Interview 18 – nur eben keine Messen gebaut, sondern Menschen getötet

Meine Finger hämmern über Stunden auf die Schreibmaschine, meine Fingergelenke schmerzen danach für mehrere Tage, obwohl ich nicht einmal alles mitschreiben konnte, was J. erzählt hat. 21 Seiten Interviewmaterial. Und wenn J. nicht irgendwann hätte los müssen, zu seinem Team, die für den Abend eine Live-Aufnahme vorbereiten mussten, hätten wir vermutlich noch viel länger miteinander gesprochen. Es ging um Lobbyismus, um Achtsamkeit, um Krieg, ums Töten, ums Sterben, um Korruption, um Politik, um Träume, um Projekte, Ideen, Visionen, um Familie, darum, wie es ist, wenn der Kontakt zu den Kindern abbricht, wie es ist, wenn man Geschäftsmann ist, in den großen thinks tanks unterwegs, über 1,3 Millionen im Jahr verdient und dann plötzlich alles verliert, wie man wieder auf die Beine kommt und warum das alles vielleicht eine große Chance ist.

Ich zitiere im folgenden drei Ausschnitte, aber am besten lest ihr das Interview einfach im Ganzen. Es lohnt sich!

TW: Gewalt / Krieg

J. erzählt von seinem humanitären Hilfseinsatz in Syrien:

„Die Syrer haben Bettlaken über die Straße gespannt, um den Scharfschützen die Sicht zu versperren. Aber wenn die Sonne falsch steht, sieht man die Schatten. Und plötzlich hören wir einen Knall. Und dann sinkt ein komplett weiß gekleideter Mann in das Laken. Blut läuft heraus. Und beim Tatort wird das immer so verniedlicht dargestellt, dabei läuft da alles aus einem heraus. Über den Randstein. Weil der ist ja zerschossen worden. Wenn ich mir das vorstell…ich bin ja auch Vater..ich hab den vor 30 Jahren schon Tarek genannt.“ Er lächelt. „Aber ich hab ihn seit 26 Jahren nicht mehr gesehen und er verachtet mich auch, aber ich schreib ihm immer noch Briefe, handgeschrieben, versuch meine Gedanken mit ihm zu teilen. Und hoffe, dass was auf ihn übergeht. Ich weiß nicht, was er mit den Briefen macht.“

Wir kommen auch auf J.s berufliche Vergangenheit zu sprechen:

„Mit 30 war ich ja schon senior consultant und Partner und von 89 bis 90 hab ich quasi die DDR im Alleingang auseinandergepflückt. Wir haben da die ganzen Beamten herausgeschmissen. Wurde damals von Brigit Breuel geleitet. Die wurde bestochen, persönlich Geld gegeben, ist jetzt auch dokumentiert. Das war n Machtspiel. N’Lobbyistenspiel der damaligen Beratungslobby. Bin mehrmals in Moskau gewesen. Hab dafür gesorgt, dass die ihre Aufträge zurückziehen und die Firmen für nothing bekommen. Die berühmten 5 Mark waren das damals. Wir haben da damals alle Maschinen raus. Überteuert wieder zurückgekauft. Die Marge war riesig. Und von diesem Geld wurden in China Flughäfen gekauft. Jeder dachte ja, jeder tut was gutes. Bescheid wusste da nur die oberste Etage. Man traf sich in Think Tanks zu nem guten Glas Cognac und ner Zigarre und überlegte, wie man Probleme zu lösen hatte. Das gibts im Kleinen und im Großen. Und der große Plan, der dahinter hing, war ja eigentlich der Sowjetunion zu schaden, da waren oft so lukrative Aufträge dabei, dass das Unternehmen überlebt hätte. Aber wir haben dann die Preise neu gemacht. Und sie mussten ihren Autrag zurückziehen. Wir haben da wirklich sehr viele Menschen unglücklich gemacht.“

Heute macht J. viele Menschen glücklich. Plant mit seiner Energie Projekte für andere Menschen; ein Künstlerhaus in Portugal oder eine Plattform in Düsseldorf, die Künstler fördert und unterstützt. Seine 200 Anzüge hat er alle verschenkt, an Geflüchtete. Einer hat neulich darin geheiratet.

 

 

 

 

 

 

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Interview 17 – like the hamster in the wheel

B. trägt Armreifen, die aus alten Bombenteilen gefertig wurden. B. lacht viel und herzlich und gestikuliert mit den Händen und Armen, wenn sie spricht. Sie erzählt mir, dass sie seit der Pandemie arbeitslos ist, dass sie aktuell lebt wie eine „retired woman“. Dann lacht sie. Davor hatte sie als Fotografin für ein Reiseunternehmen gearbeitet, ein ganz normaler 40-Stunden-Job sei es gewesen. Jetzt hat sie Zeit. „And it like it. I can live like i want. I go a lot into the nature. In the park. With the Bike. And trying to figure out what I want for my next chapter.“ Vor dem Lockdown habe sie sich ein bisschen wie der Hamster im Rad gefühlt. Dabei sei ihr Freiheit sehr wichtig. Deshalb müsse sie nachdenken, wie sie Freiheit und Arbeit kombinieren könne. Während ihrer Berufstätigkeit sei ihr das nicht gut gelungen. Sie sei ein sozialer Mensch, habe viele Freunde, viele Hobbys. Und der Tag zu wenig Stunden. Sie sagt: „I structured my hobby time not very well…so I was always lack in doing what I want.“ Ständig werde einem gesagt, dass man dies und jenes tun soll, einfach nur 10 Minuten jeden Tag, aber wenn man all das zusammen nehmen würde, hätte man wieder keine Zeit. Selbst jetzt, ohne Job, ginge es ihr so. Sie sagt: „I write down the things I have to do. To not lose them in my mind. I have no timetable now. But I write them down. For example playing music, writing, or I learn Indonesia on my own or write about my trips.“

Nach Deutschland kam sie wegen der Liebe. Geblieben ist sie für die Freiheit. Sie erzählt: „In 2005 I got an erasmus scholarship and that changed my life. Because I experienced a lot of cultural interchange and met a lot of germans. And actual I had a german boyfriend. And then I went to Hamburg because of him. And then…it failed…of course…this relationship.“ Sie lacht. „And then I went back to spain for 3 years. Work in my field. But it was very difficult. Then I found a job in Düsseldorf. And I left. Not because of the job, also because of the experience of living abroad. But…at that age I thought, the germans live very freely. We in Spain live with our parents, because we have no money. And the germans live on their own since their 18. For me that was freedom.“

 

 

 

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Interview 16 – Wäscheberge, Regenbogen, Schutzmasken

Der Lockdown hat zwar manches schwieriger gemacht, aber uns auch gezeigt, dass sich Entfernungen überwinden lassen. Zumindest virtuell. Ich sitze in Düsseldorf an meinem Schreibtisch, B. in Paris. Vor mir steht mein Laptop und die Schreibmaschine, vor B. liegt ihr Hund. Uns trennen rund 500 Kilometer, zwei Landesgrenzen und der Lockdown, der in Frankreich viel strenger ist als bei uns und B. nicht einmal erlaubt, ohne Gründe das Haus zu verlassen. Im Hintergrund kann man die Sirenen hören.

Wäscheberge, Regenbogen, Schutzmasken – das seien die drei Begriffe, die B. spontan zu ihrem derzeitigen Alltag einfallen würden.

Ihren Alltag würde B. als Phasen beschreiben: „Phasen, wo ich nur Hausfrau und Mutter bin. Phasen, wo ich nur Autorin bin. Ich kann mich nie auf eine ganz konzentrieren, das ist eben schwierig als Familie.“ Sie sagt: „Ich hab mir gerade ein Buch gekauft, the slow moon rises, das kannst du zitieren, so stelle ich mir meinen Alltag vor.“

Wir reden über die Menopause, B. erklärt mir, dass es das nur bei Menschen gibt und das diese Phase kulturell sehr unterschiedlich geprägt ist. In Deutschland werde es dramatisch gesehen, mit Hitzewallungen usw., in anderen Kulturen sei es eher ein Neustart. Und sie freue sich eigentlich darauf. Auf einen Neustart, wenn die Kinder groß sind. Einfach nur Schreiben. Weil im Moment „das einfach so n Kampf ist, sich das freizuschaufeln.“ Sie wünscht sich: „Einfach die Zeit haben. Den Kopf frei haben.“

 

 

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Interview 15 – Analysen der Realität

In dem Hinterhof, in dem ich L. treffe, steht noch diese alte Zapfsäule. Mittlerweile kann man hier nur noch Ruhe tanken. Von Ruhe spricht auch L. Seinen idealen Alltag beschreibt er so: „Dass man in dem Alltag sich selbst findet, indem man Ruhe hat. Ruhe und Zeit hat an sich zu kucken, sich innerlich anzuschauen, damit man sich eine Idee vom Leben macht und sich eine überraschende Zukunft bildet. Dass man jeden Tag etwas neues findet von sich und der Welt. Dadurch findet man viele neue Richtungen.“

„Ruhig, gespannt, versprechen“ – mit diesen drei Worten würde er seinen idealen Alltag beschreiben.

Seine Haupttätigkeit sei das Lesen. Und das Schreiben. Damit etwas Neues zu gestalten, sei die beste Entwicklungsform. „In einem Wort zusammengefasst ist die Suche nach Informationen, nach Analysen der Realität, das schönste Ergebnis, das man erreichen kann.“

L. ist ein Philosoph. Und er drückt sich sehr gewählt aus. Überhaupt tun das alle Menschen, mit denen ich spreche, die nicht Deutsch als Muttersprache haben. Alle haben sie gemeinsam, dass sie sich für die Zeit, die sie in Deutschland leben, sehr gut ausdrücken können, wie ich finde – und, dass sie trotzdem permanent darum besorgt sind, dass sie Fehler machen könnten. Während meine Deutsch-Muttersprachler es witzig finden, wenn ich einen Tippfehler in ihr Interview mache (und ich mittlerweile auch), fragen meine Nicht-Deutsch-Muttersprachler ständig nach, ob das das richtige Wort gewesen sei, fragen, ob ich ihre Wort- und Grammatikfehler verbessere (was ich nicht tue) und kommen, wie L., sogar mit Stift und Papier, um sich Notizen zu machen. Ich begreife, wie groß diese Angst, Fehler zu machen, sein muss. Von außen scheint sie zwar unbegründet, ich finde den Dialekt, dieses Individuelle, Fremde, was einen ausländischen Einschlag vermuten lässt, was einen zum Rätseln animieren kann, aus welchem Land derjenige stammt, welche Sprache seine Muttersprache ist, sogar sehr chamant. Ich mag diese sprachlichen Eigenarten. Ich will sie nicht „verbessern“, will ihnen möglichst wenig meinen Stempel aufdrücken. Und trotzdem muss ich feststellen, dass diese Sprache, die die größte Barriere in einem fremden Land darstellt, die – wenn korrekt gesprochen – Türen öffnet, mit sehr viel Unsicherheit und Angst behaftet ist. Und nehme mir fest vor, zukünftig noch mehr Rücksicht darauf zu nehmen. Und Menschen weiter zu ermuntern, trotzdem mit mir zu sprechen. Selbst wenn nicht jedes Wort stimmt, ist es gerade das, was die Interviews ausmacht. Dass sie unkorrigiert sind, unverändert, authentisch.

 

 

 

 

 

 

 

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Interview 14 – wenn du das Leben hier verstehen willst, musst du es einmal umdrehen

Dieses Foto, aus der Kiefernstraße, der Graffiti-Straße Düsseldorfs, erinnert mich an K. Lebendig, bunt, sprühend. K., die aus Lateinamerika kommt, aus Lima in Peru. Die aussieht wie 30, nicht wie 40, der man gerne beim zuhört, wie sie gestikulierend von ihrem Heimatland erzählt, der Fröhlichkeit, der Spontanität. Sie sagt: „Weißt du, ich habe einen Prozess erlebt. In Peru war ich keine emotionale Frau. Nur diese Fröhlichkeit. Hier…wenn du mit dieser Energie kommst, bist du wie ein Elefant im Porzellanladen. Sie lacht. Ihr Mann sagte immer: Psst, nicht so laut. Aber was solle sie machen. Und nicht spontan sein zu können, das sei schade.

In Peru müsse man spontan sein, sei auf Veränderungen, auf Krisen eingestellt. K. sagt: „Weißt du, dieser Alltag, der wechselt immer. Vielleicht kommt eine Diktatur.“ In Peru dürfe man aufgrund von Corona nicht raus. Sie habe als Kind Terrorismus erlebt. Da durfte man auch nicht aus dem Haus, es gab plötzlich keinen Strom mehr. K. sagt: „Zum Beispiel diese Coronasituation war eine Überraschung für viele Deutsche, ich verstehe das. Für mich war das normal. Eine Epidemie, ein Krieg…das ist bei uns normal. Nur dass ich nicht mehr normal mit dir sprechen kann, nicht mehr umarmen, das war das Problem.“ Allerdings sei die Armut drastisch gestiegen. „Viele Leute in Paru bekommen täglich Geld. Wenn sie nicht arbeiten, können sie nicht essen.“

Sie sagt: „Wenn du hier lebst, Sicherheit ist normal, genetisch.“ Sie lacht, in Paru sei das anders.. „Wieso brauchst du Sicherheit, wenn du nicht weißt, was morgen kommt? Wir sind wie Kinder. Dann kommt Papa Europa, Deutschland, Frankreich,… und sagt: Ich habe die Lösung. Ich habe einmal mit einer Niederländerin gesprochen, die 30 Jahre in Peru gelebt hat, und sie hat gesagt: Weißt du, das Leben ist hier umgekehrt. Wenn du es verstehen willst, musst du es einmal umdrehen.“

K. erzählt davon, wie sie in Deutschland erstmals in einer Buchhandlung war: „400, 500 Krimis, 10 Regale, da habe ich gesagt: Du musst nur einen Tag nach Lateinamerika gehen, da hast du deinen Krimi in real. Hier ist es für mich wie in einem Kindergarten. Alles ist aufgehoben, alles ist sicher. Ich weiß, dass das viele Deutsche nicht so sehen. Sie seit 2016 unsicher sind und ich sage ah jaja, aber für mich ist es nicht so. Hier ist alles so sicher, so geordnet, hat Struktur. Diese Sicherheit ist für mich Gold. Ich sehe kein Chaos. Wo ist hier Chaos?“ Sie lacht. „In Lima ist es anders. Diese Fröhlichkeit, Spontanität. Ein Witz, den sie über die deutsche Spontanität dort machen: Die Deutschen sagen: Jetzt müssen wir spontan sein. Auf einer Hochzeit: Jetzt müssen wir für drei Minuten spontan sein.“ Sie lacht. „Aber so funktioniert Spontanität nicht. Spontnität ist, es einfach zu machen. Nicht darüber nachzudenken.“

Sie erzählt mir, dass es in Lima auch viele Menschen mit Schreibmaschinen gibt. Die damit auf der Straße sitzen und gegen Bezahlung Formulare tippen, weil man die nicht wie hier einfach in 5 Minuten auf dem Amt bekäme. Hier sei sie auf einem Amt gewesen und die Frau habe sich bei ihr entschuldigt, dass das Dokument erst in 10 Minuten komme. Sie lacht. Aber was seien 10 Minuten. In Lima seien das 3 Monate.

2013 sei sie nach Deutschland gekommen, weil ihr Vater gestorben sei und die Gesundheit ihres Mannes nicht gut war. Hier hätten sie eine Mail geschrieben, um die Rente ihres Mannes zu bekommen, in Lima habe es ein Jahr gedauert, bis ihre Mutter die Pension bekam, noch ein Formular und noch eines, sieben Stempel.

Ob die Worte hier und in Peru anders besetzt seien? Ja, sagt sie, Freundschaft sei hier ein besonderes Wort. In Lima sei es anders, alle sind deine Freunde. Ein Freund von ihr war hier in Deutschland in der Disko, hat mit jemandem getrunken, gelacht. Hat gedacht: Jetzt habe ich endlich einen Freund. Und am Ende hätte der andere einfach Tschüss gesagt. Sie lacht. In Lima seien alle deine Freunde. Wenn du mit jemandem redest und ein anderer kommt dazu, sagt man sofort: Das ist mein Freund. Aber es gibt ein Sprichtwort: Wenn die Kartoffeln heiß sind, sind sie alle weg. Cuando los papas queman. Wenn die Kartoffeln brennen. In Lima sei die Familie wichtiger als die Freunde. Sie muss dir helfen.

Sie sagt: „Ich habe viele unterschiedliche Leute kennengelernt hier in Deutschland. Das ist ein Vorteil. In der Hauptstadt ist das Leben anders als hier. In Lima geht alles schnell.“ Alles was sie hier gearbeitet habe, sei freiwillig gewesen. Um nicht den Kontakt zu verlieren, zu dem, was ihr Spaß mache. Weil: „Wenn du als Ausländer in eine Kette kommst, zum Beispiel als Kellner, bleibst du in dieser Kette.“

Eigentlich ist sie Soziologin, hat in diesem Bereich gearbeitet, aber auch Erfahrung im Modedesign. Sie sagt: „In Peru konnte ich einen Begriff gut erklären. Hier…ich muss ehrlich sein, ich hatte Angst, als ich hier her gekommen bin, konnte nichts erklären, ich wollte viel sagen und hatte die Worte nicht.“ Im Spanischen gebe es ein Wort: ein Cuco. Wenn Kinder erschrecken, sagt man: Da kommt ein Cuco. Mit jemandem zu sprechen, war für sie ein Cuco. Auch ein Interview zu machen. Immer die Angst, einen Fehler zu machen.

Aber es gebe auch Vorteile dieser Abgeschiedenheit. In Deutschland habe sie sich selbst erst richtig kennengelernt. „Das war ein Vorteil. Ich musste ruhig sein, ich musste nur mit mir sprechen.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Interview 13 – keine Pause, keine Nacht

„Also es gibt quasi ne Disziplinierungs- und Strukturierungsaufgabe gegen den Virus, den digitalen. Nach der Vorlesung nicht am Rechner sitzen bleiben, sondern rausgehen, um nicht am Laptop hängen zu bleiben, die Mails müssen warten. Ich gehe auch viel mit Freunden in den Wald zurzeit.“

U. und ich haben uns trotzdem nicht im Wald getroffen, sondern vor dem Bildschirm. Mein erstes virtuelles Interview. Der Gegenüber ein zweidimensionales Pixelfeld, das Klappern der Schreibmaschine so laut, dass es per Videokonferenz noch schwerer ist, den Gegenüber zu verstehen. Dafür funktioniert es aber erstaunlich gut. U. findet das wohl auch, er sagt: „Jetzt geht ja auch irgendwie und es entsteht auch eine Nähe. Aber es ist doch nur ein Bild. Unscharf, verschwommen, verpixelt. Ich finde es spannend, dass die Zeit so eine Unschärfe macht.“

Wir reden auch darüber, ob sich etwas verändert hat, durch die Pandemie, den Lockdown. „Ja, unbedingt, also die online Zeit, die ich als nicht reale Zeit wahrnehme, hat sich verlängert. Alle Kollegen waren plötzlich ständig online. So als gäbe es plötzlich keine Zeitzone mehr. Keine Pause, keine Nacht. Weil ständig neue Ideen reinkamen. Es ist sehr viel langweiliger, sehr viel anstrengender. Was eigentlich nicht zusammenpasst, das passt eben doch, weil die Menschen fehlen.“

Aus Stuttgart werden im Lockdown ein Dorf: „Und eigentlich ist es ganz witzig: Wenn ich im Kiez umgehe, eine Pause habe, sehe ich immer die gleichen Menschen, ganz unterschiedliche Menschen, das macht etwas dörfliches.“

Wie er sich seinen Alltag in 5, 10, 20 Jahren vorstelle? „Es wird so ähnlich sein wie jetzt, aber es wird sich anders anfühlen. Vielleicht sind es ja die Einzelheiten, die die Qualität ausmachen. Es gibt da jetzt keinen Ort, keine Straße. Eigentlich schade. Weil wenn es so einen Sehnsuchtsort geben würde, könnte man darauf hinarbeiten, dorthin zu kommen.“

 

 

 

 

 

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