?“

Der Polizist, der erst noch versucht hat, mich zu ignorieren und seinen Blick abzuwenden, muss mich jetzt wahrnehmen, nachdem ich mich zwei Schritte näher direkt in sein Sichtfeld gestellt habe.

funny black cat looking out of the flower meadow

„Demonstrationen“, sagt er kurz angebunden. Polizisten sind meist nicht zum Plaudern aufgelegt, vor allem nicht mit Zivilisten, insbesondere neugierigen Zivilisten.


„Erster Mai?“, frage ich nach, weil es gut ist Bescheid zu wissen.

„Neonazis.“

Mein Herz macht einen aufgeregten Sprung! Mein neugieriges Autorinnenherz.

Etwas Adrenalin schießt durch meine Venen. Meine stets alarmbereiten Nerven.

Wahrscheinlich leuchten in dem Moment sogar meine Augen auf, denn der Blick des Polizisten wird finsterer und er kneift die Augen zusammen, wie um mir zu sagen: Jetzt müssen Sie aber wirklich verschwinden!

„Engschuldegun! Was ist hier los?“, frage ich ein junges Pärchen, das an der Kreuzung bei der Demonstration steht. Sie lächeln mich an, nicht gerade was man von Neonazis erwartet, wenn eine Fremde mit brauner Haut vor ihnen aufpoppt.

„Proteste gegen den Neonaziaufmarsch.“

„Achso! Wo ist der?“, frage ich.

„Sie werden hier an der großen Straße vorbeikommen“, sagt der Mann und zeigt auf die Straße, die ich gekommen bin, wo mein temporäres Zuhause in Dortmund liegt.

„Und warum seid ihr hier in der Nebenstraße?“

„Die Polizei will das so“, sagt er lächelnd, „damit die zwei Gruppen nicht direkt aufeinandertreffen.“

Seine Freundin deutet auf das Ende der Möllerstraße. Die Straße ist lang und geht bergauf, also zeigt ihre Hand direkt in den Himmel. „Aber wir gehen auf eine Parallelstraße, da vorne werden wir ihnen dann begegnen.“

„Ah, du scheinst dich auf das Treffen zu freuen!“, merke ich an und sie lacht mit einem Funkeln in den Augen.

(Am nächsten Tag wird in den Nachrichten stehen, dass viele anti-faschistische Versammlungen versucht haben, den Aufmarsch der Neonazis zu behindern. Zwei Personen wurden verhaftet.)

„Findet das jedes Jahr in Dortmund statt?“

„Es ist der erste Aufmarsch von Neonazis“, sagt der Mann und zuckt mit den Schultern, als wollte er sagen: Für die Scheiße können wir nichts, tut uns leid.

„Dortmund ist nun mal die Hauptstadt der Neonazis“, wirft das Mädchen ein. Gut zu wissen, denke ich mir.…

„Ja, aber viele kommen aus der Umgebung von Dortmund“, sagt ein Mann mit professioneller Kamera und großem Objektiv und einem noch größeren Lächeln, der gegenüber vom U-Turm, wo die bizarre Gruppierung vorbeikommen soll, auf der anderen Straßenseite steht.

„Nicht aus der Stadt selbst?“, frage ich nach.

„Doch, ein paar sind auch aus der Stadt“, antwortet er.

Es ist immer gut Bescheid zu wissen, denke ich mir.

„Ist es am ersten Mai immer so?“

„Neeein!“, sagt er und versucht mir dann auf Englisch zu erklären, dass der Aufmarsch dieses Jahr zum ersten Mal stattfindet.

„Tut mir leid, ich kann nicht gut Englisch“, sagt er lächelnd.

„Tut mir leid, ich kann noch weniger Deutsch, mein Deutsch ist echt scheisse!“ Wir lächeln beide.

„Schonnen tag, noch“, sage ich.

„Schönen Tag“, antwortet er, immer noch lächelnd, immer noch wartend, um ein Bild von dem Aufmarsch zu machen und die Nachwelt an ihre Taten zu erinnern, denn die Geschichte vergisst nun mal viel.

Ich gehe weiter zu einer anderen Kreuzung, wo eine kleine Gruppe von Anti-Faschisten neben Lautsprechern steht, ein eleganter älterer Mann mit langen, grauen Haaren und Schal hält neben einem alten, weißen Auto ein Mikro hoch.

Eine Frau sagt:

„Wir werden ein Zeichen setzen und sie in die Schranken weisen.“

(Am nächsten Tag wird in den Nachrichten stehen, dass gegenüber vom U-Turm, wo der lächelnde Mann mit der Kamera und ich zusammen standen, fünfundzwanzig Menschen den äußeren Ring blockiert haben und die Polizei aber geschafft hat, die Neonazis an ihnen vorbeizuleiten.)

Jede Menge Polizisten stehen vor dem Hauptbahnhof neben dutzenden Autos beisammen – aber daran ist nichts außergewöhnlich, nichts bizarr, da stehen sie so ziemlich nach jedem Fußballspiel und begrüßen die Fans.

Der Polizeichef, vielleicht auch einfach der Dienstälteste, weist einen anderen Polizisten an, meine Fragen einer ängstlichen Zivilistin zu beantworten.

„Was passiert hier?“

Ein Aufmarsch von Neonazis, zum ersten Mal gibt es einen organisierten und genehmigten Aufzug von Neonazis.“

„Wo sind sie jetzt?“ Ich stelle kurze und einfache Fragen, um die Geduld des Polizisten nicht herauszufordern.

„Dort bei der Kreuzung.“ Der große Polizist deutet nach links.

„Und dort hinten auch.“ Er deutet nach rechts.

Es ist immer gut Bescheid zu wissen!

Auf dem Weg nach Hause beobachte ich das Geschehen von einer Ampel beim U-Turm aus, eine Frau mit Hijab in einem dunkelgrauen schlichten Kleid schubst ihre Tochter voran, schiebt sie in eine Seitenstraße, weg vom Gefahrenherd, die Mutter sieht besorgt aus, die Tochter verwirrt.

Ich stehe mit einer Freundin bei der Ampel und beobachte sie, da sehe ich den Marsch der Neonazis beginnen. „Tut mir leid, dass du das mit ansehen musst“, sagt meine Freundin, während ein weiterer kalter Windstoß weht.


„Sag sowas nicht“, antworte ich, „lieber Außenstehende als mittendrin. Es ist gut Bescheid zu wissen, dann kann man es besser machen!“

„Machst du dir keine Sorgen?“, fragt sie, während die Mutter und ihre Tochter aus unserem Sichtfeld verschwinden. Ich würde ihr gerne davon erzählen, dass ich Angst vor langer Zeit durch Gehässigkeit und Wut auf die Dummheit des kollektiven Denkens der Menschen ersetzt habe, aber stattdessen sage ich:

„Überhaupt nicht, hier wimmelt es von Polizisten“

„Ja, das ist gut zu wissen.“ Sie lächelt.

„Ja, es ist immer gut Bescheid zu wissen“ Ich lächle zurück.

Habe ich „Freundin“ gesagt? Verzeihung, das war eigentlich nur eine Ampel-Bekanntschaft, vereint durch ein Ereignis, von dem einige behaupten, es hätte es nie geben dürfen, aber es ist nun mal passiert. Ich erinnere mich nicht mehr an ihr Gesicht und sie sich wahrscheinlich nicht mehr an meins, aber für einen kurzen Augenblick standen wir an derselben Kreuzung, auf derselben Seite, beobachteten den schwarzen Block gegenüber, kurz bevor er sich in Bewegung setzte, und wurden zu Verbündeten.

An derselben Ampel stehen noch ein paar andere Männer und Frauen mit besorgten Blicken, ein paar Wochenendausflügler lassen ihre Kaffeetassen stehen und stellen sich neben ihre Stühle, der Besitzer der Trinkhalle, wo ich immer meine Zigaretten kaufe, kommt nach draußen und wirkt verunsichert.

Die Stimmung auf der Straße wird immer angespannter, es stehen mehr Polizeiwagen herum als Bäume im Westpark, vielleicht mehr als alle Bäume in Dortmund zusammengezählt! Eine lange, lange, lange Reihe von Polizeiwagen die einem beinahe völlig stillen – die Parolen standen auf ein paar Spruchbändern – Neonaziaufmarsch hinterherschleichen. Auf dem Gehsteig an der anderen Straßenseite steht eine Handvoll Leute, die gegen den Aufmarsch demonstriert.

Die Handvoll ist lauter als die bedächtigen Neonazis.

(Am nächsten Tag wird berichtet werden, dass die Neonazis nicht mehr als zwanzig Fahnen dabeihaben durften, denn: „Die Polizei Dortmund wird ein einschüchterndes und angsteinflößendes Auftreten von Rechtsextremisten in unserer Stadt nicht dulden“, wie es in einem offiziellen Statement der Polizei heißt.)

Ein paar Stunden später versammeln sich die Anarchisten mit ihren bunten, karnevalsartigen Bannern, Klamotten, Haaren und Fingernägeln für ihre offizielle Demonstration im Westpark.

Zwei Bands, vier Lautsprecher und drei kurze Reden gegen Neonazis, aus vollem Hals geschrien, so laut wie man gegen Corona geschrien hat.

Oder gegen die Meldepflicht des Coronavirus.

Vielleicht auch gegen das Virus an sich. Ich bin nicht ganz sicher, wie gesagt, mein Deutsch ist „scheisse“.

Ein riesiges Gemälde von vielen Menschen mit vielen Hautfarben und offensichtlich auch vielen unterschiedlichen Religionen, die glücklich zusammen lächeln und sich den Platz auf dem Bild teilen. Darauf steht: „Alles …“

Ich liebe die Botschaft. Ich liebe das „Zusammenrücken“, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht so recht, was ich davon halte, mich selbst auf einer Leinwand zu sehen, die zum Zusammenleben auffordert. Brauchen wir dafür wirklich Spruchbänder?

Menschen! Enttäuschende Menschen!

Die Anarchisten verlassen den Park mit Musik und Jubelschreien, gefolgt von ein paar schützenden Polizeiwagen, eine Band folgt ihnen und die andere bleibt für einen zweiten bunten Karneval.

Fröhlichen wütenden Karneval!

(Am nächsten Tag wird auf einem Blog von der lauten und bunten anarchistischen Demonstration um vier Uhr nachmittags berichtet werden.)

Am Abend gehe ich noch einmal in den Park, zu der Bocciabahn, wo man am Wochenende in friedlicher Gesellschaft ein paar Bier trinken und rauchen kann.

Ein Spieler, Marcio, der immer eine Zigarre raucht, immer schreit, immer lacht, immer danebenwirft, winkt ab, wenn man den ersten Mai erwähnt. „Eh“, sagt er und wirft weiter daneben.

Damit verärgert er einen anderen Spieler, der das Spiel sehr ernst nimmt, denn er kann nicht auf der Bocciabahn auch noch verlieren, wo es bei ihm schon in anderen Lebenslagen nicht rund läuft. Zumindest beim Boccia muss er gewinnen.

Marcio lacht, raucht, verliert und raucht und lacht.


Mehr von Rabab Haidar

Unerwartete Schönheit

Die Nachricht über einen neuen Krieg in Europa ist wie ein Steinschlag, während der alte Krieg im Nahen Osten ungehindert weiterwütet.

„Flüchtende, die nach Süden ziehen, stehen bei der vereinigten Welt niedriger im Kurs als die, die sich nach Norden wenden. Söldner aus dem Westen sind zunächst weniger gefährlich als die aus orientalischen Ländern. Heimlich über die Grenzen eingesickerte Kämpfer sind blutrünstiger als die, die mit Flugzeugen kommen. Beide jedoch lassen den Dollarkurs steigen und erschöpfen den Gemüsemarkt.

Ü: Christine Battermann, 2017) https://weiterschreiben.jetzt/texte/rabab-haidar-kriegsbericht/

Verschmutzte Ozeane, ölverschmierte Möwen und an Sixpack-Ringen aus Plastik erstickende Schildkröten sind die einfachste Darstellung menschengemachter Katastrophen auf diesem Planeten – der Wechsel von Plastiktüten zu Tüten aus Papier scheint wenig zu bringen –, unsere bewusste Entscheidung für Avocado-Dressings als natürliche, vegane Alternative hat zu einem Avocado-Kartell geführt, wo parallel zu den Drogen-Kartellen in Mexiko Geld in falschen KreiVerschmutzte Ozeane, ölverschmierte Möwen und an Sixpack-Ringen aus Plastik erstickende Schildkröten sind die einfachste Darstellung menschengemachter Katastrophen auf diesem Planeten – der Wechsel von Plastiktüten zu Tüten aus Papier scheint wenig zu bringen –, unsere bewusste Entscheidung für Avocado-Dressings als natürliche, vegane Alternative hat zu einem Avocado-Kartell geführt, wo parallel zu den Drogen-Kartellen in Mexiko Geld in falschen Kreisen zirkuliert.

Heutzutage ergeben Verschwörungstheorien mehr Sinn als Artikel mit politischen Analysen in findigen Zeitungen und Wirtschaftsmagazinen. Dass Aliens über die NASA Kontakt

aufnehmen wollen, klingt nach einer vielversprechenden Nachricht, während die Theorie einer Weltherrschaft „dominanter, böser reptilischer Blutlinien“ eine Art ist, Korruption zu sehen.

„Komm“, sagt ein Freund einladend, „das ist eine berühmte, alte Bar, die im Laufe der Zeit schon so einiges gesehen hat. Da gehen viele Künstler hin. Komm! Es ist schön da.“

Ich packe die Schwermut in eine kleine Tasche, doch sie rempelt mich weiterhin an, während ich versuche, in der eleganten und gemütlichen Bar eine Unterhaltung zu führen.

Unna“, schlägt mein Freund vor, „das ist ein nettes Städtchen für einen Ausflug.“

Der Kellner lauscht unserer Unterhaltung mit halbem Ohr und stimmt zu.

Also fahre ich nach Unna.

Bei der Kirche, die sich in der westdeutschen Stadt natürlich mitten auf dem Hauptplatz breitmacht – oder hat sich eher der Rest der Stadt um die Kirche herum versammelt? –, beginnt die Hauptstraße von Unna, wo alte Häuser stolz die vergangene Zeit zeigen, während sie weiterbestehen, bescheidene, schöne, lebendige, braun-weiße Fachwerkhäuser.

Hinter einer Ecke verbirgt sich ein Garten, wie direkt auf einen etwas erhöhten Gehsteig gepflanzt, zu dem man über drei Stufen gelangt, mit bunten Stühlen und interessanten Tischen unter großen Bäumen, in denen Windspiele hängen, zarte und präzise, glasartige Melodien; „probier mal“, sagen die Glocken, also gehe ich die drei Stufen hinauf, ein altbekannter Trick der menschengemachten, aerodynamischen kinetischen Kunst!

Zwischen den Stühlen steht ein knallrosa Tisch mit einer alten Schreibmaschine und einem handgeschriebenen Schild neben einer Vogeltränke, an einer Mauer dahinter hängen alte Kompasse, recycelte Kunst, ein paar alte Vasen mit spielerischen, beinahe kindlichen Mustern, ein oranger Krug mit weit aufgerissenen Augen bemalt, er starrt uns an und wir starren zurück. Wer hat behauptet, Kunst sollte ungefährlich sein?

Die Zeit steht still und das kinetische Element tut, was es am besten kann: täuscht Bewegung vor und manipuliert Raum und Zeit – besondere Merkmale der kinetischen Kunst. „Wie schön!“, sagen wir ehrfürchtig.

Beim Verlassen des wundersamen Kleiderschranks/Gartens fehlt ein Schild,

um uns zu sagen, ob der Weg nach links oder rechts weitergeht, ein kleiner Durchgang zwischen zwei Gebäuden führt aber in einen kleinen Hintergarten oder vielleicht auch eine Hintergasse.

Die Hintergasse ist eine alte Hauptstraße mit Häusern aus Holz und Lehm, leise klingt Jazz aus einer offenen Tür, fordert uns auf einzutreten, so wie der Garten uns vorhin mit Farben und Glockenklängen eingeladen hat, heißen uns der Jazz und die offene Tür jetzt willkommen. Drinnen wird die Musik deutlicher, in einem kleinen Eingangsbereich hängen ein paar Bilder ohne Rahmen und eine Treppe mit rotem Handlauf führt zu einem Dachboden.

Oben auf der Treppe stehen Alice-im-Wunderland-Taschenuhren gefangen in einer klaren Flüssigkeit in Einmachgläsern auf einem langen Holzregal. Daneben befindet sich eine riesige Glühbirne befüllt mit einer dunkelblauen, meerartigen Flüssigkeit, auf die zwei winzige Taucher versuchen hinaufzuklettern.

Das befriedigende Gefühl, wenn man bereitwillig aus der Realität gerissen wird. „Wie schön“, sagen wir staunend.

Gegenüber von dem Glühbirnen-Meer steht ein Mini-Fahrrad mit einem Mini-Radler, der auf einer hölzernen Wolke schwebt, hinter uns an der Wand hängt ein Bild von einer Metallspirale, vor uns tickt eine Uhr und bewegt darin gefangene Mini-Leute, die immer wieder dieselbe Geste wiederholen.

Man fühlt die Botschaft, bevor man sie versteht. Kinetische Illusion, Ästhetik der Zeit!

Wer hat gesagt, kinetische Kunst wäre unschuldig? Es ist

das Recyceln von Materialien und Produkten, nachdem Menschen und Zeit sie konsumiert haben, es ist die Wiederbelebung des Konsumierten, wer hat gesagt, Wiederbelebung wäre ein geschmeidiger Vorgang?

„Guten Tag, hallo, guten Tag.“ Drei markante Stimmen erklingen aus dem nächsten Raum zu unserer Rechten, also folgen wir ihnen, denn in dem Moment sind sie die einzige Gewissheit.

Eine Frau mit dunklen Haaren, ein Mann mit runder Brille, und ein Kunde aus der Nachbarschaft, der schon bald stolzer Besitzer des Glühbirnen-Meeres werden sollte. Der Laden gehört den Künstlern Frauke und Dietmar Nowodworski, die auch den Kleiderschrank/Garten am Gehsteig kreiert haben, von dem wir gerade kommen.

Aber das durften wir nicht!“, sagt Frauke, „Oh nein, es war ja ein öffentlicher Raum, wir hätten eine Sondererlaubnis des Rathauses gebraucht, aber das wussten wir nicht, wir haben die Ecke aufgeräumt, die leeren Alkoholflaschen entsorgt und die gebrauchten Spritzen, den Müll, den Dreck. Wir hatten schon ein paar Blumen gepflanzt und die Kunstwerke aufgestellt, als sie uns mitgeteilt haben, dass es streng genommen verboten ist, aber sie fanden eigentlich gut, was wir gemacht haben, nur eine Treppe hat noch gefehlt, denn wenn jemand hingefallen wäre, hätte man es auf das Rathaus zurückgeführt! Also haben sie die drei Stufen an der Seite angebracht.

Komm“, sagt der Kunde/Nachbar von meinem Enthusiasmus angesteckt und bringt mich zu Regalen mit gebrauchten Materialen, erneuerten Einzelteilen, Spielzeug und Gegenständigen des täglichen Lebens, rekonstruierte und wieder zum Leben erweckte, recycelte Kunst. Er zeigt auf kleine Figuren, gefangen in der Zeit, in leeren Glühbirnen, in ihrem eigenen Reich.

Komm“, sagt Frauke und bringt mich zu einem kleinen Eckladen, „das ist die Vorderseite eines echten, alten Kiosks, voller Kitsch, alles nützlich, bunt und lebendig, der Kiosk an der Ecke war der Ort, wo man alle Neuigkeiten kannte, alle Nachrichten, vom Nachbarschafts-Tratsch bis hin zu den Geschehnissen in der Welt, viel zuverlässiger als die Zeitungen.“

Komm“, sagt Dietmar und winkt mich zu sich. Ich folge ihm schnell, um ihn nicht in einer dunklen Ecke aus den Augen zu verlieren. Erst ein Raum, dann ein anderer, und schon stehen wir in seiner Werkstatt in einem Hinterraum des Dachbodens.

Die Zeit hängt an Angelleinen von der Decke, trägt ein paar fertige, ein paar unfertige Installationen, manche sind Müll, aus dem Ideen geformt und erst noch zum Leben erweckt werden müssen.

Spiralen, Drähte, an denen winzige Figuren hängen, die auf unterschiedlichen Dinge in ihrer Welt zeigen, der Raum nimmt die Form einer Glühbirne ein, die Zeit kann einfach stillstehen und sich auflösen.

In welcher Richtung liegt Berlin?“, frage ich beim Anblick eines runden Kompasses auf einem Stück Holz unter einem Stein aus der alten Kirche, also versuchen wir es herauszufinden. „Alle Städte können überall liegen, der Kompass formt die Welt um“, lacht Dietmar.

Wieder draußen auf den alten Straßen der Altstadt von Unna, wo Häuser aus dunklem Holz und weißem Lehm in die Luft ragen, während die Zeit an ihnen vorbeizieht. Hoch oben an der Ecke zwischen zwei Gebäuden hängt eine Statue des letzten Nachtwächters von Unna, mit einem Speer in der einen und einer Laterne in der anderen Hand; eine Begegnung mit der Vergangenheit von vor fünfhundert Jahren.

In Form von Nachhaltigkeit und Recycling! Die Gedanken schweifen von den Problemen, die die Menschheit schamlos kreiert, zu der wunderschönen Straßenkunst von Unna, Nachhaltigkeit und Neuschöpfung, das Kunsthaus der Nowodworskis, die alte Brauerei als Teil einer Lichtinstallation, Licht, könnte die Lösung in individuellem Bestreben liegen? Könnten Individuen die Veränderung sein?

Können wir?

Kann die Menschheit den Planeten auf einer Hand tragen?

Mehr von Rabab Haidar

stumbling upon beauty

The news of a new war in Europe is rock-falling as the old war in the Middle East is still streaming strong.

“Flüchtende, die nach Süden ziehen, stehen bei der vereinigten Welt niedriger im Kurs als die, die sich nach Norden wenden. Söldner aus dem Westen sind zunächst weniger gefährlich als die aus orientalischen Ländern. Heimlich über die Grenzen eingesickerte Kämpfer sind blutrünstiger als die, die mit Flugzeugen kommen. Beide jedoch lassen den Dollarkurs steigen und erschöpfen den Gemüsemarkt.”

https://weiterschreiben.jetzt/texte/rabab-haidar-kriegsbericht/ (Rabab Haidar, 2017)

Polluted oceans and suffocated turtles with plastic can holders and seagulls soaked in spilled oil, are the most simplified representation of man-made disasters on the planet- using paper bags instead of plastic bags seems to solve almost nothing- our conscious choice of avocado dressings as a vegan natural alternative created an avocado cartel neighbouring the drug cartels in Mexico, money circulating in the wrong channels.

It is „Today, “ where conspiracy theories make more sense than the analytical political articles in resourceful newspapers and economic magazines. the alien trying to contact us through NASA sounds like promising news, while the theory of „dominant evil Reptilian bloodlines“ ruling the planet, is one way to see the corruption.

Come,“ a friend invites me, „the bar is an old famous place, visited by many artists and shifted through time in many phases, come, it is a nice place to visit!“

As the gloomy ideas poke me from within the small pocket I tried to bury them in, I try to have a conversation in the elegant cozy ambient bar.

Unna“ my friend suggests something that I may be interested in seeing, „it is a nice city to visit.“

The waiter who was earesdropping and sometimes sharing our conversation, agrees.

Thus; Unna, it is.

After the church- that, naturally, takes its place in the middle of the main square in the West German town- or maybe the city gathers around the church- starts Unna’s main street of old houses displaying proudly the time that folded back while they are still standing, humble beautiful living brown and white houses of wattle and daub.

Behind one corner is a garden planted on what looks like a three-steps high sidewalk, the chairs are colourful with interesting tables under big trees, the big trees have wind chimes, delicate and sharp glass-like tunes; „try me“ the chimes say thus you climb the three steps, a trick well known of the aerodynamic kinetic art created by man!

Among the chairs stands a bright pink table with an old typewriter on top, and a sign written by hand, next to it is a tray of water for birds, on the wall at the back hang old compasses, recycled art, a couple of old vases decorated by playful almost-childish designs, one orange jar with wide-open eyes drawn on it, stares at us as we stare back. Who said art should be safe?

The continuity of time pauses and the kinetic element does what it does best: Illusory motion and manipulation of space and time, those are distinct elements in kinetic art. “Beautiful!” we say in awe.

Stepping out of the wardrobe/garden with no sign to suggest to you to go left or right, but a small passage between two buildings invites you to use it to reach a hidden back yard, or maybe a back street.

The backstreet is an old main street, with houses of wood and clay, a piece of faint jazz music leaks out from an open door, suggest we may enter, as the garden previously invited us in with colors and chimes, thus the jazz music and the open door do. inside the music gets clearer now, a short doorway where frameless pictures were hung, then a stairway with a red sidebar leads up, to an attic.

On the top of the stairs, on one long wooden shelf, Wonderland pocket-watches are reserved in a clear liquid trapped inside Mason jars. Next is a huge empty light bulb with dark ocean-like blue liquid inside, and two miniatures of divers trying to climb the huge bulb to reach the inside.

The satisfying feeling of being willingly snatched from reality! “Beautiful,” we say in awe.

Opposite the ocean-in-a-bulb stands a miniature bicycle carrying a miniature of a man floating on a wooden cloud, behind us is a wall picture of a metal spiral, and ahead of us a clock ticking moving miniature people stuck in time, repeating the same gesture.

The message is felt before it is understood. Kinetic illusion, aesthetic of time!

Who said kinetic art is innocent? It is the recycling of elements and goods consumed by men and time, it is the resurrection of the consumed, who said resurrection is a smooth operation?

Guten Tag, hallo, guten Tag” three distinctive voices coming from the next room to the right, we follow the voices as they are the only certain thing now.

A woman with dark hair, a man with round glasses, and a customer who is a neighbor, who would later become the proud owner of the ocean-in-a-bulb. The owners are the artists Frauke and Dietmar Nowodworskis who also created the sidewalk wardrobe/garden we visited before.

“But we were not allowed to do that!” Frauke says, “oh no, it was public property, we were supposed to have special permission to do so by the Rathaus, but we were not aware of that, we cleaned the corner, cleared the empty alcohol bottles, used syringes, the waste, and dirt …

We had already planted the flowers and the artworks when they called us saying it is not allowed, but they say what we did is beautiful, the sidewalk garden has no stairs though, and if someone falls it is the Rathaus‘ responsibility! so they make the three steps on the side.”

Come,” says the customer/neighbour caught in my enthusiasm, leads me to shelves of used materials, renewed elements, toys, and daily life objects, reconstructed and brought to life recycled art. points at figurines caught in time, inside empty bulbs in a realm of their own.

Come,” says Frauke leading me to a corner kiosk “it is a real front of an old corner kiosk, full of what you call it kitsch, all useful colourful and alive, the corner kiosk was the place to know the news, all news, from the neighbours’ gossips to the world events, more reliable than the newspaper’s news.”

Come,” says Dietmar waving for me to follow as I scurry so I will not lose him in some hidden corridor. One room inside another and we are inside his workshop. The back room of the attic

The time hangs from the ceiling by fishing strings, carrying some-finished-some-not installations, some are waste forming ideas yet to come to life. spirals, wires, holding miniatures, pointing to different places inside their world, space is taking the shape of a light bulb, time can freeze midair and dissolve.

Which direction is Berlin?” I ask looking at a big round compass on a piece of wood, under a stone from the rumbles of the old church, we try to determine where Berlin was “all cities can be anywhere, the compass rearranges the world” Dietmar laughs.

Outside, back in the old streets of Old Unna, where houses of dark timber and white clay stand straight, while time has folded back. high on a corner of two buildings hangs a statue of the last night’s guard of Unna, with a spear in one hand and a lantern on the other; a blast from 500 years ago.

As sustainability and recycling! Rethinking the problems we humans can shamelessly create, then the beautiful street art of Unna, sustainability and recreation, the Nowodworskis art house, the old brewery that becomes a part of an exhibition of light, light, is it possible the solution relies on individual endeavors? may individuals manage to be the change?

can we?

Can Man carry the planet with one hand?

Mehr von Rabab Haidar